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Meer gefahren, um den Gästen den ersten deutschen Gruß aus der Heimath zu bringen. Der Dampfer ging Nachts bei Brunshausen vor Anker, und mit Morgengrauen ging von hier — es waren auch viele Anverwandte von außerhalb gekommen — eine Flotille von 30 Dampfern die Elbe hinunter, um die Ankömmlinge zu begrüßen und nach Ham burg zu geleiten. Die lachenden User, das treffliche Wetter erhöhten den Eindruck der alten Heimath für die Fremden nur noch mehr. Am Hamburger Hafen hatte sich die Menschenmenge zu Tausenden einge funden und das Bild, welches der mastenreiche Hafen mit seinen W»n- pln und Flaggen, die Häuser in Fahnen- und Bannerschmuck bot, war ein imposantes. Kurz nach 10 Uhr kam der Dampfer mit seinen 500 Passagieren in St. Pauli an und wurde mit endlosem Jubel aus Tausenden von Kehlen begrüßt. Die Hamburg-Allonaer Turner-Ver eine bildeten mit ihren Bannern Spalier und nahmen das Sternen- Banner von Cincinnati in Empfang. Am Nachmittag war öffentliches Schauturnen, demnächst Spaziergang nach der Uhlenhorst und Abends Festkommers. Breslau, 21. Juni. Wie furchtbar das Wetter am 14. Juni auch in Schlesien gehaust hat und welches Unheil die Ueberschwem- mungen ungerichtet haben, geht daraus hervor, daß nach amtlicher Feststellung ini Kreise Lauban 51 Personen ums Leben gekommen und 105 Wohnhäuser eingestürzt sind. Wiesbaden, 21. Juni. Ein wolkenbruchartiger Gewitterregen hat gestern Abend in Lorch großen Schaden an den Häusern und Weinbergen ungerichtet. In Frankreich zeigt sich Gambetta als Herr der Situation. Seinem Einfluß ist es gelungen, das Ministerium zu bewegen, dessen früheren Beschluß wegen der Amnestie umzustoßen. In einer am Donnerstag Abend bis nach Mitternacht stattgehabten Conferenz bei dem Ministerpräsidenten Freycinet, welcher die Präsidenten des Senats und der Kammer, sowie zahlreiche hervorragende Mitglieder der Linken beider Häuser beiwohnten, hielt Gambetta eine energische Rede für die Amnestie. Infolge dessen ist das Ministerium von seinem ablehnenden Beschluß zurückgekommen und hat die Gruudzüge eines Amuestiepro- jekts am Freitag diskutirt. Nach erlangter Zustimmung Grevy's, welche nicht bezweifelt wird, gilt es jetzt als gewiß, daß die Regierung die Amnestie beantragen wird. Alle Anstrengungen richten sich nun mehr darauf, den Widerstand des Senats zu brechen, welcher, Ivie man republikanischerseits glaubt, vor der Uebereinstimmung der Regierung und der Kammer nicht standhalten werde. Petersburg, 15. Juni. Der Ausbruch und namentlich das rasche Umsichgreifen der Rinderpest in Petersburg ruft ernstliche Besorgnisse hervor. Die Fleischpreise sind so beträchtlich gestiegen, daß die Zeitungen die Theuerungsfrage nach allen Richtungen hin behan deln. Wenn in diesem Jahre die russische Ernte nicht gut ausfallen, oder wenn Kornkäfer und Heuschrecken sie zerstören sollten, dann kann sehr leicht wieder eine Hungcrsnoth eintretcn. Die Petersburger Polizeimannschaft soll abermals um 1000 Mann verstärkt werden; die Zahl der Revieraufseher ist erst kürzlich -um 250 Mann verstärkt worden. Zum Untergange des Schulschiffes „Atalanta" meldet eine NewHorker Depesche vom 16. d.: „An der Küste von Massachusetts wurde gestern eine Flasche aufgefischt, die einen Zettel mit folgenden Worten enthielt: „April 17. Schulschiff „Atalanta". Wir sinken. Längengrad 26; Breitengrad 32." Dann folgten einige andere Worte -mit der Unterschrift „John L. Hutchius." Es läßt sich bis jetzt nicht feststellen, ob dies ein unzeitiger Spaß ist oder nicht. Vaterländische». Wilsdruff. Das am Dienstag über unserer Gegend von Westen her aufgetretene Gewitter hat in Blankenstein in das Gehöfte des Schmiedemeisters Grahl eingeschlagen, daselbst eine Kuh getödtet und «eine zweite betäubt, glücklicherweise aber kein Menschenleben vernichtet; der entstandene Brand ist rechtzeitig gelöscht worden. Im Nachbar dorf Tanneberg entlud sich ein Schloßenwetter und sollen durch die Anschwellung des Triebischbaches nicht unbedeutende Quantitäten Heu von den Fluchen mitfortgerissen worden sein. Auch in der Freiberger Gegend haben sich um dieselbe Zeit mehrere Gewitter entladen. In Eolmnitz würde das Wohnhaus und die Scheune eines Begüterten durch Blitzstrahle ingeäschert; in Hetzdorf schlug der Blitz in das Wohn haus der Wittwe Glöckner, welches total nicderbrannte, und dicht vor den Fenstern des Gutsbesitzers Göpel in einen Baum, an welchem er eine Staarmäste gänzlich zersplitterte und dann in die Erde fuhr, in der er ein tiefes Loch wühUe. Sämmtliche Gewitter waren von star- len Niederschlägen begleitet. — Hoffentlich trifft unsere Fluren, die von den Frühiahrsfrösten schon gelitten, aber mit wenig Ausnahmen immer noch einen guten Ertrag erwarten lassen, kein weiterer größerer Schaden. — Wie überall im ganzen Vaterlande, so regt sich auch unsere Stadt und Umgegend, zur Linderung des durch die jüngsten Unwetter über die Oberlausitz hereingebrochenen Elends ein Scherslein beizutra gen: In hiesiger Stadt sowie in den Landgemeinden finden Haus- fammlangen statt; außerdem wird im Nachbardorfe Kesselsdorf näch sten Sonntag Abend unter der Leitung des dortigen Herrn Cantors Won den Herren Lehrern der umliegenden Ortschaften unter Mitwirkung einiger anderer bewährten Kräfte ein Gesangsconcert, verbunden mitCither- und Pianoforte-Vorträgen, aufgeführt, welches voraussicht lich gewiß einen reichen Genuß bieten wird; ferner hat sich der intel ligente Wirth des fo überaus schön gelegenen Osterberges, Herr Leuschner, entschlossen, ein nächste Mittwoch bei günstigem Wetter stattfinden sollendes Jnstrumental-Concert, gegeben vom Herrn Musikdirektor Anders in Meißen und mit Brillantfeuerwerk verbunden, zu gleichem Zwecke abzuhaltcn. Die Redaction gestattet sich, die ge ehrten Leser auf die bezüglichen Annoncen im heutigen Blatte noch besonders aufmerksam zu machen. — Mögen alle derartigen Unter nehmungen einen recht reichlichen Ertrag gewähren, und wenn auch Lurch Lie größten Opfer die geschlagenen Wunden nicht geheilt werden können, fo wird doch die augenblicklich schreckliche Lage unserer Lan desbrüder einigermaßen Mlderung dadurch finden. — Se. Majestät König Albert hat sofort bei seinem Erscheinen auf der Unglücksstätte in der Oberlausitz für die Calamitosen die Summe von 10lX) Mark spenden lassen. Dieselben wurden an 107 Familien mit gegen 700 Köpfen vertheilt. Die rasche Hilfe desLan- desvatcrs und sein sofortiges Erscheinen auf der Stätte der Verwüstung hat nicht verfehlt, auf die schwer Heimgesuchten aufrichtend und trö stend zu wirken. Außer jener augenblicklichen Hilfe hat Se. Maj. der König noch weitere 3000 M., I. Maj. die Königin aber noch 2000 M. dem Hilfskomitee zustellen lassen, — Dresden. Dieser Tage hat auch Ihre Maj. die deutsche Kaiserin Augusta dem ihr von Berlin wohlbekannten Reichstags vizepräsidenten und Dresdner Sladtverordnetcnvorsitzendcn Hofrath Ackermann 600 Mark in hochherzigster Weise aus ihrer Privatscha tulle für die Oberlausitzer zur Verfügung offerirt und um Angabe ge beten, wohin die Summe dirigirt werden fvll, was dahin beantwortet wurde, daß das hiesige Komitee die Vermittelung sehr gern überneh men würde. — Am 21. Juni früh 6 Uhr ging ein weiteres Kom mando des Pionnierbataillons vom schlesischen Bahnhöfe in der Stärke von 1 Unteroffizier und 20 Pionnicren nach Oberoderwitz ab. Wegen Beginn der großen Pontonuierübuugcn auf der Elbe dei Harburg werden jetzt diejenigen Pionniere, welche Schiffer find, vom Kommando in der Lausitz zurückgezogen und durch Zimmerleute und andere Hand werker ersetzt. — Aus der Oberlausitz. Die zur Hilfe an die Unglücksstätten kommandirten militärischen Mannschaften leisten das Außerordentlichste und selbst an den Stellen, wo das verheerende Element die Güter der Menschen chaotisch zusammengeworfen hat, wird durch umsichtige Lei tung und treffliche Disziplin schnell Ordnung — soweit zunächst davon die Rede sein kann — geschaffen. Die Kommunikation ist bereits überall, wenn auch hier und da nur interimistisch, wieder hergestellt. Mit thränendem Auge und stiller Resignation begrüßten die Kalami- tosen die Helfer in der schweren Noth. Von den vielen einzelnen tief- erschütternden Szenen sei Folgendes erwähnt: In einer Parterrestube in Cunnersdorf saß eine Frau mit 5 Kindern, von denen das älteste 11 Jahre, das jüngste 10 Wochen zählte. Da strömte das Wasser in die Stube; aus derselben herauszukommen war nicht mehr möglich — angstvoll klammerten sich daher die Kleinen — von denen das Kleinste in der Schürze der Mutter lag — an die Letztere an. Das Wasser steigt rapid in der Stube. Die zum Tod erschrockene Mutter steigt mit den Kindern, die sich um ihren Hals hängen, erst auf einen Stuhl, dann aus das Fensterbret; einen höheren Standort giebt es nicht und doch steigt das Wasser unablässig. Es wird dunkel in der Stube, denn die Fensteröffnungen sind überflnthet; die Verzweiflung der Mutter steigt mit der Fiuth; nur ist noch so viel Raum, daß Sie ihren Kopf und die Köpfe der Kinder außer Wasser halten kann — der Tod steht ihr vor Augen. Die Luft wird schwerer — da ein Krach! „Kinder betet, jetzt kommt der Tod!" Doch, was war geschehen? Die Zwi schenwände waren durchbrochen, ein Hoffnungsstrahl winkt — das Wasser fällt. Um das Fallen des Wassers zu beschleunigen, zerstört die Mutter das Fenster: jetzt fällt das Wasser schnell, aber — es reißt auch ein Kind hinweg. Im letzten Augenblick kann die schwer geprüfte Mutter den blonden Krauskopf noch an den Haaren fassen und retten. Die Gefahr ist vorüber, das Wasser sinkt mehr und mehr, die Familie ist gerettet, bis auf den 10 Monate alten Säugling — der i» der Mutter-Arme» gestorben ist. Solche Szenen wären mit wenigen anderen Umständen viele zu erzählen. Wie die fürchterliche Katastrophe Elend über Elend häufte, so hat sie auch Großthaten ver anlaßt, von denen sich der Mund der dortigen Bewohnerschaft noch lange erzählen wird. Todesmuthigen Männern ist, wie nian hört, manche Rettung zu danken; leider sind mehrere solcher braven Männer auch Opfer ihrer Menschlichkeit geworden. Auch der Seelsorger Bern stadts, Herr Pastor Mosch, war nicht nur mit Worten am Rettungs- Werk betheiligt; mit seltenem Muthe gab er durch die That Allen ein Beispiel. Er versuchte es, nur an einem Seile hängend, nach einem weit obliegenden bedrohten Hause zu schwimmen und den dort Ver-' zweifelnden Hilfe zu bringen. Vergebens. Die reißenden Fluthcn schleuderten ihn immer wieder zurück, so daß er nach langem Rmgca ablasfen mußte. — Wie das „Dr. Journ." berichtet, sind die infolge der Wolken brüche in der Oberlansitz eingetretenen, an sich nicht sehr erheblichen Störungen in dem Betriebe der Staatseisenbahnlinieu bereits voll ständig beseitigt, so daß seit dem 18. Juni der regelmäßige Verkehr wieder überall ausgenommen ist. — Herrnhut. Im Laufe des 20. Juni trafen hier und in Oderwitz so stark besetzte Personenzüge aus Dresden und Warnsdorf ein, daß fast alle infolge langen Aufenthaltes an den Zwischenstationen sich weit über eine halbe Stunde verspäteten. Gegen 10,000 Personen mögen die Unglücksstätte in Oderwitz, noch mehr aber, namentlich von Görlitz und Löbau aus, die Bernstadter Gegend besucht haben. — Dresden. Das am 20. Juni stattgchabtc Fest der Fahnen weihe des „Deutschen Kriegervereins" wurde mit dem Kellerfest in den festlich dekorirten Räumen der Feldschlößchenbrauerei am Sonnabend Abend eingeleitet. Am 20. Juni entwickelte sich auf den gesammtcn Bahnhöfen und dem Dampfschifflandeplatze an der Elbe ern riesiger Verkehr. Mitglieder des deutschen Kriegervereins empfingen die an- gekvmmencn Gäste und dienten als Wegweiser. Die Straßen, durch welche sich der Zug bewegte, namentlich die Wilsdruffcrstraße, hatten schon tags vorher Anordnungen getroffen, um der Feier durch entspre chende Dekorationen und Flaggenschmuck ein allgemein festliches Ge präge zu verleihen. Der äußere Verlauf Ler patriotischen Feier be friedigte allgemein. Mindestens 150 Militärvereine aus fast allen Gauen des deutschen Vaterlandes und des nachbarlichen Böhmen waren in dem Festzuge, dessen Vorbeimarsch eine halbe Stunde dauerte, ver treten, und naturgemäß entwickelte sich zwischen den Kameraden aus allen Gegenden der Windrose, ohne Unterschied der politischen Grenzen, ein herzliches Einvernehmen. Kurz nach '/,4 Uhr erschienen die köni glichen Majestäten, tausendfach herzlich durch Hochrufe begrüßt von den Festlheilnehmern, die zum größten Theile vor Jahren unter dein Kommando des gefeierten Generalfeldmarschalls ihre Treue zu König und Vaterland in Feindesland bcthätigt hatten. Der Vorstand des deutschen Kriegervereins, Kamerad Lippold, begrüßte die k. Maje stäten, und nach der trefflichen Weiherede des Archidiakonus Ur. Frommhold, die von den mitwirkcnden Gesangskräften unter Direk tion des Liedermeisters Hückmann durch den Vortrag patriotischer Lieder gehoben wurde, begann der eigentliche Weiheakt, wobei Se. Maj. der König einen goldenen Nagel in den Schaft der geweihten Fahne einschlng und Ihre Maj. die Königin eine Schleife an die Fahne befestigte. Fast 1 Stunde schenkten die Majestäten der Festlichkeit ihre direkte Theilnahme. — Potschappel, 2,1. Juni. Heute Morgen Vr 1 Uhr ertönten von den Kirchthürmen in Dohlen und Deuben, sowie von einigen Schächten, die Sturmglocken. Wie man nun hörte, brannte es auf deni zu den Häuichener Srmnkohlenwerken gehörigen, ans Rippiener Flur sich befindlichen Schachie, woselbst die Kohlenwäsche mit diversen Kohlenvorräthen und einigen Schacht-Hunten ein Raub der Flammen geworden sein soll. — Ein schweres Unglück wird wiederum aus Hüttengruno