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Beilage sU Ar. 56 des ZDochelMLies für Wiksdruß eic (Fortsetzung folgt.) „Beruhige Dich, Kind, ich werde mich sogleich dorthin begeben." „Das befürchte ich eben, Du wirst Dich der Gesahr aussetzen Karl — und mich vor Angst sterben lassen." „Nun, nun, so schlimm wird es nicht werden," lächelte der Kon sul, „übrigens ist der junge Herr Willrich bei mir, er wird mich schon beschützen." . Willrich küßte die väterliche Hand und netzte sie mit Thränen, r M.jank M bevor der Conful es verhindern konnte, aus seine Kniee l "" stammelte: „O, dürfte ich Sie Vater nennen, — aber cs ist ja ein fchöner Traum, aus welchem die fchauerliche Wirklichkeit mich zu jäh entreißt." „Stehen Sie auf, mein Freund!" sprach der Konsul weich, „lassen l Beide vereint einen Ausweg aus diesem Wirrfal suchen, viel- finden wir eine befriedigende Lösung und bin ich Ihnen deßhalb i zweifach dankbar, daß Sie zu mir gekommen sind." ! Willrich erhob sich und setzte sich mit neubelebter Hoffnung dem ^rlichc., Freunde gegenüber Dieser öffnete das Packet nudchrüfte den Inhalt desselben. . „Das sind d'ie Bruchstücke des. gefälschten Wechsels, ich fand sie "unserer Wohnung," sprach Willrich leises „mein Vater besitzt eine Mr Gewandtheit in der Nachahmung fremder Handschriften und Mes ist der Wachsabdruck des Kassenschlüssels." Der Conful nickte, indem er ein beschriebenes Papier, ergriff. „Meine Anklage," fügte der junge Mann noch ieifer hinzu. Nasch überflog jener den Bogen und steckte ihn hastig zu sich. / „ „Sie wollten die Wahrheit dieser Anklage mit eigenem Tode be- 'Win. Ich ahnte dergleichen. Nein, nein, wir müssen einen andern Ausweg finden, Ihr Vater muß fort, Sie sollen von ihm beireit ,n erdeu, ohne Ihre Ehre einzubüßen; ich werde das Richtige schon fi nden. Still, klopfte nicht Jemand?" Er horchte, — wirklich cs klopfte leife an die Thür. U Der Konful öffnete, seine Gattin stand draußen, Angst und schrecken auf dem bleichen Antlitz. „Ach, bester Karl, ein Bote ist da von der Fabrik, die Arbeiter , bedrohen den Direktor, es soll fürchterlich hergehen." In diesem Augenblicke kam auch Erika herbcigestürzt. „Onkel, Du gehst nicht hinaus," bat sie, „die Arbeiter sollen draußen morden und brennen —" Sie hielt erschreckt inne, als sie Willrich erblickte. Eine Purpur- gluth bedeckte ihr Antlitz, verwirrt lächelte sie ihm zu, während der junge Mann sich tieferröthend verneigte. Der Konsul lächelte wehmüthi g, er schien diesen stummen Austausch der Blicke richtig verstanden zu haben, es schnitt ihm wie ein tiefes Weh durch's Herz. „Geht, Kinder," sagte er ruhig aber fest, „ich werde thun, was die Pflicht in diesem Falle mir gebietet." „Verlassen Sie den Onkel nicht, Herr Willrich," sprach Erika leise. „Gewiß nicht, Fräulein," erwiderte Jener bewegt, „wie gerne möchte ich mein Leben für ihn hingeben." Es war keine Phrase in diesem Augenblick, was der Konsul auch sehr wohl empfand, denn fest und innig war der Händedruck, mit welchem er dieses Wort ihm dankte. Nach wenigen Minuten verließen die Beiden das Haus," und kamen gerade an, als die Arbeiter des Direktors Haus verließen und nach der Fabrik zogen. „Dort ging mein Vater in des Direktors Haus," flüsterte Will rich leife, entsetzt stehen bleibend. „Ihr Vater? Sonderbar, daß er mir niemals zu Gesicht gekom men, ich kenne ihn gar nicht. Wollen wir ihm folgen?" „Ja," versetzte Willrich nach kurzem Nachdenken. Wirklich war es der Aufseher, welcher mit wilden Gedanken er füllt, in jenes Haus trat, das die Arbeiter soeben auf die entsetzlichste Weife, als hätten die Vandalen hier gehaust, zerstört hatten; die pracht volle fürstliche Einrichtung war total demolirt. Der alte Willrich stieg die breite Treppe hinauf höhnisch grinzend über diese Gräuel der Verwüstung. „Prächtige Jungen," murmelte er dabei, „ein solcher Anblick er füllt mich mit Wonne. Wo der Spitzbube sich wohl versteckt hat? Hier muß es sein, wie sie mir gesagt; verdammt wenn er sich geret tet hätte. , Im selben Moment wurde eine Thür geöffnet, Herr Wucherpfen nig schaute heraus. „Sieh' da, sieh' da Timotheus!" rief der Ausseher, „ich suchte Sie eben, theurer Freund und College, Ihre Position ist wohl nicht günstiger als die meinige." Er drängte den Erschreckten in's Zimmer zurück und verriegelte die Thür hinter sich. „Was wollen Sie denn von mir, mein lieber Willrich?" zitterte es bang von des reichen Mannes Lippen. „Nicht viel, mein Bester! — Ihr bischen Leben ist heute billig geworden. — Ich wollte Ihnen crgebcnst mittheilen, daß mein eigener Sohn mich als Fälscher ^und Dieb beim Gerichte angezciqt hat." „Sind Sie toll?" „Könnte es beinahe darüber werden, nicht wahr? Bald wird die Polizei mich suchen und finden, dann spazieren Sie mit mir, zur Ge sellschaft, liebster Freund!" „Lassem Sie die Possen," rief Wucherpfennig; „wollen Sie Geld haben?" „Ja wohl, der Herr Schwiegersohn wird wohl einiges im Hause haben." „Das haben die Räuber mitgenommen, — kommen Sie mit nach -'meinem Hause, mein lieber Willrich!" „Daß ick ein Narr wäre, übrigens habe ich selber Geld, — zum Teufel nein. Spitzbube! Dein Blut will ich, daran gelüstet mich! Du bist mein Henker, so empfange Deinen Lohn von mir." i Er zog einen Hammer unter den Rock hervor und schwang ihn mit wildem Gelächter um den Kopf. Wucherpfennig fchrie laut um Hilse und flüchtete sich in eine» Winkel. Draußen donnerten Schläge gegen die verriegelte Thür, laute Stimmen begehrten Einlaß. Wucherpfennig schrie erbärmlich in furcht barer Todesangst. „Heule, Bestie! die Pforten der Hölle öffnen sich zu Deinem Empfange!" rief Willrich, auf ihn eindringend. Ein furchtbarer Schlag tönte auf feinen Schädel nieder, dem cin kurzes Röcheln folgte; in demselben Augenblick wurde die Thür mit einem kräftigen Fußtritt aufgestoßen; Traugott Leidcnfrost, welcher dem Conful und Karl Willrich mit in's Haus gefolgt war, stand auf der Schwelle. „Sieh' Du kommst mir wie gerufen, mein Junge!" schrie der Mörder mit wildem Hohngelächter; „dieser Hammer ist auch stark genug sür Deinen dicken Schädel. Himmel und Hölle! — welches Gesicht tritt mir da entgegen, — so wahr ich lebe, — mein Sohn neben dem Verfluchten. He, Consul Wohlfahrt! erkennst Du Deinen alten Freund nicht wieder? — komm doch, daß ich Dich umarme für Deine Frenndfchast aus früherer Zeit." „Großer Gott!" sprach der Konsul sich wankend an seinen jungen Freund lehnend, „das ist der unselige Brander." „Es ist mein Vater!" flüsterte Willrich, der sich von einem Traum umfangen wähnte. „Dieser Mann heißt nicht Willrich, sondern Brander," fuhr er mühsam fort; „ich kenne ihn, es war mein Jugendfreund!" „Und seid einiger Zeit Dein Todfeind," schrie der Aufseher, dessen Augen wie die eines Raubthieres funkelten; „o, Stunde der Rache, ww habe ich dich herdeigesehnt, jetzt heißt es Auge um Auge, Zahn um Zahn," Getrennte Herzen. Erzählung von E. Heinrichs. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Fünfzehntes Kapitel. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Es mochte ungefähr eine Stunde vor jener Katastrophe in der ' Fabrik gewesen sein, als Karl Willrich das Haus des Consuls Wohl fahrt betrat und nach wenigen Minuten vor diefem stand. Das Ant- >iS des jungen Mannes war todtenbleich, doch lag in den schönen Zügen eine männliche Entschlossenheit, cin tiefer Ernst, der ihm das Aussehen eines gereiften Mannes gab. Und wohl hatten die letzten vierund- Mnzig Stunden ihm die Reife des Greifenalters gegeben, wollte er doch in diesem Augenblicke abrechnen mit allen Hoffnungen seines Lebens, ff mit diesem selber. Der Consul hieß ihn freundlich Platz nehmen und setzte sich ihm Mnüber, worauf er ihm forschend und erstaunt in's düstere Auge schaute. „Ich komme, Herr Consul," begann Willrich mit fester Stimme, --»m Ihnen die Beweise von der Unschuld des Kassirers zu bringen a»d den wirklichen Verbrecher zu nennen. In Ihre Hand lege ich dicfe Ehrenzcugnisse für die Familie des unglücklichen Selbstmörders, es mir unmöglich ist, mit den Gerichten in dieser Sache zu verhan- iM. Ich habe mich diesen ganzen Tag über strenge geprüft, habe den Weg der Ehre und Pflicht scharf, mit unerbittlicher Logik ^"gezeichnet und konnte nur zu einem schweren Resultate kommen, vor dem Nichterspruch des eigenen Gewissens zu bestehen. Gott W mir vergeben, wenn ich dabei ein anderes, nicht minder heiliges «ebot verletze, da ich der unglückliche Sohn des Verbrechers bin." Er hatte die letzten Worte mit Anstrengung hervorgcbracht, indem " ein briefartig gefaltetes Packet auf den Tisch niederlegte und sich Mn schweigend der Thür zuwandte. . Ueberrafcht, fast entsetzt hatte der Consul sich erhoben und ergriff W ängstlich den Arm des jungen Mannes. „Um Gottes willen, mein junger Freund, Ihr eigener Vater —" ! „Ist Fälscher und Dieb — ich habe die Wahrheit gesprochen," antivortete Willrich tonlos, „ich danke Ihnen für alles Gute, Herr ^"nsul und bitte Sie, mich meinen Weg fortfetzcn zu lassen." «Nein, nein, das darf ich nicht," rief dieser erschüttert, „was können M für die That Ihres Vaters!" „Ich bin fein Henker geworden —" ». „Sie thaten, was Ihnen Ehre und Pflicht geboten, ich bewundere j rie gg dieses Muthes. Was Sie aber jetzt vorhaben, lieber Will- wird nicht gut sein, Sie wollen einen düstcrn Weg wandeln, — . H lese es in Ihren Augen —" „Würden Sie, nachdem Sie den Vater und sich selber ehrlos ge- ! "M, einen andern Weg wandeln können, Herr Konsul?" fragte Will st dumpf. .. „Ich kann Ihnen hierauf nicht antworten," versetzte dieser mit mier Stimme, indem er die Thüre verriegelte, „nur so viel weiß ich, s M Sie gcrettet werden müssen um jeden Preis. Ich liebe Sic wie j Minen Sohn. Vom ersten Augenblicke an, da ich Sie sah, lebte dieses ! Mühl väterlicher Zuneigung in mir, — wohlan, sehen Sie mich i M Ihren Vater an, fassen Sie ein volles unbedingtes Vertrauen zu ich glaube wohl es zu verdienen." Willrich schlug beide Hände vor's Antlitz und brach in Thränen aus. Der Consul bewegte den Arm um seine Schulter. . „Weinen Sie, mein Freund, sagte er liebreich, „die Thräne ist s " lindernde Thau des Schmerzes. Auch ich, den Sie nur fest und N'g gesehen, habe Stunden gehabt, wo die Sonne kein Licht mehr M mich hatte, und nur die Thräne, womit ich Nachts mein Lager , '^te, dieses Herz erleichterte. Die Thräne um den verlorenen Vater M)rt nicht das Auge des Kindes. Ich hatte ein einziges, geliebtes Md, eZ wurde mir geraubt von ruchloser Hand, — und wenn ich ! " M Auge sehe, mein Freund, da ist's mir, als schaue Meiu verlo- ' Kind mich an, das ist der fhmpatische Zua, der mich mit Ihnen ""bindet."