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Nachdem vom 6. Juli d. Js. ab bis auf Weiteres mit der intirimistischen Besorgung der friedensrichterlichen Geschäfte in den Ort« schäften Alttanneberg nebst Rittergut und Neutanneberg der Königl. Friedensrichter für Rothschönberg, Herr Rittergutspachter LmU Horst in Rothschönberg beauftragt worden ist, wird solches hiermit zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Wilsdruff, am 6. Juli 1880. Das Königliche Amtsgericht. vr. Gangloff. ——— Tagesgeschichte. Aus der Reise des Fürsten Bismarck nach Friedrichsruhe dürfte mit Recht zu schließen sein, daß vorläufig dem deutschen Reiche keine neuen Ueberraschungen bcvorstehen und die hohe Politik mach alter guter Sitte Sommerferien macht. Das Bild völliger Ruhe kann allerdings zur Zeit weder Deutschland noch Europa ge währen, denn wie schon in unserm eigenen Lande eine ganze Anzahl wichtiger Tagesfragcn in der Schwebe ist, so bietet der ganze Conti- nent den Anblick eines wogenden Sees, und wenn auch kein Ungewitter sich emlädet, so stehen doch schwere Wetterwolken am politischen Hori zont und das Leuchten ferner Blitze hält Europas Volker in Spannung. Die Verhältnisse Deutschlands sind ohne Zweifel gesichert, aber es hat Frankreich und Rußland an seinen Grenzen und Rom in seiner Mitte; es kann dem Himmel danken, daß der Führer seiner auswärtigen Po litik auch in Friedrichsruhe auf der Wacht bleibt und die etwa herauf- sieiaenden Gefahren erkennt. Ein englischer Diplomat behauptete ein mal von der auswärtigen Politik Deutschlands, was Andere nur muth- maßen, sei für Bismarck eine Thatsache und gerade jetzt, wo so man cherlei Anfeindungen gegen den Kanzler hervortreten, muß man sich ins Gedächtnis; rufe», daß er stets zuerst die Gefahren, die unserem -Vaterlande drohten, erkannt und sie mit festem Entschlusse rasch abgc- wendet hat. Die augenblickliche Ruhe in der Politik vermag uns nicht darüber hinwegzutäuschen, daß die Verhältnisse Europas wenig Aus sicht auf einen dauernden Frieden bieten. Erst vor einigen Tagen hat nach dem Schluß der Grenz-Conferenz in Berlin ein Diplomat ge äußert, der Friede werde in diesem Jahre erhalten bleiben, im nächsten Jahre würden die Kanonen reden, und 1882 würde eine neue Conferenz tagen. Diese Prophezeihung bezieht sich nicht auf Friedensstörungen, welche direct Deutschland betreffen, sondern lediglich auf den Orient. Deutschland ist zu stark uud gefürchtet, als daß der französische Radi calismus und der russische Absolutismus in einem Angriffskriege nicht an ihm zerschellen würden. Die politische Ruhe im Orient steht da- gegen auf so schwachen Füßen, daß möglicherweise schon im lausenden Jahre die Kanonen den Epilog zu der Berliner Nachconferenz donnern können. Es sieht gewiß nicht nach Frieden aus, daß Griechenland und die Türkei mächtig rüste»; es riecht stark nach Pulver, wen» die Groß mächte gegenwärtig beschließen, welche Zwangsmaßregeln gegen die Pforte zü treffen sind, falls sie das Conferenz-Votum ablehnt. Zu nächst soll eine Flottendemoustration den nöthige» Nachdruck geben und den englischen und französischen Kriegsschiffen werden sich italienische Fregatten anschließen, um Konstantinopel ihre Flaggen zu zeigen. Gleichzeitig aber — und das ist die bedenklichste neue Poft — herrscht in Stambul unter den Muhamedanern die größte Aufregung; von der Serailpartci und den Sofias, also von den Säule» der alttürkischen Politik, soll das Schlimmste für den Sultan zu befürchten sein, wenn er in der Griechensrage nachgiebt. Acngsttiche Gemüthcr fürchten, so gar einen Aufstand und die Ermordung der Fremden in Stambul. Oesterreich hat bereits ein europäisches Mandat auf dem Lande, Frank reich und England sollen es zur See erhalten, uni der Pforte den .Gehorsam für die Wünsche Europas einzuschärfen, Rußland würde wahrscheinlich auch nicht lange fackeln, falls die Türkei nochmals zu den Waffen griffe, und darum dürfte, wenn die politische Ruhe im Orient gestört wird, das Endresultat des türkischen Verzmeistuugskampses Lie rasche völlige Vernichtung der europäischen Türkeuherrschast fein. Ein offiziöser Berliner Brief in der „Bohemia" bezeichnet die Situation im Orient als äußerst ernst. In diplomatischen Kreisen herrsche allgemein die Ansicht, die Pforte würde durch Widerstand gegen die Conferenzbeschlüsse sogar den Berliner Vertrag in Frage stellen, sich von demselben lossagen und keinen völkerrechtlichen Anspruch mehr auf die ihr durch denselben gebotenen Vortheile habem Ein Krieg der Großmächte würde zwar bei der Einmüthigkeit derselben absolut nicht erfolgen, vielmehr dürften sich die Mächte über die Li quidation und Thellung der Cbschaftsmasse verständigen. Die Gefahr einer etwaigen Uneinigkeit unter den Interessenten würde durch das Bollwerk des österreichtsch-dcutschen Bündnisses gemildert. — Achnliches besagt auch ein offizieller Wiener Brief der Bohemia, welcher die Chancen eines griechisch-türkischen Krieges bespricht. Es heißt darin weiter: Die Griechen würden durch die Hilfe ihrer zahlreichen und reichen Landsleute den Krieg lange ertragen können; der Sultan folge nur den Eingebungen des fanatischen Osman Paschas, indem er sich desseren Rathschlägen verschließt. Das Wiener „Fremdenblatt", welches in Beziehungen zu dem österreichischen auswärtigen Amte steht, mahnt in sehr ernstem Ton die Pforte zur Unterwerfung unter den Schiedsspruch der Groß mächte. Obgleich nicht anzuuehmen sei, heißt eS in den Auslassungen des Blattes, daß die Einmüthigkeit der Mächte in der griechischen Frage so weit gehe, um gemeinsame Zwangsregeln gegen die Pforte zur Durchführung der Beschlüsse in Aussicht zu stellen, so würde man sich in Konstantinopel doch gewaltig täuschen, wenn man sich der Hoff nung hingäbe, die Mächte würden über die Art, wie der Schiedsspruch Ler Konferenz auszusühren sei, derart aneinandergerathen, daß das osmanische Reich bei seinem Widerstand gegen die europäische Ent scheidung auf die Hülfe irgend einer der Großmächte rechnen könnte. Verwirft die Pforte den Schiedsspruch Europas und appellirt Griechen land gegenüber, während sich dieses zur Ausführung der Konferenz- beschlnsse anschickt, an das Schwert, daun wird sie sich selbst auf alle Fälle den größten Schaden znfügem Die orientalische Frage wird aus's Neue aufgerollt werden. Die großbulgarische Frage wird sich mit der griechischen kompliziren, und wie manche diplomatische Berech nungen dabei auch durchkreuzt werden, wie viele andere Interessen dabei auch geschädigt werden mögen, so wird doch Niemand so schwer getroffen werden, wie die Türkei. Das möge man sich am Bosporus vor Augen halten, bevor man sich zur Zurückweisung des europäischen Rathschlags entschließt. Wie Preußen ein Haus der Abgeordneten und ein Herrenhaus und England ein Unterhaus und ein Oberhaus hat, so hat Frank reich einen gesetzgebenden Körper und einen Senat, die nicht immer derselben Meinung sind. Auch nicht in Sachen der Amnestie für alle bei dem Pariser Commune-Aufstand Betheiligten und Berurtheilten. Die Kammer sammt der Regierung, unter dem gewaltigen Drucke Gambettas stehend, hat allen Verbrechern der Commune ohne Aus nahme Amnestie und Rückkehr nach Paris bewilligt, der Senat hat mit 143 gegen 138 Stimmen die Mörder und Mordbrenner von der Amnestie ausgeschlossen. Die Aufregung ist groß und um so größer, da der 14. Juli, das neu geschaffene Nationalfest zum An denken an die Erstürmung der Bastille, vor dcr Thüre steht. Vergeb lich trat der Dichter Victor Hugo mit gewaltigem Pathos für die aus nahmslose Amnestie ein, vergeblich auch der Ministerpräsident Freycinet als für eine politische Nvthwendigkeit und als das kleinere Uebel. Jules Simon u. A. blieben dabei, Mörder und Brandstifter könne man zwar begnadigen, aber nicht amnestiren, am wenigsten, wen» sie keine Reue zeigten und morgen am liebsten wieder die Thaten thun würden, um deretwillen sie vcrurtheilt seien. Paris, 6. Juli. Dem „Voltaire" zufolge würden am Ende der Woche die Märzdelrete gegen die Niederlassungen der Franziskaner, Kapuziner, Endlsten und Oblaten in Ausführung gebracht.— Die Kammer genehmigte einen Credit von 500,000 Fr. für das National fest am 14. Juli. Morgen wird voraussichtlich die Berathung der Amnestievorlage stattfinden. Die Zahl der richterlichen Beamten, die ihre Aemter niedergelegt haben, um die Märzdekrete nicht auszuführen, beträgt bis jetzt etwa 110. Wie sieht s doch mit unserem Christenthum aus, mit der christlichen Duldung und Liebe! Müssen denn Katholiken und Protestanten Feinde sein? Wie die drei Bischöfe in Tyrol gegen die zwei Protestantenge meinden in Meran und Innsbruck gedonnert haben, ist mitgetheilt, aber die Bauern im Passeier Thal sind noch grobkörniger. Sie erklären in einer Petition: „Wir betrachten die Protestanten als eine Landplage, als eine» vorgeschobenen Posten Preußens im kaisertreuen Tyrol und werden dieselben nicht mit Glacehandschuhen (mit denen die Tyroler bekanntlich handeln) anfassen, wir wollen uns ihrer vielmehr entledigen, wenn man sie uns aufdrängt, und zwar nach Passeirer Art, die noch ziemlich viel vom Geiste Andreas Hofer's in sich hat." Das äst ja die reine Keilschrift und klingt, als ob der Stutzen schon an derglaubens- cinheitlichen Wange läge! Zum russisch-chinesischen Conflict meldet derCorrespondent der „Now. Wr." unter dem 17. April aus Wladiwostok, daß man dort den Krieg mit China nicht fürchte, sondern wünsche, weil man von einem Siege der Russen überzeugt sei und auf die Erwerbung des an das Amurgebiet grenzende» Theiles der Mandschurei und damit auf Eröffnung neuer Handelswege hoffe. An einen Landkrieg denke Niemand, vielmehr fei Jedermann davon überzeugt, daß die russische Flotte auf China in wirksamer Weise durch Blvkiren der Häfen eiu- wirken werde. In dieser Hinsicht sei eine freundschaftliche Neutralität Japans äußerst wünschenswerth, da dieses Land nicht nur über gute Häfen, sondern auch über Docks verfüge. Außerdem habe Japan mit Korea einen Vertrag abgeschlossen, was im Falle eines Krieges eben falls von keiner unwesentlichen Bedeutung sei. London, 6. Juli. Gestern Abend wurde London von einer Kalamität heimgesucht wie sie in den Annalen der britischen Haupt stadt glücklicherweise äußerst selten vorkam. In dem sehr dicht bevöl kerten Stadttheile nahe der Haupt-Verkehrs-Ader Tottenham-Courtroad wurde die Hanpt-Gasröhre unter der Straße ausgebcssert. Eine An zahl Arbeiter waren dabei beschäftigt, welche eben ihr Tagewerk damit beendigen wollten. Mit einem Male ertönt ein dumpfer Knall, rich tiger eine Reihe Detonationen. Feuergarben schießen an verschiedenen Orten aus dem Erdboden hervor. Die Erde scheint zu wanken und zu zittern. Der Boden hebt sich, die Häuser auf den beiden Seiten der Straße auf Hunderte von Klaftern schwanken. Trümmer von Balken, schwere Pflastersteine, menschliche Gliedmaßen, Ziegel und Glas fliegen durch die Luft. Menschen, Wagen und Pferde verschwin den in dem gähnenden Krater. Die Luft ist eine Zeit lang förmlich verfinstert durch Trümmer und anfgewirbelten Staub. Dazwischen tönt das Jammern der Verwundeten und das Angstgeschrei der her- beieilenden Menschenmengen. Die Szene war erschütternd. Niemand wußte im ersten Augenblick, was geschehen war. Viele glaubten, eS sei ein Erdbeben. Bald zeigte sich die Ursache, nämlich eine Explosion in der Gasröhre. Ein Mann sagte aus, er sah einen Arbeiter ein Zündholz ansteckcn, alsbald erfolgte die Detonation. Dieser Arbeiter wurde in die Röhre hineingeschleudert und sofort aetödtet. Ei» anderer nahe dabei Stehender, Entsetzlich verstümmelt, starb bald. Aus den Trümmern der Häuser und aus dem Abgrunde wurden einige dreißig Personen verwundet herausgezogen, davon sind acht auf daS schwerste verletzt. Die Explosion war ganz merkwürdig. Erst muß das GaS an einer Stelle sich entzündet haben, hierauf schoß die Flamme unter irdisch in der Röhre entlang, worauf andere Detonationen und Er schütterungen folgten. Vier besondere große Krater öffneten sich. Alle Häuser sind auf einer etwa eine Viertel englische Meile langen Strecke mehr oder minder beschädigt. Fenster und Thüren sind in allen Ge bäuden zertrümmert; manche der Häuser liegen ganz in Ruinen und die stürzenden Balken begruben die Einwohner. Die Gegend ist zu- meist von kleinen Geschäftsleuten uud Arbeitern bewohnt. Vaterländische». — Dresden. Se. Maj. der König wird von derReise in das sächsische Erzgebirge und Voigtland nächsten Sonntag wieder in der Sommerresidenz Pillnitz eintreffen. Von dort aus gedenkt Se. Maj. im Laufe der nächsten Woche das 6. mitteldeutsche Bundcsschießen in Pirna mit einem Besuche zu beehren. — Von keinem zweiten Land gerichte Sachsens dürfte auch nur annähernd die Zahl der Haupt verhandlungen erreicht werden, wie bei dem Landgericht Dresden. In der Zeit vom 1. Januar bis Eude Juni fanden hier 33 Schwurgerichts sitzungen, 589 Hauptverhandlungen bei den Strafkammern und 1227 amtsgerichtliche Verhandlungen statt. — Dresden. Dienstag Abend gegen 7 Uhr gingen ans dem MschofSwrge an der dort befindlichen Eisenbahnbrücke, durch den Pfiff einer Locomotive und durch das Auslassen von Dämpfen aus derselbe« erschreckt, die einem Militär-Omnibus vorgespannten Pferde durch »nd mit dem Wagen gerade auf eine Frau los, welche mit ihren 3Lwd«rs, das ein« davon im Kinderwagen fahrend, daher kam. DaS jüngste erst 15 Wochen alte Kind wurde aus dem Kinderwagen geschleudert und war sofort todt, die Mutter und ein vier Jahr alte» Mädchen