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Wochenblatt für Nr. 84 Freitag, den >5. Oktober 188« Erscheint wöchentlich 3 Mat (Dienstag und Freitag.) Abonncmentöpreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannabme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Aus Wien 12. Oct. wird berichtet: König Albert von Sachsen trat heute Abend die Rückreise nach Dresden an. Der Kaiser gab einem hohen Gaste das Geleit bis auf den Bahnhof. Bevor der Zug aus der Halle fuhr, verabschiedeten sich die beiden Monarchen in der herzlichsten Weise. — Zwei Stunden früher hatte die Königin Carola von Sachsen mit dem Courierzuge der Südbahn die Reise nach Italien angctreten. Nach den neuesten Nachrichten ist es also den vereinigten Vor stellungen des deutschen und französischen Botschafters doch noch ge lungen, den Sultan zur Nachgiebigkeit zu bewegen, so daß der Ministerrath in Konstanlinopel beschließen konnte, den Mächten mit- zuthfilcu, daß die Türkei Dulciguo sofort ohne weitere Bedingungen nun an Montenegro abtreten werde. Daß gerade Deutschland und Frankreich diejenigen Mächte waren, welche in einem gefahrdrobeuden Momente Hand ui Hand zur Ausrechlerhaliung des Friedens gingen, wird, mit Ausnahme der maßgebenden Kreise in London und Peters burg allseitig freudig begrüßt werden. Uebrigeus wird aus Berlin nach Wien gemeldet, daß die deutsch.österreichische Allianz fest bleibe, Alles abzuweisen, was nicht der stricte Berliner Vertrag und die Konferenz auszuführen bezwecke, und gegen jede Eigenmächtigkeit Englands und Rußlands zu proteftireo, welche Umgestaltungen auf der Balkanhalbinsel zur Folge haben könne. Die Mächte würden auch kein Flottenmandat Oesterreichs oder Deutschlands erhalten, selbst wenn Dulcigno nicht übergeben würde. Der vertragsmäßige rtrrtub guo der Batkanhalbinsel sei das entschieden zu verfolgende Endziel. Das wird den Herren in Petersburg und London freilich wenig ge fallen, allein da Frankreich nun auch fest zu Deutschland und Oester reich zu stehen scheint, werden sie ihren Groll verbeißen und einstweilen auf die Zertrümmerung der Türkei verzichten müssen. Wie England der Türkei, so die Türkei England. Unter dieser Ueberschrift bringt der konservative „Globe" nachstehende Enthüllung: „Gerüchtweise verlautet, daß Seine Majestät der Sultan auf's Schmerz lichste berührt worden ist von den ihm zu Ohren gekommenen Berichten über die in Irland herrschende sociale Verwirrung und Lähmung, welche die Regierung jenes Londes betroffen hat, so daß Leben und Eigenthum nicht länger als sicher und beschützt erscheinen. Der Sullan, als eine der europäischen Mächte, kann, ohne Verletzung seiner Ver antwortlichkeit als souveräner Fürst, nicht länger mit Gleichgültigkeit einem in Europa unerhörten Stand der Dinge zuschauen, welcher durch seine Fortdauer alle Achtung vor der Autorität zu untergraben und die Bande der Civilisation selber zu zerreißen droht. Sein Botschafter am Hofe von St. James wird daher beauftragt werden, Ihrer Maje stät Negierung die Räthlichkeit der unverzüglichen Ergreifung solcher Maßregeln aufs Eindringlichste zu empfehlen, welche geeignet erscheinen, Zuständen ein Ende zu bereiten, die nicht ohne-Gefahr für das all gemeine Wohl Europa's andauern können; svllten diese Vorstellungen jedoch unbeachtet bleiben, so wird eine Abteilung der türkischen Flotte sich nach den irischen Gewässern begeben, um Leben und Eigenthum zu schützen. Der Redacteur der in Paris erscheinenden „Commune", Felix Pyat, erklärt: „Wenn der Attentäter Berezowsky, welcher im Jahre 1867 auf den Kaiser von Rußland geschossen hat und jetzt noch als Strafgefangener in Neu-Caledonicn weilt, nicht binnen 24 Stunden amnestirt ist, so werde er in seinem Blatte eine Subscription ä 1 Sou auslegen, um dem Märtyrer der Freiheit, dem Bagno-Sträfling Bere- zowsip^einen Ehrenrevolver darzubringen." Felix Pyat verherrlicht in feinem Blatte „La Commune" offen den Königsmord als die Grundlage und Vorbedingung jeder Repnblik; weiter eröffnete er wirk lich die angekündigte Volkssubscriptivn, um dem Attentäter Berezowsky eine Ehrenwoffe im Werthe von zweihundert Francs darzubringen, welche die Inschrift tragen soll: „1867. Paris, Moskau, Warschau. Dem Rächer dreier Völker. Dem Rechtsvollstrecker an zwei Tyrannen, dem Arbeiter Berezowsky die dankbaren Arbeiter Frankreichs." Die Tabaksregie in Italien hat seit dem 1. Januar dss. Js. bis Ende August eine Mindereinnahme gegen das vorige Jahr um 1,021,000 Lire erlitten. Der Grund hiervon liegt darin, daß Viele, des schlechten Produktes wegen, das Rauchen ausgaben und daß das Schmugglerwesen stark zunahm. Diese Nachricht dürfte den deutschen Monopolsreunden zu denken geben. Unser Straßburger Regietabak gicbt jetzt schon unter dem Drucke der Coucurrenz wenig Anreiz zur Bevorzugung. Wie möchte es kommen, wenn diese Coucurrenz be seitigt ist. Die französische Regierung geht nunmehr ernsthaft an die Ausführung der Märzdecrete. In einem Ministcrrathe sind die be züglich der geistigen Genosscnschasten zu ergreifenden Maßregeln defi nit» sestgestellt worden. Mit der Ausführung derselben soll im Laufe der nächsten Woche begonnen werden; die Einzelheiten der Ausführung selbst werden geheim gehalten. Die clericalen Journale wollen wissen, zunächst würden die Carmeliter-, Dominikaner- und Capuzliikr-Longre- gationc» aufgelöst werden. Die Ordre aus dem Vatikan geht dahin, die Congregationshäuser 'zwar zu verlassen, aöcr das Ordens leid zu behalten. Als Staatsbürger hatten sich die Geistlichen für unverletz lich und wollen ihrem Beruf nachgehe», ohne gerade eme Congregatlon zu bilden, so daß mit der Auflösung kein Nutzen verbunden Ware. Das Cölner Dombanfcst. Wie gründlich verschieden sind die Zeitverhältnisse, in denen der Ausbau des Cölner Domes angeregt und begonnen und die, in denen er beendigt wurde! Das Schlagwort von der deutschen Einheit spielte damals eine große Rolle. Die Einheit war geträumt, ersehnt, kaum geplant, jedem patriotischen Auge erschien ihre Ausführung in anderer Form. Der deutsche Fürst, der dem Gedanken des Ausbaues des größten der deutschen Dome Leben gab, des Domes, dessen Thürme sich im Rheinstrom spiegeln, ahnte nicht, daß es seinem Bruder und Nachfolger beschiedcn sei, als Kaiser des wirklich geeinigten Deutsch lands das Fest der Vollendung des großen Gotteshauses wach zu rufen und noch weniger, daß der Klerus, dem er damals mit dem Ausbau des Domes einen Strahl um das Haupt schimmern zu lassen wünschte, jetzt gesenkten Hauptes und verstimmten Gemüthcs am Tag des Festes zu den Stusen des Hochaltars hinantrcten werde. Damals die Macht und der Glanz der in ihren Zwecken und Zielen einigen Kurie und das zerspaltene, ohnmächtige Deutschland. Heute die in ihrer weltlichen Macht gebrochene und gespaltene Kurie und das mäch tige und glanzvoll geeinigte Deutschland! Damals tiefer Friede zwi schen Staat und Kirche, zwischen Deutschland und seinen Nachbarn! Heute Krieg zwischen Staat und Kirche und der Sieg des geeinigten Vaterlandes über seine Feinde durch eine blutige Kette gewaltiger Waffenthaten! Aber in dieser sturmbewegten Zeit, rings umgeben von dröhnen den und schäumenden Wogen der politischen, der Partei- und der Kulturkämpfe, haben sie dort am Rhein still und unbeirrt forigebaut, haben Quader auf Quader, Säule an Säule gefügt, kunstvoll den Schmuck des Laubes und der Blumen in den Stein gcmeisclt, die Glocken gegossen und hinaufges.fi!t auf ihre hohe Warte und endlich die höchsten und die schönsten Thürme der Welt mit kühner Hand aufgcbaut zu triumphirenden Zeuge» einer großen nationalen Kunst! Daß einem unter solchen Stürmen vollendeten majestätischen Kunstwerk ein Fest gebührt — wer wollte es bezweifeln! Trägt doch jedes ein fache Haus, wenn es fertig gerichtet da steht, das geschmückte Tannen bäumchen zur Feier seiner Entstehung auf dem First, der Baumeister spricht seinen Spruch und die Gesellen jubeln in. gerechter Freude. Und wenn nun zu jenem Feste der Kaiser des deutschen Reiches sie Alle herbeiruft, die ihm die Kaiserkrone erstreitcn geholfen und aufs Haupt gesetzt haben, ebenso die Vertreter der Kirche, deren Dienst das , große Bauwerk an erster Stelle geweiht ist — wahrlich! es ruft ein treuer und milder Schirmherr des Reiches die treuen und starken Pfeiler desselben und die Hüter und Pfleger der christlichen Kirche. Sie sollen sich am Fuße des Denkmals, welches Deutschland errichtet hat, gemeinsam des Besitzes desselben und der Kräfte freuen, die den Dom für die Kirche ausgebaut haben und vertrauensvoll ihr in die Hand geben, mögen auch die Waffen des Streites noch nicht ruhen, der die Geister erhitzt, aber die Gemüther und die Herzen nicht er bittern soll. — Der Cölner Dom ist ja vollendet worden durch die Hilfe Aller, die trauernd an dem in der Entstehung erstarrten Riesen hinaufblicktcn und im Geiste hoch oben die Blumenkreuze der Thurm- spitzen schweben sahen, die jetzt verkörpert das Riesenpaar krönen. Sie Alle fragten nicht nach Dogmen, Concil und Kulturkampf; das Kunstwerk war es, dessen trümmerähnliches Bild man verwischen und dessen Vollendung man erreichen wollte, und man erwärmte sich an dem Gedanken, daß vereinigte deutsche Kräfte wenigstens zu diesem Ziel, wenn auch noch nicht zu einem geeinigten Deutschland führen würden. — Freilich kann man das Kunstwerk nicht von dem Gedanken trennen, den es verkörpert; das Bauwerk ist nicht eine todte, künst lerisch geordnete Steinmasse, es hat seine Seele, die zu uns spricht und welcher unsere Seelen entgegenschlagcn. Und diese Seele ist die des Christenthums, ohne Unterschied der Confession. Als solche wird sie nach Jahrhunderten zur Welt ihr ewige Sprache sprechen ^und der Dom über Zeiten ragen, „reich an Meisten- und Gottes- Frieden" und sicher ärmer an Glaubenssteit. Erinnert uns aber der Dom nicht auch an die vieljährige harte und treue Arbeit, die er gekostet, und an den ehrenvollen Theil des Vdlkcs, der in zahlreichen Vertretern in den Bauhütten des Doms seine ganze Kraft und Tüchtigkeit für die Vollendung eingesetzt hat? Mit einem Wort an den deutschen Arbeiter? Alle miteinander können wir große Gedanken und große Werke ohne die Arbeiter nicht durch führen. Mag der Dom zunächst der Kirche dienen, wir Alle wollen, wenn die große Glocke ruft, auch an die Arbeit der Hände denken, die berufen ist, den großen Gedanken die sichtbare und dauernde Ge stalt zu geben. Concordia! ruft auch in diesem Sinne die Glocke uns zu. Tagesgeschichte. Bei der Weihe des Kölner Doms wird auch das gesammte deutsche Kriegsheer sich auf allerhöchsten Spezialbefehl betheiligen. Von jedem deutschen Heere werden vier Mann zu diesem Behrste sich nach Köln begeben. Es kommen also gegen 1000 Mann aller Waffen gattungen zusammen. für die König!. Amtshauptmannschaft zn Meißen, das Kömgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff Vierzigster Jahrgang. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag AbonnementßpreiS vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer lostet 10 Pf. ALDA Nossen, Siebente!)» und die Umgegenden