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er ^atea"- zer,^ 'öl>^ iiiik^ „d n < n vl>l' 2. Beilage zu Ar. 86 des Dochenötatles für AilsdruH elc. Freitag den 22. October 188Ü. , Tagesgeschichte. Die Vertheuerung des Brodes, welche durch die außerordentliche Steigerung der Roggenpreise hervorgerufen ist, hat jetzt im Nord- Westen Deutschlands die erste öffentliche Kundgebung für Aufhebung der Getreidezölle veranlaßt. Das Bürgervorstandskollcgium von Leer hat hierzu die Initiative ergriffen. In seiner Sitzung am 12. d- M. hat es einstimmig einen Antrag angenommen, durch welchen der Magistrat ersucht wird, geeigneten Orts schleunigst anzuregen, emestheils, daß zur Erleichterung der Zufuhr von auswärts der Ein gangszoll auf Getreide aufgehoben werde, auderenthcils, daß zur Er leichterung der Versendung im Jnlande die Eisenbahnfrachten für Ge- treide, Mühlenfabrikate, Kartoffeln, sowohl für Waggon- als für Theilladungen auf den allerniedrigsten Satz ermäßigt werde. In der Motivirung des Antrages wird hervorgehoben, daß die Brodpreise schon eine erschreckende Höhe erreicht haben und im weiteren Steigen ^griffen sind, so daß mau mit großen Sorgen für den Arbeiterstand der herannahenden arbeitslosen Winterzeit entgegensehen müsse, und daß in früherer Zeit der Getreidezoll schon bei nicht so sehr gestiege- nen Brodpreisen fuspendirt worden ist. Die Befürchtungen der Leerer Bürgervorsteber sind damit begründet, daß am 13. d. M. in Leer die Niedrigste» Preise für inländischen bez. ausländischen Roggen schon ^10 und 237 M. pro 1000 KZ waren, was ungefähr einem Roggen- preise von 3- 3^ Thlr. für den alten preußischen Scheffel entspricht. "7 Am 14. d. M. ist an der Berliner Getreidebörse der bisher noch nicht beobachtete Fall eingetreten, daß sich der Kündigungspreis für Raggen höher stellte als der Kündigungspreis für Weizen. In nor- walen Jahren steht der Wcizenpreis um 40—50 M. pro 1000 kg höher als der Roggenpreis. Im Laufe dieses Jahres ist jedoch diese Differenz allmählich geschwunden, bis sie in den letzten Tagen nur Noch wenige Mark betrug. Am Donnerstag ist endlich Weizen mit kinem Kündigungspreis von 215 M. hinter Roggen zurückgeblieben, öfr es auf eineu Kündigungspreis von 215^ M. brachte. Die that- wchliche Noth um Roggen findet in diesem Preisverhältniß wohl ihren ^Zeichnenden Ausdruck. . Die Lage im Orient hat trotz der Erklärung der Pforte, Dul- Ano unverzüglich abtreten zu wollen, immer noch Bedenkliches genug, ^ie vorauszusehen war, sind die Albanesen durchaus nicht gewillt, UH gutwillig dem Beschlusse der Pforte zu fügen, und die albanesische Liga hat Riza Pascha, dem Befehlshaber der türkischen Truppen vor Dulcigno, erklärt, sie werde Dulcigno vertheidigen. Riza Pascha soll wsolge dcsstn seine Truppen zusammenzieheu, um den Widerstand der Albanesen zu beseitigen. — Die Demonstratiousflotte weilt zwar noch w der Bucht von Teodo, aber die Möglichkeit einer Flottendemon- mation in diesem Jahre ist schon aus rein technischen Gründen aus geschlossen. Um indessen jeglichen Eventualitäten gegenüber gesichert sein, haben die Türken in der Bucht von Smyrna Torpedos versenkt. Trotzdem, daß Dulcigno noch nicht an die Montenegriner über geben ist, sondern die Modalitäten der Abtretung noch Gegenstand der Verhandlungen zwischen den beiderseitigen Bevollmächtigten sind, erhält och doch überall der Glaube an Aufrechterhaltung des Friedens Und die Sicherung desselben auf längere Zeit hinaus. In diesem Sinne lprach sich denn auch dieser Tage die sonst sehr zurückhaltende halb- uwtliche „Wiener Abendpost" aus, wenn sie schreibt: „Friede vcrhei- ?end auf allen Gebieten", nannte Se. Majestür der Kaiser Wilhelm den Schlußworten seiner Rede zur Kölner Feier die Vollendung des Tvmbaues! Vielleicht ist es kein Zufall, daß diese Worte gerade an ??u günstigen Verlauf der Angelegenheiten, welche in der letzten Zeit ?.w Politische Welt bewegten und beunruhigten, die besten Hoffnungen bw den Frieden geknüpft wurden. Fast die gesammte europäische Presse giebt, förmlich aufathmeud, als sei sie von einem Alp befreit, Mr Befriedigung darüber Ausdruck, daß sie die Schwierigkeiten, welche w der letzten Zeit zu allseitigen Besorgnissen Anlaß gegeben, als über wunden betrachten dürfe." Auch selbst die gemeldete Drohung Grie- A^ulands, die ihr durch deu Berliner Vertrag zugesprochcnen tür- Ulchen Gebietstheile okkupiren zu wollen, wenn ihr dieselben nicht bis zu einer gewissen Frist ausgeliefert seien, wird kaum irgendwo ernst- "ch Befürchtungen erwecken. Die Mächte, neuerdings selbst England ^geschlossen, stehen auffällig kühl dem Kriegseuthusiasmus der Hellenen gegenüber, und es dürften wirkungsvolle Dämpfer schon in Bereitschaft gehalten werden, um die kampfesmuthigen Nachkommen der alten Spar- wner vor dem Schicksal zu bewahren, in eineni Krieg mit der Türkei die Pfanne gehauen zu werden und dann aller aus dem Berliner Vertrag erworbenen Ansprüche verlustig zu gehen. Kaiser Alexander hat keine ruhige Stunde. Krankheit, Kummer Und Sorge, auch selbstgeschaffene, reiben ihn auf. Er leidet in dem Mnen und milden Livadia an furchtbarer Athemnoth und Ohnmächten, dw sehr bedenklich sind, und denk', an's Abdanken, womit aber seine Gemahlin, Fürstin Dolgorucki, nicht einverstanden ist. Soeben ist der Thronfolger nach Livadia.avgereist. Wer wiffen will, wie die neuen Höllenmaschinen, mit denen ganze Eisenbahnzüge rc. in die Luft gesprengt werden können, aussehen, kann sie in mehreren Zeitungen gleichsam abgebildet sehen. Der be rüchtigte russische Attentäter Hartmann in England ist es, der die neu este Höllenmaschine in den Zeitungen so genau beschreibt, wie sie aus sieht und wie sie arbeitet, daß man sofort erkennt, er ist ein großer Techniker in Höllenmaschinen. Wie kommt er dazu? Aus Aerger! — Es war das Gerücht aufgetaucht, Kaiser Alexander habe auf der Fahrt nach Alexandrowa in die Luft gesprengt werden sollen; man hielt es für ein leeres Gerücht. Das ärgerte Hartmann; er erklärte sofort in mehreren Zeitungen, die Sache ist wahr und die Maschine sah so aus, nur ein „unglücklicher" Zufall hat es verhindert, daß der Kaiser in die Luft flog. Man sieht, diese Leute haben alle Scham verloren; sie brüsten sich, Teufel zu sein. Die Lage der Dinge in Irland nimmt jetzt, wo die Orientkrisis für den Augenblick wenigstens in ein ruhigeres Stadium getreten ist, die Aufmerksamkeit der politischen englischen Kreise wieder in erhöhtem Maße in Anspruch. Der Einfluß der Landliga untergräbt immermehr die Autorität der Regierung und die Zeichen von Unzufriedenheit mehren sich besonders in der Landbevölkerung im Westen Irlands. Die englische Regierung hat sich daher veranlaßt gesehen, Truppen nach deu von deu irischen Agitatoren uuterwühlten Bezirken zu ent senden und es werden sich wohl auch in den übrigen Theilen Irlands bald wirksamere Maßregeln gegen das drohende Auftreten der Land liga nothwendig machen. In Frankreich hat man nun unerwartet mit der Durchführung der Mürzdecrete begonnen und einige Klöster nichtconcessionirter Orden geschlossen. Die Maßregeln waren vollständig geheim gehalten worden, um die Mönche zu überraschen und zu verhüten, daß sie sich verbarricadiren und Widerstand leisten, wie kürzlich die Capuziner. Die Uebercaschung ist denn auch vollständig gelungen und die Räu mung der paar kleinen Ordenshäuser vollzog sich ohne Lärm und Scandal. Die Zahl der am 16. Oktober in Frankreich geschlossenen Karmeliterklöster beträgt im Ganzen 13. Wie aus den der Regier ung zugegangenen Berichten hervorgeht, wurde die Ruhe fast nirgends ernstlich gestört. Die Behörden waren genöthigt, fast überall die Thüren zu erbrechen; die Insassen erhoben Einspruch und wurden mit Gewalt vor die Thüren gesetzt. Nur iu Mancenaus leisteten die Kar meliter und ihre Freunde entschiedenen Widerstand und zwangen die Gendarmerie zum Einschreiten. Wie in Montbcllier der Bischof den Präfecten mit dem Bannfluch belegte, so in Beziers der dortige Oberer des Franziskanerklosters Othon, der die Beamten exkommunizirte, welche seinem ungesetzlichen Treiben ein Ende machten. Die Kleri kalen schäumen vor Wuth über das energische Vorgehen der Regier ung, und der päpstliche Nuntius in Paris soll selbst die Mönche zu gewaltsamem Widerstande aufgehetzt haben. WaterlänDifches. — Dresden. Vorigen Dienstag kehrte in die Behausung vie ler armer Familien ber Stadt Dresden eine große Freude ein, denn nicht weniger als 10,000 M., ein Geschenk des Geheimen Kommerzien raths Baron ».Oppenheim zu Köln, kamen vorigen Dienstag durch das Armenamt und durch den Verein zu Rath und That unter die Armen zur Vertheilung. — Am Montag früh in der sechsten Stunde hat die Ehefrau eines hiesigen Gewerbetreibenden auf der großen Brüdergasse im Fieberdelirium vom Fenster ihrer im vierten Stocke gelegenen Wohnung aus herab auf die Straße sich gestürzt und hier durch sofort ihren Tod gesunden. — Der Dresdner Stadtrath macht in seinem amtlichen Or gane bekannt, daß entgegen der seit vielen Jahren dort bestehenden Einrichtung, die Jahrmärkte in Alt- und Neustadt getrennt abzuhalten, in der Folge sämmtliche drei Jahrmärkte Dresdens zugleich in Alt- und Neustadt stattfindM sollen. Der am 25. and 26. d. M. abzuhaltende Michaclismchfls wird, dieser Bekanntmachung gemäß, be reits zugleich in beiden Oradthälften abgehalten werden. Ferner komnit der Vormarkt der Tischler, Polstermöbelhändler und Böttcher in Weg fall und wird mit dem Hauptmarkte verbunden. Hiergegen verbleibt es bezüglich des Grossvverkaufs für wollene, baumwollene und leinene Mauufacturwaaren, sowie erzgebirgische Schachtel- und Spielwaaren bei den alten Bestimmungen und wird derselbe am 22 d. M. beginnen. — Nossen. Am 15. Oktober fand, wie bereits kurz gemeldet, die Eröffnung der Bahnlinie Nossen-Lommatzsch statt. Da sowohl die oberste Bahnverwaltung als auch die Behörden der Städte Lom matzsch und Nossen von einer offiziellen Einweihungsfeier abgesehen hatten, so trug das Eröffnungsfest einen durchaus privaten Charakter, wenn man nicht den Flaggenschmuck einzelner Häuser, mit welchem einige Bürger Nossens die festliche Bedeutung des Tages markirt hatten, als eine allgemeinere Kundgebung gelten lassen will. Der erste fahr planmäßige Zug ist der frühe» Morgenstunde (5 Uhr 10 Minuten) wegen wohl in aller Stille und ohne jedwedes festliche Gepränge von Nossen abgefahren. Dagegen war der ^9 Uhr von Lommatzsch hier eintreffeude Zug sehr stark besetzt. Unter den zahlreichen Passagieren befanden sich die Mitglieder des Lommatzscher Gewerbevercins, die auf hiesigem Bahnhof von dem Nossener Gewerbeverein begrüßt und em pfange» wurden. Unter Vorantritt zweier Musikchöre bewegte sich ein improvisirter Festzug vom Bahnhof in die obere Stadt. Die Inge nieure, die an der Strecke gebaut, zeichneten den Tag durch Theilnahme an einem Festmahl aus, das im Hotel „Stadt Dresden" abgehalten worden ist. — Riesa. Nach einer polizeilichen Verfügung dürfen die hie sigen Tanztokalbesitzer die Tanzmusik nur vom Riesaer Stadtmusikchor spielen lassen.