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LL" Zweites Blatt. Wochenblatt für.. für für die König!. Amlshauptmannschast zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Vierzigster Jahrgang. Erscheint wöchentlich L Mal (Dicnktag und Freita AbonnementSpreiS Vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pj. Inseratenannabme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag.) AbonnementSpreiS vierteljährlich I Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Inseratenannabme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Mr. ilsdrnff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden Nr. 100» Freitag, den 10. Dezember Adelstolz und Bürgerthnm. Culturgeschichtliche Erzählung von E. Heinrichs. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) „von, mon nmi!" entgegnete der Kammerherr erfreut, „ich bin Ihr Verbündeter, sagen Sie mir, was ich thun soll, aber rasch, es ist mir als würden die Herren drinnen unruhig." „Vorerst bitte ich, den Junker Albendyl als Zwillingsbruder Horace anerkennen zu wollen; er muß sich durchaus sicher fühlen. Das Uedrige morgen. — Also die Maske nicht gelüftet, Herr Kammerherr! denn Albendyl läßt sich vom Onkel LandsyndicuS in den „Neuen Club" einführen." „Ah, so nahe mir mein Todfeind? — Nun, ich werde meinen ge rechten Zorn beherrschen. Kommen Sie, Herr von Wüllen!" Er machte eine würdevolle Verbeugung, genau so tief nach der Elle abgemessen, wie sie dem Assessor nur zukam. „Eine Minute schenken Sie mir noch, Herr Kammerhcrr!" flüsterte Philipp, sich nach allen Seiten vorsichtig umblickend, als fürchtete er Verrath. „Wissen Sie schon, daß mein Onkel Willens ist, seine Stief tochter, die Kaufmannsfrau, wieder in die gute Gesellschaft einzuführcn?" „Kein Wort weiß ich davon, Assessor! mon ämu! sollt'» möglich sein? Ich erstarre vor Schauder!" „Freilich ein Wagstück von dem Landsyndicus, ich will's nicht läugnen. Doch bedenken Sie seine Lage, — wie ich heimlich erfahren, erscheint die selige Gemahlin ihm allnächtlich jm Traume, um für die Tochter zu bitten und ihn an sein Wort zu mahnen. Aus Verzweif lung soll er den Plan zu unserm „Neuen Club" gefaßt haben, um nach und nach den in demselben den Unterschied der Stände aufzuheben." „O. o, mon ober! was sagen Sie mir da, das wäre ja horriblo, da müssen wir vorbeugen, Schranken äufbauen, unübersteigllche. Aber ich sage immer, das kommt von dem Neuen. — ,,'Neuer Club" auf der „Neuen Schenke", mon llmu! liegt Verstand, conservativer Sinn darin?" „Und wenn ich Ihnen nun gar sage, lieber Kammerherr! daß ! wir bald als Gegensatz einen bürgerlichen „'Neuen Club" auf dem ,Neuen Hause" haben werden?" „Dann läuft mir der Verstand davon, lieber Assessor!" entgegnete der General der Etiquette kläglich. „Wahrhaftig! dann wird's bald Zeit, an den Rückzug zu denken, um von dem neuen Strudel nicht fvrtgeschwemmt zu werden." „Sie bleiben mein Verbündeter, Herr Kammerherr?" „Mit Leib und Seele, mon ami! Sie haben ganz über mich zu befehlen. Doch da kommt der Herr Landsyndicus; ach! mir fehlt heute der Muth, den sonst von mir so hochgeschätzten Mann würdig zu empfangen. Kommen Sie, Assessor, kommen Sic, mag Rangord nung treffen wer da will, ich fühle es deutlich, unsere Zeit, die Zeit der ächten Etiquette, in deren Sonnenlicht nnr allein der Hof gedeihen kann, ist dahin. Das Neue, und wenn's auch nur der unselige 'Name ist, zertrümmert alles Ehrwürdige und Erhabene." „Bravo, edler Demosthenes!" rief Philipp lächelnd, „tragen Sie dergleichen im Club mit dem erhabenen Zorn vor und Sie werden über das 'Neue siegen." Beide traten jetzt in den Saal, wo der Landsyndicus so eben mit dem Hosjunker v. Albendyl erschienen mar. Ersterer erblickte den verwegenen Neffen, und seine Stirn umwölkte sich drohend und finster. Doch schien er sich zu besinnen, daß er selbst leicht dadurch den Verdacht des Unfriedens erregen könne, und in seiner herzlich gewinnenden Weise nickte er dem Neffen freundlich und mit dem Zeigeünger drohend zu. Alles blickte erstaunt auf den Kammerherrn Pompejus v. Pont- pietein, der wider feine Gewohnheit, sich in allen Assembleen die erste Rolle zuzuerkennen, mit einer zornigen Miene, die keine Spur von Etiquette an sich trug, den Saal durchmaß, ohne vom Präsidenten, wie von der ganzen Gesellschaft, die geringste Notiz zu nehmen. „Was hat der General?" flüsterte man ringsum, und auch der Landsyndicus blickte der zornigen Gestalt fragend nach. Plötzlich machte der Kammerherr eine energische Schwenkung und schritt dann entschlossen auf den Präsidenten zu, an dessen Seile sich noch Richard v. Albendyl befand. Mit einer hofmänmschen Verbeu gung begann er mit erhobener Stimme: „Es freut mich, Sie wieder zu sehen, Herr Hofjunker Richard v. Albendyl!" „Thut mir leid, Ihre Freude nicht theilen zu können, verehrtester Herr!" versetzte der Junker ruhig und mit einem verbindlichen Lächeln, „indem nicht ich, sondern mein Zwillingsbruder das Glück Ihrer Be kanntschaft genießen wird." „Herr Lieutenant Horace von Albendyl!" fiel der Landsyndicus rasch ein, ihn so ceremoniös der Gesellschaft vorstelleud, und der Kammerherr trat, von einem Blick seines Verbündeten gewarnt, erbost zurück. Die Gesellschaft konnte sich die Wuth des armen Pompejus aller dings sehr leicht erklären und die Bonmots der jüngeren Herren flogen wie Leuchtkugeln über die duftende Perrücke des Etiquetten-Generals. Nachdem der Landsyndicus den Club mit einer feierlichen Rede, welche die Chronik uns leider nicht aufbewahrt, eröffnet hatte, wurden die von ihm selbst entworfenen Statuten vorgelesen und mit einem Bravo von der Gesellschaft genehmigt. — Es galt ja, den alten Zopf ein klein wenig zu kürzen und nach britischer Weise die engherzige Etiquette, so viel, als sich mit der Würde vertrug, abzuschaffen. H^r konnte einmal in großer Gesellschaft frei und nach Belieben dispntirt, geraucht, getrunken und gespielt werden, ohne von der Damenwelt in allerengste Schranke der Etiquette gezwängt zu werden. Und dem Spiele wurde leider auf eine kaum zu rechtfertigende Weise gehuldigt, bedeutende Summen umgesetzt und das Vergnügen, die Unterhaltung so zur verderblichen Leidenschaft umgewandelt. „Und jetzt, meine Herren!" endete der Landsyndicus seine Rede, „wollen wir den würdigen General der Etiquette für unsern „Neuen Club" seines sonst so wichtigen Amtes entkleiden, und ihn nur als heiteres, rauchendes, trinkendes und jpielcndes Mitglied betrachten." Der Schalk schaute ein wenig aus den Worten des Landsyndicus hervor und dem armen, so schon tödtlich verletzten und erbitterten Pompejus v. Pontpietein stieg die Galle so mächtig, besonders als er die lächelnden Gesichter sah, daß sich eiu grüner Nebel vor seine Augen legte und ein wahrer, bewunderungswürdiger Hcldenmuth inihmwach- gerusen wurde. „Meine Herren!" begann er, „Alles ist recht hübsch, recht fein von dem Herrn Landsyndicus geordnet, und ich räume herzlich gern das Feld, um den vielgepriesene» Neuerungen Platz zu machen, »on ckiou! wie kann ein Manu von meiner Qualität in einem Club sich behaupten, der das „Neue" nicht allein an der Stirn trögt, sondern diese wunderliche Sucht auch in die „Neue Schenke" verlegt? Ja, nachdem ich die Statuten vernommen, grollt nur vor diesem „Neuen Club", denn mit Wegräumung der so nothwendigen Vormauer der Etiquette ist dem Einlaß der unberechtigten Stände Thür und Thor geöffnet und die exclusive Gesellschaft wird der Tummelplatz schachernder Krämer, nach Salven und Pflaster duftender Heilkünstler und der gleichen ehrenwerther Subjekte werden. Ich fordere deshalb als Sicherung gegen jolche Gefahr die Einschaltung des Paragraphen: „Daß nur allein dem Adel und höheren Becuntenthum dieser Club geöffnet, und der ominöse Name in „Adelselub" umzuändern sei." Der Kammerherr Pompejus v. Pontpietein halte seine Rede vollendet und bückte triumphlrcnd umher. Die Herren konnten sich von ihrem Erstaunen nicht erholen und der Landsyndicus runzelte die Stirn. Hätte der Kammerherr ui geeigneter Weise gesprochen, dann wäre sein Antrag sicherlich von ihm mit Freuden genehmigt worden, zumal er selbst ja bereits den Gedanken gefaßt, — aber so lag eine unverkennbare Beleidigung, ein persönlicher Angriff in jenen Worten, und aus das unglückliche Ereiguiß in seiner Familie war es gemünzt, der Kammerherr streute den Verdacht aus, als könne er den Kaufmann mit seinen Söhnen in diesen Club einsührcn wollen, und dieser Gedanke machte den sonst überaus höflichen und besonnenen Landsyndicus so zornig und erbittert, daß er, zur Opposition gereizt, gegen seine eige nen starren Grundsätze zu eifern begann. In dem verächtlichen Tone, mit welchem der unselige Kammer- Herr die Ehre der Familie Burchard (denn seine Rede zielte zu deut lich auf diese hin) mit Füßen trat, fühlte der Syndicus seine eigene Menschenwürde verletzt, und der wunde Fleck seines Innern blutete, mit diesem Gift geäzt, aufs Neue in alter Heftigkeit, nur mit dem großen Unterschiede, daß sein braver, durch und durch ehrenwerther Charakter sich bei der Anmaßung und rücksichtslosen Beleidigung dieses nutzlosen Hofmannes stolz empörte und der allezeit wahre und ächte Menschenwerth, wie wir ihn in allen Ständen finden, momentan die Oberhand erhielt. Wir sagen momentan, denn freilich war der erste Schritt zur Besiegung des Vorurtheils, aber welche erschütternde Macht gehört oft dazu, einen solchen Dämon, wenn er sich im Herzen fest genistet, mit der Wurzel auszurotten! „Sie sind sehr kühn, Herr Kammerherr v. Pontpietein!" ries der Syndicus im höchsten Unwillen, „und wenn Sie glauben, durch Ihre Anmaßungen und Kränkung ehrenwerther Stände hier Gesetze dictiren zu können, dann lege ich sogleich die Leitung nieder, um sie den Eti- quetlen-General, der die Chinesische Mauer noch erhöhen und die Schnürbrust der Etiquette noch enger ziehen möchte, zu übergeben. Bei meiner Ehre, welche ich bislang unbefleckt erhalten und durch keine Beleidigung antasten lasse, sei's gesagt! — entweder die Gesetze und der Name dieses von mir gegründeten „Neuen Clubs" bleiben unver ändert, oder ich erkläre sogleich meinen Austritt. Denn nicht gewillt bin ich, diese Räume, wo wir fröhlich Haasen wollen, von der Etiquette absperren und uns wie Knaben gängeln zu lassen, - dann wäre mein Zweck gänzlich verfehlt. Und glaubt der Herr Kammerherr v. Pont pietein denn wirklich, die Herren vom Adel und Beamte Sr. Majestät wären entehrt durch die gesellige Berührung mit einem geachteten Bürger, möge er Kaufmann oder Arzt sein?"