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Beilage zu Ar. 101 des Wochenblattes für Mtsdruh etc. Dienstag den 14. Deccmber 1880. Tagesgeschichte. Berlin, 11. Dezember. König Albert und Prinz Georg von Sachsen trafen gestern Abend 6 Uhr 20 Minuten mit dem fahr planmäßigen Zug von Dresden hier ein. Der Kaiser, der Kronprinz, Prinz Karl, der Gouverneur v. Fransecky, Kommandant Generalmajor v. Berken, Polizeipräsident v. Madai und Cercmonienmeister v. Usedow empfingen auf dem Anhalter Bahnhof den König, der die Uniform seiner ostpreußischen Dragoner trug. Prinz Georg erschien in der altmärkischen Ulancnuniform. In der Suite befanden sich General adjutant v. Carlowitz, Flügeladjutant v. Minckwitz und Major v. d. Planitz. Nach herzlicher Begrüßung uns Vorstellung des beiderseitigen Gefolges fuhr der Kaiser mit dem König Albert, der Kronprinz mit dem Prinzen Georg in das königl. Schloß, woselbst der kaiserliche Gast in den Königskammern Wohnung nimmt. König Albert und Prinz Georg von Sachsen kehrten nach der Tafel im Königspalais heute Abend 8 Uhr 20 Miu. auf der Anhalter Bahn nach Dresden zurück. Der Kronprinz geleitete die hohen Gäste bis zum Bahnhof, woselbst sich außerdem der sächsische Gesandte, der Militärbevvllmäch- tigte Sachsens und die hiesigen sächsischen Offiziere verabschiedeten. In Veranlassung einer im preußischen Adgcordneten-Hause ge stellten Anfrage über die Höhe der Matriknlarbeiträge für das kommende Jahr erklärte Finanzminister Bitter in der Budgetkommis- fioil: „Genaue Angaben könne er noch nicht machen, da der Militär- etat noch nicht festgestellt sei; indeß unterliege es keinem Zweifel, daß die Reichsausgaben in Folge der Erhöhung des Militäretats „nicht unerheblich höher sein würden." Die Bevölkerung Berlins ist auf Grund der Hauslisten, die für die Vertheilung der Zählkarten maßgebend gewesen, vom Magistrat vorläufig auf 1,108,000 Personen geschützt worden. Diese Ziffer weicht nur unerheblich von den Ergebnissen ab, welche die fortlaufenden Listen des städtischen statistischen Ämts über die Bewegung der hiesigen Bevölkerung liefern, so daß ihre allgemeine, wenn auch nicht mathe matische Richtigkeit angenommen werden darf. Dabei ist in Betracht zu ziehen, daß weder die Strombevölkerung, noch das Militär seitens des statistischen Amts berücksichtigt wird. Man rechnet die erstere auf 10,000, das letztere auf 22,000 Köpfe. Hiernach würde sich also das Gesammtresultat in Berlin aus 1,140,OM Einwohner stellen, was gegen die Volkszählung vom 1. Dezember 1875, die eine ortsanwesende Bevölkerung von 968,000 Köpfen ergab, einen Zuwachs von 172,MO Seelen bedeutet. In dem jetzt vorliegenden Entwürfe des Reichs-Militär-Etats für 1881—82 werden zufolge der Bestimmungen des Reichsgesctzes vom 6. Mai d. I. mehr eingestellt: im Verwaltungsbereiche des preu- ßischen Militäretats 19,206 Mann, im Königreich Sachsen 8398 Manu, in Würtemberg 1031 Mann; und die Mehrsvrderungen des Etats sind für Preußen: an fortdauernden Ausgaben 14,572,449 Mark, davon sollen auf die Erhöhung der Geldverpflegung, welche durch die neuen Regimenter nöthig wird, 4,828,707 M., auf die Mehrkosten der Naturalvcrpflegung 5,595,891 M., auf die Mehrkosten für Bekleidung und Ausrüstung dieser Truppen 1,359,035 Al., für die Garnisonver waltung und Serviswesen 1,046,842 M. Die einmaligen Mehrkosten sür Preußen und die preußische Militärverwaltung (Kobnrg, Anhalt u. s. w.) betragen 15,738,139 M., und zwar für die erste Ausrüstung und Bekleidung 6,532,812 M., für Bewaffnung 6,576,200 M., für Ankauf von Pferden der neuen Batterien 1,478,480 M. Der Stadthalter der Reichslande, Generulfelomarschall v. Man- ieufsel, hat bei einem zu Ehren des Landesausjcyusses gegebenen Banket eine Rede gehalten, die nicht verfehlen wird, bedeutendes Aussehen zu wachen, da sie nicht nur auf die gegenwärtigen elsaß-lothringischen Berhältnisse ein interessantes «Streiflicht wirft, sondern auch eine mit soldatischem Freimuth gesührte Vertheidigung enthält gegen die schweren ^griffe, welche die Verwaltung des Statthalters Seilens der deutschen Presse erfahren hat. Herr v. Manteuffel weist mit Enschiedenheil die Beschuldigung zurück, als ob er die Interessen der unler ihm m Elsaß- Lvthringcn dienenden Beamten nicht vertrete, er verwahrt sich ferner gegen die Unterstellung, als ob er unter dem Einflüsse der Bischöfe von Straßburg und Metz stände, blos weit er gegen diese mit höherem Alter als er selbst gesegneten Prälaten höflich, zuvorkommend und rücksichtsvoll verfahre, und erklärt endlich die Behauptung für unwahr Und jeder Begründung entbehrend, als ob er das Deulschthum gefährde und eine Schwäche übe gegen frünzösische Sympathien. Selbst der stolzeste Römer, könne nicht stolzer auf Rom gewesen sein, als er, Manteuffel, auf sein Vaterland, und er habe seine Meinung über die jenigen Landesbewohner, welche mit dem Auslande pactiren, unverhohlen ausgesprochen; man müsse ihn denn zum Vorwurf machen, wenn er zu wellen rein menschlich sühle und einen Sohn, dem das Land verschlossen, an das Sterbebett der Mutter eilen lasse, um ihr die letzte Freude zu gewähren. Die Instruction, welche ihm der Kaiser gegeben, gehe dahin, Wunden zu heilen, nicht aber, solche zu schlagen; er habe Gefühle zu schonen, die in der Natur liegen bei der Trennung des Landes von einem Staate, mit dem es zwei Jahrhunderte verbunden gewesen, es gelte vor allem, den Elsaß-Lothringern den Uebergang zu neuen Staatsverhältnissen thunlichst zu erleichtern. So habe er gehandelt und so werde er bleiben. Das Kriegsgericht in Straßburg hat den Feuerversicherungs agenten und französischen Reservevfficier Hypolit Tissot wegen Landes- verraths, begangen dadurch, daß er Pläne der Festung Diedenhofen, die Stärke der Forts und deren Ausdehnung, sowie die Anlagen der Kassmiatten rc. zur Kenntniß der französischen Regierung gebracht hat, des 8 3 des Gesetzes für Elsaß-Lothringen vom 12. Juli 48'3 zu einer Festungsstrafe von 3 Jahren verurtheit. Abthtüliina der Ausstellung in Melbourne ge- Vwcht nach einstimmiger Versicherung der australischen Blätter der deutschen Industrie zur hohen Ehre. Die bereits in Sidney erzielten Erfolge derselben werden in Melbourne noch weit übertroffen. Prag wurde am 6. Dec. Nachts der Arbeiterführer Pecka auf den Altstädter Ring von einer Anzahl Fleischergesellen überfallen und so lange geprügelt, dis er niederkniete und mit erhobener Hand schwur, nie wieder zu Störungen von Partewersammlungen aufzureizen. Die Frage bezüglich der Reform des französischen Richter standes dürste durch die letzten Vorgänge an französischen Gerichts höfen eine beschleunigte Lösung erhalten. Die Freisprechung des Valencer Bischofs, Colton, welcher der Beleidigung der französischen Regierung angeklagt war, hat seitens des Pariser Appelhofes in den republikanischen Reihen einen wahren Sturm der Entrüstung erregt und nicht nur bei den Ultraradikalcn, sondern auch bei den Gemü ßigten. Durch derartige Entschließungen der Gerichtshöfe dürfte aber auch mancher Senator bestimmt werden, für das von der Deputirtcn- kammer bereits angenommene Gesetz, durch welches die richterliche Unabsetzbarkeit auf ein Jahr suspendirt wird, einzutreten, jedenfalls wird die französische Regierung solche Vorkommnisse wie die Frei sprechung des Bischofs Colton, bei der demnächsten Debatte im Senate über die Reform des Richterstandes ins Feld führen. Die gegenwärtig gedrückte ökonomische und finanzielle Lage Ruß lands ist im Schooße des russischen Cabinets schon mehrfach Gegen stand eingehender Erörterungen gewesen. Die Abnahme des Exports von Cerealien, der Abfluß des Geldes nach dem Auslande, der be ständig sinkende Werih des Papierrubels sind für die ökonomischen Zustände in Rußland bedenklich. Es sollen deshalb jetzt, nachdem die Rückkehr des Kaisers von Livadia nach Petersburg erfolgt ist, bald ernste Maßregeln getroffen werden, um eine wirthschaftliche Besserung herbeizuführeu. Die „Times" besprechen den Vorschlag, die griechische Frage einem europäischen Schiedsgericht zu überweisen und glauben, eine solche Vermittelung würde die nöthige Kraft besitzen, um deren Ent scheidungen Nachdruck zu verleihen. Die griechische Frage dürfte nicht länger sich selbst überlassen bleiben. Das einzige Mittel, einen Krieg zwischen Griechenland und der Türkei abzuwenden, wäre die Aufrecht- erhaltung des europäischen Coucerts. Vaterländisch es. — Tharandt. Au der Forstakademie befinden sich im lau fenden Winterhalbjahre 188081 127 Stndireude, von denen 46 Sachsen und 81 Ausländer sind. Es hat sich sonach die Zahl der Forstwissen- schaftstudirenden gegen das Winterhalbjahr 1879,80 wieder um 5 er höht, überhaupt einen Bestand erreicht, der alle anderen Jahre, so lange die Akademie besteht, weit überflügelt, nicht ausgenommen die Zeit, zu welcher Forst- und Landwirthschast noch hier vereinigt waren. — Nossen. Nach der Volkszählung vom 1. Dezember bestehen in 288 Wohnhäusern 878 Haushaltungen und 3670 Einwohner, wovon 1928 männliche und 1832 weibliche; seit dem Jahre 1875 ist ein Zu wachs von 726 Seelen erfolgt. — Die Entwickelung der Meteorologie in Sachsen und be sonders die Einrichtung der Witternngsdcpescheu, wie sie durch den Director der Leipziger Sternwarte eingerichtet sind, fand im preußi schen Abgevrdnelenhauje euie sehr warme Anerkennung. Der Abge ordnete v. Wedell rühmte es, daß in keinem deutschen Lande wie im Königreich Sachsen so ausgezeichnete und ausgedehnte Vorkehrungen getroffen sind, um das ganze Land täglich mit Witterungsdepeschen zu versehen. Er stellte dieses Verfahren als mustergiltig für Preußen hin. — Der Fall, daß iy Deutschland gefertigteWaaren in das Ausland gelendet werden und von dort als Erzeugnisse der franzö sischen, englischen rc. Industrie nach Deutschland mit einem gehörigen Preisaufschlage zmückgelaugen, den das deutsche Publikum ruhig in den Kauf nimmt, weil es eben am Glauben hängt, die Waare sei besser und eleganter als das deutsche Produkt, hat sich vor Kurzem wieder in eklatanter Weise ereignet. Ein Leipziger Kommissionshaus empfing für den Weihnachtsmarkt aus Paris eine Sendung reizender Puppen, die so ganz dem von Vielen gepriesenen französischen Geschmack zu entsprechen schienen. Bei näherer Betrachtung stellte sich indessen heraus, daß die angeblich in Paris gefertigten Pnppen gutes deut sches Fabrikat, und zwar in Sonneberg und Dresden hergestellt worden waren. Die betreffenden Fabrikanten hatten die Puppen in größerer Anzahl vor mehreren Monaten nach Paris verkauft und waren selbstverständlich nicht wenig überrascht, als sie dieselben wie der in Deutschland, und zwar mit der Bezeichnung als Produkt der Pariser Industrie erblickten. — Allbekannt uno sür alle Bevölkerungskreise von Interesse ist der Streit zwischen den Feinden und Freunden der Blatternimpfung. Zur Erläuterung desselben dient der folgende Fall. Der Tagearbeiter Franz Schubert in Oberullersdorf bei Zittau war ein consequenter Gegner des Impfzwanges und hatte im vorigen Jahr sogar Haftstrafe erlitten, weil er sein damals einjähriges Töchterchen nicht impfen lassen wollte. In diesem Jahre erkrankte er aber selbst am Anfang v. M. an den echten Blattern und starb am 15. Ein ähnlicher Fall ereignete sich bei dem Einwohner Konrad in Seifhennersdorf. Er war ungeimpft, wurde blatterukrank und starb am Ende v. M., während seine ganze Familie, die geimpft war, gesund blieb. — Neustadt b. Stolpen. Bor einiger Zeit theilten wir mit, daß ein hiesiges Ehepaar wegen Verdachts des Giftmordes, verübt am eigenen Kinde, verhaftet worden sei. Nachdem sich durch die an gestellte Untersuchung dec Verdacht bestätigt hatte, sind vor einiger Zeit auch die beiden früher verstorbenen Kinder des betr. Ehepaares im Beisein von Gerichtspersouen und des königlichen Bezirksarztes Ur. Eras exhumirt und die Ueberreste an den vereideten Sachverstän digen, Apotheker Kinne in Herrnhut, zur Untersuchung gesandt worden. Das Resultat ist, daß auch diese beiden Kinder durch Arsenik um's Leben gekommen sind, da sich unzweifelhafte Spuren davon noch vor- gefundcn haben. Auch die früher verstorbene erste Ehefrau und deren Kind soll ausgegrnben und weitere Recherchen angestellt werden. — Cainsdorf bei Zwickau. Bei den in Sachsen in Angriff genommenen Sekundärbnhnen mit schmaler Spur wird nicht das gegenwärtig bei den sächsischen Eisenbahnen in Anwendung kommende größte und schwerste Schienenprvfil verwendet werden, denn die auf diesen Schmalspurbahnen künftig laufenden Lokomotiven und Wagen