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(Zweites Blatt.) für Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden Nr. Ltt 188» Freitag, den 5. März Erscheint wöchentlich 2 Mal Dienstag und Freitag Abonnementspreis dierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer lostet 10 Pf. Znseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag AbonncmentspreiS vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannohme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Tagesgeschichte. Seit dem 1. d. M. ist der Reichstag in die Berathnng der Militär- Vorlage eingetreten. Man hatte gehofft, daß der Fürst Reichskanzler zu derselben im Reichstag erscheinen werde, es ging jedoch diese Hoff nung nicht in Erfüllung, da der leidende Gesundheitszustand des Reichs kanzlers es ihm leider nicht gestattete, an der Verhandlung Theil zu nehmen. Eingeleitet wurde die Berathnng durch einen mehr sachlichen Bortrag des Kriegsministers v. Kamecke. Außer dem Kriegsminister sprachen am Montag für die Annahme der Vorlage die Abgeordneten Graf Moltke, v. Bennigsen und v. Tre itschke, gegen dieselbe, haupt sächlich aus finanziellen Gründe», Richter (Hagen) und Reichensperger (Olpe), sowie der Abgeordnete v. Bühler (Oehringen), der durch Ab rüstung zum allgemeinen Weltfrieden gelangen zu wollen scheint, aber auf der Tribüne bei der Unruhe des Hauses wenig verstanden werden konnte. Die Annahme der Vorlage scheint durch Moltkes, Bennigsens und Trcitschkes Auseinandersetzungen bereits gesichert zu sein. Berlin, 2. März. Das Jubiläum des Czaren, welches heut im weiten Rußland unter banger Sorge und in ernster Freude gefeiert Wird, hat Anlaß zu einer neuen bedeutsamen Friedenskundgebung ge boten. Unser greiser Herrscher, dessen langjährige Freundschaft und Zuneigung zu seinem kaiserlichen Neffen sich so oft schon dvkumentirte, hat die Gelegenheit ergriffen, um in warmen, aus dem Herzen quel lenden Worten wiederum ein Zeugniß abzulegen von der Treue und dem Wohlwollen, welches er für den Czaren Alexander empfindet. Es ist eine Kundgebung voller Freundschastsversicherungen und Fric- denshoffiiungen, von welcher der amtliche Telegraph uns in Nach stehendem Mittheilung macht: Der „Regierungsbote" bringt an seiner Spitze ein vom 22. Februar datirtes, vom Reichskanzler, Fürsten V. Bismarck, kontrasignirtes Schreiben Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm an Se. Majestät den Kaiser Alexander, in welchem es heißt: „Die bevorstehende Wiederkehr des Tages, an welchem Ew. Majestät vor 25 Jahren die Negierung augetreleu haben, bietet Mir den erwünschten Anlaß, Meiner Freude darüber Ausdruck zu geben, daß die Freundschaft, welche unsere in Gott ruhenden Väter ver- dand, sich auch in unsern gegenseitigen Beziehungen bewährt hat. In dem Rückblicke auf die Zeit, in welcher sich diese Freund schaft bewährt hat, finde Ich die Zuversicht, daß dieselbe bis an Mein Lebensende ungetrübt bestehen wird. Für Ew. Majestät aber erflehe ich von Gott, daß fein Schutz, der Sie in diesem Jahre und noch in diesen Tagen wunderbar behütet hat, Ihren Volkern und der Mission segensreichen Wirkens, welche die Vorsehung in Ew. Majestät Hand gelegt hat, noch lange erhalten möge. Mit besonderem Vergnügen benutze Ich diese für Ew. Majestät und Höchstdero kaiser liches Haus so erfreuliche Gelegenheit, um die Versicherung Meiner Wahren Hochachtung u. unwandelbaren Freundschaft zu erneuern." Für uns sind diese Woite unseres Kaisers der schönste und vollste Festklang des Czaren-Jubiläums, und wir wünschen nur, daß sie in Rußland ein ehrliches nnd verständnißvolles Echo wecken mögen. Es ist von Bedeutung, daß dieser deutsche Festgrnß auch die Unterschrift unseres Reichskanzlers trägt. Rußland wird daraus ersehen, daß die deutsche Politik, indem sie sich fortan auf die österreichische Freund schaft stützt, doch nicht eine gegen Rußland prinzipell feindliche geworden ist- Wir glauben, auf das Gcmüth des Czaren wird der deutsche Glückwunsch einen tiefen und erhebenden Eindruck machen; er wird dazu beitragen, die freundschaftlichen Gefühle des russischen Herrschers sür Deutschland trotz aller Gegenströmungen an seinem Hof in alter Festigkeit zu erhalten. Auch die russische Presse wird sich sicherlich beeilen, mit Worten der Anerkennung das Berliner Festfchreiben zu begrüßen. Und wir wollen nur wünschen undHoffen, daß diese Sym pathie und Anerkennung eine tiefgehende und andauernde bleiben möge. Angesichts der starken antideutschen Kräfte, welche in Rußland ihr Wesen treiben, ist diese Hoffnung allerdings eine etwas schwache, und wir dürfen zufrieden sein, wenn sie sich dem Wunsche des Schreibens gemäß „bis an das Lebenscnde" unseres Kaisers bewährt, das M gütiges Geschick in unabsehbare Ferne hiuansschiebcn möge. Ueber die Festlichkeiten des 2. März in Rußland wird dem „Berl. weiter berichtet: Das Regierungsjubilüum des Czaren pfild hier im höchsten Glanze gefeiert. Gestern, am Vorabend, fand em großer Fackelzug der Polytechniker nach dem Gouvermentsgebäude statt. Heute prangen die Straßen in höchsten Festschmuck, sämmtliche Haustr erscheinen im glanzvollstem Kleide. In allen Kirchen wird Festgottesdienst abgehalten, ebenso haben sämmtliche Vereine einen prächtigen Galafestzug veranstaltet. In dem geschmückten Theater , sch Festspiel vorbereitet, für den Abend sind Anstalten zu einer '"loyalen Illumination getroffen. — Der „Regierungsbote" veröffent- Ucht einen kaiserlichen Erlaß, durch welchen aus Anlaß der heutigen , öweungs-Jubelfeier eine ganze Reihe von rückständigen Abgaben '"b Geldbußen den verschiedenen Klassen der Bevölkerung erlassen Der gesammte Reichsrath wird dem Kaiser um 11V2 Uhr »sch Glückwunsch-Adresse überreichen. Die Vertreter des Petersburger "s haben ihre Glückwünsche in einem an den Minister des Innern gerichteten Schreiben ausgesprochen. — Gestern fand in der Festungs kirche anläßlich des Todestages des Kaisers Nikolaus ein feierlicher Gottesdienst statt, welchem der Kaiser und alle Mitglieder der kai serlichen Familie beiwohnten. Bald nach 10 Uhr hatten auf dem kleinen Platze vor dem Winterpalais Deputationen von je 100 Mann von jedem Garde-Regiment Aufstellung genommen, während eine unabseh bare Volksmenge die beiden Plätze vor dem Palais anfüllte. Um 10 V4 Uhr erschien der Kaiser auf dem Balkon und wurde von den Soldaten und der Volksmenge mit unbeschreiblichem Jubel empfangen. Der Kaiser verweilte etwa eine halbe Stunde auf dem Balkon fort gesetzt von den freudigen Zurufen und den Segenswünschen der zahl losen Menschenmenge begrüßt. Während die Militär-Musikcorps die Hymne „Gott erhalte den Czaren" spielten, wurden 101 Kanonen schüsse gelöst. Zugleich begannen die Glocken sämmtlicher Kirchen zu läuten. Die Stadt ist bis in die entlegensten Theile reich mit Flag gen geschmückt. Berlin, 3. März. Während Aller Blicke nicht ohne Beängstigung gen Petersburg gerichtet waren, wo der gestrige Festtag von den nihilistischen Verschwörern cynisch und verwegen zugleich als Datum neuer Greuelthaten im Voraus bezeichnet worden war, während die Depeschen aus der russischen Hauptstadt, anstatt der verkündeten Brände und Explosionen nur Mittheilungen loyaler Kundgebungen von Seite des treuen und ergebenen Theils der russischen Bevölkerung enthalten, kommt plötzlich aus Belgien, dem glücklichen Lande, von dem so wenig gesprochen wird, die gänzlich unerwartete Kunde von einem glücklicher weise erfolglosen Attentat auf — die Königin. DerTelegraph meldet lakonisch genug das Folgende über das seltsame Ereigniß: „Brüs sel, 3. März. Gestern Abend nach Schluß der Vorstellung im Theater de la Monnaie erfolgte in dem Augenblicke, in welchem der Hofwagen, in dem sich die Königin befand, um die Ecke der Rue Ecuyer bog, eine heftige Detonation. Es verbreitete sich das Gerücht, daß auf den Wagen der Königin geschossen worden sei. Die sofort angestellte Untersuchung ergab, daß es sich um eine Expl osion einer Petarde bandelte, welche von einem Individuum geworfen worden war." Unser Zeitalter wird schwerlich zu Ende gehen, bevor nicht Deutsch land in neuen Entscheidungskämpfen sich gegen Rußland und Frank reich sicher gestellt hat. Augenblicklich ist'die Gefahr eines russisch- deutschen Zusammenstoßes hinausgeschoben. Das Attentat im Winter palast in Petersburg hat gezeigt, wie schwer und fast unerträglich die innern Sorgen sind, welche auf der russischen Regierung lasten; Kaiser Alexander hat sich gezwungen gesehen, zur Niederhaltung seiner innern Feinde eine Commission zu ernennen, an deren Spitze General Loris-Melikoff mit unumschränkten Vollmachten als eine Art Diktator gesetzt ist. Diese Diktatur wird vermuthlich mit eisernem Rechen den russischen Boden furchen und ihn mit Blut düngen, aber zur Führung eines Krieges mit dem Auslande wird Rußland schwerlich in den Stand gesetzt sein. Im Jahre 1877, als die Revolution noch nicht in den Winterpalast vorgedrungen war, wähnten die Staatsmänner, der Krieg mit der Türkei werde die Leidenschaften ablenken und den Begehrlichkeiten eine andere Richtung geben. Aber das Ventil that seine Schuldigkeit nicht. Ais der Krieg zu Ende war, erhob die Re volution von neuem ihr Haupt, und jetzt ringt sie mit der Dynastie um Leben und Tod. Bevor dieser Kampf vollendet ist, kann Ruß land an einen Krieg nicht denken, und wenn der innere Kampf aus gekämpft ist, so wird es lange Zeit zur Erholung bedürfen. So ist bis zum nächsten großen Kriege eine Art Galgenfrist gesteckt, mit Ver laub zu sagen. — Bremen, 22. Februar. Die Auswanderung wird dieses Jahr wohl bedeutend wachsen. Nach gewissen Zeichen, deren Deutung auf langjährige Erfahrung beruht, macht man sich hier auf eine Zunahme von reichlich zehntausend Köpfen allein für den Weg über Bremen gefaßt. Es bestätigt sich eben wieder, daß diese Bewegung haupt sächlich von der volkswirthschaftlichen Lage der Vereinigten Staaten beherrscht wird. Hamburg, 28. Febr. Die vielen Verhaftungen von Sozial demokraten in Altona beginnen Aufsehen zu erregen, denn es sitzen bereits nahezu an 50 Personen hinter Schloß und Riegel. Unter den Verhafteten befindet sich auch der ehemalige Reichstagsabgeordnete Reimers; für denselben wurde eine ansehnliche Kaution seitens der Partei geböten, doch lehnte die Staatsanwaltschaft die Annahme der selben ab. Itzehoe, 2. März, Es herrscht heftiger Sturm mit Schnee treiben aus Südwest. Vielfache Ueberschwemmungen in den Marschen und Elbniederungen werden gemeldet. Wien, 2. März. Der Kaiser hat für die nothleidende Be völkerung an der kroatisch, slavonischen Militärgrenze aus seiner Pri- vatschatnlle 15,000 fl. gespendet. Die Wiener Polizei verhaftete auf Requisition der russischen Be hörden einen hier sich aufhaltenden Russen aus Odessa, Namens Omiros Fasa, wegen angeblicher nihilistischer Umtriebe. Der Ver haftete verweigert jede Auskunft über den Zweck seines Wiener Auf enthaltes. für die König!. Amtshanptmannschast zu Meißen, das König!. Amtsgericht nnd den Stadtrath zu Wilsdruff. Vier zigster Jahrgang.