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nach damaligen Preisverhältnissen niedrige Kaufsumme von 2700 Gld. und wurde der Erbauer des Schlosses Siebeneichen. Unter seinen in mehreren Linien auseinandergehenden Nachkommen finden sich viele, welche hohe Staats- und Hofämter bekleidet haben. Von den Herren v. Miltitz auf Siebeneichen stehen der Erinnerung und dem Interesse der jetztlebenden Generation am nächsten die drei letzten Vorfahren des jüngstverstorbenen Besitzers: sein Urgroßvater Ernst Haubold, dem es die deutsche Nation verdaut, daß aus dem Rammenauer Kuhjungen Johann Gottlieb Fichte einer ihrer größten Philosophen geworden ist, der auch mit Gellert im nahe« Verkehr stand und den kränklichen Dichter wiederholt als Gast auf seinem Gute Oberau ruf das Herz lichste pflegte; sein Großvater, der als preußischer General verstorbene Dietrich v. Miltitz, endlich sein Vater, Georg v. Miltitz, in jüngeren Jahren Begleiter des noch regierenden Herzogs von Braunschweig auf dessen Reisen im Orient und von demselben zum Oberkammerherrn er nannt, Mitglied der 1. sächsischen Ständelammer, gleich seiner trefflichen Gemahlin von vielen Armen nnd Bedrängten ats Wohlthäter gesegnet. Das Gut Siebeneichen geht als Mannslehen nunmehr auf eine Sei tenlinie des Geschlechts v. Miltitz über. — Im Königreich Sachsen existirt eine so große Anzahl von Gewerbesachschuten, die von Gemeinden, Privaten und Corporationen unterhalten und vom Staate unterstützt werden, daß deren Nennung gewiß von allgemeinem Interesse ist; wir fügen in der nachstehenden Aufführung bei jeder einzelnen Schule die betreffende Schülerzahl aus dem Jahre 1878 tu Klammern bei. Es bestehen eine Fachgewerbeschule für Holzindustrie in Grünhainichen (115) und eine dergleichen in Seiffen (54), eine Posamentirschule in Buchholz (90), eine höhere Webschule in Chemnitz (3l), eine Jnnungsfachschule für Weber daselbst (112), eine höhere Webschule in Glauchau (156), eine Web- und Wirk schule für Lichtenstein, Callnberg und Umgebung (32), eine Fachschule für Wirkerei zu Limbach (29), eine Web- und Fortbildungsschule zu Mülsen (74), eine gewerbliche Fortbildnngs- und Webschule zu Meerane (120), eine Web- und Wirkschule zu Waldenburg (32), eine höhere Web- und Fabrikantenschule in Werdau (15), eine Web- und Fach zeichenschule in Zschopau (24), Webschulen in Crimmitschan (70), Ernst thal (28), Frankenberg (40), Großschönau (31), Hainichen (109), Mitt weida (45), Oederan (63), Reichenbach i. V. (55), Treuen (48), eine Spitzenklöppel Musterschule zu Schneeberg (15), Spitzenklöppelschulen in Aue (63), Bärenstein (39), Bermsgrün (66), Breitenbrunn (77), Krandorf (65), Krottendorf (l28), Grünhain (75), Ehrenfriedersdorf (70), Elterlein (66), Hammerunterwiesenthal (35), Hundshübel (67), Jöhstadt (68), Lößnitz (46), Marienberg (32), Neuitädtel (206), Ober- Wiesenthal (81), Planitz (117), Pöhla (66), Raschau (60), Riltersgrün (169), Rothenkirchen (41), Schlema (64), Schneeberg (144), Schwar zenberg (52), Stahlberg (32), Unterwiesenthal (71)^ Zschorlau (63), eine Fachschule für Maschinennähen (38), eine Gewerbezeichen- und Kunststickschule (52), beide gegründet vom Frauen-Erwerbs-Verein in Dresden, Strohflechtschulen in Altenberg (59), in Dippoldiswalde (39), Geising (47), gewerbliche Fortbildungsschulen in Annaberg (31)^ Borna (37), Chemnitz (1045), Großschönau (120), Hohenstein (206), Leipzig , Sonntagsgewerbeschule der polytechnischen Gesellschaft (240), Plauen i. V. (370), Oederan (203), Zwickau (350), Waldheim (30), eine höhere Fachschule für weibliche Arbeiten in Leipzig (hat seit ihrem Bestehen im Ganzen 368 Schülerinnen unterrichtet), eine Fachschule für Blecharbeiter in Aue (32), eine Fachschule für Instrumentenbauer in Marknenkirchen (21), eine Uhrmacherschule in Glashütte (19), eine Musikschule in Adorf (32), eine dergleichen in Klingenthal (32), Schiffer schulen in Schandau (19), Königstein (9), Wehlen (13), Kopitz (I3), Fachzeichcnschulen in Plauen (27) und Kößnitz (28), landwirthschaftlick/e Schulen in Auerbach (26), Bautzen (93), Chemnitz (45), Freiberg (91), Pirna (15), Rochlitz (21), Wurzen (20). Außerdem existirt eine An zahl Spinnschulen, worüber jedoch nähere Angaben über ihre Fre- quenz fehlen. Der schlechte Kerl im Dorfe. Original-Novelle von Oscar Gießler. Nachdruck verboten. ' (Fortsetzung.) „Ich bringe Ihnen Nachtgesellschaft", sagte er laut dabei und bemerkte dem Marketender besonders: „Es ist Alles überfüllt, ich muß Sie heute Abend zu einem andern Untersuchungsgefangenen stecken und Sie kommen dabei noch ganz gut weg, denn in den andern Zellen sind im Durchschnitt vier bis sünf Personen." „Wer ist es, der allhicr haust?" „Weiß es nicht; diese Zelle ist Nr. 9 und folglich hat auch der Gefangene keine andere Bezeichnung, die nun auch auf Sie übergeht. Sie können nicht glauben, wie bequem es ist, die Menschen zu nummeriren", fügte der alte Schließer launig hinzu, „es merkt sich das viel leichter und man denkt sich so gar nichts dabei." „Ganz Recht", brummte Wilm, „denn die Menschen sind doch im Grunde lauter Nullen, und erst das Schicksal setzt die Zehner vor und führt uns in die Brüche." Der Schließer hatte die Thüre der Zelle geöffnet und mit der Lampe hineingeleuchtet. Ein junger Mann lag auf dem eisernen Bett gestelle und schaute verwundert auf den späten Ankömmling. Das volle Licht fiel auf sein blasses, jedoch anziehendes und von einem Vollbart eingerahmtes Gesicht und Wilm schien den dort liegenden jungen Mann sofort zu erkennen. „Lassen Sie die Lampe noch einen Augenblick hier", bat er den Gefangenenwärter, der eben Micne machte, sich zu entfernen, doch dieser antwortete achselzuckend: „Ich darf nicht, es ist gegen die Instruktion", und klappte die Thüre hinter sich zu. Dafür schob er die in jeder Zellenthür bemerkbare Oeffnung auf und stellte die Lampe dahinter auf den Fußboden, sodaß eine genügende Helle im Zimmer entstand, welche dem Jnhaflirten zum Mindesten das Auskleiden gestattete. „Entschuldigen Sie die Störung Ihrer Nachtruhe, mein Herr", sagte Wilm spöttisch, „allein ich komme nicht ganz freiwillig zu Ihnen und sehe, daß der Zufall hier ein recht neckisches Spiel treibt, denn wenn ich nicht ganz irre, erneuere ich heute Abend eine alte Bekannte schäft. Herr Heinz, nicht wahr?" ' Der Gefragte hatte den Spechenden lange angestarrt, nun sprang er rasch vom Lager auf und sagte lebhaft: „Ist es denn möglich, Sie sind es, Schwiegervater, und Sie kommen zu mir? Wie geht das zu? Wo istEjise? Wie befindet sie sich? Was macht unser Eugen? Sie sind doch Alle wohl? Nicht wahr, Sie bringen mir Nachricht?" „Gemach, junger Herr", antwortete der Alte gemessen, „Sie fragen Miel auf einmal, und auf Ihre Sündfluth von Anfragen kann ich nicht ebenso prompte Antwort geben. Die Frau, welche Sie erwähnten, ist gesund — wohl auch der Knabe, ich weiß das nicht genan", fügte er zögernd hinzu. „Uedrigens bringe ich gar nichts, als mich selbst, d. h. besser gesagt, ich wurde gebracht, hätte aber nicht geglaubt, daß ich gerade Ihnen Gesellschaft leisten sollte, und will den Schließer sogleich benachrichtigen, daß ich hier unmöglich bleiben kann." „Warum unmöglich?" sagte der junge Mann betreten. „Ich weiß nicht, was ich von alledem denken soll, aber ich preise den Zufall, der Sie hierher geführt hat. Sie können doch nicht ewig unversöhnlich bleiben und wenn Sie mich gehört haben, so werden Sie auch wissen, daß ich ganz unschuldig hier lvgire." „Um Gotleswilleu, keine Beichte!" wehrte Wilhelm ab, den die Situation zu erheitern anfing. „Ich bin durchaus nicht competent dazu, über Andere zu urtheilen, denn ich komme ja selbst als Ange klagter hierher." „Als Angeklagter, Sic? Das ist mir zu rund." „Und mir war es zu eckig", bewerte Wilm kaustisch. „Willst Du etwa leugnen, verstockter Sünder, daß ich Dir geholfen habe, die Waaren vom Bahnhofe wegzuschaffen und wußtest Du nicht, daß ich dieses Zeug in meiner Darrhorde wohlversteckt hatte? Besinnst Du Dich nicht, daß ich Dir Deine Beute nut gutem Preise bezahlte? — Nun führen wir beide ein recht lustiges Leben und kümmern uns den Teufel um die Rechtmäßigkeit unseres Verfahrens." „Hören Sie ans, Vater, ich bitte Sie, mir wird ernstlich bange vor diesem Galgenhumor", bat der erste Gefangene. „Bangt Dir etwa um meinen Verstand? Damit hat es gute Wege", beschwichtigte Wilm. „So weit sollen es die Hallunken doch nicht bringen. Noch lebt der alte Gott, und wenn Du, Heinz, mit Deiner Sache richtig bist, so soll's uns nicht fehlen und wir schlagen die Frevler an unserer Ehre auf's Hanpt." August Heinz sagte grollend: „Sie haben so oft an mir gezweifelt, mir stets Unrecht gethau, daß ich jetzt befürchte, Sie glauben mir wieder nicht, wenn ich belheuere, daß ich völlig rein in meinem Gewissen bin." „So? Ich habe Dir also stets Unrecht gethan, August Heinz?" gab der Marketender kurz zur Antwort. „Also immer noch der alte Trotz! War es etwa recht gehandelt, mir mein einziges Kind zu nehmen, ohne auch nur um meine Einwilligung zu fragen? — Doch, das sind alte Geschichten, und ich habe kein Recht mehr, Dir zu zürnen, bin ich doch Dein Mitschuldiger geworden und da nimmt man's nicht genau mehr mit der Moral". Ein widerliches Lachen ertönte aus des alten Mannes Munde und man merkte es ihm an, wie schwer es demselben wurde, sich in die Situation zu finden. „Ich will für heute Stacht Dein Gast sein," bestimmte er endlich, „und Du sollst Dich über Deinen Zeltkameraden nicht zu beklagen haben, hast zwar die Campagne von 70 nicht mit- gemacht, wirst es aber begreifen, daß es Einem wohlthut, wenn man in Noth und Gefahr auf einen Landsmann stößt, wäre er Einem früher auch ganz unbekannt gewesen. Man rückt zusammen und verträgt fick- eben, so gut es gehen will." „Vater, es steht schlimm mit uns, wenn Sie mich immer noch für eine Fremden halten", entgegnete der junge Mann. „Nicht plan loser Zufall, nein, Gott selbst hat Sie heute Abend in meine Zelle geleitet, — wollen Sie den Wink des Schicksals verkennen? Wre lange wollen Sie warlen mit der Versöhnung? Sie können Vas Geschehene nicht ungeschehen machen, weisen Sie also die dargebotene Hand des reuigen Sohnes nicht zurück, ich bitte Sie darum!" August Heinz streckte dem Schwiegervater die Rechte entgegen und sah ihn bittend an. Noch immer zögerte Wilm, dieselbe zu ergreisen. „Bin ich anch gewiß, daß diese Hand sich nicht nach fremde« Gute ausstreckte und daß ich meine Gunst nicht — einem Verbrecher zuwende?" sagte er langsam. „Aus solchen chronisch gewordenen Argwohn habe ich keine Ant wort" entgegnete der Andere mit schmerzlicher Resignation. „Ich bin leichtsinnig gewesen — Elise, mein guter Engel, hat wohl recht, — aber schlecht war ich nie. Robert Kichlberg heißt der Thäter, ihm verdanke ich mein Unglück. Ich habe freilich keine Beweise dasür, aber Gott sieht in mem Herz!" „So recht, mein Junge, verliere nur das Gottvertrauen nicht," sprach überwältigt der alte Marketender und drückte dein Schwieger söhne herzhaft die dargebotene Hand. „Wir werfen unsern Anker nicht in den Ervenschlamm, sondern in das Blau des Himmels, wie's in meinem Kalender daheim geschrieben steht, und Du wirst sehen, wenn wir zusammenhalten, es wird Alles zum Guten hinausgeführt." August Heinz legte sich voller Freuden dem versöhnten Vater an die Brust und in Nacht und Graus des Gefängnisses feierten nunmehr zwei Menschenseelen ein Jubelfest der ewigen Liebe. Der Wärter pochte an die Zelle, um die Unterredung zu beenden und nahm zum Zeichen des Gebotes die Lampe vom Flure fort. Was bedurften aber die beiden „Häftlinge" des äußeren Lichtes noch? Es war Licht geworden in ihren Seelen und seil Jahren hatte der Wilm nicht eine so himmlische Befriedigung im Gemüthe empfunden als an diesem Abende, der ihm doch eine Beraubung seiner Freiheit gebracht hatte, die er unter andern Uniständen schmerzlich genug vermißt haben würde. Bald entschliefen die Beiden auf ihren ärmlichen Lagerstätten und spannen im Traume das Versöhnungsfest weiter, glücklich und zufrieden im Geiste, also frei, im Heiligsten, in Gott. So lohnt der Himmel-ein ruhiges Bewußtsein und bekränzt das Leben, wo wir es am Wenigsten vermuthen. Der Staatsanwalt machte freilich große Augen, als er andern Morgens die Vorführung des verhafteten Marketender-Bär verlangte und dabei erfuhr, daß derselbe in der Zelle seines Schwiegersohnes genächtet habe. Der Aufseher erhielt natürlich eine „Nase" darüber, weil er sich nicht besser um die Personalien seiner Gäste bekümmert habe, und Wilm ward selbstverständlich aus Nr. 9 sofort ausquartirt. Er schied völlig versöhnt mit August Heinz, und ihr kurzes Bei sammensein hatte doch eine gute Frucht getragen, denn Beide waren miteinander über ihr künftiges Verhalten vor Gericht schlüssig geworden und hatten sich völlig über die Vorfälle ausgetaufcht, welche der Anklage gegen sie zur luftigen Stütze dienen sollten. Beide Angeklagten, Wilm und Heinz, deponirten einstimmig daß Niemand weiter, als der Waagenschreiber Robert Lichtberg die Defraudationen auf dem Bahnhofe begangen haben könne, und daß höchstwahrscheinlich der Vater desselben, Adolph Lichtberg, um die Sache wüßte, vielleicht auch hilfreiche Hand geleistet habe. Die Beweise mußten sie freilich schuldig bleiben, denn was verschlug es den Richtern, daß August Heinz und Robert Lichtberg von Jugend auf Widersacher gewesen waren, und daß fast dasaleicheVer^ättniß zwischen Wilhelm