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sur Siebenlehn und die Umgegenden Nossen Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag) AbonnementspreiS vierteljährlich 1 Mark Line einzelne Nummer kostet IO Pf. Jnseratcnannabme Montags u. Donnerstag- b:S Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal Dienstag und Freitag. AbonnementspreiS vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratcnannabme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. sür die König!. Amtshonplmannschost zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Vierzigster Vahrgang. 1880 Nr. 16 Freitag, den 20. Februar Die Explosion Lm Winterpalais. Die Hand sträubt sich, das Schreckliche niederzuschrciben. Ein neues, fürchterliches Attentat ist in Petersburg geschehen, ein Attentat, entsetzlicher und grauenhafter, als alle jenen finstern Anschläge, durch welche das Leben des Czaren bereits bedroht wurde. Nicht der Czar allein, die ganze kaiserliche Familie sollte im Winterpalais in die Luft gesprengt werden. Weder die verdoppelte Wachsamkeit der russi schen Polizei, noch die besonderen Vorsichtsmaßregeln, welche in erhöh tem Maße im kaiserlichen Palais schon seit Monaten getroffen waren, hätten die entsetzliche Katastrophe verhindern können, wenn nicht durch eme gütige Fügung das Leben der Czarenfamilie behütet worden wäre. Die verderbenbringende Mine war gelegt, die Explosion erfolgte, und nur einem rein zufälligen Umstande verdankt von Neuem das russische Volk, daß das Leben seines Czaren und seiner Herrscherfamilie erhol- ten blieb. Zn Nachstehendem geben wir die Nachrichten, welche bis jetzt da rüber aus der russischen Hauptstadt vorliegen: Petersburg, Dienstag, 17. Februar, Abends. Im kaiserlichen Winterpalais hat eine Explosion stattgefunden. Von der kai serlichen Familie ist Niemand verletzt. Die Mine lag unter dem Wachtzimmer, dieses befindet sich unter dem Speisezimmer. Von der Wachtmannschast sind 35 verletzt, darunter 5 bereits gestorben. In den Fußboden des Speifezimmers ist eine Oeffnung gerissen, 10 Fuß lang und 6 Fuß breit. Die kaiserliche Familie war noch nicht ver sammelt in Folge einer zufälligen Verspätung. Petersburg, Mittwoch, 18. Februar, Vormitt. Der „Regierungs- lwte" meldet: Am 17. d. Nachmittag gegen 7 Uhr erfolgte im Erd geschoß des Winterpalais unter dem Hauptwachtzimmer eine Explosion, Wobei von den auf der Wache ausgestellten Soldaten des Finnländischen Lcibgarderegimeuts 8 Mann getödtet und 45 verwundet wurden. Die Diele des Wachtzimmers und mehrere Gasröhren sind beschädigt. Die amtliche Erhebungen sind im Gange. Wenn man diesen Anschlag sich in seinen Einzelheiten vergegen wärtigt, so muß man wahrlich gestehen, daß Grauenhafteres kaum noch jemals geplant und bis zu einer gewissen Grenze des Gelingens durchgeführt worden ist. Diese russischen Verschwörer mit ihrer teuf- lifchen Phantasie lassen Alles weit hinter sich, was die Männer der Höllenmaschienen und Orsinibomben in ihrer verbrecherischen Einbil dungskraft zu Tage gefordert. Mit gewaltiger Energie und mit einer Ausdauer, welche abscheuvollcs Staunen hervorruft, wußten sie alle Hindernisse hiuwegzuräumen, die ihren Mordanschlägen im Wege standen. Noch sind die Verbrecher nicht entdeckt, welche unter dem Mos kauer Schicnenstrange die Minen gelegt, um den Extrazug des Kaisers in die Luft zu sprengen, und bereits dringt Verrath und Verderben bis in die kaiserlichen Privatgemächer des Palais, bis in die nächste Nähe des Czaren und das vor dem Bahnhofsgebäude in Moskau be gonnene unlerirvische Werk des Hasses und der Zerstörung findet im kaiserlichen Winterpalais seine Fortsetzung. Im Hause der Romanoffs waltet heut das Schicksal mit schwerer Hand. Binnen vierzehn Tagen hofft der Czar sein fünfundzwanzig- jähriges Regicrungsjubiläum zu feiern; aber es ist ein tiesmüder und gebrochener Mann, dem die Großen des russischen Reiches zu huldigen sich anschicken und unhörbar schreitet schon lange der Tod durch die hohen Räume des Winterpalastes, und der letzte Athemzug der schwer darniederliegenden Kaiserin steht stündlich bevor... Das Berl. Tagebl. erhielt aus Petersburg ein Privattclegramm, in welchem demselben mitgctheilt wird, daß die Zahl der Getödteten und Verwundeten eine bei Weitem größere ist, als offiziel gemeldet worden. Die Mine war unmittelbar unter der Wachtstube der Haupt wache, welche an diesem Tage von einem finnläudsichcn Regiment tze- zogen worden, angelegt und mit Dynamit und Sprengbaumwoue gefüllt. Die Leitung, von der aus die Explosion bewirkt worden, konnte deutlich bis in den inneren Hof in einen Keller, wo Feuerungs- Material aufgespeichcrt lag, verfolgt werden. Die Verwüstung ist geradezu entsetzlich, überall sah man verstümmelte Soldaten und ein zelne Gliedmaßen derselben herumliegen. Die Detonation war keine so gewaltige, wie man sie nach den verursachten Verheerungen erwarten konnte. Gleich nach der Explosion wurde das Winterpalais hermetisch durch Wachen und hauptsächlich durch Offiziere, die aus allen Ka sernen und Restaurants herbeiströmten und cs sich nicht nehmen ließen, den Sicherheitsdienst momentan persönlich zu versehe», abgefpcrrt. Der Polizeidirekwr und der Kommandant der Stadt trafen persönlich ein und leiteten die auf der Stelle vorgeuommene Untersuchung. Eine Abtheilung Garde-Pioniere, die durch den Telegraphen Herbci gerufen wurde, räumte die Schreckensstätte auf. Ei» Panischer Schrecken ver breitete sich natürlich im Palast und der Czar illleo nur darauf bedacht, seine schwerkranke Gemahlin möglichst zu beruhigen. Es scheint außer allem Zweifel zu liegen, daß das Palais auch noch an anderen Stellen unterminirt ist. Bis jetzt werden nur offizielle, lückenhafte Nachrichten m der Stadt Verbreiter. Nur Personen, die ganz und gar mit den Gewohnheiten des Czaren, sowie mit den Lokalitäten Bescheid wußten, konnten den verbrecheri- scheu Mordanschlag unternehmen, nud es liegt außer allem Zweifel, daß selbst Bedienstete aus der Umgebung des Czaren in den Mordplan eingeweiht waren. Eine starke Kette von Polizeisol daten hat den Platz vor dem Palais abgesperrt und Jeder, der in das Palais hincinwill, wird, auch wenn er sich legitimirt, mit einer Eskorte dem wachthabenden Offizier überliefert. Die kaiserliche Familie hat sofort einen anderen Theil des Pa lais bezogen. Tagcsgeschichte. s" Frankfurt a. M., 14. Febr. Hinsichtlich des für das V. deut sche Turnfest projektirten Festznges erfahren wir, daß man von der nrsprünglicheufJdee, fnur dem Turnerwesen dabei Sorge zu tragen, abgekommen ist. Wie bei dem Schützenzuge 1862 die Entwickelung des Schützenwefens rc. veranschaulicht wurde, so wird das Gleiche mit der Turnerei geschehen, und sollen alle Phasen der Gymnastik, von den olympischen Spielen bis auf die moderne Turnerei, veranschaulicht werden. Sämmtliche Vereine, welche die Ausbildung der Körperkrast nach irgend einer Richtung hin verfolgen, wie Rudervereine, Fußball klubs rc., werden aufgeboten werden. 15 Musikkorps werden den Zug, welchen die Feuerwehr nut ihrem Musikkorps eröffnen und schließen wird, begleiten. Breslau, 16. Februar. Der „Breslauer Zeitung" zufolge ist es bei der diesmaligen Löhnung in der Scharley grübe zu bedeu tenden Excessen gekommen. Das Zechenhaus wurde zerstört, die ge werkschaftlichen Skripturen wurden vernichtet und die Beamten miß handelt. Zur Herstellung der Ruhe mußte Militär requirirt werden. Zum Kapitel der Gerichtskosten wird aus Potsdam folgender in teressante Beitrag geliefert: Beim dortigen Landgericht beantragte ein Gläubiger, Arrest auf das Vermögen seines Schuldners, und zwar in Höhe von 300,000 M., zu legen. Der Antrag wurde, ohne daß es zu irgend einer Maßregel oder Verhandlung kam, durch Verfügung zurückgewiesen, desgleichen auch die über diesen ablehnenden Bescheid beim Kammergericht ciugereichte Beschwerde. Die Kosten für diese beiden einfachen Verfügungen wurden von dem Gerichte in Gemäßheit des neuen GerichtskosteutarifS mit etwas über 700 Mark (!) von dem Antragsteller erfordert. Vor dem 1. Oktober 1879 betrugen die Ge« sammtkostcn in diesem Falle 24 Mark. In den Mehrausgaben für das Militär spielen auch die Brief tauben eine Rolle. Das deutsche Reich zahlt für sie künftig nicht mehr 10,500, sondern 19,000 Mark. Die Flugversuche der Tauben werden ausgedehnt und eine besondere Zuchtstation zur Erlangung eines ächt militärischen Stammes wird eingerichtet werden. Am 9. Februar Nachts brauste der Bahnzug zwischen Renge und Coblenz dahin, die Passagiere unterhielten sich munter oder schliefen und Niemand dachte au etwas Schlimmes. Nur ein Schaffner, Michael Erken, hatte bemerkt, daß etwas nicht in Ordnung, daß das Band an einem Rade gesprungen und der Zug aus den Schienen war. Im Nu war er auf den Zug hinauf geklettert und hatte die Glocke geläutet, gerade noch früh genug, daß mit aller Gewalt gebremst werden konnte. Der Zug stand keine Handbreit mehr vor einem steilen und tiefen Ab hang, die aufgeschreckten Passagiere holten tief Athem, sie sahen's mit einem Blick und eine Secunde später, so lagen sie alle unten zerschmettert. Dem Schaffner Erken verdankten sie Gesundheit und Leben. Hof, 18. Februar. Dec gestern Abend 10 Uhr 20 Min. hier abgelassene Münchener Kurierzug stieß nach Verlassen der Station Ober kotzau in Folge falscher Weichenstellung auf cincn entgegenkommenden Güterzug. Von den Passagieren ist Niemand verletzt, zwei Heizer sind schwer verwundet, fast das sämmtliche Fahr- und Postbeamtenpersonal hat Kontusionen erlitten. Eine Ladung Vieh, die der Güterzug führte, ist zur Hälfte getödtet. Die Beschädigungen an Wagen und Maschine sind arg. Ein Geleis ist bereits wieder frei. Ein Brief des „N. W. Tagbl." berichtet bezüglich Minghetti's Besuch beim deutschen Kronprinzen in Pegli, wo auch der eng lische und deutsche Botschafter weilen, daß Minghetti in König Hum- bert's Auftrage mit dem Kronprinzen über eine Annäherung an das austro-deutsche Bündniß unterhandle, ohne Rücksicht auf das jetzige italienische Ministerium, dessen Sturz bevorstehe. Auch England arbeite in diesem Sinne. Außer Miughelti hat sich auch Bonghi, der ent schiedenste Gegner der „Italia irredenta", nach Pcgli begeben. Das in jüngster Zeit vielgenannte päpstliche Blatt „Aurora" ge steht endlich ein, daß man, nach den Debatten im preußischen Abgc- ordnetenhause zu urtheilen, an maßgebender Stelle in Berlin an dem falschen Prinzip (mo!), dem Wirkungskreise der Kirche Grenzen ab stecken zu wollen, festhält. Die „Aurora" erklärt aber gleichzeitig durch den Mund ihres Berliner Korrespondenten, daß die Katholiken fest und muthig auf ihrem Platze ausharren werden im Vertrauen auf di- göttliche Barmherzigkeit und auf die Weisheit des heiligen Stuhles, zumal dieselben überzeugt sind, daß die inneren Gefahren sowohl als die äußeren, welche Preußen von Ost und West bedrohen, die Regierung bald zwiugcu werden, mit dem Papste einen Frieden abzuschließen, welchen derselbe annehmbar findet. . . . Das ist ja ein recht schätzbares Geständnis;, welches wic-sit in dem schätzbaren Blatte finden.