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Wochenblatt für für für die Königl. Amtshauptmannschaft zn Meißen, das Königl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Vierzigster Vahrgang. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag.) AbonnementSpreiS vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstag- bis Mittag 12 Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag.) Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden Ar. 11. 188«. Dienstag, den 3. Februar Auktion. Kommenden HoLtrZEs <1. ^8., von Vormittags 1v Uhr an sollen in der Hausflur des unterzeichneten Königlichen Amtsgerichtes 1 Kleidersccretair, 1 Kleiderschrank, 1 Schreibtisch, 1 Reisekoffer, Kleidungs stücke u. s. w. gegen sofortige Baarzahlung versteigert werden. Wilsdruff, am 30. Januar 1880. Der Gerichtsvollzieher des Königlichen Amtsgerichts daselbst. MattheS. Tagesgeschichte. Minden, 29. Januar. Heute Vormittag hat sich in der benach barten Kohlenzeche Meißen ein entsetzliches Unglück ereignet. Um 8 Uhr Morgens fuhren 33 Bergleute an, um ihre neue Tagesarbeit zu beginnen. Kurze Zeit nach ihrer Niederfahrt erfolgte eine heftige Detonation in Folge einer Explosion schlagender Wetter. Die Ent zündung der Gase hatte auf der unteren Sohle stattgefunden, die dort befindlichen Leute wurden zur Seite geschleudert, die giftigen Dünste zogen darauf zur ersten Sohle und ließen die meisten in derselben be schäftigten Arbeiter dem Erstickungstode anheimfallen. Auf geschehene Meldung des Unglücksfalls fuhr ein Steiger in Begleitung mehrerer Leute mit Todesverachtung hinab, um den Kameraden womöglich Rettung zu bringen. Doch war das Eindringen in den Schacht un möglich, die Braven mußten unverrichteter Sache wieder umkehren. Erst nach erneuter Hinabfahrt gelangten sie zu der Unglücksstätte und konnte« ihr Rettungswerk, leider nur mit geringem Erfolge beginnen. Unter eigener Lebensgefahr gelang es ihnen, bis 3 Uhr Nachmittags 17 Tobte, 1 leicht, 2 schwer durch Brandwunden Verletzte und 1 am Bein Verwundeten zu Tage zu fördern. Hierauf wurden die übrigen Bergleute, die udrch die Gase mehr oder weniger betäubt und auf gedunsen waren, sich aber Gott sei Dank außer Lebensgefahr befinden, emporgeschafft. Die Todten liegen, in einer langen Reihe aüfgebahrt, im Kesselhause. Drei Manu wurden nach dem Krankenhause geschafft. Der Anblick mehrer der Verunglückten ist ein entsetzlicher; einigen sind ganze Glieder vom Körper gerissen, dem einen wurden sämmtliche Zähne ausgeschlagen, während andere mit zerschmettertem Schädel vor gefunden wurden. Aerztliche Hilfe war sofort zur Stelle. Die Todten, von denen elf verheirathet waren, gehören verschiedenen Dorfgemeinden an. Der Jammer der Hinterbliebenen ist herzerschütternd, eine alte Mutter u. A. verlor durch die entsetzliche Katastrophe ihren siebenten Sohn. Der Reichstag ist nach einer im „Reichsanzeiger" veröffentlichten kaiserlichen Verordnung auf den 12. Februar einberufen. Natür lich ist nicht daran zu denken, daß der preußische Landtag bis dahin auch nur Halbwegs die ihm noch obliegenden Arbeiten erledigt haben könnte, aber es wird nun einmal der Grundsatz Geltung behalten müssen, daß das Reich in der Festsetzung des Beginns und der Dauer seiner legislatorischen Thätigkeit den Einzelstaaten vörangeht und diese sich ihrerseits nach jenem zu richten Haden. Man nimmt daher an, daß der Landtag, zumal die ersten Tage der Reichstagssession noch von schwierigeren parlamentarischen Arbeiten verschont bleiben werden, bis zum 20. Februar seine Sitzungen abhalten und sich dan« auf unbe stimmte Zett vertagen wird. — Von den Vorlagen, die an den Reichs tag gelangen werden, dürsten neben dem neuesten Militärgesetz insbe sondere die Steuerentwürfe von allgemeinem Interesse sein. Gewisses ist darüber freilich noch nicht bekannt, doch erhalten sich die Gerüchte von einer Börsen-, Brau-, Inseraten- und Quittungs-Steuer mit auffälliger Bestimmtheit. Von einer Erhöhung der Branntwein steuer ist wohl aus Rücksicht auf die Ablehnung des Schankstätten« steuer-Gesetzes einstweilen nicht mehr die Rede. In wie weit die Er trägnisse dieser neuen Steuer, wenn es wirklich zu ihrer Einführung kommt, zur Erleichterung der direkten Steuerlast Verwendung finden werden, entzieht sich jeder Muthmaßung; die Hoffnung auf eine der artige Erleichterung muß selbstverständlich in Betracht der wachsenden Ansprüche der Militärverwaltung auf das allergeringste Blaß be schränkt werden. Fürst Bismarck gedenkt, so weit sein Gesundheitszustand dies irgend wie gestattet, in Berlin zu verbleiben bis zum Schluß des Reichstages. ' Es werden demnächst und zwar unter persönlicher Mit wirkung des Fürsten Bismarcks finanzielle Erörterungen über die Deckung der durch die Militärvorlage entstehenden Kostenflattfinden; hier und da wird behauptet, die neue Einnahme aus Zöllen und Steuern sei viel zu niedrig veranschlagt und würde doch schließlich zu einem höheren Ertrage führen, als man ursprünglich gedacht hätte. Der Reichskanzler besteht darauf, daß der preußische Landtag möglichst bald dem Reichstage Platz mache. Ob die Session des ersteren geschlossen oder vertagt wird, steht noch nicht fest. Bis jetzt ist die Vertagung des Landtags behufs Berathung der Verwaltuugs- gesetze nicht gerade wahrscheinlich. Opfer der Kohlengruben. (Von einem Korrespondenten des Berliner Tageblatts.) London, im Januar. Wohl nur wenige bedenken, wenn sie des Morgens resp. des Abends ihr Kohlenfeuer im gemüthlichen Kamin anzünden lassen, daß nach den Zählungen jener schrecklichen Personen, Statistiker genannt, an jedem Tage jahraus jahrein die Menschen als Opfer ihres Berufes in den Kohlenbergwerken Englands zu Grunde gehen. Nicht weniger als Tausend Bergleute finden in jedem Jahre in den Coalminen Großbritanniens einen gewaltsamen Tod. Alle An strengungen der Wissenschaft, welche sich bemüht, die Lampen der Berg leute zu verbessern, alle Gesetze des Parlamentes, welche die größt möglichsten Vorsichten den Eigenthümern und Leitern der Werke zur Pflicht machen, vützen nur wenig gegen die tückischen Elemente, welche furchtbarer und gewaltthätiger, denn an irgend einer andern Stelle in den Eingeweiden der Erde das Werk aus Menschenhand zu zerstören sich bemühen. Allein, nicht die Elemente allein, nicht die feurigen Gase allein vernichten in so erschreckender Proportion das Leben der Berg leute; in vielen Fällen tragen diese selbst durch übergroßen Leichtsinn gar sehr oder oft ausschließlich zu ihrem Unglücke bei. Lampen wer den geöffnet, um besser zu sehen, oder gar um eine Pfeife Tabak an zünden Zu können, die Ventilation der Schachte wird vernachlässigt oder es werden sonstige Vorkehrungen außer Acht gelassen, welche bei einer Arbeit wie die in einem Kohlenbergwerke absolut nothwendig sind. Und nicht blos der gewaltsame Tod in dem Schacht droht dem Berg mann, der Kohle gräbt. Auch die vom Glücke begünstigten, welche nicht den schlagenden Wettern als Opfer fallen, oder sonst durch einen Unfall getödtet werden, liefern den Sterberegisteru eine siebenmal größere Kundschaft, als die sonstigen Bewohner von Großbritannien. Das mittlere Lebensalter, auf welches ein Kohleubergmaun in Staffordshire rechnen darf, beträgt nicht mehr als 33 Jahr, während sonst ein Mann, der das zwanzigste Lebensjahr zurückgelegt hat, in England auf weitere vierzig Jahre rechnen kann. Das jüngste schreckliche Grubenunglück in dem Jair-Lady-Schachte zwischen Crewe und Hanley, wobei an 70 Bergleute wieder ihr Leben verloren, regt alle diese Gedanken mit er neuter Kraft wieder an. Der erwähnte Schacht genoß seit längerer Zeit den traurigen Ruf, sehr gefährlich zu sein, da die Kohle- daselbst besonders reich an Gasen und schlagenden Wettern war und einige kleinere Unfälle sich bereits mehrere Male dort ereignet hatten. Auch wurde der Direktor erst kürzlich wegen mangelhafter Ventilation vor Gericht geladen. Gestern Morgen nun, nach acht Uhr, vernahm man Plötzlich in der Nähe des Schachtes den vminöfen Knall, darauf schoß Feuer und Dampf aus der Tiefe der Erde und alle Welt in der Nähe wußte sofort, daß wieder eine schreckliche Katastrophe vorgefallen sei. Siebenundsiebzig Lampen waren knrz vorher an die Arbeiter für den Tages-Relai ansgetheilt worden; sie alle ko«nten jetzt schon vielleicht Leichen sein. Der Rauch und das Feuer hinderten vier Stunden lang, irgend welche Rettungsversuche. Allein sobald solche möglich wurden wagten sich sofort viele muthige Männer in den Abgrund. Die Szene daselbst war entsetzlich. Die armen Bergleute waren durch die Explo sion in Stücke gerissen worden, und wunderbar muß es bleiben, daß überhaupt noch drei am Leben blieben. Viele wurden schwer verwundet an die Oberfläche gebracht, aber sie erlagen bald ihren gräßlichen Wunden. Die ganze Gegend ist wieder in Trauer gehüllt. Abermals ein halbes Dutzend Wittwen und mehrere Hundert Waisen. Doch in den Kohlengegenden muß man an solche Katastrophen sich gewöhnen. Wir alle erinnern uns noch an die Talk-Hill-Explosion, welche achtzig Opfer kostete, die Dinas-Explosion mit sechzig Leichen, dann das Un glück in Haydock, Verlust zweihundert Menschenleben, und so könnte ich in den letzten Jahren eine Reihe von anderen der größten Explo sionen aufzählen, wobei die Opfer denen einer Schlacht fast beikommen. Die Statistiker behaupten aber dennoch, daß trotz alledem die Verhält nisse der letzten zehn Jahre sich gegen die Vorjahre gebessert haben. Allein auch die „Besserung" ist noch immer schlimm genug, und der würde ein wahrer Wohlthäter der Menschheit genannt werden, w,"" irgend ein Mittel ersinnen könnte, um die entsetzlichen Katastropl/n durch schlagende Wetter wenigstens unmöglich zu machen. Droht doch auch der Tod sonst noch genug den armen Leuten, welche die schwarzen Diamanten für uns aus der Erde heraufholen.