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Der preußische Finauzminister hat bei Einbringung des Etats in dem Abgeordnetenhause die bestimmte Erklärung abgegeben, daß die Er trägnisse der neuen indirecten Reichssteuern nur dazu dienen soll ten, einen Steuererlaß in den Einzelstaaten herbeizusühren. Im Ge gensatz hierzu hat nun in der Budgetkommission der Regierungskom- missar erklärt, daß der Reichstag eine etwaige Erhöhung der Matri- kularbeiträge durch neue indirecte Steuern decken könne. Diese Erklär ung rief Staunen hervor, und es wurde beschlossen, die Regierung auszufordern, baldmöglichst über die Höhe der auf Preußen im näch sten Jahre fallenden Matrikularbeiträge Auskunft zu ertbeilen. Demnächst soll im preußischen Stäatsnunisterium das Trunksucht- gesetz zur Berathung kommen. Bereits haben sämmtliche Ortsbehör- deu Nachweisungen über die in ihrem Bezirk während des Jahres 1879 vorgekommenen Fälle von Trunkenheit eiureiche» müssen oder sollen sie doch unverwcilt einreichen. Es muß auch angegeben werden, wie-viel Personen, die wegen Trunkenheit in Polizeiwahrsam gebracht waren, nach ihrer Ausnüchterung wieder entlassen werden konnten, wie viele wegen Bettelns und Bagabondirens noch anderweit ciuge- sperrt und wie viele wegen sonstiger Vergehen und Verbrechen be straft werden mußten. Dergleichen Nachweise sollen künftig alljährlich ausgestellt werden. Auf Grund dieses stalistischen Materials sollen die näheren Bestimmungen des Trunksuchtgesetzes ausgearbeitet werden. Berlin, 24. November. Der Buudesrath hat einstimmig in erster und zweiter Berathung den Antrag Preußens, betreffend die Verlängerung des kleinen Belagerungszustandes für Berlin, die Stadt kreise Potsdam und Charlottenburg und die Kreise Teltow, Nieder- -baruim und Osthavclland auf ein weiteres Jahr angenommen. Die Auswanderung nach Nordamerika aus Schleswig-Holstein -hat im Laufe dieses Jahres einen so großen Umfang angenommen, daß nicht wenige Dörfer des westlichen Holsteins mindestens 10"/» ihrer bisherigen Einwohnerschaft eingebüßt haben. Im klebrigen dauert die Auswanderung von dorther noch fort und dürfte dem An scheine nach für das nächste Jahr noch größere Verhältnisse annehmen. Der „Frankfurter Ztg." wird aus der Schweiz geschrieben, die Direktion der Gotthard bahn hegt die bestimmte Erwartung, daß der große Gotthardtunnel im Juni 1881 vollendet sei, sodaß dle Er öffnung der Bahn am 1. Juli erfolgen könne. j Schon seit längerer Zeit ging in Paris die Rede, daß der Papst bei der Regierung der Republik Protest gegen die Ausführung der Märzdekrete erhoben habe, ohne daß iudeß eine Bestätigung der Nach richt erfolgt wäre. Vorige Woche ist indeß mehrer» großen deutschen Zeitungen aus der französischen Hauptstadt die Mittheilung zugegangen, daß der fragliche Schritt seitens des Papstes nun thatsüchlich geschehen sei. Der „Nationalzeitung" unter anderen wird telegraphirt: „Der Nuntius Hal am 23. Nov. dem Minister des Aeußeren eine lange Note der Kurie überreicht, worin der Papst erklärt, daß er das Verdamm- ungsurtheil über die Dekrete aufrecht erhalte, sodann gegen die Aus führung derselben protestirt und sich über die Nichterfüllung der von Freycinet gemachten Versprechungen beklagt. Bartholemy soll nicht beabsichtigen, diese Note zu beantworten." Die Spannung zwischen der Republik und dem Vatikan wäre somit auf dem Gipfelpunkte an gekommen; der Abbruch der diplomatischen Beziehungen würde nicht lange auf sich warten lassen. Außerdem heißt es schon jetzt, die Re gierung werde die erledigten Bischofssitze besetzen, ohne den Papst zu fragen. Was soll aus Frankreich werden, wenn die Rothen, begnadigte und mnbegnadigte, obenauf kommen? Sie machen gar kein Hehl daraus, daß alle ihre Gegner über die Klinge springen müssen. Die neueste und furchtbarste Äpostelin der Blutrache für die unterdrückte Commune von 1870 ist die kürzlich begnadigte Petroleuse Luise Michel. In einer öffentlichen Volksversammlung von Tausenden hielt sie ihre Jung fernrede, und was für eine! Jedes Wort athmete Rache, Mord und Brand, und als den Ersten, der fallen müsse, bezeichnete sie den Ge neral Gallifet. Wir opfern uns, rief sie, aber unser Leben gilt uns nichts; es lebe die Commune, sie ist nahe, ich bitte um die Ehre als die Erste losschlagen zu dürfen. Lebenslängliche Minister gibt's in Frankreich nicht, aber lebens längliche Senatoren mit jährlich 30—50,000 Fres. Dotation. Zu solchem Senator hat sich jetzt der Kriegsmiuister General Farre machen lassen. Ein guter General muß ja immer auf eine gute Rückzugs linie Bedacht nehmen. Gambetta kann schon deshalb auf keinerlei lebenslänglichen Posten rechnen, weil er kugelrund ist. Wien, 27. November. Meldung der „Polit. Korresp." aus Cettinje: Die Militärkonvention in Betreff Dulcignos ist vor gestern Nachts unterzeichnet worden. Die montenegrinische Okku pation begann gestern Mittag, um 6 Uhr Abends war die Besetzung der Stadt Dulcigno »nd der dieselben umgebenden Positionen vollzogen. Aus Konstantinopel, ebenso aus Athen, wird von ernstlichen Bemühungen behufs Herbeiführung abermaliger direkter griechisch-tür kischer Verhandlungen über die Grenzfrage berichtet. Und zwar liegt die Initiative auf Seiten der Pforte. Die „Polit. Korresp." berichtet aus Gal atz: Der türkische Kommissär Karatheodory Pascha überbrachte einen Protest gegen die Form der an Bulgarien ergangenen Ein ladung zur Donau-Kommission. Die Kommijsiousmitglieder be absichtigen, dem türkischen Standpunkte Rechnung zu tragen und den Widerspruch durch einige persönliche Erklärungen zu beschwichtigen. London. Der Staatssekretär des Auswärtigen, Lord Granville, hielt in Hanley eine Rede, in welcher er auf die mißliche Lage in Irland hinwies und hervorhob, daß Eigenihum und Leben aller Sicherheitsgarantien ermangelten. Es sei unmöglich, diese Zustände fortdauern zu lassen, die Regierung werde dem Parlament Maßre geln vorschagen müssen, welche für das gegenwärtige Bedürfniß genügten und die Zukunft des Landes sicher stellten. Der Minister gab sodann einen geschichtlichen Ucberblick über die Entwickelung der orientalischen Frage und bemerkte, daß bezüglich Griechenlands zuletzt kein neuer Vorschlag gemacht worden sei, daß es aber unmöglich sei, die griechische Frage ungelöst zu lassen. Der Minister erwähnte den von England gemachten Vorschlag, Smyrna zu besetzen, uud fügte hinzu, Rußland und Frankreich dürften denselben angenommen haben, auch Oesterreich habe anfänglich versprochen, dem Vorschlag beizutreten; später aber habe Oesterreich den Beitritt abgelehnt und dann hätten auch Frankreich und Deutschland sich geweigert, daran theilzunchmen. Die Pforte aber habe, sobald sie von diesen vertraulichen Bespre chungen der Mächte Kenntniß bekommen, sich entschlossen, Duleigno zu übergeben. Der Minister trat sodann für das europäische Konzert ein, welches thalsächlich bestehe und hoffentlich noch lange Zeit fort dauern werde. Oesterreich, Deutschland und Italien hätten loyal am Konzert der Mächte mitgcwirkt, die Beziehungen zwischen England und Rußland seien die freundschaftlichsten. Waterländisches. — In der am 13. November stattgefundenen Sitzung des Bezirks ausschusses der königlichen Amtshauptmannschaft zu Meißen brachte Rittergutsbesitzer Oeymichen-Choren folgende» wichtigen Antrag ein: „Die königl. Amlshauptmannschast möge bei dem Ministerium des Innern dahin w rken, daß das Verbrennen von Kartoffelkraut auf den Feldern bei Geld- und eventuell Haftstrafe verboten werde." Er be gründete diesen Antrag in Folgendem: Das Verbrennen von Kartoffel kraut auf den Feldern habe sich — ganz abgesehen davon, daß cs vom ökonomischen Standpunkte aus als ein Fehler und wirthschaft- licher Schaden zu betrachten sei — allenthalben als ein großer Uebel stand insofern erwiesen, als eines Theiles dadurch Kinder zum Fener- anmachen an feuergefährlichen Orten verleitet würden (wodurch oft größere Schadenfeuer entstanden seien), anderen Theiles auch vielfach falscher Feuerarlam hervorgeruscn werde, während entgegengesetzten Falles bei wirklichen Schadenfeuern die Hilfe aus den Nachbarort schaften ausgeblieben sei, weil man angenommen habe, daß es sich um einen Kartoffelkrautbrand handle. Diesen Gründen wurde seiten des Ausschusses allseitig zugestimml und dabei rücksichtlich der mit zur Sprache gebrachten vielfachen Brandstiftungen durch Kinder (im hiesigen Bezirke kamen deren im laufenden Jahre allein 6 vor!) bemerkt, daß diesen Unfällen mit vorgebeugt werde, wenn wegen der Aufbewahrung von Streichhölzchen au den Kindern nicht zugängigcn resp. verschlossenen Orten, sowie wegen des Verkaufs von Streichhölzchen an Kinder Maß regeln getroffen würden. Mit obigem Anträge kam aus Anlaß der in neuerer Zeit so häufig vorkvmmenden Feimenbrände zugleich auch die Frage iu Anregung, ob nicht eine Anordnung über die Entfernung, in welcher die Aufstellung von Feimen bei Gebäuden zulässig, zu treffen sei. Oehmichen-Choren war der Ansicht, daß für die Feimcii bei Gebäuden mit harter Dachung ein Abstand von 45 in und bei weicher Dachung ein dergleichen von 90 m vorzuschreiben sei. Der Vorsitzende des Bezirksausschusses erklärte, da sich die gerügten Uebel- stäude im ganzen Lande fühlbar machten, nicht einseitig vorgehen zu wollen, sondern die Frage auf der nächsten Conferenz der Amtshaupt- I leute des Dresdner Regierungsbezirkes, behufs Herbeiführung einer allgemeinen Anordnung, mit auf die Tagesordnung zu bringen. — In der weiteren Sitzung wurde wegen Gewährung von Staatsunterstütz- Uttgen zu Volksbibliotheken im hiesigen Bezirke beschlossen, daß nur solche Gesuche zu berücksichtigen seien, wo es sich um wirkliche Volks bibliotheken handle. — Dem Mörder des Herrn Hauptmann a. D. v. Carlowitz, dem vormaligen Förster Julius Leberecht Dathe, welcher in voriger Schwurgerichtsperiode zum Tode verurtheill worden ist, wurde die Entschließung Seiner Majestät des Königs publizirt, wonach das Todesurtheil auf dem Gnadenwege in lebenslängliche Zuchthaus strafe verwandelt worden ist. — Oberhalb der großen Mühle im Rabenauer Grunde wurde vergangenen Mittwoch ein 24 Jahre altes Mädchen todt aus der Weißeritz gezogen. Dasselbe stammt aus Böhmen und war in der Fabrik der Holz-Jndustrie-Gesellschaft beschäftigt, woselbst das Mäd chen schon seit vorvergangenem Sonnabend vermißt wurde. Der Um stand, daß die Unglückliche an ganz seichter Stelle, nur mit dem Ge sicht im Wasser, aufgefunden wurde, legt die Vermuthuug eines Ver brechens nahe. Grünhain. Infolge der auch am hiesigen Orte unter der Kin- dcrwelt in ziemlich intensiver Weise ausgebrochenen Masernepidemie — in vereinzelten Fällen erregten Scharlach und Mandelbräune ernste Besorgnisse — wurde die Schule am 18. Oktober geschloffen und ist mit dem Unterricht erst am 23. d. M., nachdem die Epidemie unter der Schuljugend ziemlich ganz erloschen, wieder begonnen worden. Adclstolz und Bürgerthum. Culturgeschichtliche Erzählung von E. Heinrichs. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Der Assessor schwieg und starrte nachdenklich und trübe vor sich hin. Der alte Kaufmann, sowie auch Ludwig schwiegen ebenfalls tief erschüttert, ja, Herr Josias schien über diese Mittheilung sogar den ominösen Brief vergessen zu haben, bis ihn Ludwig mit der Frage: „Wie steht aber diese Erzählung mit dem Briefe im Zusammenhang?" wieder daran erinnerte. „Nun, meine Freunde!" entgegnete Philipp, den düsteren Ernst gewaltsam von sich abschüttelnd, „wenn auch nicht in directem Zusam menhang mit dem anonymen Briese, so wollte ich Euch nur zeigen, wo wir unsern gemeinsamen Feind zu suchen haben. Pompejus nennt sich der seltsame Mann in diesem Briefe, und Pompejus wollen wir unsern Gegner, den intriguanten Hofjunker nennen. Pah, meine Freunde, ärgert mich nicht mit Eurer Kurzsichtigkeit! Oder sollte nur der Zufall gefügt haben, daß gerade jetzt, wo sich der Albendyl wieder in Hannover befindet, auch die geheimen Jutrigucn wieder beginnen?" „So sollte der Brief von dem Hofjunker herrühren, meinst Du, Philipp?" fragte Ludwig erstaunt. „Ich will noch gar keine Meinung aussprechen," versetzte der Assessor ruhig, „nur die Vermuthuug liegt mir allerdings nahe. Euch, meine Freunde, die ich liebe uud achte, bitte ich, mir beizustehen, den Verräther nach allen Seiten hin zu entlarfen und das Dunkel aufzu klären. Daß meine Geschichte nur für Euer Ohr allein gewesen, brauche ich wohl nicht erst zu bemerke», selbst die eigene Gattin darf nichts davon erfahren, Freund Ludwig; das heißt, die Zeit der Offenbarung wird jedenfalls kommen und vielleicht bald erfüllt werden." Ludwig nickte gedankenvoll, während Herr Josias mit starken Schritten das Zimmer maß. „Nun aber bitte ich Euch, lieber Philipp," begann der alte Herr endlich, vor dem Assessor stehen bleibend, „gebt mir ein Licht, einen Fingerzeig in diesem Wirrniß, vor dem ich entsetzt zurückbebe. Hab' mein Leben lang niemals mit solchen Geheimnissen und Cabalen mich befaßt und soll am Schluß noch selbst Komödiant werden. Nein, Assessor, damit verschont mich, — mir graut vor dem Blick in diesen Abgrund der Falschheit und Doppelzüngigkeit. Doch will ich nicht leugnen, daß Eure Erzählung mir Freude gemacht, ja, es freut mich den jungen Königstreu wieder achten zu können, und es ist mein inni ger Wunsch, daß seine Unschuld ans Tageslicht gezogen und die gute Hedwig recht glücklich werde. In allem Uebrigen laßt mich aus dem