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— Vergangenen Freitag erstickte in Nieder-Pesterwitz das 4 Jahre alte Kind des dortigen Einwohners Eiswig. Die Mutter des Kindes übergab dasselbe an genanntem Tage, während sie etwas zu besorgen hatte, ihrer Schwester zur einstweiligen Pflege. Das Kind machte sich bei derselben mit einem Krautstrunke zu schaffen, welchen es auch in den Mund nahm, wobei es leider passirie, daß derselbe in den Schlund gerieth und das Kind dadurch seinen Tod fand. Die Eltern trifft dieses Unglück um so Hürter, da es ihr ein- zigcs Kind war. — Ein recht bedauerlicher Unglücksfall ereignete sich vor einigen Tagen in Kötzschenbroda. Ein ziemlich 6 jähriges Mädchen einer Wiltwe nahm, als die Mutter auf kurze Zeit die Stube verlassen hatte, ein Licht in die Hand und hielt es an das Hemdchen seines kleinen vierjährigen Bruders. Natürlich brannte sofort diese Beglei tung und das arme Kind wurde, trotzdem daß die Mutter auf das Schreien herbeieilte, in erheblicher Weise verbrannt. Bald darauf stellten sich Krämpfe ein und an denselben ist das Kind am Tage darauf gestorben. — Vor einigen Tagen hatte der Fabrikarbeiter Rothe in Klein forst bei Oschatz sich etwas Branntwein holen lassen und davon ge trunken, den Rest aber bei Seite gestellt. Die verehelichte Rothe trug am selbigen Tage Arbeiten fort und ließ ihre Kinder von 3 und 1 V4 Jahren in der Wohnstube allein zurück. In dieser Zeit fand der ältere Knabe die Flasche auf und trank den Rest Branntwein aus, so daß er bei der Rückkehr der Mutter betrunken in der Stube lag. Trotz schleuniger ärztlicher Hilfe ist das Kind am Tage darauf gestorben. — Schandau. Die Frage betreffs Errichtung einer Draht seilbahn nach der Bastei hält die Gemüther noch fortwährend in eifriger Bewegung und fehlt es dabei nicht an günstigen und un günstigen Betrachtungen. Für das Projekt tritt man neuerdings in Hohnstein ein, da man sich daselbst der Meinung hingiebt, daß ein Theil der Fremden, welche den genannten Aussichtspunkt besuchen, auch das erwähnte Städtchen nicht links liegen lassen werde. Dieier Tage hat sich übrigens der Minister des Innern unter Führung eines Forstbeamten an Ort und Stelle speziell über alle Details des Pro jekts orientirt und ist daher mit voller Sicherheit zu erwarten, daß der endgültige Entschluß der Regierung das Resultat der eifrigsten Erwägungen bilden wird. — Aus dem oberen Voigtlande, 26. November. Aus den Kreisen der Handweber, die während des Sommers zwar wenig lohnende, aber doch ausreichende Beschäftigung hatten, kommen wieder Klagen über Arbeitslosigkeit. Diese Thatsache ist um so betrübender, als der Winter mit seinen mannichfacheu Bedürfnissen vor der Thüre steht. Sind auch Heuer die Kartoffeln besser gerathen, als während der zwei letztvergangenen Jahre, so würde doch die Noth nicht aus-' bleiben, wenn die Weber nicht viel zu thun hätten. Bis jetzt hat das obere Boigtland keine Industrie aufzuweisen, welche die Feiernden genügend beschäftigen könnte; es wird darum von einigen Seiten auf die Einführung eines neuen Industriezweiges, durch welchen die zahl reichen Arbeitskräfte ausgeuutzt werden könnten, hingearbeite». In Adorf hat Oberlehrer Graupner eine Schnitzschule errichtet, wo gegenwärtig über 20 Knaben Unterricht in der Holzschnitzerei erhalten. Die Stadt unterstützt dieses Unternehmen dadurch, daß sie ein Schul- ,zimmer für den Unterricht hergiebt und für 50 M. Werkzeuge ange kauft hat. Nächstens wird durch den Gewerbevereiu eine Bertoosung geschnitzter Sachen (Salatservices, Konsolchen, Holzlöffel rc.) stattfinden, um die itt der Schnitzschule gefertigten Gegenstände an den Mann zu bringen. In Bad Elster sind schon während dieses Sommers der artige Schnitzereien zum Verkauf gekommen. Vielleicht gelingt es, -die Holzschnitzerei in hiesiger Gegend einzubürgeru. Adelstolz und Bürgerthum. Culturgeschichtliche Erzählung von E. Heinrichs. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Der alte Kaufherr schritt wieder unruhig auf und nieder, fein gerader Sinn fürchtete vor allen Dingen die Geheimnißkrämerei und krummen Wege und sein Stolz sträubte sich gegen den Gedanken, von dem klugen Assessor nur als Mittel zum Zweck gebraucht zu werden. „Und weiter hätte ich bei der Beglückungsidee nichts zu thun?" fragte er deshalb mit einem Anflug von Bitterkeit. „Vorerst nichts weiter, verehrter Freund! — Sie erfüllen also meine Bitte, ich darf Sie in den Statuten, die ich heute noch entwerfen werde, als Präses des neuen Clubs anführen?" „Ei, das klingt ja recht wichtig," lachte Herr Josias, „die Zuthaten borgen wir auck wohl vom Franzmann, wie alles Uebriqe in unserer Gesellschaft?" ,,O, nicht doch, Papa Burchard! — der Club vom Onkel Land- syndicus hat seine Zuthaten wie überhaupt seine ganze Einrichtung, von England geborgt, — wir nehmen eigene Deutsche Zuthaten, wollen keine fremde Anleihe." „Brav, so gesällt's mir, — nun, meinetwegen, — mag man mich, wie ich fast fürchten muß, ehr- und ruhmsüchtig schelten,' ich will's ertragen um der guten Sache willen. Setzt meinen Namen immerhin als Unternehmer an die Spitze, Kinder! und wenn das Geld fehlen sollte, dann —, doch halt, da liegt der abscheulicke Brief mit seinem Horoskop mir doch wieder bleiern im Gedächtniß. Ich glaube, es wäre, um mich ganz zu beruhigen, am Ende das Beste, Du packtest heute noch das Nothweudigste ein und machtest Dich auf die Reise nach Hamburg, zum alten Freunde Hildebrand, mein lieber Ludwig, um der Geschichte selbst durch eigene Nachforschung auf den Grund zu kommen." „Der Gedanke wäre nicht übel," meinte Philipp nachdenkend, „die Reise ist allerdings nicht angenehm bei dieser Jahreszeit, doch wo so viel auf dem Spiele steht, kommen dergleichen Kleinigkeiten nicht in Betracht. Nehmen wir zum Exempel nur den Albendyl: um irgend einen lichtscheuen Plan auszusühren, macht er die doppelt beschwer liche Reise von London hierher, hat dabei die Frechheit, sich für seinen Zwillingsbruder, den Lieutenant Horace, auszugeben, denn ich habe die feste, überzeugende Gewißheit, es ist der listige Richard, das An denken, welches unser Doctor ihm einst mitgegeben, die hübsche Schmarre über der rechten Schläfe, welche kein Kunstmittel der Toilette zu ver hüllen vermag, verräth den Galiläer. Doch ist es noihwendig, ihm den Glauben, als hielten wir ihn für den Bruder, zu lassen. Der kecke Vogel soll sich in seinem eigenen Gewebe fangen." „Mir wird ganz schwindelich bei solchem Treiben," sprach Herr Josias kopfschüttelnd. „Gott sei gelobt! Herr v. Wüllen, daß Sie mir keine besondere Rolle zugedacht, um den intrignanten Hofjunker zu entlarven, — und auch mein Ludwig taugt nicht für solche Komödie, mag er deshalb reisen, wenn's sein muß, schon morgen." „Ja, ja, ich will morgen abreisen," rief Ludwig, wie aus einem Traum erwachend, „mir graut vor diesem Hofjunker, und wenn Sie es erlaube», mein Vater, dann nehme ich meine Frau mit mir,— ich könnte keine Minute in der Ferne ruhig sein. Du, Freund Philipp, wirst mir deshalb nicht zürnen, wenn ich vielleicht die Früchte dort zu ernten gedenke, wo ich nicht gesäet habe. Aber glaube mir, es ist besser, wenn Hermine mit mir geht." „Hm! das Ding hat eigentlich zwei Seiten," meinte Philipp nach denkend, „gegen Deine Abreise habe ich nichts. Du bist ebenso wenig, als Herr Josias, der Jntrigue gewachsen und verstehst Dich schlecht auf die Kriegskunst, Gegenminen zn graben. Lnrdlou, alle Hilfstruppen darfst Du mir auch nicht entziehen, und Hermine besitzt gerade die rechte Dosis Muth und Klugheit, welche ich bei der Frau wünsche. Und doch, es sei darum, wenn ich's recht überlege, mag es vielleicht am beste» so sein, hat die Arme doch schon genug gelitten, daß es grausam wäre, ihr diesen Kampf noch zuzumuthen. Nur den Doctor Carl müßt Ihr mir lassen und die Charlotte dazu, wir drei im Bunde wollen, so hoffe ich zu allen guten Göttern, mit der Operation schon fertig werden. Jetzt aber haben wir genug geplaudert," setzte er heiter hinzu, indem er sich rasch erhob und beiden Männern die Hand zum Abschiede reichte. „Wir werden uns morgen schon einmal sehen," sprach Ludwig mit einem warmen Händedruck. „Sicherlich, ich würde auch herzlich gern den Abend bei Euch zu bringen, aber es zieht mich mit Zaubergewalt nach der „Neuen Schenke", um die Wunder des Onkel Lanchyndicus, der mich dort nicht erwartet, anzustaunen, und die feierliche Stimmung zu erhöhen." „Unverbesserlicher Spötter!" lächelte Herr Josias, „und der Onkel meint's doch fo gar besonders gut mit ihm, daß er diesem jungen Satyr selbst sein leibliches Kind zum Opfer bringen will." „Ei, Papa Burchard, haben Sie auch von diesem seltsamen Märchen gehört?" rief Philipp laut lachend, „ich soll Hedwig hei- rathen? Ja, das gute Kind ist von seiner früheren Abneigung gegen den Cousin Philipp gründlich curirt, also, daß sie dem gestrengen Herrn Vater mit reizendem Ernste die Versicherung gab: „Wenn ich mein Herz nicht fragen darf, so werde ich nur Philipp meine Hand als Gattin reichen." — Der kleine Schelm that da einen doppelsinnigen Ausspruch, wie das Orakel zu Delphi. Der Onkel merkte in seiner Unschuld nicht einmal, daß Hedwig heimlich mit dem Cousin Philipp conspirirte und ihre Genesung nur einem kleinen Verrath zu danken hatte." „Ah, ich merke, Du bist der rechte Wnnderdoctor!" rief Ludwig erstaunt, „und es soll mich nicht mehr überraschen, wenn Du sogar als Abgesandter des armen Muselmannes in die Heimath rurückae- kehrt bist." „Der Glaube macht selig, mein Lieber! — nur nicht geplaudert!" Und mit einem Händedruck stürmte der Assessor hinaus. Herr Josias Burchard aber dachte mit einem tiefen Seufzer an seine Präsidentenwahl und den anonymen Brief, der ihm den Sohn, die Stütze seines Hauses, so urplötzlich in die Ferne senden sollte, während Ludwig sich auf die Reise in die gepriesene Weltstadt ins geheim von Herzen freute. Viertes Capitcl. In der „Neuen Schenke" am Neustädter Markte ging es an diesem Abend gar lebhaft her. Der große Saal war dem „Neuen Club" zur Verfügung gestellt und zu dieser Einweihungsfestlichkeit, wie das ja auch noch heutigen Tages bei solchen Gelegenheiten der Fall ist, aufs Schönste geschmückt worden. Nur fehlte, was man heute nicht entbehrt, der Damenkranz zu dem Schmuck der bunten Blumen; — das wäre in damaliger Zeit eine Ungeheuerlichkeit gewesen, und unsere Vorväter aller Rangclassen, vom schlichten Bürger bis zum vornehmen Hofherrn hinauf, würden ihren Augen nimmer trauen, könnten sie die Emancipation der Gegenwart, die Damen in öffentlichen Concerten und sogar Bierstuben fchauen. Doch die Zeit schreitet vorwärts, und das ist recht so; möge sie nur nicht zu weit ausschreiten. Die Gesellschaft des „Neuen Clubs" war beisammen, man war in höchst feierlicher Stimmung und harrte nur der Ankunift des Prä sidenten. Plötzlich öffnete sich die Thür und Philipp v. Wüllen trat mit der Ungenirtheit eines Mitglieds in den Saal. Es fiel weiter nicht auf, er war der Neffe des Präsidenten und mußte natürlich als zugehörig betrachtet werden. Philipp's Adlerauge überflog die vornehme Versammlung und mit einem unmerklichcn Lächeln schritt er auf eint» corpulenten Herrn iu glänzendem Galakleide zn. Es war der Kammerherr Pompejus v. Pontpietein, der General der Etiquette, wie man ihn allgemein bei Hose nannte. Denn trotz der Abwesenheit des Landesvaters, welcher als König von Großbri tannien nur selten die Heimath Wiedersehen durfte, ging in Hannover Alles seinen gewöhnlichen Gang, wie früher. Die Personen des Hof- haltes waren beibehalten, ebenso die aus 20 Musikern bestehende Capelle, das Französische Theater und der Marstall mit seinen 200 Pferden. Auch wurde die Schloßwache regelmäßig bezogen. Philipp begrüßte den General dec Etiquette mit der Ehrerbietung, welche ihm gebührte, und da dieser im Grunde nur Spott von dem Assessor gewohnt war, so sah er einigermaßen erstaunt und albern aus. „Kommen Sie, mein lieber Kammerherr," flüsterte Philipp, „ich muß Ihnen eine große Neuigkeit mittheilen; Sie werden staunen!" „Ah, ich stehe ganz zu Diensten, mon awi! ganz zu Diensten!" betheuere der Kammcrherr. „So kommen Sie in eins der Nebenzimmer, wir werden hier belauscht." Der Kammcrherr folgte neugierig in eins der Nebengemächer, wo bereits die Spieltische zu l'Hombre, Whist und Taroc zurechtge setzt waren. „Nun, mein Verehrtester, was haben Sie mir zu sagen? Ver gessen Sie nicht, daß Ihr Herr Onkel sogleich erscheinen wird und sch doch vorher die Gesellschaft würdig und nach der Rangordnung arrangiren muß, um dem verehrungswürdigen Präsidenten eine ver diente Ovation darzubringen." „Sielassen mich ja nicht zu Worte kommen, Bester!" rief Philipp in komischer Verzweiflung. „Wissen Sie das Neueste unserer Tages geschichte?"