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Wochenblatt für , für die König!. Amtshauplmannschaft zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Erscheint wöchentlich 2 Mal (Tienstag und Freita g Abvnnementöpreis vierteljährlich I Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Uhr. Ersche nt wöchentlich 2 Mal (Dienstag und Freitag.) AbonnementLpreiS vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratcnaiinalime Montags u. Donnerstags bis Mittag 12 Ulr. Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden Nr. 95. Vierzigster Jahrgang. Dienstag, den 23. November Tagesgeschichte. Das „Deutsche Montagsblatt" schreibt in seiner Wochenschau vom 22. d. M.: Die allgemeine Friedenszuversicht ist unendlich gestiegen. Die vollkommene Jsolirung Englands hat zur Folge gehabt, daß selbst die noch immer endgültiger Lösung harrende Dulcignofrage von Nie mand mehr als ein bedenkliches Symptom betrachtet wird. Der Orient flößt, trotz griechischer Großsprecherei und obwohl es des Zündstoffs noch in Fülle auf dem Balkan gievt, für die nächste Zukunft kaum irgend einem amtirenden Politiker noch wirkliche Besorgnisse ein. Frei lich gilt diese allgemeine Beruhigung und politische Abrüstung nur für eine bestimmte Spanne Zeit. Bis der Schnee, der jetzt zu fallen be ginnt, schmilzt, wird und mag auch die Friedenszuversicht Vorhallen. Was dann uns bevorsteht, wissen nicht einmal die Diplomaten von Beruf. Diese Herren Haden uns seit Langem daran gewöhnt, mit der Stillung unserer Friedenssehnsucht aus der Haud in den Mund zu leben. Und ihr Thun und Lassen hüllt sich, trotz aller Roth-, Blau-, Gelb- und Grünbücher für den gemeinen Sterblichen in undurchdring liches Dunkel. Niemand wußte bisher, weshalb vor sechs Wochen noch die nicht vollzogene Uebergabe des Städtchens Dulcigno an den Fürsten von Montenegro die famose europäische Flvttenkundgebung unumgänglich machte, wenn noch heute dieselbe gemeinsame Geschwa der-Demonstration als gegenstandlos geworden gilt, obwohl das Städt chen sich noch nach wie vor nicht in montegrinischem Besitz befindet. Dasselbe Räthsel harrt, was die Theilnahme der Mächte an dieser maritimen Expedition anbetrifft, gleichfalls noch immer der Lösung. Wenn das englische Kabinet diese Flottenansammlung in der Adria für nothwendig hielt, um der Türkei zu imponiren, welche Ursache zwang die österreichische und deutsche Politik dazu, sich im gleichen Fahrwasser zu bewegen? Lauter ungelöste Räthselfragen, auf die glücklicherweise heutzutage selbst der bekannte Heinrich Heine'sche „Narr" nicht auf Antwort wartet. Genug, daß wie durch ein Wunder die Wogen, welche sich eben noch zu europäischen Stürmen aufzuthürmen drohten, Plötzlich glatt erscheinen. Der zuweilen in peinlicher Weise akut austretende Gegensatz zwischen Rußland und Oesterreich ist von der Oberfläche der Tagespolitik wie weggeblascn. Frankreich und Deutsch land tauschen die liebenswürdigsten Redensarten und gleichlautendsten Instructionen sür ihre Gesandten am griechischen Hose aus und der Sultan kümmert sich weder um griechische Ansprüche noch um arme-' uische oder andere Reformen. Daß in Italien hin und wieder Gelüste auftreten, das Ministerium Cairoli zu stürzen, daß in Spanien ge wisse Symptome sich vordrängen, aus denen zu schließen, daß, wenn nichts Schlimmeres, so doch ein Kabinetswechsel bevorstcht, daß in Frankreich der Minister des Innern — in Folge eines. Preßprozesses seine Stellung moralisch schwer bedroht sieht und daß er voraussicht lich fallen wird, weil und obgleich Herr Constans ein besonderer Schütz ling Gambettas ist, daß in Rußland große Veränderungen im höheren Beamtenpersonal bevorstehen, daß in England die irischen Wirren immer unheimlichere Verhältnisse annehmen, daß in Oesterreich der innere Frieden der Monarchie nach verschiedenen Richtungen hin in Frage gestellt erscheint, das Alles kann den Eindruck der Beschwich tigung und Beruhigung nicht ändern, welchen gegenwärtig die diplo matische Lage Gesammt-Eurvpas hinterläßt. Die gegenwärtige Bewegung bezüglich der sozialen Stellung des Judenthums in Deutschland zieht immer weitere Kreise und ist bereits in das preußische Abgeordnetenhaus gedrungen. Der fortschrittliche Abg. l)r. Hänel hat im Namen seiner Partei eine Interpellation ein gebracht, in welcher die Regierung aufgefordert wird, ihren Standpunkt, gegenüber der antijüdischen Bewegung, zu kennzeichnen, so daß nun mehr die erstere genöthigt ist, öffentlich Stellung zu dieser Frage zu nehmen. Was bis jetzt in der Sache gesprochen und geschrieben worden ist, trägt mcistentheils den Charakter des Parteistandpnnktes. Die Debatte im Landtage wird jedenfalls neues und gewichtiges Material beibringen und damit erst in weit höherem Maße ein unbefangenes Urtheil ermöglichen. Die neuesten Wiener Zeitungen besprechen die Debatte im preußi schen Abgeordnetenhause über die Interpellation Hänel, welche am Sonnabend begonnen hat und Montag fortgesetzt worden ist. Die Neue Freie Presse fragt am Schlüsse des bezüglichen Artikels: „Wenn das hochentwickelte deutsche Volk unter dem Vorwand des Racenun- terschiedes die Juden verfolgt und bedroht, was will man dann da gegen sagen, daß diesklbe Parole anderwärts, etwa in Ungarn, gegen die Deutschen in Anwendung kommt?" Die „Wiener Allgemeine Zei tung" nennt die Bewegung gegen die Juden unendlich roh, unendlich verächtlich, unendlich bedauerlich, meint aber, dieselbe sei nicht über raschend im Hinblick auf die rückschrittliche Richtung, welche Deutsch land in den letzten Jahren eingeschlagen. Die „Presse" sagt: Das deutsche Judenthum werde es sich zu überlegen haben, ob es nicht sei nen fanatischen Gegnern weichen will, wie die Hugenotten einst aus Frankreich, oder wie es die spanischen Moriseos gethan. Die Unsicherheit in Oberschlesien, welche bereits solche Di mensionen angenommen hat, daß die Landrathsämter von Ratibor und Leobschütz sich genöthigt sahen, die Abhaltung nächtlicher Patrouillen gänge in sämmtlichen Ortschaften der betreffenden Kreise anzuordnen, und auch die österreichischen Grenzbeamten nicht mehr ohne Schuß waffen ihren Dienst versehen dürfen, scheint aller strengen Maßnahmen ungeachtet noch im Zunehmen begriffen zu sein. In den letzten Wochen fanden fast täglich in Ober- und Mittelschlesien Fenersbrünste statt, welche zum überwiegend größten Theil auf Brandstiftung znrnckznfnhren sind, und soeben treffen aus Bolkenhain und Königshütte wieder Nach richten von Raubanfällen aus offener Landstraße ein. Im preußischen Landtag sind die hohen Gerichtskostcn zur Verhandlung gekommen. Der Justizminister erkannte die Berechtigung der allgemeinen Klagen in der Hauptsache an und sicherte Abhütfe zu, doch müsse erst die Erfahrung eines länger« Zeitraumes abgewartet werden. In nächster Zeit schon, sagte er, könnten die schreiendsten Uebelstände Abhnffe finden. „Er glaube, daß die ZnsteÜungsgebnhren der Gerichtsvollzieher vermindert werden könnten, daß die Gebühr für Beglaubigung von Abschriften fortfallen könne, daß bei den Schreibegebühren und bei den Gebühren für die Vollstrecknngsklansel vielfach eine Reform nöthig sein werde. Vielfach seien die prozeß- führenden Parteien mit den scharf zugespitzten gesetzlichen Bestimmun gen noch nicht genug bekannt und vertheuerten dadurch die Prozesse, auch die Gerichte machten Fehlgriffe." Er, der Jnstizminister, werde das Mögliche thun, um eine Einigung mit den vielen Regierungen herbeizufuhren. Die hohen Gerlchtskosten hätten übrigens das Gute gehabt, daß die zwei schlimmsten Prozetzarten beinahe verschwunden seien, nämlich die Jnjnrienprozesse und die kleinen Prozesse von Dar leihern gegen Personen, denen leichtsinnig Credit gegeben wurde. Der Krieg von 1870/71 hat Frankreich nach den officiellen Zusammenstellungen 14 Milliarden 63-,098,814 Franken gekostet. Nicht gerechnet sind dabei die zerstörten Gebäude, die vernichteten Kunst werke, der Verlust der Domainen in Elsaß-Lothringen, nnd vor allen Dingen die verlorenen Menschenleben. — Sollte diese offieielle Auf stellung nicht ein kleiner Dämpfer ans die Revanchegelüste sein? Cvnstanttnopel. Graf Hatzfeld, der deutsche Botschafter, war dieser Tage vou drei betrunkenen türkischen Offizieren ungehalten nnd in seinem Wagen belästigt worden. Die Uebelthäter wurden vor ein Kriegsgericht gestellt und zur Degradation und einjährigem Gefängniß verurtheilt. Ein Adjutant des Sultans erschien bei dem deutschen Botschafter, um demselben das Bedauern des Sultans auszusprechen. Die Dinge bei Dulcigno werden grotesk. Jetzt sollen sogar nach einem amtlichen Telegramm ans Konstantinopel die Truppen Derwisch Paschas in der Umgebung von Dulcigno von Albanesen eingeschlossen sein. Die Ajbanejen weigern sich, das zuletzt zu den Fahnen einberufene Kontingent von Redifs (türkische Landwehr) zu stellen. Die albanesische Liga hat Osman Pascha angezeigt, daß sie jedem Versuche, das Dekret des Sultans zur Ausführung zu bringen, mit Gewalt entgegentreten würde. Aus Prizrent wird gemeldet, daß das dortige österreichische Konsulatsgebäude geplündert worden sei. Uebrr die Ausstellung in Melbourne, welche am 1. Oktober mit den bei solchen Gelegenheiten üblichen Feierlichkeiten eröffnet worden ist, wird berichtet, daß wenigstens im Hauptgebäude Deutschland allen anderen Nationen den Rang abgciaufen hat; das dem Hauvteingange gegenüber auf der Galerie in Baldachin-Form errichtete, geschmackvoll ausgeschlagene, mit einer großen vergoldeten Krone geschmückte Kaiscr- zelt soll mit seinem Reichthume an Gold-, Silber- und anderen Schmuck- sachen, die dort ihre Aufstellung gefunden haben, einen wundervollen Eindruck machen. Im Uebrigen war aber die deutsche Ausstellung noch weit im Rückstände und erforderte noch Wochen zu ihrer Vollendung. Die Schuld wird dem Ungeschick der Melbourner Kommission, die den deutschen Kommissaren überall Hindernisse in den Weg stellte, beigc- mcssen. Deutschland hat aber auch, wenigstens was die Anzahl der Colli betrifft, mehr geliefert als andere Länder. Von den bis zum 26. August eingetrvffenen 10 918 Colli waren 2662 aus Deutschland, 2401 aus Frankreich, 1699 aus England, 651 aus Neuseeland, 562 aus Südaustralien, 520 aus Neuwales, 497 aus Victoria, 402 aus Japan, 342 aus Oesterreich, 290 aus Belgien, 251 aus den Vereinigte» Staaten, I85 aus Holland, 85 aus Italien, 60 aus Panama, 49 von der Insel Mauritius, 29 aus Westaustralien, 22 aus Tasmanien, 14 aus der Schweiz, 12 aus Skandinavien, 8 aus Manila, 4 aus China, 1 aus Dänemark und 1 von den Fidschiinseln. Rußland, Griechen land, Spanien und Portugal sind gar nicht vertreten. In Nordaustralien am Margarethfluß, 150 engl. Meilen süd lich vom Port Darwin, ist von Chinesen ein neues Goldfeld entdeckt worden, das als außerordentlich ergiebig geschildert wird. Stücke von 30 bis 80 Unzen sollen mit Leichtigkeit ansgegraben, ja sogar ei» Klumpen von 24 Pfund zu Tage gefördert worden sein. Nach den dort geltenden Bestimmungen haben die Chinesen das Goldfeld sofort ausschließlich belegt. Gegen den Schimpf. Wie die Giftpilze auf Sumpfboden im Herbste, so sehen wir in Städten, Vorstädten und Dörfern immer neue und neue Kneipen nie- derer Gattung emporschieße l, ganz außer Verhältniß zum Wachsthum der Bevölkerung, aus Schritt und Tritt nichts als Restaurationen, De stillationen, Wein-, Bier- und Branntwcinschenken! — blickt mau hinein,