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Unter den Huzulen. Lie Reise des Kaisers von Oesterreich führte auch nach Kslomea, in dessen Mähe ein merkwürdiger Menschenschlag wohnt, die Huzulen. Diese Menschen gehörten einst zum Königreich Polen. Wie dem „N. W. Tagbl." berichtet wird, liegt in den Mienen der Weiber ein gewisser Ernst, das geradezu klassisch-schöne Profil mit der griechischen Nase fällt vor Allem auf. Merkwürdig, die Weiber sehen sich alle ähnlich, so daß es dem Fremden absolut unmöglich ist, dieselben von einander zu unterscheiden. Sie sind alle hochge wachsen und von herrlichem Bau, der durch das faltenreiche Gewand nur noch ge hoben wird. Man könnte die huzulische Schöne, welche dem Kaiser gegenüber zu Pferde ihre Evolutionen ausführte, für eine lebende Statue halten. Das Modell dieser Statue kann aber weder lesen noch schreiben und alle ihre Mitbürger und Mitbürgerinnen sind in derselben Lage. Die Huzulen Huben keine Remimscenzen an ihre Geschichte gepflegt, Mos in einzelnen Anecdolen lassen sie die Vergangenheit in sich leben; sie kennen kaum eine Religion; dennoch sind es gute Menschen und sie haben gewiß weniger Sünden als die Frommen, welche viermal im Jahre zur Beichte gehen. Ihren Priester kennen die Huzulen kaum, einmal des Jahres reitet der Pope durch die Dörfer und taust die neugeborenen Kinder; im Umkreise vieler Stunden ist keine Kirche zu sehen. Sie sind deshalb doch sittlich; sie sterben ohne die Trö stungen der Kirche und man weiß nichts davon, daß ihre Todten nicht selig geworden wären. So leben sie ohne Cultur, ohne Streben und ohne Religion. Ihre Vater landsliebe lebt nur in einer dunklen Vorstellung bei ihnen — sie glauben noch an die Wiederherstellung Polens und dieser Glaube ist in einem eigenthümlichen Zusam menhangs mit der Weltgeschichte. Als der Kaiser anlangte, begrüßten ihn die Huzulen mit lautem Geschrei. Der Kaiser wurde am Bahnhof von den Behörden, bei dem Triumphbogen vom Bürger meister Trachtenberg empfangen. Großes Erstaunen bemächtigte sich der huzulischen Bauern, als sie sahen, daß der Gutsherr Baron Romaszkan selbst den Kutscher sür den Kaiser machte und in Salontoillette das Gespann lenkte. ,.Ein so hoher Herr führt den Kaiser!" meinte ein Huzule. Der Wagen des Kaisers war schnell von einem starken Trupp von Huzulen umringt, welcher den Kaiser bis zur ethnographi schen Ausstellung geleitete. Hier bot sich ihm ein eigenthümliches Bild. Die Lolks- specialität, welche unweit von Kolomea die Gebirgsdörfer der Karpathen bewohnt, fesselte die Aufmerksamkeit des Kaisers in intensivster Weise. Im StaLlpark, wo die Ausstellung ihren Platz genommen hat, wurden zwei huzulische Hochzeiten arrangirt. Die Elite der Huzulen hatte sich hier zu Pferde eingesunden in ihren braunrothen Kleidern aus schweren Wollstoffen, reichen Schmuck tragend, was eben diese Armen Schmuck nennen: grelle große Blumen, dicke Wollenbänder mit stark aufgetragener Stickerei. Die Weiber, hundert an der Zahl, waren auch zu Pferde, sie hatten sich sehr pompös herausgeputzt, der Hals war mit dichten Rechen rothcr Korallen ge schmückt, welche wie ein Ringkragen bis in die Mitte der Brust reichten. Die Weiber reiten nach Mannesart, ohne Zaum und mit den Füßen die Pferde dirigirend. Die beiden Bräute waren reich mit Blumen beladen, trugen mächtige Metall-Diademe und Kränze darüber, zu beiden Seiten jeder Braut ritt die Brautsührerin, ebenfalls sehr überladen aufgeputzt. Der Hochzeitszug setze sich, nachdem der Kaiser bei dem Zelte angelangt war, welches Sobieski vor Wien de» Türken abgenommen hat, in Bewegung. Im Galopp ritt die ganze Bauern-Cavalcade auf den Kaiser zu, beide Bräute und ihre künftigen Ehemänner stiegen vom Pferde, knieten vor dem Kaiser nieder, küßten ihm die Hände und die Füße und baten ihn um seinen Segen. Der Kaiser ertheilte denselben und übergab jeder Braut fünfzig Tucaten — ein wahres Vermögen für diese Leute. Hierauf begann die Musik zu spielen, aus Streichinstru menten und Zimbalen und zwei dünnen, über drei Klafter langen Waldhörnern be stehend. Die Hochzeitsgesellschaft begann den Huzulentanz zu tanzen; derselbe wird nicht paarweise getanzt, sondern je fünf oder sechs Tänzer und Tänzerinnen bewege» sich, sich bei den Händen haltend, im Kreise. Die Braut tanzt in einem Kreise mit dem Bräutigam Ein höchst solider Tanz und interessant durch seine Ursprünglichkeit Die eine Braut ist kaum 16 Jahre alt, ihr Bräutigam zählt 18 Jahre. Ter Kaiser sagte: „Die ist ja noch ein Kind!" Ein Edelmann unterrichtete ihn, daß dies hier Sitte sei. Die andere Braut ist älter und hat ganz den Typus ihrer Nace, welcher nicht an Allen so rein hervortrilt, da die Entbehrungen und schwere Arbeit die Leute schnell altern lassen. Nachdem die huzulischen Bauern mit dem Tanz zn Ende waren, ritten sie in das Dorf Kosmacz ab, eine ihrer Residenzen, welche sogar eine Kirche hat mit einem Popen. Dort wird die Hochzeit zwangloser gefeiert, als es vor dem Kaiser möglich war. Jedenfalls sind diese Huzulen bessere Menschen, als die benachbarten Besten, deren Weiber heute noch der Vielmännerei ergeben sind. Diese ist Volkssitte und ein Weib, das nur einem Manne angehört, wird von den Männern selber verachtet. Vermischtes. * Eifersucht und Islam. Der Fall, daß eine Türkin aus Eifersucht wahnsinnig wird, dürste gewiß selten genug vorkommen, und doch hat sich derselbe vergangene Woche in Küstensche zugetragen. Während die besagte Frau, die sich im Zustand der Tobsucht befand, nach deni Spital trausportirt wurde, lief ihr Mann weinend neben ihr her und klagte sich laut au, daß er an diesem Unglücksfall selbst die Schuld trage. Um die näheren Umstände befragt, erzählte der Türke folgende Leidensgeschichte: „Ich heirathete die Frau vor fünf Jahren, sie beschenkte mich mit mehreren Kindern, und wir führten die glücklichste Ehe von der Welt. So muß es bis ans Ende unserer Tage bleibeu, gelobten wir uns oftmals, und wir thaten auch Mes, um uns das Leben so angenehm als möglich zu machen. Allah aber hatte unser Verderben beschlossen und dies kam so: Mein Bruder starb und hinterließ mit seiner Wittwe zugleich ein nicht unbedeutendes Vermögen; letzteres reizte mich, und um in den Besitz desselben Z» gelangen, heirathete ich meine Schwägerin. Als ich diese aber in das Haus brachte, da wurde meine Frau, die von diesen Vorgängen nichts wußte, vor Eifersucht wahnsinnig." Die unglückliche Frau schrie denn auch während ihrer Ueberführung nach dem Spital fortwährend: „Ich will von meinen: Manne nichts wissen, er hat ein andere gehei- rathet, scheidet mich von ihm!" Die Scene war eine wahrhaft herz zerreißende. <Ien 4. Uetöber Eröffnung des neu erbauten, größt enstirenden (in seiner ganzen Ausdehnung unter Klasdach) Freiberger Platz Ro. 24. Hammet-, Heiden- K Msdenraaren - Manufaktur. Freiberger Platz 22—23.