Volltext Seite (XML)
nähme des Handelsministeriums veranlaßt haben, sowie daß er über die von ihm in Aussicht genommenen Reformen auf sozialpolitischem Gebiete sich verbreiten dürfte. Man hört, daß der Kanzler außer Herrn Baare noch andere Industrielle in Friedrichsruh gesehen habe, und daß auch für die nächste Zeit dort weitere Besuche in Aussicht stehen. Man ist einigermaßen gespannt darauf, welchen Bescheid die Gewerkvereine auf ihre an den Reichskanzler gerichtete Eingabe er halten werden, in welcher dieser ersucht wird, bei Begutachtung der Entwürfe, betreffend die Unfälle von Arbeitern in den Fabriken und die Anzeigepflicht bei vorkvmmenden Unglücksfällen, auch Arbeiter in die Sachverständigenenquete zu berufen und sich nicht allein auf die Entgegennahme des Urtheils der großen Industriellen zu beschränken; für den Fall einer bezüglichen Zusage des Kanzlers wird derselbe nicht umhin können, die verschiedenen, in den Arbeiterkreisen herrschenden Anschauungen kennen zu lernen. Die preußische Regierung trifft umfassende Vorkehrungen, um dem Nothstande, der über einige Provinzen in Folge der elementaren Ereignisse des verflossenen Sommers hereinzubrechen droht, vorzubeugen; die Laudräche sind angewiesen, nach Maßgabe der vorgeschrittenen Ernte über die Lage ihrer Kreise Bericht zu erstatten und insbesondere auch nachzuweisen, ob und in welchem Umfang es kleineren Besitzern an dem nöthigen Saatgetreide und den nöthigen Saatkartoffeln für nächstes Frühjahr fehlen werde, und in wie weit zur Beschaffung der selben eine Staatshülfe durch Darlehn (gegen geringe Verzinsung und ratenweise Rückzahlung etwa in fünf Jahren) sich nothwendig machen werde. Ein bedeutsames Wort, welches Kronprinz Rudolf von Oesterreich während seiner Anwesenheit bei den deutschen Truppen-Manöveru ge sprochen hat, verdient nachträglich hervorgehoben zu werden. Kron- onnz Rudolf äußerte gegen verschiedene hohe Militärs, daß die deutsche Armee die erste der Welt sei, er glaube aber, daß sich in der österrei chischen Armee eine Umwandlung vollzogen habe, welche wohl erlaube, nncn Platz au der Seite der deutschen einzunehmen. Diese Worte des österreichischen Thronerben zeigen einerseits dessen Bewunderung für das deutsche Heer, andererseits beweisen sie aber auch, daß der zukünf- ige Herrscher Oesterreichs auch volles Vertrauen auf die Tüchtigkeit cr österreichischen Armee setzt, und man könnte aus seinen Worten 'ne Versicherung entnehmen, daß im Ernstfall Deutschland in der reor- »auisirten österreichischen Armee eine wirksame Hilfe erhalten werde. In Betreff der Kriegstüchtigkeit kommen eigenthümliche Ge ständnisse aus England und Rußland. Dec Berichterstatter der „Times" über die Manöver bei Berlin erklärt bei äußerst anerkennender Be- iprechung der deutschen Artillerie, daß nach Ansicht der Fachmänner die englische, welche vor 20 Jahren bei Einführung der Armstrong- K-nonen die vorgeschrittenste gewesen, jetzt die am weitesten zurück- stehende sei, selbst China nnd Japan nicht ausgenommen; und die russische Zeitung „Golos" führt aus, daß in der russifchen Marine, ungeachtet der hohen zur Herstellung von Kriegsfahrzeugen verwendeten Summen, gerade die größten Schiffe gar nichts taugen. In England wirb der gerügte Mangel auf die Unfähigkeit dec Beamten, in Ruß land auf den Umstand zurückgeführt, daß die ausgeworfenen Gelder äußere Wege gingen als sie sollten. Mit fieberhafter Spannung sieht man den Nachrichten vom Demon- strations-Schauplatze entgegen. Kommt es zum Bombardement Dulcignos oder nicht? Und wenn es zum Bombardement kommt, welches werden die Folgen fein? Die Zuversicht, daß das Einverneh men Europas auch durch Kanonenschüsse nicht zu erschüttern sein, fit übrigens gerade durch die jüngsten Ereignisse in Paris gekräftigt worden. Mau calculirt in politischen Kreisen, daß Frankreich nunmehr — sei es aus wirklicher Ueberzeugung, sei es aus Furcht vor völliger Jsolirung — Alles thun werde, was England vorschlägt, und da andererseits Fürst Bismarck den Versuch macht, Deutschland in Gemeinschaft mit Oesterreich-Ungarn mit Rußland zu versöhnen, welches in Beziehung auf die momentan gegenüber der Türkei einzuleitende Action mit Eng land eines Sinnes ist, so ist man mehrfach geneigt, in dem ersten Kanonenschuß vor Dulcigno das Signal zur völligen Vertreibung der Türkei aus Europa erblicken zu dürfen, und so sehr hat sich die öffent liche Meinung mit der Idee des Zusammenbruchs der Türkei vertraut gemacht, daß selbst jene Organe, welche bisher mit aller Energie für Len Bestand der Türkei kämpften, unmittelbare Complicationen nicht besorgen, wenn Europa jetzt Abrechnung mit der Türkei hält. Was diesen Blättern bange macht, das ist eine etwas ferne Zukunft, und in dieser Richtung vermögen sich selbst die sanguinischsten und officio- festen Organe nicht aller Besorgniß zu entschlagen. Gambetta hat ein Exempel statuirt. Er wollte Frankreich und Europa wieder einmal zeigen: Die Republik bin ich, ich spiele mit den Schläuchen und Stürmen, ich diktire Krieg und Frieden, auch über die Köpfe der Präsidenten der Republik und des Ministeriums hinüber. So hat er seine Rolle bei dem Soldatenfeste in Paris, so seine Rolle bei dem Flottenfcste in Cherbourg gespielt. Die Seeoffiziere und die andern Leute auf dem Admiralschiff machten große Augen, als er ihnen die neuesten Geschütze und ihr System erklärte, als habe er im Leben nichts anderes studirt; er wollte zeigen, ich verstehe mich auf's Kriegs handwerk. Abends beim Punsch spielte er seine Revanche-Rede aus. Frankreich und Europa wurden unruhig. Freycinct, der Minister des Auswärtigen, hielt in Montauban eine Gegenrede. Frankreich, sagte er, treibt keine Politik der Abenteuer, es treibt eine Politik ohne Prah lerei. Die Anspielung war deutlich und der Nagel zum Sarge des Ministeriums Freycinet. Freycinet hatte sich unabhängig und selbst ständig gegen den kleinen Dictator gezeigt, das verdiente Revanche. Gambetta nahm sie, die geistlichen Herren mußten den Vorwand her- geben, Freycinet fiel und auch Grevy bekam seine Lektion. Das Bei spiel für alle Widerspänstigen war statuirt. Mit der großen Revanche hat's noch Zeit. Um das der Welt und namentlich Deutschland zu zeigen, hat man in Paris einen alten, friedlichen und in Deutschland ziemlich gut angeschriebenen Minister des Aeußern eingesetzt, der ein guter Dämpfer ist, ohne Jemand zu täuschen. Mit den Russen und Engländern wird unter der Hand fort kokettirt und intriguirt, bis die Zeit erfüllt ist. Bismarck sitzt aber noch ruhig in Friedrichsruhe, er ist auch nicht unthätig und sieht mit Europa Gambetta derb auf die Finger. Der kleine Mann in Paris betheuert drauf und drein, er habe durchaus nicht seinen kleinen Krieg im Schild, er weint Thränen, daß die Welt ihn so verkennt: dicke Leute, gute Leute, sagt er, und wahr ist's, er hat ein ganz stattliches Bäuchlein — „vom Schweiß es Volkes sich angemästet", sagen seine rothen Freunde. Paris. Der Minister des Auswärtigen, Barthelemy Saint- Hilaire, hat den diplomatischen Vertretern Frankreichs im Auslande folgendes Schreiben zugehen lassen: „Durch das Vertrauen des Prä sidenten der Republik zum Minister des Auswärtigen berufen, ist es meine erste Pflicht, Sie zu ersuchen, der Regierung, bei welcher Sie beglaubigt find, die Versicherung zu ertheileu, daß das neue Cabinet nichts in der von dem letzten Cabinet befolgten auswärtigen Politik ändern wird. Niemals hat Frankreich ein größeres Gewicht aus die Aufrechterhaltung des Friedens gelegt, der fo heilsam ist für seine Wohlfahrt und seine Ehre. Dieses System, welches durch die Weis heil Thiers', dessen Freund ich so lange gewesen bin, inaugurirt worden, ist seit zehn Jahren mit Beharrlichkeit besolgt worden und hat herrliche Früchte getragen. Wir werden dieser so glücklichen Tradition treu bleiben nnd werden Alles thun, um die freundschaftlichen Beziehungen, welche die französische Republik zu den anderen Regierungen unterhält, noch mehr zn entwickeln. Was mich persönlich angeht, fo werde ich alle meine Kräfte hierzu anwenden nnd zu meiner Unterstützung in dieser patriotischen Aufgabe rechne ich auf die hiugebenste Beihilfe aller unserer diplomatischen Vertreters Vaterländisches. Wilsdruff, 27. September. Betreffs der Gottesackerangelegen« hcit wird uns mitgetheilt, daß der Kirchenvorstand nach festgesetzter Beantwortung zweier Proteste beschloß: einen an den Seiten mit Bäumen bepflanzten Weg von der Berggasse an bis ans Thor des Gottesackers anlegen zu lassen und den von Herrn Straßenmeister Kadner entworfenen Situationsplan des neuen Friedhofs sowie die Kostenanschläge über Planirung, Wrge- und Mauerbau und Holzem« friedigung, auf deren Grund die Arbeiten vergeben werden sollen, in Betracht zog. — Eine eigenthümliche Erscheinung bieten jetzt die Fluren der Orte Tanneberg, Rothschönberg, Blankenstein, Burkhardts walde u. a. m. Hier findet man nämlich noch Felder, welche reich lich mit Hafer bestanden sind, obgleich seit länger als 3 Wochen sür hiesige Gegend die Zeit der Einsammlung des Getreides verstrichen ist. Fragt man nach dem Grunde der auffälligen Erscheinung, so er führt man Folgendes: Als im Juli dieses Jahres obengenannte Orte 2 Mal von starkem Hagelwetter heimgesucht wurden, infolge dessen die ganze Ernte zu Grunde ging, haben einige Gutsbesitzer ihre Hafer selder ungeackert gelassen, in der Hoffnung, daß wohl noch ein Quan tum, wenn auch ein geringes, für Futler zu erzielen fei. Und siehe da, die ihrer Stengel und Rispen durch Hagelstücke beraubten Stöcke entwickelten neues Leben und zeitigten Früchte, die an Güte nichts ZN wünschen übrig lassen. Niemand weiß sich eines ähnlichen Falles zu erinnern, obgleich die Orte schon manchmal an Verhagelung gelitten haben. — Diejenigen Mannschaften, welche im Jahre 1875 der Ersatz reserve 1. Klass' zugetheilt worden sind, treten am 1. October d. I- in die 2. Klasse über und haben spätestens bis zu vorgenanntem Ter mine ihren Ersatzreserveschein bei dem Bezirksfeldwebel vorzulegen, UM auf diesem Schein die Uebersührung zur Ersatzreserve 2. Klasse be scheinigen zu lassen. So lange diese Bescheinigung fehlt, gehört In haber zur 1. Klasse. — Gerichtsvollzieher, Fleischbeschauer und andere Beamte, die auf Gebühren der ihre amtlichen Leistungen in Anspruch nehmenden Pri vatpersonen angewiesen sind, sind nicht nur strasbar, wenn sie wissent lich das Gebühreumaß überschreiten und von dem nicht wissenden Zahlungspflichtigen sich mehr zahlen taffen, als. ihnen zukommt — Geldstrafe bis 300 Mk. oder Gefängniß bis 1 Jahr — sondern auch dann — Geldstrafe gleichfalls bis 300 Mk. oder Gefängniß bis zu 6 Mon. — wenn sie sich in Uebereinstimmung mit dem Zahlungs pflichtigen mehr zahlen lassen, als ihnen tarifmäßig zukommt. — Aus dem westlichen Kohlenbecken Sachsens schreibt inan dem „Freib. Anz.": Die Geschäfte gehen so leidlich, wenn auch die Nachfrage nach dem „fchwarzen Golde" wieder eine etwas geringere als vor einigen Wochen geworden ist. Doch sollen nach einigen Aus sagen in dem Oelsuitz-Lugau-Gersdorf-Hohendorfer Reviere gegen 10M Arbeiter noch ihr Brod finden können. Bereits hat man angefangen, auch an den Sann- und Festtagen die Schichten zu verfahren, so daß dadurch, den moralischen Schaden dieser Maßnahme abgerechnet, der Verdienst ein wenig gestiegen ist. Der monatliche Schichtlohn eines Häuers beträgt durchschnittlich 60—70, doch erklettern einzelne dir Höhe von M Mk... kerli»« I'iüMls o sowie AWZZNG TNLÜKV in englischen als auch Diagonals n. anderen Stossen find in bedeutender Auswahl zu haben bei Nvritr UM«. KüabkMWk, KnabtNMlktots, Reisemäntel, Arbeitshosen und Westen bei MlorLtL ^eläo. Urd» Crlene Breter, 25—30 em. stark, womöglich trocken, werden zn kaufen gesucht. Clbnie-erlage AültlR. Williolm Itvppiu8ed. Aüphas, MrWlk, Ftdermalriihm, solid und dauerhaft, selbst gearbeitet, empfiehlt zu billigen Preisen. Vite Möbel reparirt schnell und gut FIün«iier, lünävnscblössedeo. Wochenmarkt zu Wilsdruff, am 24. September. Eine Kanne Butter kostete 2 Mark 40 Pf. bis 2 Mark 50 Pf. Ferkel wurden eingebracht 100 Stück und verkauft L Paar 16 Mark — Pf. bis 24 Mark — Pf.