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— Am 13. dieses Monats und folgende Tage fand abermals eine AuSloosung Königlich Sächsischer Staatspapicre statt, von welcher die 3"/„ landschaftlichen Obligationen vom Jahre 1830, die 4"/^ Staats schulden-Cassenscheine vom Jahre 1847 und die 3"/« Staatsschulden- Cassenscheine vom Jahre 1855 betroffen werden. — Die Inhaber von Stäatspapieren der genannten Gattungen werden hierauf noch beson ders mit dem Hinzufügen aufmerksam gemacht, daß die Listen der ge zogenen Nummern in der Leipziger Zeitung, dem Dresdner Journal und dem Dresdner Anzeiger veröffentlicht, auch bei-sämmtlichcn Be zirkssteuer-Einnahmen und Gemeindevorständen des Landes zu Jeder manns Einsicht ausgelegt werden. — Mit diesen Liste» werden zu gleich die in früheren Terminen ausaeloosten, aber noch nicht abge hobenen Nummern wieder aufgerufen, deren große Zahl leider beweist, wie viele Interessenten zu ihrem Schaden die Ausloosungen übersehen. Es können dieselben nicht genug davor gewarnt werden, sich nicht dem Jrrthum hinzugeben, daß, so lange sie Coupons haben und diese un beanstandet eingelöst werden, ihr Kapital ungekündigt sei. Die Staats kassen können eine Prüfung der ihnen zur Zahlung präfentirtcn Cou pons nicht vornehmen und lösen jeden echten Coupon ein. Da nun aber eine Verzinsung ausgelooster Kapitale über deren Fälligkeitstermin hinaus in keinem Falle stattfindet, so werden die von den Be theiligten in Folge Unkenntuiß der Ausloosuug zuviel erhobenen Coupons seiner Zeit am Kapitale gekürzt, vor welchen ost em pfindlichen Nachtheilen sich die Inhaber von Staatspapiercn nur durch regelmäßige Einsicht der Ziehungslisten (der gezogenen wie der restiren- den Nummern) schützen können. — In weiten Kreisen ist die Meinung verbreitet, daß in Jiijurien- sachcn von dem Verurtheilten auch für den Anwalt der anderen Partei die Kosten zu tragen sind. Das ist ein Jrrthum; in solchen Processen hat jede Partei, ob siegend oder unterliegend, für ihr Theil selbst die Anwaltskosten zu tragen. Jnjuriensachcn sind nämlich, obgleich sie nur auf Antrag verfolgt werden, keineswegs Privatklagen, sondern sind als „Antragsvergehen" Anschuldigungen crimineller Natur, für welche jede Partei selbst einzustehen hat. Will sie sich dabei einen Anwalt zu Hilfe nehmen, so steht ihr das allerdings frei, aber sie hat ihn auch selbst zu honoriren. Viele Parteien machen jetzt in dieser Beziehung unangenehme Erfahrungen und bedauern erst hinterher, weniger um der qu. Beleidigung willen, als in der Absicht geklagt zu haben, der Gegenpartei recht viel Geldkosten zu verursachen, denn die Kosten ihres Rechtsanwaltes fallen nicht dem Verurtheilten, sondern ihnen selber zur Last. — Dresden. Se. Majestät der König hat die Einladung des Kaisers zur Theilnahme an dem Kölner Dombaufest zusagend be antwortet. — Nach einer im „Dresdner Journal" veröffentlichten Verordnung des königl. Ministeriums des Innern werden mit dem 1. Oktober die zeitherige Amtshauptmannschaft zu Dresden und die amtshauptmami- schastliche Delegation zu Potschappel aufgehoben und treten dafür die Amtshanptmannschast zu Dresden-Altstadt für die links der Elbe ge legenen und Dresden-Neustadt für die rechts der Elbe gelegenen Theile "des zeitherigen amtshauptmannschaftlichen Bezirks Dresdens in Wirk- famkcit. — Potschappel, 17. September. Gestern Nachmittag in der '5. Stunde ist in der Vogel'schen Kohlengrube auf Oberpesterwitzer Flur der 47 Jahre alte Bergarbeiter und Vater von 5 Kindern, Friedrich Wilhelm Bittner von Oberpesterwitz, welcher in vorbemerkter 'Grube gearbeitet, von einer hereinbrechenden Wand erschlagen worden. Der Leichnam desselben wurde, nachdem er von der auf ihm lastenden Masse befreit, sofort zu Tage gefördert und nach seiner Wohnung ge bracht. Wem die Schuld an dem Unglück bcizumessen ist, konnte bis jetzt noch nicht festgestellt werden. — Ueber eine aufregende Scene wird aus Cölln bei Meißen Folgendes berichtet. Es war um die Feierabendstunde, wo Alles nach Hanse eilte und viele Menschen aus den verschiedensten Ständen harrten des Momentes, wo das Eisengitter wieder ausfliegen würde. Schon bog der Zug pustend und keuchend um den Martinsberg herum und die Lokomotive wurde sichtbar, da plötzlich ein Aufschrei der versam melten Menge! — Dort mitten auf den Schienen steht ruhig und un befangen ein kaum dreijähriger dicker kleiner Junge! — Wie und wo her er dahin gekommen sein mochte, ist Allen unbegreiflich; vielleicht war er neben den Eisenstangen durchgekrochen oder von der Brücke aus auf das Geleis geschlüpft. Mit Blitzesschnelle stürzte sich ein Bahnbediensteter auf das Kind, hob es in seine Arme auf, lhar einen Schritt und — o Schrecken! — stürzte selbst mit dem Knabe» auf die Schienen nieder! Der Zug aber rasselte über die Brücke daher, keine Sekunde, und er mußte zur Stelle sei». Der Mann hat nicht Zeit zum Aufstehen; mit großer Geistesgegenwart wälzt er sich und das Kind durch einen einzigen Schwung hinüber an die Barriere, und erst während hinter ihm das dampfende Ungethüm vorüber donnert, steht er auf, hebt den Knaben hinüber aus die Straße, stäubt sich mit der Hand die Knie ab und eilt schnellen Schrittes dem Bahnhof z». — Noch nicht haben die Ellern des glücklich geretteten Kindes erfahren können, wer der Brave gewesen ist. — Oschatz, 15. September. Auf dem heutigen Buttermarkte wurden 54 Stückchen Butter zu leicht befunden (es fehlten 17—18 gr) und den Verkäuferinnen in zerschnittenem Zustande zurückgegeben. Eine Bauernfrau, welche allein 28 Stück zu geringe Waare hatte, mußte außerdem noch 10 Mark Strafe zahlen. — Pirna. In dem Befinden der unglücklichen Thomas'schen Familie ist seit dem 10. September keine wesentliche Veränderung ein getreten. Die zwei älteren Söhne (dem Tischler wurden am 11. Sep tember früh zwei Knochensplitter aus dem Kopfe genommen), sowie die kleine Meta sind noch immer ohne Besinnung und sehr traurig ist ferner auch der Zustand des 12jährigen Curt, der in der Nacht wie derholt laut aufjammerte. Die fünf Kinder liegen jetzt sümmilich in der Wohnung beisammen und geschieht die Abwartung durch zwei hier eingetroffene Albertinerinnen, wie ja auch der von Berlin berufene älteste Sohn des Thäters sich in die Pflege feiner so schwer verstüm melten Geschwister thcilt. — Letzte Mittwoch Vormittag ereignete sich am Fleischerplatze in der Nähe der Barsußmühle zu Leipzig ein höchst trauriger Un glücksfall. Daselbst kam ein dasiger Kaufmann mit seinen beiden Sühnen von 9 und 11 Jahren dahergegangen. Er war denselben ein Stück Weges voraus und die Kinder liefen ihm, einander an den Händen gaffend, nach. In diesem Augenblick kam ein Eiswagen dahergefahren, vor dem die beiden Knaben noch vorbei über die Straße hinüber lausen woökn. Die- gelang ihnen jedoch nicht, vielmehr wurden sie umge rissen und von dem Eiswagen überfahren. Dem jüngeren Knaben waren die Räder über die Brust gegangen, er war todt, während der ältere mit einigen Kontusionen davon kam. Der unglückliche Vater brachte seine beiden Söhne in einer Droschke nach seiner Wohnung in der Humboldtstraße zurück. Ob und inwieweit den Geschirrführer eine Schuld trifft, ist noch unerörtert. — Großschönau, 13. September. Die Verbrechen gegen die Sittlichkeit mehren sich auch in unserer Gegend in recht auffälliger Weise. So wurde am Sonntag Nachmittag der Schneidergeselle K. ans Ostritz gefänglich eingezogen, weil er im Schönlinder Grunde ein den Weg passirendes, geistig etwas beschränktes Mädchen gebunden und sodann in schändlichster Weise mißbraucht hatte. — Aus dem sächs. Erzgebirge. Die Ernte schreitet in hiesiger Gegend vorwärts und ist zum Theil beendet, und wenn die Witterung sich nur noch acht Tage günstig gestaltet, so werden die Fluren völlig leer sein. Das Ergebmß der Ernte ist ein befriedigendes. Auch die Kartoffel, obwohl sie durch den vielen Regen gelitten hat, gibt nach Quantität und Qualität einen günstigeren Ertrag als in den vorhergehenden Jahren. Vermischtes. * Nach dem Tode eines Schankwirths bedarf es zum Fort« betriebe der Schaukwirthschaft für Rechnung der Wittwe nach einem Erkenntniß des Reichsgerichts, I. Strafsenats, vom 20. Mai 1880 keiner neuen Concefsion, weder für die Wittwe, noch für deren Stell vertreter. Die Polizeibehörde hat jedoch das Recht, die Fortführung durch einen persönlich für das Gewerbe der Schankwirthschaft nicht qualificirten Stellvertreter nachträglich zu hindern. Dasselbe gilt auch für alle andern consessionspflichligen Gewerbebetriebe, für welche daS Gesetz nicht ausdrücklich Ausnahmen statuirt hat. „Es verdient Beach tung", führt das Reichsgericht, übereinstimmend mit der Rechtsprechung des preußischen Over-Verwaltungsgerichts, aus, „daß die Motive des Entwurfs zur deutschen Gewerbeordnung tzß 45—49 hervorheben: „Die möglichste Erleichterung der Stellvertretung bei Ausübung des stehenden Gewerbes liegt im Interesse der Conservirung der durch Mühe und Redlichkeit errichteten und erweiterten Geschäfte und gewonnenen Kund schaften", und daß diese Absicht auch in den Bestimmungen der Gewer beordnung deutlich verwirklicht worden ist. Mit diesem beherrschenden Gesichtspunkte läßt sich das Erforderniß besonderer Concessionirung des Stellvertreters in Altsübung der Befugnisse eines bereits gesetzlich zugelassenen Gewerbetreibenden schwer einigen. * Aus Fürth wird folgende hübsche Anekdote vom deutschen Kronprinzen mit dem Bemerken mitgetheilt, daß der Herr Einsender sie aus glaubwürdiger Quelle habe. Bei der jüngsten Anwesenheit des Kronprinzen in Nürnberg überreichte der Magistrat Sr. kaiserl. und königl. Hoheit ein schönes künstlerisch ausgestattetes Album mit 100 der besten photographischen Ansichten Nürnbergs, worüber der selbe sehr erfreut war und den das Album überreichenden Herren in huldvollster und freundlichster Weise seinen Dank aussprach. Beim Durchlesen der Widmung, welche auf der ersten Seite angebracht war, bemerkte er indeß in Bezug auf die Versicherung, daß die Treue der Bürgerschaft Nürnbergs zu Kaiser und Reich so fest stehe, wie die Mauern der Stadt: „Die Herren brechen ja aber ein Stück nach dem andern ab." * Hohes Alter. Am 3. September wurde bei dem Standes- amte zu Langensalza der in einem Alter von angeblich 95 Jahren erfolgte Tod der Wittwe Martha Christine Kirst angemeldet. Amt liche Ermittelungen aber haben ergeben, daß dieselbe am 25. Dezember 1775 im Dorfe Kammerforst geboren, daher ein Älter von 104 Jahren 8 Monaten erreicht hat. Die Kirst war stets gesund und besuchte sehr ost den Gottesacker, besonders wenn Beerdigungen statt fanden. Weibliche Handarbeiten hat sie bis 3 Tage vor ihrem Tode verrichtet; sie konnte noch den Faden in die Stopfnadel einziehen. Bis zu ihrem Todestage war sie zurechnungsfähig. Vor 10 Jahren, also im 95. Lebensjahre, hatte sie das Unglück, einen Arm und ein Bein zu brechen; die Heilung erfolgte aber zur Verwunderung des Arztes schnell und glücklich. * Ein geisteskranker Scharfrichter. In München ist der Scharfrichter Lorenz Scheller im 65. Lebensjahre verstorben. Scheller war vor einiger Zeit geisteskrank geworden, so daß er in eine Irren anstalt überführt werden mußte. Er litt an Verfolgungswahn, und man kann sich wohl vorsteUen, von welchen Schreckensgespenstern der irrsinnige Scharfrichter, der so viele Menschen zum Tode gebracht hatte und der sich auch in seinen Wahnvorstellungen stets mit seinen gräßlichen Amtsfunktioiien beschäftigte, gemartert wurde. Der Ver storbene hat während seiner Thätigkeit als Henker 72 Hinrichtungen vorgeiwmmen und Veranlassung zur Einführung der Guillotine gegeben. * Nachtseiten einer Großstadt. Jedermann weiß, daß in einer Stadt mit vier Millionen Einwohner die Zahl der Verbrechen und Verbrecher keine geringe sein kann, allein überraschen dürfte denn doch die dem Berichte der Polizeidirection entnommene Thatsache, daß im Jahre 1879 mehr als vierzig Personen todt in den Straßen von London gesunden wurden, welche durchaus nicht identificirt werden konnten, trotz Photographien, trotz aller Anstrengungen der Behörden. Gänzlich unbekannt, verloren oder verstoßen, gingen diese vierzig Per sonen in dem Strudel der Weltstadt unter, ohne daß auch nur eine menschliche Seele sich um dieselben bekümmert hätte. * Am Familicntifch wirft die Hausfrau die Zeitung auS der Hand und sagt im Tone tiefster Entrüstung: Das ist doch stark, da wird ein Mann frcigesprochen, der unter der Anklage stand, seine Frau vergiftet zu habe». Der Herr des Hauses: Schrecklich! Die älteste Tochter: Welche Infamie! Die jüngste Tochter: Wohin gerochen wir? Der älteste Sohn: Wo bleibt da der Schutz der Gesetze? Der zweite Sohn: Man sollte den Kerl lynchen. Fritzchen, der jüngste in der Familie: Am Ende war er unschuldig. Alle sehen Fritzchen und dann sich unter einander an; nach einer Pause: Vielleicht hat das Kind Recht. * Kindlicher Wunsch. Papa: „Wenn nun nächstens der Storch kommt, lieber Rudolph, was willst Du, ein Brüderchen oder ein Schwesterchen?" Söhnchen: „Wenns Dir egal ist, lieber Papa, so hätte ich doch am liebsten ein Schaukelpferd." * „Jeder Stand hat seine Beschwerden", tröstete ein Schusterjunge den andern der eben Schläge bekommen hatte. „Der König wird gesalbt, der Advokat geschmiert, und wir müssen wichse« und werden gewichst."