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eigner Zeit sixd von dcn deutschen Socialdcmokratcn Vorbereitungen getroffen worden, zur Abhaltung eines allgemeinen Congreffes. Wie sehr cs den Herren gelungen, ihr Werk geheim zu halten, beiveist der Umstand, daß sie durch vier Tage hindurch, vom 20. bis 23. August ihren Congreß in der Schweiz abhatteu konnten, ohne daß bis heute irgend eine Zeitung davon etwas zu berichten gewußt hätte. Die Wahl deS Ortes zur Abhaltung des Congreffes war aber auch originell genug. In der Nähe des Thurgauischen Dorfes Offingen, rechts der Thur, ganz abseits der Landstraße und durch Bäume dem Auge ziemlich ver deckt, befindet sich die halb zerfallene und seit Jahren unbewohnte Burg Wyden, ein Denkmal aus uralter Zeit. Diesen einsamen, düsteren Ort hatten die Feinde der socialen Ordnung zur Abhaltung ihres Stell dicheins auserkoren und er paßte wohl auch zu den Plänen, die da ausgeheckt wurden. Am Kongresse nahmen zumeist d u.sche Social demokraten Theil und zwar die hervorragendsten Führer derselben, die aus allen Theilen Deutschlands hergekommen waren. Auch die deutschen Socialisten in der Schweiz waren ziemlich zahlreich vertreten; ebenso Ware» deren aus Frankreich und Belgien gekommen und endlich waren zwei österreichische und zwei schweizerische Gesinnungsgenossen anwesend. Im Ganzen mögen es 60 gewesen sein. Das auf diesem Congresse sehr viel „gearbeitet" wurde, beweist der Umstand, daß nicht weniger als zwei Sitzungen täglich, im Ganzen also acht, von denen einzelne bis tief in die Nacht hinein dauerten, abgehalt n wurden. Die Tages ordnung war aber auch eine sehrumfangreiche und umfaßte die ganze innere und äußere Organisation der Partei. Es wurden u. a. auch über die Presse und die Wahlen Beschlüsse gefaßt, ferner über das Vexhältniß der deutschen zur auswärtigen Socialdemokratie, über die Stellung der focialdemokratischen Reichstags-Abgeordneten u. s. w. Es wurde ein Programm für die Partei festgestellt und über die all gemeine Lage der letzteren enspann sich eine lebhafte und einläßliche Debatte. Grüße und Zustimmungsadressen waren u. a. eingetroffen aus Genf, Bern, Chur, Paris, Marseille, Mailand, Haag, London, Gent rc. So ganz unbemerkt konnte natürlich das Treiben auf Schloß Wyden nicht bleiben. Die Gemeindebehörde in Offingen ließ durch ihren Präsidenten den Herren einen Besuch abstattcn, auf den aber jene schon vorbereitet zu sein schienen, denn mit größter Zuvorkommen heit wurde der Herr Gemeindevorsteher empfangen und einige vornehm aussehende Herren stellten sich ihm als das „Centralcomita der Kranken kassen deutscher Vereine in der Schweiz" vor, welche Gesellschaft soeben ihre Generalversammlung abhalte. Mit diesem Bescheide mußte sich der Vertreter der Behörde wohl oder übel zufrieden geben, denn fein Wunsch, der Versammlung beiwohnen zu dürfen, wurde höflich, aber bestimmt abgeschlagen. Inzwischen aber wurde die Neugierde des um wohnenden Publikums doch immer reger und es wurde konstatirt, daß im Schlosse oben „lebhaft politisirt" werde und daß die Schloßbewohner keine Arbeiter, sondern sehr feine, gewandte Herren zu sein schienen; über diese Wahrnehmungen wurde nach dem Bezirkshauptorte Andcl- fingen berichtet; als aber die von dort angekündigten Beamten eintrafen, waren die Vögel ansgeflogen, — keine Spur hinterlassend. Erst nachher erfuhr man, wer die geheimnißvollen Schloßbewohner waren." Die Königin von Spanien ist von einer Tochter entbunden worden. Die Zustände in Irland beschäftigen die englischen Politiker auf das Nachhaltigste. Professor Leone Levi, der berühmte englische Volkswirth, der jüngst eine Rundreise durch Irland gemacht, hat die Resultate seiner Beobachtungen in einem an die „Times" gerichteten Briefe niedergelegt. Er zieht darin die Zustande und Bedürfnisse Irlands in Erwägung und deutet die Hilfsquellen zur Veffcrung der irischen Lage an. Was Irland vor Allem fehlt, schreibt der Professor, ist Kapital, Vertrauen und Fleiß. Unglücklicherweise sind gegenwärtig sowohl Grundbesitzer als Pächter sehr arm. Die Gutsbesitzer, oder wenigstens ein großer Theil derselben, seufzen unter der Last von Schulden und Hypotheken und thun und können nichts thun zur Ver besserung ihres Grund und Bodens. Die Pächter, welche große Fa milien und geringe Mittel besitzen, sind in der gleichen Lage. Noch mehr fehlt es aber an Vertrauen. Wie kann einem Lande Kapital zufließen, das stets mit sozialen Uebelständen kämpft und sich in po litischer Unzufriedenheit gefällt? Vollständige Sicherheit für Leben und Eigenthum und Achtung vor gesetzlichen Rechten sind die Grund bedingungen sozialen Fortschritts. Mangel an Vertrauen stört die Landwirthschaft in jedmöglicher Weise. Der Gutsherr mißtraut dem Pächter und der Pächter dem Gutsherrn und das Land trägt den Schaden. Und leider ist dieses gegenseitige Mißtrauen nur zu sehr begründet. Nach einem eingehenden Untersuchen dieses Mangels an Zutrauen zwischen Gutsherrn und Pächter äußert sich Schreiber wie folgt: Obgleich ich in die Macht und den Willen des Volkes, feine eigenen Uebelstände abzuschaffen, größeres Vertrauen als in parlamen tarische Maßregeln setze, so laßt sich doch nicht leugnen, daß Ermu- thigungen von hoher Seite viel zur Anregung der Selbstverbesserung beitragen können, und ich bin ganz sicher, daß kein besserer Mann die Geschicke Irlands in diesem Augenblicke leiten könnte, als der gegen wärtige Staatssekretär, der ein wahrer, ein geschäftskundiger und ein ehrlicher Mann ist." Der aber trotz aller dieser guten Eigenschaften cs doch nicht zu Wege bringen dürfte, das unglückliche Land von der Sündenschuld der Väter zu befreien. London, 9. September. Ein schreckliches Grubenunglück ereignete sich gestern in Folge einer Explosion schlagender Wetter in einer Reihe von Zeche« des Kohlenbergwerks Scaham, unweit Sunderland. Zur Zeit der Explosion befanden sich 280 Manner und Jungen in der Tiese, wenige Stunden vorher waren sogar 400 bis 500 Bergleute in den Zechen beschäftigt gewesen. Rettungsmannschaften, die sofort in den einzig offen gebliebenen Schacht Hinabstiegen, gelang es, 55 Ver unglückte lebend ans Tageslicht zu fördern. Zufällig waren, als die Explosion statt- sand, weit mehr Arbeiter aus der Schicht, als dies gewöhnlich der Fall ist. Es war nämlich auf gestern eine Blumenausstellung in dem Flecken Sunderland angesagt, und so hatten, um ihr beiwohnen zu können, viele Bergleute, die sonst am Tage arbeiten, für die Nachtschicht die Grube befahren. Als das Unglück bekannt wurde, eilte das Volk in großen Haufen herbei, namentlich die Weiber und Kinder der Ver schütteten. Auch gab eS der Freiwilligen die Menge, welche den Bergbeamten ihre Dienste anboten und in aufopfernder Arbeit behufs etwaiger Rettung der noch Leben den mit einander wetteiferten. Ein Berichterstatter der „Central News" telegravhirt: Das Kohlenbergwerk von Seaham gehört dem Lord Londonderry, der sich augen blicklich gerade in Seaham aufhält. Laut Angabe der Bergbeamten befuhren gestern 182 Männer und Knaben den Schacht und betreffs 165 von ihnen befürchtet man daS Schlimmste. Die Explosion ereignet« sich im Schacht Nr. 2, von wo sic sich nach Schacht 1 und Schacht 3 fortpflanzte, nahezu gleichzeitig alle drei AuSgänge verschüttend. Eine Gesellschaft Freiwilliger fuhr hinunter, um die Sache zu unter suchen und sand, daß 17 Personen außer Gefahr waren. Der Diinen-Jnspektor war »eilig zur Stelle und berathschlagt« mit den Bergbeamten des Bergwerks. Ein Mtrres Telegramm besagt: Alle denkbaren Anstrengungen find gemacht worden, um von Menschenleben zu retten, was noch zu retten ist. Die Schwierigkeit liegt jedoch d«rin, daß die Rettungsmannschaften selbst mit der größten Lebensgefahr nicht Wett Genug vorzudringen vermöge«. Es pellt sich jetzt heran«, daß mSgesammt SOS Personen verschüttet find, darunter freilich 14 außer aller Gefahr. Betreff- der übrigen ist wenig Hoffnung, denn die Schächte sind völlig zerstreut, und wenn auch das Feuer die Holztheile nicht ergriffen hat, so befürchtet man doch jeden Augenblick eine zweite Explosion. Auch vor neun Jahren hat in demselben Bergwerke «ine Explosion schlagender Wetter stattgefunden, wobei 26 Personen ums Leben kamen. Rach den letzten Nachrichten hofft man noch etwa 20—25 retten zu können, aber etwa 120—140 gelten als verloren. Vaterländisches. — Eine schreckliche Blutihat fitzte am Mittwoch früh ganz Pirna in Ausregung. Wie der „Pirn. Anz." schreibt, hat der dortige Flcffcher- mcister Thomas, der in seinen finanziellen Verhältnissen rn letzter Zeit wesentlich zurückgekvmmen war, gegen die eigene Familie kalt blütig das Mordbcil geschwungen. Es wird konstatirt, daß der Ge nannte versucht halte, sowohl seine Gattin als auch seine fünf Kinder zu tödten, worauf er sich dann durch Nuffchneiden der Pulsadern selbst das Leben nahm. Der Befund läßt vermuthen, daß Thomas am Dienstag spät Abends, nachdem er vorher im Parterreladen ein langstieliges Fleischerbcil und ein Fleischermesser ergriffen, zunächst sich nach dem Bodenraum begeben, wo die beiden älteren Söhne ihr Nacht lager halten, um dort an denselben sein scheußliches Werk zu beginnen; nachdem kamen sodann die in dem Vorzimmer ruhende Tochter, sowie die in dem großen Zimmer schlafende Gattin nebst den beiden kleineren Kindern an' dre Reihe. Am schwersten wurde der 19jährige Sohn Richard betroffen, dessen Gesicht durch die Beilhiebe völlig entstellt ist; derselbe wird voraussichtlich in kürzester Zeit den schweren Ver letzungen erliegen. Sehr bedenklich ist auch der Zustand des zweit- äUestcn Sohnes, des 17 jährigen Hugo und der 11 jährigen Meta, während der 12jährige Knabe Curt, sowie die 20jährige Tochter Hed wig nicht so schwere Verwundungen erlitten haben. Beide waren Mittwoch Vormittag bei vollem Bewußtsein. Die Wunden rühren bei dcn Kindern durchaus von dcn mit der stumpfen Seite des Beile- geführten Hieben her, welche bei Allen nach den Köpfen gerichtet worden waren, der Leichnam der Fran zeigte außerdem noch einen Stich am Halse. Den Thäter selbst fand man blutüderdeckt mit auf gerissenem Munde und Augen und am linken Arme ausgeschnittener Pulsader zwischen zwei Hackstöcken, auf deren einem zwei Zettel vor- gefuuden wurden. Auf dem ersten Zettel stand: „Das Werk ist voll bracht. Aus sein alle die Sorgen, die mich so furchtbar durchwühlt haben, nie hatte ich gedacht, daß ich noch zum Mörder werden sollte. Ich wußte keinen Ausweg mehr. Ich habe die meinigen nicht auS Bosheit, sondern reiner Anhänglichkeit ums Leben gebracht, so wußte ich doch, daß sie alle versorgt sein und bitte, mich, so schwer die That, auch ist, nicht zu verdammen und unter keiner Bedingung von den selben zu trennen." Der zweite Zettel, welcher jedenfalls kurz vor dem Selbstmorde Thomas geschrieben war, hat folgenden Inhalt: „Die That habe ich um ^11 Uhr vollbracht, ich bin auch nie damit um gegangen, eer Entschluß kam ungefähr Nachmittags gegen 5 Uhr und blieb unerschütllrlich fest, mir wurde sogar viel ruhiger, seitdem mir das in den Sinn gekommen, so lebt alle wohl, und verdammt mich nicht, uns ist allen wohl, das Herschreiben war eine böse Arbeit und ist mir sauer geworden." Der Mann hat also offenbar die Mordthat mit vollster Ueberleguug ausgeführt. Thomas, welcher aus Reinhards- dorf gedürrig und dort bis 1876 als Gastwirth und Fleischer gewesen ist, wird als tinerregbarer und auch in früheren besseren Verhältnisse» dem Spiele leidenschaftlich ergebener Mann geschildert, welcher aber trotzdem mit seiner Familie in Frieden lebte, bis infolge schlechten Geschäftsganges schwere Sorge sich in das Haus schlich und dadurch die unheilvolle Katastrophe vorbereitet wurde. Der verletzten Kinder haben sich, was noch lobend hervorgchoben werden muß, in edler Weise die Hausleute und Nachbarn angenommen und ihnen die liebevollste Hilse angedcihen lassen. — Das Begräbniß der vom eigenen Gatten auf so grauenerregende Weise hingemordeten Frau Thomas hatte, wie zu erwarten stand, eine ganz außerordentliche Theilnahme gefun den. Schon von früh an umstanden große Menschenmassen daS Trauerhaus und ein langer Zug Leidtragender war es sodann, der dcm Sarge der Unglücklichen folgte. Am Kirchhofe angckommen, wo sich ebenfalls schon seit Stunden eine dichtgedrängte Menge eingesunken, begab sich der Kondukt zuerst nach der Traucrkapelle, wo Archidiakonus Dr. Katzer die Leichenrede hielt. Die Leiche des ThäterS war bereit- am 11. September Vormittags 9 Uhr der Erde übergeben worden, und war es auch hier wieder Vr. Katzer, der dabei noch einmal der verhäugnißvollen Katastrophe gedachte und dann auch die Gnade deS Himmels auf den Mörder herabrief. Anwesend war bei dem Bc- erdignngsakt die Tochter »nd der älteste Sohn des Thomas nebst einigen anderen näheren Anverwandten und Hausgenossen. Wahrhaft erschütternd wirkte es, als die Tochter, welche sich nicht zurückhaltcN ließ, vor dem Begräbniß in dir Todtenhalle kam »nd hierauf mit de» Worten: „Vater, was hast du gcthan" vor der im Sarge liegende» und nur in ein Tuch gehüllten Leiche des Thomas ohnmächtig nieder- sank. Was das Befinden der verwundeten Kinder anlangt, so ist in sofern eine Aenderung eingetreten, als jetzt der Znstand des 17jährige» Sohnes am meisten zu Besorgniffen Anlaß giebt, fehr bedenklich steht es aber doch auch mit dem 19jährigen Richard. Der kleine Curt hat wiederholt lichte Momente »nd verlangte in diesen nach Vater und Mutter; ganz besinnungslos liegt jedoch die 11jährige Meta da. Bei der 20jährigen Tochter Hedwig, deren Befinden bereits ein recht zu friedenstellendes war, ist Wundfieber eingetreten, der Zustand aber wieder cin besserer. Dieselbe soll weitere Aussagen gemacht haben, aus welchen zu erkennen ist, daß das bedauernswerlhe Mädchen bei ihrem plötzlichen Erwachen die Mutter noch im ToheSkampfe liegen sah; eine Klarheit der Situation konnte natürlich aber nicht eintreten, da sie in Folge der selbst erhaltene» Schläge sofort wieder von Ohn macht befallen würde. — Meißen, 7. September. Auf heutigem Wochenmarkte wurden abermals mehrere Verkäuferinnen mit unvollwichtiger Butter betroffen; bei manchem Stück fehlten l 5 Gramm am Gewicht. — Reichlich Futter, theure Butter, klE Gewicht, — das paßt nichts — Bei der königl. sächs. Porzellanmanufactur in Meißen macht sich die eingctretene Besserung der geschäftlichen Verhältnisse durch großartige Einkäufe bemerkbar. Das Geschäft der Fabrik hat zwar nie gänzlich geruht «nd sind alle zu Thee- und Tafelservicen gehörende Artikel in dem bekannten blauen (Meißner) Muster stets gut gegangen, aber man hatte in dieser Branche eine Zeit lang, wenn auch keine Arbeiter und Arbeiterinnen entlassen, doch keine neuen en« gagirt und die Arbeit und damit den Verdienst eingeschränkt. Gegen wärtig aber kann in „Blau" nicht genug geliefert werden, obgleich neuerdmg- auch audere Porzellan- und Stemgutfabriken das beliebte