Volltext Seite (XML)
mag Gambetta schon hegen, aber an dessen Ausführung ist für jetzt wohl nicht zu denken Graf St. Vallier ist und bleibt eine am Berliner Hose sehr geachtete und beliebte Persönlichkeit. Eine Betrachtung des Londoner „Standard" über den Besuch des Freiherrn v. Haymerle in Friedrichsruhe hebt mit richtigem Takte die Tragweite des deutsch-österreichischen Bundes hervor. Der „Stan dard" sagt, es liege auf der Hand, daß dieser Bund von Haus aus ein defensiver und eine praktische Antwort auf die Drohungen gegen den Berliner Vertrag und fomit gegen den Frieden Europas gewesen ist. Die beiden Mächte hätten ein Interesse daran, daß, wenn der Berliner Vertrag durch Andere gebrochen wird, dies nicht zu ihrem Nachtheile geschehe. Wer nicht verstehen könne, daß Moral und ge sunder Menschenverstand die beiden Staaten berechtigen, ihre eigenen Interessen der Vergrößerung Serbiens und der Vereinigung Ost-Ru» meliens mit Bulgarien vorzuziehen, der sei überhaupt unfähig, sich ein vernünftiges Urtheil zu bilden. Würde die Begegnung der beiden Staatsmänner in Friedrichsruhe die Ruhe Europas bedrohen, fo würde dies eine allgemeine Entrüstung gegen die beiden Staaten zur Folge haben. Dem verschrobensten Politiker falle jedoch eine solche Befürch tung nicht im Schlafe ein. Im Gegentheil erb icke Jedermann in ihr eine Garantie für den Frieden Europas, soweit eine solche überhaupt in der Macht zweier Staaten liege. Gegen die österreichisch-deutsche Intimität könnten nur Solche etwas einwenden, welche den europäischen Frieden stören möchten oder wünschten, daß, falls der Frieden gestört werde, dies zur Schwächung Oesterreichs oder Deutschlands oder beider führe. Die Flottendemonstration bezüglich Montenegros werde sich vielleicht als überflüssig erweisen, allein es verbleibe die „Geiahr", daß sie auf Griechenland ausgedehnt werde. Man dürfe von Gefahr sprechen, da dies zu einem Ausbruch i» Bulgarien und Ost-Rumelien führen könnte. In diefem Falle werde die Politik Oesterreichs und Deutschlands auch dem Stumpfsinnigsten klar werden. Dem geduldigsten Volke des türkischen Reiches, den Armeniern, ist endlich auch die Geduld ausgegangen und sie haben zu den Waffen gegriffen. Die das Hochland von Zeitnn bewol)nendeu Armenier haben sich erhoben — das ist die große Neuigkeit des Tages. Der weit und breit bekannte, allgemein geachtete Babck Jschsian hat sich an die Spitze der Insurgenten gestellt, die nun Hoch-Armenien mit einem feindlichen Einfalle bedrohen. Ein anderes Centrum der Be wegung entstand südlich von Neu-Bajazid. Rasch durch 1200 Mann aus dem Muscher Sandschake verstärkt, soll das Corps der aufstän dischen Armenier bei der genannten Stadt über 2800 Mann zählen, die auch bereits in Action traten. Aus Wan wird gemeldet, daß sieben kurdische Ortschaften von diesen Insurgenten den Flammen über liefert worden -seien. Daß die in Rede stehende Bewegung an Aus breitung zu gewinnen scheint, dafür spricht die ernste Thatfache, daß die Armenier in der Gegend von Djnlameri (lauter Nestorianer) sich gleichfalls erhoben haben. In feierlicher Weise proclamirten dieselben den Optimalen Marschimon zu ihrem Civil- und Mititär-Chef und schwuren ihm unbedingten Gehorsam bis in den Tod. Marschimon hat seine Tabors in der Richtung auf Wau dirigirt. Vor dem Auf bruche hielt er an die Abtheiluugs-Commandaüten eine ergreifende Ansprache, in welcher er sie auf den „heiligen Ernst" des beginnenden Kampfes „um Voll und Glauben" aufmerksam machte. „Die Arme nier," sagte er, „waren todt; sie verbluteten unter schweren Schicksals schlägen. Nun weckt Gottes Gerechtigkeit a ich unsere Nation zu neuem Leben, das wir aber uns erkämpfen müssen. Der Kampf wird nur mit der bewaffneten Macht und den regierenden Paschas ge führt werden. Heilig fallen Ench dagegen alle Privatrechte, die Ehre eines jeden Einwohners unferes Landes sein, dieser fei welchen Glaubens und welcher Race immer. Für jede Ausschreitung, die unsere Sache schädigen könnte, werde ich strenge Rechnung fordern. Wer für Goll und die Nation die Waffen führt, darf nicht diese durch unnütze Grau samkeit besudeln. Dies merkt Euch wvhll" Die Situation der tür kischen Regierung ist durch diese Bewegungen eine sehr prekäre gewor den. Der zunächst bedrohte General-Gouverneur von Wan, Samih Pascha, verfügt über eine sehr geringe Truppenzahl Er hat zwar die Rediefs einberufen und Maßregeln getroffen, um die in Armenien zerstreuten Garnisonen um Wan zu concentrircn. Auch einige Tabors Kurden rief er zu den Fahnen. Allein bis er im Stande sein wird, in die Action zu treten, dürften Wochen vergehen, und wer weiß, ob ihm die Insurgenten bis dahin nicht wuchtige Schläge versetzt haben werden. Ans eine rasche Hülse aus Konstantinopel ist nickst za rechnen. Der Kriegsminister soll in bestimmter Weise die Unmöglichkeit betont haben, ans der Hauptstadt Truppen nach Armenien zu entsenden. Zn -der Vilajets-Hauptstadt herrscht noch Ruhe, aber die Befürchtung wird much hier gehegt, daß in der Mitte der armenischen Bevölkerung eine Bewegung über Nacht ausbrechen könne. Die Pforte hat lange genug ihr Spiel mit den Armeniern getrieben, und nun scheinen die alten und die neuen Sünden der corruptischen Verwaltung eine furchtbare Sühne finden zu sollen. > In Konstantinopel hat wieder einmal ein Ministerwechsel stattgefunden. Die Großmächte haben die Flottendemoustration um einige Tage verschoben, und ersichtlich zur Feier dieses Ereignisses hat der Sultan eine Um- resp. Neubildung des Cabinets vorgenommen. Kadri Pascha hat feine Entlassung genommen und Said Pascha ist an feiner Stelle vom Sultan zum Premierminister ernannt worden. In einem an Said Pascha gerichteten Erlaß sagt der Sultan: „An gesichts des Ernstes der Lage und der Dringlichkeit, Maßregeln zu ergreifen, habe er eine Berändernng im Ministerium für nothwendig gehalten und Kadri Pascha seines Amtes enthoben. Er setzte in Said Pascha das Vertrauen, daß es ihm gelingen werde, eine befriedigende Lösung der schwebenden Fragen zu erzielen." Assim Pascha ist zum Minister der auswärtigen Angelegenheiten ernannt worden, Server Pascha zum Präsidcittcn des Staatsraths, Rais Pascha zum Handels minister, Kiamil Pascha zum Unterrichtsminister und Nazis Pascha zum Minister der Evkafs. Man erwartet noch weitere Veränderungen im Ministerium. Wie inzwischen verlautet, sollen 6000 Montenegriner mit acht Kanonen in der Richtung gegen Dulciguo in Bewegung ge setzt werden, um etwaigem Widerstande zu begegnen. Gerüchtweise heißt es, die formelle Uebcrgabe fei am 15). d. M. erfolgt. In aller Stille haben die Franzosen im Stillen Ocean den Archipel der Gesellschaftsinseln aunektirt. Nach einem am 29. Jani 1880 abgeschlossenen Vertrage, der jetzt zur öffentlichen Kenntniß kommt, hat König Pomare V. von Tahiti diese Insel nebst allen übrigen zu seinem Staate gehörigen, an Frankreich vollständig und förmlich abgetreten und sich nur seinen Königstitel und die mit dem selben verbundenen Ehren und Vorrechte Vorbehalten. Zwar haben hie Inseln schon seit 1812 unter französischem Schutz gestanden, in dessen einer besonder» Beachtung von Seiten Frankreichs sich nich erfreut. Jetzt, wo der Panama-Kanal in Aussicht steht, hat Frankreich durch den Erwerb derselben offenbar einen schnellen und wichtigen Griff gethan, um für seine Handels- wie seine Kriegsflotte zwischen Amerika und Australien sich eine feste Station zu sicher». Vaterländisches. Wilsdrusf. Kirchlicherfeits wurde der Wunsch gegen uns aus gesprochen, daß die Gemeindeglieder bei der Feier des Erntefestes doch etwas mehr als bisher zur Schmückung deS Gotteshauses bei tragen möchten. Mögen unsere lieben Leserinnen sich diesen Wunsch zu Herzen nehmen! — Unsere Gottesackerangelegenheit ist nun so weit vorgeschritten, daß das Feld links vom Hühndorfer Wege von der Stadt aus ge rechnet durch Verordnung des Königlichen Landesconsistorii dazu aus gewählt ist, und daß Herr Vermessungsingenieur Maukisch aus Meißen bereits 4 Scheffel dazu abgemessen hat. — Die von der Gemeinde Grumbach bei der König!. Amts hauptmanschaft Meißen beantragte Einziehung a) des von Grumbach im Oberdorse beim Fördergersdorfer Fußsteige abzweigenden und durch das Gebüsch nach Herzogswalde führenden, ingleichen b) des in der Nähe der alten Chausse beim Grundstück Nr. 112 des Brd.-Cat. in Niedergrumbach beginnenden und in den Helbigsdorfer Communications- weg ausmündenden Fußweges wurde ungeachtet des von der Gemeinde Braunsdorf rücksichtlich des unter a gedachten Fußweges erhobenen Widerspruches vom Bezirksausschüsse genehmigt, da die Gemeinde Braunsdorf bei der Geringfügigkeit des angeblichen Umwegs ein In teresse an der Aufrechterhaltung dieses Weges nicht habe. — Bon der Stadtgemeinde Siebenlehn ist in zwei verschiedenen Eingaben an die Königs. Amtshauptmamifchaft Meißen um Herstellung einer besseren Straßenverbindung von Siebenlehn nach Bieberstein und Reinsberg aus Bezirksmitteln gebeten worden, weil durch eine solche Straßenherstellung ein größerer Aufschwung für die Gewerbs- Verhältnisse in Siebenlehn herbeigeführt werden würden. Nach dem Gutachten der betr. Chausse-Juspection beziffert sich der ohngefähre Kostenaufwand bei einer Baulänge von ca. 4000 Meter ausvhngefähr 103 000 Mark. Der Bezirksausschuß der Königl. Amtshauptmannschaft, so großes Interesse er auch an dem Aufschwünge der Stadt Siebenlehn nimmt, vermochte jedoch, resp. in Uebcreinstimiuung mit den diessall- sigen Aeußerungen der Bezirkswegebaucommission, nicht die Ueberzcu- gung zu gewinnen, daß durch die gewünschte Straßenherstellung eine Besserung der Berkehrsverhältnisse sür Siebenlehn eintreten werde. Denn der Verkehr zwischen Siebenlehn und den genannten Ortschaften ist ivcnigstens aus ein Jahr hinaus einer großen Entwickelung nicht fähig, bei einem geringen Verkehr aber werden die Kosten für Her stellung der Straße außer allem Verhältnisse stehen zu den Vorthcilen, wozu noch kommt, daß die Steigungsverhältnisse nicht wesentlich günstiger werden als zeityer. Der Bezirksausschuß beschloß daher einstimmig, zur Zeit wenigstens von einer weiteren Verfolgung dieses Straßen- projectes abzuiehen. — Zur Thomas'fchen Asfaire theilt der „Pirn. Anz." weiter mit, daß der 17jährige Fleischer am Morgen des 13. September V«5 Uhr von seinen Leiden durch den Tod erlöst worden ist. Recht traurig ist sodann der Zustanv der kleinen Meta, während der 19jährige Tischler einige Male Besinnung zeigte. Der kleine Curt will fort während aus dem Bette und haben die Pflegerinnen daher viel Noth mit ihm. Am besten steht es mit der 20jährigen Tochter Hedwig, welche entschieden in fortschreitender Besserung begriffen ist. — Zum Verband der sächsischen Gewerbevereine gehören gegenwärtig 108 Vereine, im vorigen Jahre zählte er 93 Vereine mit 19,799 Mitgliedern. Auf dem Kongreß in Oederan, der vom 5.—>7. September abgehalten wurde, waren 62 Vereine durch 105 Personen vertreten; in den letzten 6 Jahren ist kein Kongreß so zahlreich beschickt worden. Diese erfreuliche Hebung der Theilnahm- an den Berathungeit über das Wohl des Gemerbestandes ist, wie das Organ des Verbandes sagt, in erster Linie dem Umstande zuzuschreiben, daß in unserer Zeit die Verhältnisse des Gewcrbestandes nach einem anderen Stadium der Entwickelung hindrängen, dann aber scheint auch das in Pirna ange nommene provisorische Statut doch eine straffere Organisation in den Verband gebracht zu haben, was hoffentlich in Zukunft noch weit mehr als bisher hervortreten wird. — Das „Pulsnitzer Wochenblatt" bringt einen schönen Zug von Selbsterkenntniß. Dasselbe enthält folgendes Eingesandt: „Ich mache hierdurch bekannt, daß mir kein Gastwirth, wenn ich betrunken bin, etwas verabreichen soll, sondern sofort herauszuweisen: Fried. Wilh. Klotsche, Steinarbeiter in LauSnitz." — Lommatzsch. Wie das „Riesaer Elbeblatt" vernimmt, ist dir Eröffnung der Eisenbahn von Lommatzsch nach Nossen nach wie vor auf den 15. Oktober beabsichtigt. Nächste Woche schon hofft man die Schienenverbindnng mit Nossen herzustcllen. Ferner sollen drei Züge in der Richtung nach und von Nossen und vier Züge in der Richtung nach und von Riesa unter Beibehaltung des Spälabcnd- zuges zwischen Lommatzsch und Riesa in Aussicht genommen sein. — Die neue Garnison Riesa wird 2 reitende Batterien und 2 Feldbattericn, welch letztere erst »och zu schaffen sind, zählen. Die Stadtgemeinde Hal die nothwendigen Baulichkeiten bis 1. Juni 1881 herzustellen, vom 1. April bis dahin aber 2 Batterien in Privatquar tieren unterzubriugen, die anderen 2 Batterien folgen dann nach. Aus der Herstellung der nothwendigen Baulichkeiten dürfte ein Bauaufwand von nahezu 300.000 M. erwachsen, welche sich durch die vom königl. Kriegsministerium zu zahlenden Beiträge an Servisgeldern, Miethen re. in annähernd genügender Weise verzinsen würden. Ob man als Ka serne eine Baufabrik, deren Trieb in nächster Zeit erlöschen sollte, an kaufen und entsprechend umändern wird, oder ob man alle Gebäude von der Wurzel ans aufbauen soll, darüber werden erst die nächsten Tage Entscheidung bringen. Uebrigens fehlt dem Vertrage noch die Sanktion Sr. Majestät unsres Königs* die jedoch, da alle Bedenken aus dem Wege geräumt sind, als gesichert betrachtet werden darf. Kircheunachrichten aus Wilsdruff. Nächsten Sonntag zum Erntefest predigt Vorm Herr K. Ul'. Kaki. Montag zum Kirchweihfest predigt früh 9 Uhr Derselbe. «Kirchenmusiken. Zum Erntefeste: „Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre" rc. Hymnus für Männerchor von Beethoven. Zum Kirchweihfeste: „Lobe den Herrn, meine Seele" rc. Cantate für gemischten Chor und Orchester von Thamm.