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Beilage zu Ar. 74 des AochenötaLtes für Wilsdru^ etc. Freitag den 10. September 1880. Soldat und Insurgent. Historische Novelle von E. Heinrichs. Nachdruck Verbote». (Schluß.) Es war ein freundlicher Lenzmorgen; die Sonne strahlte so heiter und mild und verbreitete nur Wonne und Segen, wo bald des Kampfes blutige Geißel wüthcn sollte. Das piemontesische Heer stellte sich bei dem Dorfe Sancta Lucia in ^Wchtorduung auf und bald donnerten die ersten Kanonenschüsse den "Ichrockeucu Einwohnern in die Ohren. „Jetzt gilt's!" rief der Feldmarschall mit blitzenden Augen, „wir Wien die Schlacht an!" und im jugendlichen Feuer sprengte der Ms durch die Straßen der Stadt, während die Einwohner neugierig M Kopfe zusammcnstcckten und es nicht ahnten, daß Karl Albert's Heer sich vor ihren Mauern ausbreitcte. Die Schlacht raste bald in voller Heftigkeit; das Bataillon Erz- Aog Sigismund und das 10. Jägerbataillon waren mit der Kavallerie MAmhcidigung Sancta Lucias detachirt und fochten mit außervrdeiit- Mi Bravour; das Grenadierbataillou d'Authou stand als Reserve Mer den Kämpfenden, die drei Stunden lang mit geringer Macht Mn den weit überlegenen Feind das Dorf behaupteten. Auf dem ^chhose wüthcte der Kampf ain heftigsten, dreimal trieb der Feind l'k cisenfkstcn Deutschen uns dieser Situation und dreimal nahmen sie "'Kirchhof wieder mit dem donnernden Ruf: „zum Bajvuuet!" — Arider das blutige Gewirr der Kämpfende» flog das Adlerauge Feldherr» mit ruhiger Sicherheit. Noch die Schlacht nicht entschieden, das Glück schwankte auf >"e» Seiten. Da sprengten die kühnen Husaren heran, um Auge iu Ale den Feind zu suchen, „Vorwärts!" tönte Wodmar's kräftige AAne, »iw sM brauste die Schaar, wie ein vernichtender Sturzbach, M dichte« Reihen. » Auf einer kleinen Höhe bei Sancta Lucia hielt Gcncrallieute- At Bava, umgeben von seinen Adjutanten und überschaute mit bc- °PkM Blick das Schlachtfeld. d,, "Die feigen Veronese» lasse» uns im Stich!" sagte er mit unvcr- Muer Bitterkeit zu dem finster neben ihm haltenden Barromeo, „sie die Früchte des Sieges zu genießen und uns die Ehre des ""Pscs zu überlassen!" d knirschte Barromeo, der während dessen angestrengt ^Kirchhof durch ein kleines Fernglas beobachtete: „da ist der Hund, A soll er mir nicht mehr entgehen, und wild sein Pferd spornend, s'e er j», gestrebten Galopp dem Kampfplätze zu. d: "'0 blitzten die scharfen Husarensäbel, wie kühn stürmten je Reiter gegen die todtbringende» Bajonnette. Da stutzte plötzlich MMühner Rittmeister, der den Tod mit kaltblütiger Verachtung ^M)en schien; heftig riß er sei» schönes, schwarzes Schlachlrvß herum, x? hoch sich bäumte und wild schäumend in's Gebiß knirschte. — ^Aar's funkelnde Augen hatten seinen Todfeind erblickt, der mit Mildem Hohn auf ihn eindrang. »Hera« Bube!" knirschte der Rittmeister, „wo hast Du Dein feiges ^t? komm, wetze es an meinem deutschen Schwerte!" Hist sichre zur Hölle, deutscher Söldling!" brüllte der Graf, sein A auf ihn richtend; doch mit einem kräftig geführten Hiebe schlug "Mar ihm die Waffe aus der Hand. '-Oorpo lli buooo!" schrie Barromeo, seinen Säbel herausreißcnd tzjj Ole Klingen kreuzten sich in namenloser Erbitterung über den N- .der schnaubenden Rosse. — Die Kanonen krachten und donnerte» Tod und Verderben um sich her. Gewehre knatterten, und Säbel blitzten und dazwischen das Geheul und Stöhnen s^^wundeten und Sterbenden, die Kommandostimmen der Anführer, Äegesgeschrei der Kämpfenden. '^reue Dich, Schurke, Bandit!" rief der Rittmeister, seinen Sabel »Du stirbst eines ehrlichen Todes!" 'Oa brachen plötzlich die Oesterreicher jubelnd von allen Seiten sich ) "nd trieben die erschrockenen Piemontesen in wilder Flucht vor Nuchend wich der Graf den tödlichen Streichen seines Gegners und blickte iu stummer Wuth auf die Flucht des Heeres, auch Wandte in hoher Freude sein Pferd und stimmte in den brau- Siegesschrei ein. — Diesen Möment benutzte Barromeo, rasch let ziehend, drängte er sein Pferd an seinen Feind und mit ^^orten: „Grüße Rosalie, meine schöne Braut!" stieß er ihm den in die Seite. Mit einem dumpfen Wchlaut sank Wodmar das reiterlos den Uebrigeu folgte, während Graf Bacro- W estiger Flucht davon sprengte. ji^?"Uln sahen die Husaren ihren Führer sinken, als rasch einer vom s sprang, um den Verwundeten aus dem Gewühl zu dringen, fort sprengte die muthige Schaar dem fliehenden Feinde nach, k» A? war ein schöner, ein herrlicher Sieg. — 16,000 Oesterreicher beinahe 50,000 Piemontesen: Sancta Lucia hat einen denk- '3°" Platz in der Geschichte erhalten: doppelt interessant, weil ^le wgendliche Kaiser Franz Joseph sich die ersten Sporen ver- ^elreg ^.'^bewunderungswürdiger Ruhe und Kühnheit im dichtesten Hospital St. Ursula zu Verona lagen die Verwundeten dicht iid boch Allen ward Hülfe und Pflege zu Theil, für Alle, Freund Fnnd, sorgten mit gleicher Liebe die barmherzigen Schwestern, oiner kleinen Stube, an einem schneeweißen Laaer wachte eine e u 'n dem einfachen, groben Gewände der Schwestern; es ^t, e- ize und gefeierte Gräfin Rompani. Mit unendlichem Schmerze sw sich über den Schwerverwundeten, der ihrer Pflege anheim heiße Thrünen rannnen aus den dunkeln Augen auf das ! M des Kranken. „Mein Fernando, bleibe bei mir!" flüsterte sie, einen leisen Kuß auf seine Stirn drückend, „nimm mein Leben, heilige Jungfrau, doch erhalte das seine." Und mit unermüdlich rührender Sorgfalt wich die zarte, der feinsten Umgebung gewohnte Frau nicht von dem Lager des Kranken, der in den wildesten Fiebcrfantasien raste. Als der Feldmarschall Radetzky den Verwundeten besuchte und in seiner Pflegerin die Gräfin erkannte, glitt ein erstauntes Lächeln über seine besorgten Züge, mit chevaUreskem Anstande begrüßte er sie und sagte: „Unter diesen schönen Händen wird und muß mein wackerer Rittmeister genesen. Ich glaube, diese Augen, Signora, haben den Armen schon früher verwundet." Die Gräfin crröthele leicht und blickte dann schweigend und schmerz lich auf den Kranken. Radetzky reichte ihr die Hand und tröstete gutmüthig: „Mein achtzigjähriges Herz ist freilich längst aus dem Zaubergarten der Franeuliebe verbannt, doch fühle ich es dennoch lebhaft, welchen Eindruck folche Reize auf ein junges feuriges Herz mache» könne« und beneide den Rittmeister, der unter den Äugen der Liebe genesen darf. Was auch die Aerzte sage», Signora, ich bin überzeugt, er wird nicht sterben, jetzt nicht, sicher nicht!" Und der alte Feldmarschall mit seinem scharfen Kennerblicke machte den Ausspruch aller Aerzte, die die tiefe Wunde für tödtlich erklärt, zu Schanden; nach 14 Tagen legte sich der heftige Paroxismus, und als er eines Morgens erwachte, war die dunkle Zerrüttung des Geistes von ihm gewichen und mit seligem Lächeln blickte er in die leuchtenden Augen der Geliebten, die seine Hände im leidenschaftlichen Uebermaß des Glückes an ihre Lippen drückte. „Du bist's!" flüsterte er, „sind es die Gefilde des Himmels, in denen mein Geist Dich erblickt?" „Du lebst, mein Fernando!" erwiderte Rosalie mit bebender Stimme, „wir werden glücklich sein, meine Hand soll Dich aus's Neue in's Leben zurückführen." Und mit seliger Wonne legte sie dem ungläubig und entzückt Lächelnden die schneeweißen Kissen zurecht und bat ihu mit zärtlicher, leiser Stimme, nicht zu sprechen und glücklich, sanft, wie ein gehorsames Kind, folgte der Kranke mit den Blicken den Bewegungen der zarten schlaiiken Gestalt, die für ihn so viel geopfert. Acht Wochen waren seit der Schlacht von Sancta Lucia verflossen und der Feldherr hatte bereits mit bedeutenden Verstärkungen Verona verlassen, um aus der lästigen und unihäligen Stellung in die Offen sive überzugehell. In dem Garten hinter dem Hospital ging der Rittmeister Wodmar bleich und mit schwankenden, unsicheren Schritten. Noch schmerzte die Wunde in seiner Brust uud der Ausspruch der Aerzte lautete einstimmig dahin, daß er nur duich den Gebrauch eines Mineralbades wieder ganz genesen könne. Davon wollte Wodmar nichts hören, ihn drängte es wieder in die Reihe» seiner Kameraden, und selbst auf Rosaliens Vorstellungen und Bitten hatte er nur die eine Antwort: „Ich kann den Verdacht der Feigheit nicht ans mich laden, Geliebte, der Feldherr würde mich ehrlos nennen; —wenn Ruhe und Ordnung wieder her gestellt, dann soll mich nichts mehr von Dir trennen!" Rosalie schwieg und beschloß selbst zu handeln; vereint mit dem Oberarzt schrieb sie an Radetzky, und kaum waren acht Tage verflossen, als Wodmar ein Schreiben des Feldmarschalls erhielt, worin dieser ihm aus Rücksichten für seine Gesundheit ein ganzes Jahr Urlaub er- theilte, nach welcher Zeit er als Major wieder in sein Regiment ein treten müsse. Gerührt blickte Wodmar lange auf das huldvolle Schreiben, dann schloß er Rosalie bewegt in seine Arme und sagte nach einer Pause: „Nicht wahr Geliebte, Du ziehst mit mir? — doch nur als mein Weib; darf ich an den Feldmarschall deshalb schreiben?" Die Gräfin nickte lächelnd nüd froh, und ehe einige Wochen ver strichen, befand sich Baron Wodmar mit seiner schönen Gemahlin bereits auf dem Wege nach einem deutschen Bade, um hier fern von dem blutigen Gewirre der Welt im Arme der Liebe zu genesen und einer glücklichen Zukunft zu leben.. Als der greise Sieger von Sancta Lucia nach einem Jahre wieder in Mailand einzog, und Italien gebändigt zu seinen Füßen lag, da waren die Häupter der Revolution, die wir im Lause dieser Novelle kennen gelernt, bereits alle geflohen, und aus den Bergen des Ticino schleuderte Barromeo und Casati die Brandfackel des Aufruhrs immer aus's Neue wieder iu ihr italienisches Vaterlastd. Doch als Wodmar im Lenz des Jahres 1850 mit seiner schönen Gemahlin wieder in Mailand vor seinem Feldherrn erschien, da be grüßte dieser lächelnd das junge Ehepaar, wiegte dann bedenklich das greise Haupt und sagte: „ich glaube, Herr Major, daß der Anblick Mailands nur trübe Erinnerungen in dem Herzen Ihrer schönen Ge mahlin erwecken und das Leben in diesen Mauern Ihrem Glücke nimmer dienlich sein kann; deshalb möchte ich dazu rathen, als Major in'S Reiterregiment des Kaisers einzutreten, dann werden Sie in Wien stationirt." So war ihr geheimer Wunsch erfüllt und nach wenigen Tagen verließen sie Mailand mit leichtem Herzen, tim sich so rasch als mög lich nach Wien zu begeben und sich, mit Aufträgen des Feldmarschalls dem jungen Kaiser Franz Joseph vorzustellen, der sie auf das Huld reichste empfing. In Ungarn kämpfte Wodmar einige Monate später und verlor m einem unbedeutenden Treffen den rechten Arm. Zum Dienste uu« fähig, kaufte er sich in Ob.erösterreich ein kleines Rittergut, wo er fern vom Treiben der Welt mit seiner Rosalie ein glückliches, beneidens-' werthes Leben führt.