Volltext Seite (XML)
zur Ausführung der Dekrete schritten, und es mit der Austreibung der Jesuiten Ernst wurde, wußten diese sich nicht anders zu Helsen, als dadurch, daß sie sich hinter die richterlichen Beamten steckten und diese zur Verweigerung ihrer Dienstpflicht zu bewegen suchten. Bei etwa 200 Personen ist ihnen dies gelungen, es hat ihnen aber nichts ge holfen. Denn die plötzlich erledigten Aemter wurden ebenso rasch wieder besetzt. Da die klerikalen Blätter aber behaupteten, die An weisung des Justizminlsters sei derart gewesen, daß kein Beamter ihr hätte Folge leisten können, so giebt die „Röpublique Fran^aise", was längst hätte geschehen sollen, jetzt den Wortlaut des amtlichen Schrift stückes, aus welchem deutlich hervorgeht, daß den gerichtlichen Staats anwälten nichts anaesonnen worden ist, was sie nicht füglich alle hätten thun können und müssen. Daß 200 von ihnen lieber abgcdaukt, als ihre Schuldigkeit gethan haben, beweist nur deren Charakterschwäche und Angst vor den Drohungen der Jesuiten. Petersburg, 1. August. Aus dem Innern werden große Feuersbrünste gemeldet; so brennt gegenwärtig die Stadt Rjäsan zum dritten Male in einem Monat, dreißig Häuser stehen noch in Flammen. Verschiedene Dörfer sind ganz niedergebrauut; in Brest- Litowsk zerstörte das Feuer 105 Häuser, zwei davon waren aus Stein. Der Chef des englischen Kabincts, Lord Gladstone, ist leit Sonnabend von einer Lungeukraukheit befallen worden, die nicht leicht zu sein scheint und bei einem Manne, der im 71. Lebensjahre steht, Wohl Befürchtungen Hervorrufen kann. Daß die Seele des Kabmcts gerade in einem Momente zur Unthätigkeit gcuöthigt wird, wo zwei weittragende Fragen zur Entscheidung zu bringen sind und man großen Gefahren zu begegnen hat, kann lähmend auf den Fortgang der von der englischen Regierung zu treffenden Maßregeln wirken, möglicher weise ihnen sogar eine von der bisher eingehaltenen abweichende Rich tung geben. Denn es ist kaum zu viel behauptet, wenn man sagt, am Balkan und Bosporus wie in Afghanistan war die neueste Politik Englands die persönliche Politik Gladstone's, wenigstens hat er seine Kollegen zum Beschreiten des eingefchlagenen Weges mit fortgerissen. In Afghanistan scheinen aber die Sachen für die Engländer doch schlecht zu stehen; neuerdings ist auch die Verbindung mit Kabul un terbrochen, und die Haltung der mit dem von England anerkannten Emir Abdur Rhaman gehenden Häuptlinge legt die Befürchtung nahe, daß auch Abdur Rhamann schließlich den Engländern den Rücken kehren und mit Ayub Khan gemeinschaftliche Sache machen könnte. Der Verbrauch an Postkarten hat in der kurzen Zeit des Bestehens dieses Verkehrsmittels einen außerordentlichen Umfang ange nommen. Im Jahre 1878 sind in Europa 342 Millionen Stück ab- gefandt worden. Davon entfallen 111,445,000 auf Großbritannien; hiernächst folgt Deutschland mit 108,741,000 und daun Frankreich mit 30,522,000 Stück. Diese Zahlen, so groß sie find, werden noch über troffen von dem entsprechenden Verkehr in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, wo die Postkarten erst seit 6 Jahren eingeführt sind. Im vergangenen Jahre hat der Postkartcnverbrauch daselbst über 246 Millionen Stück betragen, und für das Jahr 188081 berechnet die nordamerikanische Postverwaltung den Bedarf auf mehr als 300 Mill. Stück. Den Jahresverbrauch in allen Ländern des Weltpostvereins kann man, bei mäßiger Schätzung, auf mehr als 700 Millionen Post- karten annehmen; täglich also zwei Millionen. Vaterländische». Dresden, 1. August. Das „Dresdner Journal" meldet: Se. Maj. der König hat heute in der Sommerresideuz zu Pillnitz den fürstlich' r:!'yä"llchen außerordentlichen Gesandten, Herrn Maneeco, in Partikularaudienz empfangen und aus dessen Händen die von dem Fürsten von Rumänien ihm übersendeten Insignien des Großkreuzes des Sterns von Rumänien entaegengenommen. — Dresden, 4. August. Ihre Majestät die Königin traf heute Vormittag in Freiberg ein, um sich von dort über Bienenmühle nach dem Jagdhause Reheseld zu begeben. — Der Reichslagsabgeordnete fürFreiberg, Max Kayser, ist aus seiner Haft wieder entlassen worden und zwar, wie man uns mit- theilt, weil die Staatsanwaltschaft keinen Grund zu einer Anklage gefunden hat. Zeitungsnachrichten, welche sogar von einer Anklage wegen Hochverraths beim Reichsgericht zu Leipzig berichteten und zuerst in der „Frankfurter Zeitung" Eingang fanden, erwiesen sich ledig»?ch als müßige Coujecturcn der betr. Korrespondenten. — Der Bericht Bebel's „An meine Wähler", welcher — wie schon gemeldet — als Flugblatt in einer Auflage von 30,000 Exem plaren durch 400 Colporteure in den Morgenstunden des verflossenen Sonntags hier verbreitet wurde, ist, wie vorauszusehen war, auf Grund des Socialistengefetzes verboten worden. — Die Jagdkarten auf das Jagdjahr 1880/81 sind, nach einer Bestimmung des königl. Ministeriums des Innern, aus Cartvnpapier von hellblauer Farbe hergestellt worden. — Zur Legitimation der Gerichtsvollzieher und des Personals desselben nach außen hat das königl. Justizministerium Medaillen an fertigen und Ersteren mit der Weisung zugehen lassen, solche bei äußeren dienstlichen Verrichtungen stets bei sich zu führen. Diese an einem kleinen Kettchen getragenen Medaillen enthalten ans der einen Seite das k. sächsische Wappen und auf der anderen Seite neben dem Ort der Behörde, bei welcher der Gerichtsvollzieher fungirt, die In schrift: „Der Gerichtsvollzieher des k. s. Amtsgerichts." — Oschatz, 1. August. Vor einigen Tagen kehrte der Knecht eines hiesigen Gutsbesitzers mit einem schwerbeladenen Getreidewagen nach der Stadt zurück. In der Nähe der Stadt liefen mehrere Knaben, darunter auch der 7 Jahre alte Weber, neben dem Wagen hin und streiften mit den Fingern Aehren ab. Trotz wiederholter Aufforderung des Knechtes, dies zu unterlassen, kehrte sich Weber doch nicht daran, sondern setzte seine Allotria fort, glitt dabei aus und kam so unglück lich zum Fall, daß das eine Hinterrad des Wagens denselben überfuhr, ihm das Genick brach und einen großen Theil des Hirnschädels bloß legte, wodurch der Tod des Knaben augenblicklich erfolgte. — Riesa, 1. August. Heute Vormittag fand hier die feierliche Eröffnung der von dem hiesigem Gewerbevereine arrangirten sechsten Gewerbe- und Industrieausstellung statt. Nachdem das Stadtmusikchor das Krcntzer'sche Lied „Das ist der Tag des Herrn" gespielt hatte, gab der Vereinsvorsitzende, I. G. Schuster von hier, einen Ueberblick über die Geschichte der Entstehung der Ausstellung und dankte den auf der Ausstellung vertretenen Firmen (ungefähr 240) für die Be schickung derselben. Bürgermeister Steger von hier sprach dem Ge werbevereine für das gelungene Arrangement der Ausstellung, den Vertretern der auf der Ausstellung figurirenden Geschäftsfirmen den Dank und Glückwunsch der städtischen Körperschaften aus, er hoffte auch von dieser gewerblichen Ausstellung Förderung des gewerblichen Kön nens und Wetteifers und forderte die Anwesenden zu einem dreifachen Hoch auf die Ausstellung auf. Hierauf wurde die Ausstellung sür eröffnet erklärt und man trat einen Rundgang durch dieselbe an. — Wie nothwendig die Befolgung derjenigen polizeilichen Anord nung ist, nach welcher Blumenstöcke nicht ohne Vormachuug von eisernen Stäbe» oder Gittern außerhalb der Fenster stehen dürfen, beweist folgender Fall. Im Hofe eines Haches in Chemnitz war dieser Tage eine Wiltwe an der Wasserpumpe beschäftigt. Dabei fiel Plötz« l:ch ein Blumenstock, welcher im dritten Stockwerke frei außerhalb eines Fensters stand, herab, der Witlwe auf den Kopf und verletzte sie derart, daß sie bewußtlos hinweggetragen werden mußte. — Grünhainichen. Im Gasthofe zu Marbach ist, wie der „Dr. Anz." erfährt, am Donnerstag Abend zwischen dem Gastwirthe Klotz und dem Vater eines dort bediensteten Mädchens ein heftiger Wortwechsel entstanden, der in Thätlichkciten überging, infolge deren der Vater des Mädchens, ein Mann namens Nendel aus Leubsdorf, am Kopie verwundet wurde und nach einigen Stunden starb. Klotz ward in Haft genommen. Soldat und Insurgent. Historische Novelle von E. Heinrichs. Nachdruck verboten. (Fortsetzung.) Arglos folgte der Rittmeister dieser Vorschrift und eilte mit ge räuschlosen Schritten die breiten Stufen hinauf. Aufmerksam horchte der Mohr, sein seines Gehör schien sich zu verdoppeln, endlich mur melte er: „W »n sie nur meiner Warnung folgt, denn ihr Verderben will ich nicht, sie ist mir eine gute Herrin; ich will nur Geld und wieder Geld, das blanke Geld des Barromeo, der dort drüben wie ein Tiger auf dem Sprunge liegt, ist mir eben so lieb, wie das gute Geld des Deutschen und der reiche Lohn meiner schönen Signora: aber morden sollst Du sie nicht — bei den heidnischen Göttern meiner Vorfahren! das dulde ich nicht, ich bin kein gemeiner Bandit, könig liches Blut rollt in meinen Adern, an Senegambiens Küsten herrschte einst mein Urahn, der große König Nuazoi, genannt die schwarze Wolke — und darum will ich Geld verdienen, viel Geld, um dereinst w eder zu meinen verachteten Brüdern zurückzukehren und den Kampf anfzunehmen gegen unsere Unterdrücker. Eure Leidenschaften, ihr stolzen weißen Herren, dienten meinen Zwecken, ihr denkt mich zu beherrschen und steht doch alle in des Mohren Hand. Noch einmal horchte der kluge Jntriguant und stieß dann den leisen wohlbekannten Vvgclruf aus, worauf der Graf Barromeo sich rasch von der entgegengesetzten Seite der Straße näherte und nach einigen Minuten mit dem Mohren in dem Innern des Palastes ver schwunden war. Athemlos mit klopfendem Herzen stand der Rittmeister vor der bezeichneten Thür und wagte es nicht, einzutreten, ihm war wunder barer und furchtsamer zu Muthe, als stände er dem Feinde gegenüber in offener Schlacht. „Vorwärts", flüsterte sein Herz, „acht Tage hast Du vergebens dieses Glück herbeigefehnt und jetzt am Ziele zauderst Du feige in's Paradies einzutreten?" Mit zitternder Hand klopfte er endlich an die Thür, er hörte leise Schritte sich nähern, einen Au genblick später trat er in ein dunkles Zimmer, und eine leise Stimme fragte: „Ihr Name?" „Wvdmar!" erwiederte er in demselben Tone und eine weiche Hand zog ihn durch das große dunkle Zimmer, schlug einen Vorhang zurück und blickte in das Antlitz seiner Führerin, der Gräfin Rompani, die hocherröthend vor ihm stand. Nach einer kleinen Pause sagte sie leise: „Ich hoffe Herr Baron, in Ihnen den Mann von Ehren zu finden, den ich erwartet und mein Betragen deshalb nicht erst zu rechtfertigen brauche. Sie sind mir fremd und unbekannt und nur einmal glaube ich Siegesehen zu haben." Sie stockte und senkte den brennenden Blick zu Boden, als fürchte sie, mit diesen Worten ein Geständniß abzulegen, gegen das ihr Stolz sich sträubte. „Ja theure Gräfin!" fiel Wodmar, seiner leidenschaftlichen Liebe nicht mehr Herr, rasend ein, indem er ihre Hand an seine Lippen preßte, „nur einmal blickte ich in den glühenden Himmel dieser Augen und der Strahl drang in mein Herz und hat über mein Schicksal entschieden. O! wenden Sie sich nicht ab, Himmlische! lassen Sie mir den Trost, daß meine Gegenwart hier in diesem Gemache, Ihnen ge genüber, kein bloßes Mitleid von Ihrer Seite, kein leeres Spiel deS Zufalls ist; ich liebe Si^Nofalic!" fuhr er stürmisch fort, indem er zu ihren Füßen niedersank, und-seine schönen blauen Augen flchxxd zu ihr erhob, „Verrath und Dolch Umlagern den Svh» Oesterreichs in diesem Lande, dessen schönste Tochter ich r'wete, doch mag der Dolch des Banditen oder des Rebellen auch über meinem Haupte schweben, zu Ihren Füßen spotte ich seiner!" „Stehen Sie auf, Signor!" flüsterte die Gräfin mit bebender Stimme, „weh mir, woran erinnern Sie mich — ja, Ihr Leben ist in Gefahr, wohl bedroht der Dolch des Banditen Ihr Herz, vielleicht lauert er schon auf meiner Schwelle." „Fürchten Sie nichts, süßer Engel! ich bin bewaffnet, und werde auf meiner Hut sein, denn von dieser Stunde an hat das Leben dop pelten Reiz für mich; — doch bald hätte ich die Warnung des Mohren vergessen," setzte der Rittmeister sinnend hinzu, indem er sich rasch er hob, „er sagte mir, seine Gebieterin möge sich nach dem gelben Kabinet begeben, er wittere Gefahr." ,Zesus Maria!" rief die Gräfin erbleichend, „sollte er es wagen. Und doch, er ist rasend genug dazu, o, kommen Sie, rasch, folgen Sie mir, in meinem eigenem Palaste droht mir Gefahr." Mit diesem Warten zog sie den erstaunten Baron, der ihr willig folgte, durch mehrere Gemächer bis an's entgegengesetzte Ende des Palastes, wo sie mit athemloser Angst in das gelbe Kabinet eintrat und die Thür hastig verschloß. Der Rittmeister befand sich in einer seltsamen Situation, in einem dunkeln verschlossenen Gemach der schönsten, vornehmsten Dame von Mailand, die er leidenschaftlich liebte, gegenüber; sein Blut tobte stür misch zum Herzen und schweigend preßte er die Hand auf die Brust, um in dieser Leidenschaft nicht unterzugehen. „Setzen Sie sich, Signor!" flüsterte die Gräfin fast unhörbar und nachdem er mechanisch von ihrer Hand geleitet an ihrer Seite Platz genommen, fuhr sie leise fort: „Sie werden mein Betragen rätselhaft