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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.05.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-05-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190805283
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19080528
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19080528
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-05
- Tag 1908-05-28
-
Monat
1908-05
-
Jahr
1908
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12. G-neralr>«rsainiiiLriiig Se»-e«tsehenLentraLkomUee»z«rVerStnpfttng -er Luberkrrlofe. n« «erti», 27. Mai. Die 12. Generalveriaiilmluug des Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose, das unter dem Protektorat der Kviierin steht, und Seiten Ehrenvorsitzender der Reichskanzler Fürst Bütow ist, wurde eute vormittag im Plenarsitzunassaale des Reichstages unter zahl reicher Beteiligung eröffnet. Der Vorsitzende, Staatssekretär im Reicksanit des Innern » Dr. v Bethmauu-HoUweg, eröfsneie die Sitzung mit folgender Ansprache: „In stattlicher Anzahl Iwbeu Sie sich zu unserer Generalversamm lung vereinigt. Es gereicht mir zu besonderer Ehre. Sie willkommen zu "wißen. Auch im abgelaufenen >ihre hat das Zentralkomitee lerne Tätigkeit im bisherigen Rahmen fortgesetzt. Wenn in der letzten Gene ralversammlung iich eine lebhafte Diskussion über die Bedeutung und den Wert de* HeiistaltenversahreiiS entspann, so konnte damals mit Keckt ans dir Erfolge binqewieten werden, die mit der Anstaltsbehand- lung zahlreicher Kränker laisächlich erzielt worden sind. Das hat uns aber nicht behindert, die immer dringlichere Aufgabe in Angriff zu iiehuikn, die den vrophvlaktischen Maßregeln im Kampfe gegen die Tuberkulose zutommt. Fni Gegenteil bat das Zentralkomitee in immer steigenderem Matze alle Borbeugungsmatzregeln zu fördern gesucht. In rner Linie ist der Aiislunsts« und Fürsorgestellen zu gedenken, die den Mittelpunkt der Tuberkulosebekämpfung bilden. Um diese gleichmäßig aber das ganze Land zu verbreiten, hat das Präsidium eine planmäßige Propaganda begonnen. Es steht zu hoffen, daß es gelingen wird, auch die Tuberkulosebekämpfung, auf dem platten Lande auf diesem Wege wirksamer zu gestalten, Eine der schrecklichsten Formen her Tuberkn- oie ist der LnpnS, der namentlich Gesicht nnd Hände besällt und die kranken den entietzlichsien secli'chen und körperlichen Leiden aussrtzt. früher galt die Krankheit als schwer, wenn nicht gänzlich unheilbar. Die moderne Behandlung, nameutlich die Lichtbehandlung, hat der Krankheit ihre Schrecken genommen und bei rechtzeitigem Eingreifen Er'vlgc erzielt. Durch diele Erfolge ermutigt, hat Vas Präsidium eine besondere Kommission zur systematischen Bekämpfung des LupuS ein gesetzt. Meine Damen nnd Herren! Wenn es mir heute vergönnt ist, von dieser Stelle ans an Sie alle die Bitte zu richten, in Zukunft das Präsidium in seinen Geschäften zu unterstützen, so richten sich unser aller Blicke auch auf die Vergangenheit. Als vor Jahresfrist Staatsminister Osraf Posatwwsky aus seinen Aemtern schied, legte er gleichzeitig das Präsidium nieder. 10 Jahre lang hat er an seiner Spitze gestanden und die Geschäfte mit nie ermüdendem Eifer geleitet, hat seine so ungewöhn lichen Erfahrungen aus allen Gebieten des wirtschaftlichen und sozialen Lebens in den Dienst der großen Sache gestellt. >sein Wirken mußte um so fruchtbarer sein, je mehr die Bekämpfung der Tuberkulose einen Kampf gegen menschliches Elend in allen feinen Formen darstellt. Um 'einem Dank Ausdruck zu geben, hat Las Präsidium beschlossen, die Er nennung des Staatsministers Grasen Posadowskv zum Ehrenmitglied bei der Generalversammlung zu beantragen. (Lebhaftes Bravo.) Ich Hobe die Ehre, diesen Antrag des Präsidiums zu Ihrer Abstimmung zu bringen nnd darf nach deni lebhaften Beifall, den Sie der Etn- oringung des Antrages gespendet lmben, ohne weiteres seststell.cn, daß Sie den Antrag zum Beschluß erhoben Haden." (Allseitiger lebhafter Beisall.I Hierauf wurde folgendes Handschreiben der Kaiserin an den Grafen Posadowsky mitgeteilt: „Rachdem Ihr amtlicher Nachfolger nunmehr die Leitung des Zen tralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose übernommen hat, an dessen Spitze Sie durch eine lange Reihe von Jahren gestanden haben, möchte ich als Prvtektorin nicht Unterlasten, Ihnen die dankbare Aner- lcnuung zum Ausdruck zu bringen, die Ihrem Wirken auch an dieser Stelle gebührt. Wenn der systematische Kampf gegen die Verheerungen dieser Volksseuche Erfolge zu zeitigen beginnt, so darf Ihr Name unter den ersten genannt werden, die daran beteiligt sind. Es ist mir bekannt, daß Sie neben Ihren aufreibenden Berufsgeschäften Zeit und Ruhe iaudeu, die Sitzungen des Zentralkomitees zu leiten, wie Ihre große Erfahrung auf dem Gebiete des Gemeinwohl auch diesem Zweig« all gemeiner Fürsorge zustatten kam, und die vom Zentralkomitee aus gehende Wirksamkeit erhöhte. In den Kreisen desselben ist daS Ihnen gewidmete dauernde Andenken mit dem Wnnsche verbunden, Sie auch ferner au dem Werke beteiligt zu sehen, das Ihnen tief empfundenen Dank schuldet." gez. Auguste Victoria I. R " Oberstabsarzt a. D.» Professor Dr. Ni einer (Berlin) erstattete den Geschäftsbericht. Die Zahl der Mitglieder hat sich im Berichtsjahr von 1460 auf 1b89 dermehrt. Die Einnahmen des Komitees beliefen sich auf 627 000 .E, woru»t«r sich ein Reichszuschuß von 60 000 .tt befindet, die Aus gaben betrugen 327 000 Für das kommende Jahr sind die Ein nahmen auf 810 000 .E veranschlagt, die Ausgaben auf 410 000 ^l. Unter Len Einnahmen befindet sich ein Posten „Ueberweisuiig vom Verein für Wohlfahrtsmarken" mit 5000 .E. Um nämlich der Bekämpfung der Volkskrankheiten Mittel zuzufügen, hat sich in Berlin ein Verein für Wohlfahrtsmarken konstituiert, dessen Marien als Verschlußmarken bei allen Postsendungen Verwendung finden. Die Vereine, welche die Marken vertreiben, erhalten einen wesentlichen Rabatt, den sie für ihre besonderen Zwecke verwenden können. Im übrigen dient der Erlös hauptsächlich der Bekämpfung der Tuberkulose und der Säuglings sterblichkeit. Der Geschäftsbericht hebt zum Schluss« hervor, daß die Be- strebungen des Vereins im abgelaufenen Jahre erfreuliche Fortschritte gemacht haben. Deutsches Reich. Leipzig, 27. Mai. * Annaberg uuv Buchholz. Der Stadtrat nnd die Stadt verordneten zu Buchholz haben eine Petition an den Landtag gelangen lassen, in der um Ausscheidung der Stadt Buchbol: aus vem Änna- berger Landtagöwablkreise gebeten wird. Nach dem Beschluß ver Beschwerde- und Petitionsdepütation der Zweiten Kammer wird diese Eingabe an die außerordentliche Deputation silr das Königliche Dekret Nr. 12 zur Vorberatung abgegeben. * * Ter Kaiser bei ber FnbiiänmSfeicr der Tanztoer Leibhusarei«. Nach deni Empfang auf dein Babvhof durch den lommandierenden General v. Mackensen stieg der Kaiser, weicher die Unitvrm de- ersten Leibbusaren-Regmient- trug, in der 'Nabe v?8 BaknhofeS zu Pferde und begab sich mit dem Gefolge, von Hochrufen begrüßt, nach dem großen Exerzierplatz. Dort batte die Leibüusarenbrigade Paradeaujstellung genommen. Im rechten Winkel zu ihr standen die alten Leibhusaren, aus deren rechten Flügel die alten Offiziere. Der Kaiser sprengte quer über da- Feld ans die allen Husaren zu, nahm den Frontrapport entgegen und begrüßte die alten Mann- fchasten mit einem: Guten Morgen, Kameraden! indem er ibre Ausstellung abritt. Der Kaiser reichnete viele, beionders an Iabren Aeltere durch freundliche Ansprachen aus. Er ritt hiernach unter den Klängen des Parademarsches die Front der Brigade ab und begrüßte auch die Husa'en. Die Brigade nahm hiernach Aufstellung in einem offenen Viereck, und der Führer der Brigade, v. Pleil^ begrüßte den Kaiser mit einer Ansprache, die mit den Worten schloß: „Unser ernstestes Bestreben soll es sein, daß der Äußspiuch des Generals v. Scharnhorst auf uns Anwendung findet: Jeder Preuße macht sich eine Ehre daraus, die Montur der schwarzen Husaren zu tragen, aber nicht wegen LeS Glanzes, sondern wegen der Memchen, eie sie tragen." Der Redner schloß nut einem dreifachen Hurra auf den Kauer, worauf die Kapelle die Nationalhymne spielte. In Erwiderung auf diese Ansprache verlas der Kaiser eiue an die Brigade gerichtete Kabinettsorder nnd setzie der Verlesung die Worte hinzu: „Die alten und die jungen, die früheren und jetzigen Leibhusaren Hurra, burra, Hurra!" Es folgte ein Parademarsch der Brigade in Doppellolonuc, indem von jedem Regiment ein Zug nebeueinander ritt in« Schritt. Daran schloß sich ein Vorbei marsch der alten Leibhusaren. Es sollte e n zweiter Paradcmarich der Brigade im Trab und ein dritter nn Galopp. Hiernach setzte sich der Kaiser an die Spitze der Brigade nuv jübrtc sie durch Langfuhr und Vie Große Allee zum Generalkommando in Danzig. Die Stadt Halle reich geflaggt. Ein überaus zahlreiches Publikum jubelte dem eiuzichenden Kaiser zu. In Langsuhr und Danzig hatten zahlreiche Schulen und Vereine Spalier gebildet, in der Großen Allee die Garniion Danzigs. Vor dein Generalkommando nahm der Kaiser den Vorbeimarsch der Brigade ab, dem sich die Truppen der Garnison auschlossen. Die Brigade ritt in Doppelsekiioii, die Sektion beider Re- ginieuter nebeneinander, die Garnison in Zugkolonne. Den Sckluß machte die Marine; ihr schloß sich noch eine militärisch uniformierte Schülerkapelle an. Nach dem Abbringen der Fahnen betrat der Kaiser da- Generalkommando, wo er von der Frau von Mackensen be grüßt wurde. Der Kauer nahm im G-meralkommando Wohnung. — Später sand beim kommandierenden General v. Mackensen Frühstücks tafel statt. * Das Schicksal der Natioiial-Zritung. Zu der „National-Zeiiung" veröffentlicht der frühere Reimslagsabgeordnete Bartling folgende Erklärung: In letzter Zeit bringen die verschiedensten Zeilungen von neuem Artikel über die beabsichtigte Fusion der „Post" mit der „National-Zeitung". Die darin aiiSge'prockenen Behauptungen sind zum Teil entstellt, zum Teil unrichtig. Berichtigend l-'erzu, uuv um die Verhältnisse, wie sie iu Wirtlichkeit beute liegen, ein für allemal klar zu stellen, ertläre ich deshalb: 1) Daß ich zu dieser Fusion bereus feste Stellung genommen habe und solche nckk bis nach Beendigung der Landtagswahlen bmausichicben will. 2) Daß von der beabsickuigieu Fusion der politische Teil der „National-Zeitung" nicht berührt wird, vielmehr nur der nich t-p otiki! che ^.eil — Hof- und Gesill- schaslsnachrickten, Ernennungen, Vermilchtes, Lokales, Sport. Handels teil usw. 3) Daß der politische Le»l der „National-Zeitung" auch in Zukunft und wie bisher, selbständig von liberalen Redakteuren, und einem liberalen, selbständigen Ehefredat- teur geleitet wird, und daß deren Anstellung genau we seither von mir allein erfolgt. 4) Daß die „Post" ibre eigenen politischen Redalteuie behalt und diele und deren Ebesrekalteur nicht den geringsten Einfluß ans den politischen Teil der „National-Zeitung" und bereu politische Redakteure erbält, und baß der Chesredakteur der „Post" auch nicht Geschäftsführer der „National-Zeitung" wird, als solcher vielmehr em national liberaler Herr bereits vorgesehen ist. 5) Daß ick jür cas, für d e Erhaltung der „Naüonal-Zeuung" seither ausgewandle Kapual, soweit vieles nicht durch die Druckerei der Zeitung gedeckt ist (etwa HU nicht nur keine Zinsen erhalte, sondern mich im Gegenteil bereit erklärt habe, auch in Zuiunft weitere Opfer zu bringen, um die „National-Zeitung" der Partei zu erhalten. 6) Daß die Fusion ausschließlich und allein deSbalb beabsichtigt ist, weil durch die gemeinsame Herstellung des nicht poli. scheu Teiles au Redaklious- und Satzkosten große Summen gespart werden uuv die Zuschüsse für die „National-Zestnng" dadurch auf ein erträgliches Maß herabgemindert, wenn nicht überhaupt beseitigt werden können. 7) Daß den gesamten Redakteuren der „Natioucn- Zeituiig" gekündigt wurde, als es zweifelhaft erschien, ob viele über den 1. Juli hinaus erhallen werden könne, und daß solche dann— wie ich annehme, weil ihnen der Entwurf des Abkommens mit der „Post" im Wortlaut nicht bekannt war — erklärt haben, für die „Post" nicht mit arbeiten zu können. 8) Daß die immer und immer wieder von neuem aufiauchenven Ausstreuungen: die „National-Zeitung" tolle zu einer freikonservativen Zeitung anSgestaltet werden, jeder Unterlage entbehren und unwahr sind. E. Bartling. * IX. Generalversammlung des Tentsch-Rufs,scher« Vereines. Aus der unter dem Borsitz deS Kgl. Geheimen Kommerzienrat- Hermann Wirth abgehaltenen Jahresversammlung des Deutsch-Russischen Vereines L. V., Berlin, stand unter anderem die Frage des Paß- zwange- iu Rußland und dessen Bedeulnng für d,e wirtschaftlich.: Entwicklung Rußlands zur Besprechung. Nach einem Referate res Vor standsmitgliedes B. Vorwerk und lebhafter Diskussion wurde ein- stimmig folgende Resolution gefaßt: „Die heute tagende ordentliche Generalversammlung des Deutsch-Russischen Vereines erblickt in dem in Rußland für Ausländer immer noch bestehenden Paßzwang ein sehr erhebliches Hemmnis deS internationalen Handels mit Rußland und der wirtschaftlichen Entwicklung Rußland-, weil zahlreiche ausländisch« Kauf leute, die insbesondere auch zum Einkauf russischer LandeSprodukte Ruß land gern rrgetmäßig bereise» würden, ferner Industrielle sowie Kapi- Feuilleton. Berliner Spieler. Von Paul «. «irstein. Wird in Berlin viel gespielt? Ich glaube — ja! Der auf diesem Gebiete größte „Sachverständige", Jri^ Friedmann, fand dafür schon vor Jahren bei dein Hannoverschen Lpielprozetz das richtige Wort. In seiner Art der Verteidigung, die in jeden Fall das rein Mensch liche, das Persönliche hineintrug, sagte er zu den Richtern: „Meine Herren, fassen wir uns doch an die Brust: Wir sind Sünder allzumal! Niemand von uns wird einem „Jeuchen" ausweichen, wenn ihm Zeit und Gelegenheit dazu passend dünkt!" Natürlich ist damit durchaus nicht gejagt, daß wir nun alle ge werbsmäßige, unreelle vder sogar nur paisiouierte Spieler geworden sind, aber ein großes »Körnchen Wahrheit steckt doch darin, mag eS sich nun um einen' soliden „Drei-Männer^kat" oder um ein kleines bißchen Hajardierrn handeln. Sicher ist nur, zn Berlin wird viel, iu Berlin wird vor allem — gern gespielt. Aus dieser Spielwut heraus möchte ick wieder einige Kleinigkeiten verraten. Nicht immer werden sie nur scherzhaft klingen, aber bester als jede Definition werden sic das „Berlin, wie es gewinnt und ver liert", beleuchten.« Selbstverständlich werde ich dabei das Skatspiel, daS jeder anständitzc Mensch wie Lesen und Schreiben beherrschen muß, außer acht lassen, wenngleich eS ganz interessant ist, daß eine würdige Dame in der Tiergartcnstraße es nur für „möglich" hält, wenn es zu lO Pf., und nur für reizvoll, wenn es zu 50 Pf. pro Point gespielt wird. Tenn daß cs Partien gibt, die 20 Stunden «n suids dauern, ist ebenso bekannt, wie die Tatsache, daß Damen Skatspiel, die Stunde zn 3 Mark, im Abonnement billiger, gut und verschwiegen lehren. Eines der beliebtesten Spiele für Frauen ist und bleibt das „Mau'cheln". Woher diese Bezeichnung eigentlich stammt — niemand weiß es. In Oesterreich heißt es hübscher „Angehen", aber einzelne Herren erklären diese Bezeichnung auch nur damit, daß dies Spiel an und für sich nur gerade „angeht", während die Damen behaupten, man nenne es so, weil es niemanden etwas „angehe", wennn sie eS spielten. Jedenfalls — eS ist in vielen Kreisen ein« Leib- und Maaenkbeschäfti- gung geworden, der man, ganz gleich, ob vor oder nach dem Esten, nach- aehcn kann. In einem Hause, wo viel gemauschelt wird, ist natürlich icder „Mauschler" gern gesehen. Er wird eingeladen, kommt — und ohne ihn viel vorznstellen, weist man ihn einem Tische zu, an dem er, ohne zu verschnaufen oder zu verpusten, sofort spielen muß. Da war cs einmal in einer Familie am Noliendorfplatz. Zehn Partien „arbeiteten", und niemand sprach ein Wort. Nur ein alter Herr hatte nichts zu tun und störte die Spieler durch Mitreden. „Wer ist denn bloß dieser ekelhafte Mensch?" fragte plötzlich ein so Tinaeladener. — „Ten kennen Sie nicht?! DaS ist doch der Hausherr!!'^ — In einem andern Mauschekhause, am Kurfürstendamm, sind Mann und Frau, zwei Tächter und zwei Söhne eifrige Spieler, aber alle Eingeweihten erklärten immer, sie kämen nur, wenn sechs Partien vorbanden wären, denn zwei Familienmitglieder in einer — bas ginge nicht . . . wegen des Mitleids, das sich bis aufs „Fußtreten" auSdehnte. Als einer der Frau des Hauses darüber Vorhaltungen machte, sagte sie ganz naiv: „Was habe ich davon, wenn meine Kinder verlieren? Mnß ich's ihnen zwei Tage später dock wiedergeben!" In einem anderen Hanse, in der Potsdamer Straße, wurde plötz lich ein sehr beliebter Herr nicht mehr geladen. „Warum?" fragten die Gäste. „Ach — das ist ein Herr, der bei näherer Bekanntschaft immer gewinnt!" Lefsentlich wird dieses Spiel seltener gespielt. Das Gericht bat es zwar nur dann für „Hasard" erklärt, wenn „Aszwana" herrscht, aber da dieser „Aßzwang" stets „Ehrensache" ist, unterläßt man es, weil unter Umständen die späteren Scherereien doch zu groß sind. Statt besten hat sich das „Ekartä", daS Spiel der Könige, an öffentlichen Orten eingebürgert, Im Cas« K spielte es eines Tages em sehr bekannter und wenig beliebter Dr. jur. mit einem ihm kaum bekannten Herrn. Ter Dr. jur. hatte schon einige achtzig Mark ver- loren und sie bar bezahlt. Ta wendete sich das Blättchen, und der andere verlor. Statt baren Geldes aber gab er immer nur Zettel. Schließlich wurde das dem Dr. jur. zu viel. „Erlaub«« Sie", sagte er. „Sie geben mir da immer Zettel — —„Gewiß. Ick löse sie morgen ein!" — „Aber Sie können mir dann doch wenigstens die achtzig Mark wiedergeben, die ich Ihnen vorhin befahlt!!" „O, nein", lächelte der andere, ,,di< brauche ich zmn — Leben!" Das war dem Dr. jur. aber doch zu frech. Mit schnellem Griff langte er über den Tisch, erwischte noch ca. 60 ^l. und ging. Auch der andere ging — aber ich glaube, er war mit den erbeuteten 20 ^l. vergnügter. Daß die Mißhelligkeiten des Spielens in öffentlichen Lokalen, so zusagen unter der „Sonne", von vielen bitter empfunden wurden, ist klar, schon weil eben die Partner nicht immer bekannt sind. DaS aber hat wieder zu unverhältnismäßig zahlreichen Gründungen von „Spiel- klubs" geführt, und wenn auch bei ihnen jedes Mitglied vor seinem Eintritt peinlich aus Charakter und Ehrenhaftigkeit geprüft wird — die Fälle, wo die Prüfungen nicht Stich gehalten haben, sind nicht ver einzelt geblieben. Vor Jahren z. B. wurde in jo einem alten Klub das Mitglied eines der ältesten deutschen Geschlechter als „unfairer" Spieler ent deckt. Der schon bejahrte Herr hatte immer eine große, silberne Zigarettendose vor sich liegen. Jeder lachte über diese Marotte, jeder verspottete diesen Aberglauben — ober plötzlich entdeckte jemand, daß der alte Herr, der stets als Bankhalter fungierte, auf dieser Zigaretten dose wie in einem Spiegel stets die Karten seiner Mitspieler be- trachten konnte. Daher die Marotte! 280000 hatte er in sieben Monaten in Berlin gewonnen. Der Mitinhaber einer der ältesten Firmen tu der Nähe des HauS- vogteiplatzes wurde eines Tages dabei ertappt, wie er je nach Gewinn oder Verlust im letzten Moment immer seinen Satz Jetons zusetzt« oder entzog. Bekanntlich wird ja in Klubs niemals mit barem Geld, sondern immer nur mit Marken (Jetonss gespielt, die nur durch die Höbe der Ziffern sich unterscheiden. Man kann sich also denken, wie leicht auf diese Weise der Bankhalter geschädigt wurde. Im großen und ganzen sind die Klubs bei derartigen Affären stets mehr als rücksichtsvoll. Der Ertappte muß einen Schein unter schreiben, in dem er sich auf Ehrenwort verpflichtet, nie wieder in einem Klub zu spielen. Solange der Betreffende dieses Ehrenwort hält, halten auch die Klubmitylieder ihre ehreuwörtlichc Schweige pflicht. Erst wenn diese Bedingung umgangen wird, geht auch eine Benachrichtigung an den jetzigen Klubvorstand ab. Mit der Regelung der Spielschulden ist es auch in den Klubs nicht so schlimm bestellt. Die üblichen 24 Stunden existieren fast immer nur in der Sage. Freiwillig oder auf ein kleines Wort bin wird die Frist verlängert, wenn nickt gar Klubvorsckriften das Eintreten des Klubs selber vorschreiben. Aber daß auch sehr vermögende und vornehme Herren ihre Spielgewinne direkt „eintreibrn" lassen, daS wird ein ebe- maliger Berliner Rennstallbesitzer wohl gern bestätigen. Sein Gläubiger — und eS ist wirklich ein sehr hoher Adliger — hat ihm zwar Frist gegeben, aber die letzten 40000 .E. von 120000 übergab er dock lieber einem berufsmäßigen „Eintreiber", und der kam nun jeden, jeden Tag. . . . Halb holt« er fünfzig, bald hundert, bald tansend Mark — bis die Sache zu Ende war. Ja, ja — das Spiel ist kein Vergnügen. Daß auch in Berlin die Summen, die so gewonnen und verloren werden, nicht gering sind, ersieht man schon daraus. Mer einige kurze Andcutunpen mögen daS noch verstärken. Eines Abends übernahm ein Berliner Bankier, oder richtiger gesagt, ein Berliner BonkierSsohn, die Bank: „Meine Herren", sagte er. ,,die Bank hat 60000 X!" — „Halte ich", sagte ein rheinischer Industrieller nnd gewann sie mit einem Schlag. „Meine Herren, die Dank hat wieder 60 000 sagte der Berliner, und „Halte ick'" sagte wieder der Rheinländer und gewann wieder. Beim dritten Male ging es genau so, worauf der Bankier mit einem Scheck bezahlte und verbindlich lächelnd sich zurückzog: „Ich habe genug!" Doch, wie das so ist — heute ist der Bankier noch immer ein schwer reicher Mann, und der bekannte Großspekulant vom Rhein, der eS einstmals ebenso war, ist — pleite, aber durch die Börse, nicht durchs Bakkarats * * Antou Schönbach, der ausgezeichnete Ordinarius für deutsche Pliilo- logie an der Universität Graz, beerbt Yente seinen 60. Geburtstag (29. Mai . Der Grazer Geimanist, der zu den ersten seine- Fache« zählt und an- Scherers Schul« stammt. hält gegenüber der rein stofflichen Betrachtuna-weiie der moderne» Literaturgeschichte. gegen die sich gottlob bereit« eiue Reaktion iüblbar »acht, daran fest, Literaturgeschichte auf ästhetischer Gruudlage und. i» Zusammen hang« mit der allgemeinen Knllurgeschichtr darzustrlleu und zu lehren. Aus einem besonderen schwierigen Gebiete, der Epoche de- deutsche» Mittelalter«, Hot er dies« Art der Literaturgeschichtschrcibung vortrefftich betätigt. Sein „Walter von der Vogelweide" (Verlag E. Hotmann, Berlin) gibt dem Leier auch ohne besondere germanistische Borkrnntnifse vielleicht die anschaulichste Schilderung der Kunsipoesie de« Mittelalter- uud der Kultur, au- der sie erwachsen ist. Von seinen sachwisfenschafUicken Schriften abge sehen, unter denen besonders seine Sammlung „Altdeutscher Predigten" zu nennen ist, zeigt Schönbach überall da- vornehme Bestreben, seine Wissenschaft der Allgemeinheit zu erschließen, der ja dir Literaturgeschichte im besonderen Maße zugänglich ist. Die weilauS populärste unter seine» Schriften ist da- berettS in 7. Auflage erschienene Buch „Lesen und Bildung" (Graz, Leulchner L LudeuSky)^ das in vortrrsslicher Weise einen Ueberblick über die wichtigsien Schätze der Weltliteratur gibt und zugleich die Mittel und Wege zeigt, sich eine wirklich« literarisch« Bildung zu erwerben. Daneben sind seine schätzenswerten grsammelteu „Aniiätze zur neueren Literatur" zu nennen, die eine Reihe von interessanten Porträts deutscher und österreichischer Schriftsteller bieten und zugleich die Literatur Amerita» einer gründlichen Betrachtung unter ziehen. In diesem letztgenannten Werke hat Schonbach mit vollem Recht gegen die übertriebene Schätzung der Tasiache in unserer heutigen Durchschnitts bildung Front gemacht und zugleich irinen eignen mehr idealisti schen Standpunkt betätigt. Er erkennt au, daß Tatsachen freilich die Materie aller Bildungen stad, aber man muß eS verstehen, sie in Zusammenhang zu setzen und zn Schlüssen ouSzubeutcn. Kenntnisse seine noch keine Erkenntnisse, und erst diese führen in dem richtigen Ausbau zur wahren Bildung. „Fatta dürse« nicht bloß ausgenommen, aneinandcrgereiht werden, durch die Denkarbeit des einzelnen erst, durch Einordnung. Belteilen werben sie lebendig und brauchbar. Die formale Bildung, deren Geschält in der Durchdringung, Unterwerfung des Niss-nSstoffeS besieht, welche das ange nommene Material zu beliebigem Gebrauch« bereitet hat und darüber verfügt, scheint in der Geltung allgemach zurückzutreten." Schönbach hat damit eine geradezu brennend« Frage brr modernen Literaturgejchichtschreibung berührt, die, wie schon Vischer gegen Düntzrr dervorhob, eine merkliche Tendenz zur „Stofshuberei" zeigt. Sein Bestreben, die geistige Auffassung und daS Durch- dringen der Materie in den Vordergrund seiner Betrachtung zu stellen, verdient also alle Anerkennung, und ebenso ist Schönbach die stilistische Eleganz seiner Darstellung und das überall fühlbare warme Interesse an der Poesie nach, zurnhmen. * Hachschulnachrichteu. Fritz Lang«, der außerordentliche Professor der orthopädiichrn Chirurgie in München, ist einer Mitteilung in der „Dtsch. Mrdiz. Wochrnchrift" zusolg« zum ordentlichen Professor einannt worden. Liese Beförderung, die die erste ordentlich« Professur der Orthopädie in Deutsch, land schafft, bedeutet den Preis lür die ablehnende Haltung Laugks, dem Ruse der preußischen Regierung aus den Lehrstuhl Hoffas zu folgen. — Die zweite Immatrikulation der Akademie zn Frankfurt a. M. hat am 18. d. M. stattarsunden, wodurch sich die Zahl der neu immatrikulierten Studierenden auf 104 erhöhte. Exmatrikuliert wurden 35, so daß sich zurzeit ein Gesamtbesiand von 282 immatrikulierten studierenden eraiebt. Bis zum 30 d. M. finden noch Einzel-Immatrikulationen statt. — Die Zahl der Hospitanten und Hörer hat sich gegen da- vorige Sommersemrster verdoppelt. * Kleine Thrantk. Bet den Hinterbliebenen Adolph L'Slrronges ist eine ganz« Reihe von Briteib-lundgebungen eingrlansrn. DaS Wiener Hof- burgtheater und daS Deutsche VolkStbeater in Wien kondolierten aus telegraphischem Wege. Unter ben übrigen Beileidsbezeigungen befinden sich solche von Paul Lindau, Ludwig Fnlka Gustav Kavelburq. Tr. Manin Zickel, Oskar Blumenthal, Heinrich Grünseld, Max Reinhardt, Fclir Philippi, Max Grube, Max Paltea, Else Lehmann; ferner von Alerauder Girardi, Paul Schlenther, Franz Sckönthan und Adolf Souncutbal. — Lola Artöt de Padilla, die nach Ablauf ihres Kontrakies am I.Iuni d. I. die Berliner Komische Oper verläßt, um in« Ausland zu gehen, hat vom Rew Harter Metropolitan-Opera-Houje einen Antrag erhallen Die Künstlerin hat sich bisher jedoch noch nicht schlüssig gemacht, ob sie dem Ruse folgen wird. — In Pari« wmde gcsiern ein neues Museum eingeweiht. ES enthält Sammlungen japanischer und chinesischer Kunst die der verstorbene Schriftsteller d'Ennrry der Stadt Paris hiulerlassen bat. DaS Museum ist in dem Hause d'EnnrroS in der Avenue du Bois de Bootogne eingerichtet und verwalt »inen Teil seiner Schätze dem Minister Georges Ctemenceau. der mit d'Ennery befreundet war und sich der übrigen Einrichtung dcr Sammlnng annalin. Line KoÜelckon von gegen 3000 Kogos (grschr.itz n Büsten) von zum T'il erheblichem Kuistwi« wurde von Llemencran der Sammlung überwiesen und ist unter seiner eigenen Leitung ausgestellt worden. (Kritik sieh« 3.Leite.)
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