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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.04.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-04-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190904191
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19090419
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19090419
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-04
- Tag 1909-04-19
-
Monat
1909-04
-
Jahr
1909
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and chviel wenn reizt hält, eßlich lt, da . ihm elund ichel- Rot >warz dand- g des llcheln. Ober, 3 1 ißner, epm?r, llupp, Joseph rlotte Hans nann, Anna -chell- lvo p 7654. I- UNll edält- rkter. lr-xeu! tvrial ^lätno raxis. . trei! sa, weiß kenrosa, »I«21 :ot. nach ck60>4- ünrosa, nfarben .niedrig mchteud Norbert ck.604. stroh- iengelb, rahm- seiden- ! 60 önigin^ itte leb- nikosen- nd mit 75 -H. ^i4.90, i 12.—. n. rmoisin- Zartrosa, rblühen ll. pl. »farbig, 1.50. furt. ril ibrt. BezugS-Prei» IM» d«ch «t«r» lrta« »»d Svrdtlmr« t,< H«u» gebracht, 00^ ».70 »tertel jähre B«j «nsern gUiolr» u. Annahmestellen abaehet«, Ä 4 meaetl-, ».»» »ierteljürl. vurch — nnerheld Lenilchlend» »a» der deatjchen ltvloatea vterteljährt. U.TG ^U, »matt. LI» Ik auslchl. PostbestellarN>. Ferner t» Belgien, Länemark, den Donaustaaten, Italien, «mearbura, Niederlande, Nov» wegen, Oesterreich- Ungarn, Onistand, Schwede», Schwei, ». Spanten. In alle» Ldrtgea Staate» n»r dvwtt durch di» «ej»«st»slell- de« Blatte» «rhälUich. Da» Leidataer ragedlatt erjchei»! »ichriN» ltch r «al »ad »war morgen». Abmmrmeni-Snnehme i Bngust»»vlatz S, bei anjeren Drägern, Filialen, Spediteure» »ich Annahmestellen, sowie Postämtern nar vriejträger». Di, »inline Nummer kostet IO sttebatttvn and «eschäft«steller Johanniägasje 8. Fernsprecheri I4SSL l»SSll, täSvä. 'eWMr.TaMaü Handelszeituug Amtsblatt des Rates und des Rolizeiamtes -er Ltadt Leipzig. Me SB«M, an» Lew», u»o Uot^dnn, die 6gespaltene PeNrzeile 2b -!j stnanzteü- L^-n !»4, «eklaweu l »WM aMwärt» 30 Reklamen Illio ««irMchl»,» stuaws. Mchtigea 7ü^ stievawe» l!bö Ik. Fnjeratrv. Behörden >» amtlichenDeüM^ Beilagegebühr ba» P- lausend exkl. Post gebühr. »eschästea»zeige» an bevorzugt». Stelle im Preise erhäht. Rabatt nach Dari gaftrrtrilte Lasträa« känaen nicht »»rüst- gemge» »erde». Für da» tirjchetoe» an berrmmte» Lagen u»d Plätzen w,rd »ein« Garantie übernommen. Btqeche».«a»ah»te: Augnstulplatz 6, dm sämtlichen Filiale» u. allen Auaoucen- LWedUwneu de» I»» «ad ülullande». Saapl-Mltal» lBerlin! »all Duncker, Herzogl. Ba»r. Hofduch- Handlung, Lützvwstraß« Ist. (Telephon VI, «r. 4M!s). Sanpt-Filiale Dresden: Saestratz- st, 1 (Lelephon 4620. Nr. 108. Montag 19. April 1909. 103. Jahrgang. Das wichtigste. * In Berlin wurde gestern der erste deutsche Beamtentag abgehalten, der einen imposanten Verlauf nahm und sich zu einer Kund gebung der gesamten deutschen Beamtenschajt gegen die Ver- jchleppung der Besoldungsvorlagen und der Reichsfinanz- re form gestaltete. Die Beteiligung war so groß, daß zwei Versamm lungen abgehalten werden mußten. (S. den bes. Artikel und den Bericht 3. Seite.) * In Bulgarien wachst ständig die Bewegung, welche ein Ein schreiten Bulgariens gegen ble Türkei fordert. (S. Letzte Dep.) * Privatnachrichten melden aus Sofia, Serbien treffe an der türkischen Grenze militärische Maßnahmen für den Fall der Ausbreitung der Revolution nach Mazedonien und dem Sandschak. Unter den hiesigen Mazedoniern wird bereits eine defensive Banden aktion erwogen. * Im Entscheidungskampf um den Kronprinzenpokal siegte aestern Leipzig mit 3:1 über den Fußballverband der Provinz Brandenburg. (S. Sport.) Das geistige Leben in -er Armee. Denen, die selbst Soldat waren, mag die Anwendung ernsthafter staatsrechtlicher und soziologischer Erwägungen auf militärische Tinge sozusagen stilwidrig erscheinen. Militärische Dinge und politische Grübeleien paffen nach ihrer Meinung nicht ganz zusammen. Gerade mancher, dessen bürgerlicher Beruf Gelehrsamkeit und sorg fältiges Abwägen verlangt, betrachtet das Militär als eine Einrichtung, wo jene Geisteskräfte auf Ferien gehen und einmal ganz andere in Tätigkeit treten. Der Soldat — das ist eine Vorstellung, die von den Vorgesetzten in Humor und Ernst gepflegt wird — ist ein Wesen, das, sich selbst überlassen (also zum Beispiel, auf Urlaubs, ißt und trinkt und seinen Schatz hat, und sonst nichts. Ein rein animalisches Dasein führen, dazu Kundschaftereigenschaften ausbilden und den Kampf mit den Vorgesetzten so führen, daß man selbst nicht der Unterlegen»: ist — da durch erscheint das Leben des Soldaten genügend ausgefüllt. Gerade Gebildete betrachten den Durchgang durch die Militärzeit oft als «ine Gelegenheit, das Gehirn rasten zu lassen. Wenn nun auch in dieses Reich die scharfe Verstandestätigkeit und di>: angestrengte An- lpannung der theoretischen Geisteskräfte eindringen würd', die heute daS Leben des Geschäftsmannes und zahlreicher Beamten bedrängt, so würden manche das als Verlust betrachten: wieder würde dum modernen Menschen eine Gelegenheit zur Regeneration der Nerven genommen werden. Wir glauben, im vorstehenden richtig die Stimmung wiederge»:ben zu haben, n-'t der ein großer Teil der militärischen Aktivitas und auch des Beurlaubtenstandes Bestrebungen aufnimmt, wie sie in den Schriften des ehemaligen preußischen Hauptmanns Eduard P r c u ß ver treten werden Preuß ist nicht wie Gädke in Konflikt mit irgendwelchen militärischer Instanzen geraten. Es hat, wie uns versichert wird, sein- militärisch: Laufbahn ein völlig normales Ende genommen. Und in seinen Schriften ist auch von verzehrender Erbitterung nichts zu be- merken. Er hat geschrieben: „Die höheren Ausgaben des Offiziers für Armee und Volk" München, 1906s, „Kolonialerziehung des deutschen Volkes" lAlexander Duncker, Berlin 1907s, hat in dem von Professor Rcin-Jcna herausgegebenen Werk: „Deutsche Schulerziehung" lVerlag von Lehmann, München 1906s das Kapitel „Erziehung und Bildung im Heer" verfaßt und tritt nun mit einer neuen Arbeit: „Das geistig: Leben in der Armee" hervor sMünchen, Hans Sachs-Verlags. Wie mancher Leutnant und auf den Fähnrich studierender junger Mann wird die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, wenn er erfährt, was Preuß olles von dem militärischen Führer verlangt! Ohne Zweifel würde manchem die militärische Laufbahn gar nicht mehr begehrenswert er- scheinen. Günstig'?! ist die Aufnahme der Preußschen Bestrebungen bei militärischen Kritikern gewesen, die selbst intensiv geistig arbeiten. So bat das „Militärwochenblatt" anläßlich von Preuß' erster Schrift den Wunsch ausgesprochen, daß ein Mann erstände, der das Gesamtgebiet der Ltaatswiffenschaften in einer für den Offizier angepaßten Weise be handelte, womöglich auch zugleich das Wissenswert- aus der Pädagogik, und auf den Hauptmann a. D. Preuß als einen Mann hingewicsen, der dafür in Betracht komme. Folgen wir einmal dem Hauptmann a. D. auf seinem Gcdankengang. Die großen Fragen unseres nationalen Lebens gelangen heute nicht in den Gesichtskreis des Durchschnittsoffiziers. Dieses Abschließen von dem geistigen Leben der Nation, dieser Mangel an Interesse und reger geistiger Beschäftigung mit den sozialen und kulturellen Aufgaben der Gegenwart macht den Offizier unfähig zur Erfüllung seiner höchsten Aufgabe. Die kulturelle Aufgabe des Offiziers ober ist, daß er bewußt ein Gegengewicht gegen die extremen Anforderungen der herrschenden, überfeinerten Zivilisation und kapitalistisch hochgespannten Lebensweise gibt. Dies Gegengewicht kann er nach Preuß' Meinung nicht dadurch geben, daß er ein Sportsmann oder ein rein animalisches Lebewesen ist, sondern dadurch, daß er sich für die Aufgabe der staatsbürgerlichen Er- ziehung Verständnis aneignet. Von der geistigen, sittlichen, nicht etwa von der körperlichen, athletischen Seite her verspricht sich Preuß eine Abwendung der Gefahren der überfeinerten Zivilisation. Ter Offizier als geistiges Meien soll erzogen werden, damit er andere erziehen kann. Preuß ist zu dem Gedankenkreis des genialen Münchner Schulrates Kerschensteiner in Beziehung getreten, der die Berufsbildung etwas anders bewertet als mancher Geschäftsmann und Beamter. Während diese oft glauben, daß sie erst dann zum höheren geistigen Leben durch dringen können, wenn sie ihr „trockenes "Fach ans die Seite gelegt haben, hat Kerschensteiner das Kernwort geprägt: Die Berufsbildung steht an der Pforte zur Menschenbildung. Nnd an der militärischen Berufs bildung setzt nun die Kritik von Preuß ein. Er schreibt von ihr: „Vertieft und erweitert die militärische Erziehung die höchst ober flächliche und engbegrenzte Allgemeinbildung des Sekundaners? Lenkt sie den Blick über den Beruf hinaus auf die wichtigen Beziehungen zwischen Armee und Volk sud auf die Bedeutung Ker Gesamtiuteressen der Nation? Man nehme sich den Lehrplan einer Kriegsschule vor nnd prüfe ihn unter diesem Gesichtspunkt. Und dann erwäge man, daß diese Kriegsschulbildnng für die große Masse der Offiziere die alleinige Er ziehungsgrundloge bildet. Wo findet sich eine einzige Disziplin, die den von Sekunda Abgegangenen Verständnis eröffnet für die großen er zieherischen Ausgaben der Armee? Wo findet sich ein einziges Lehrfach, das den angehenden jungen Offizier, dem so oft das schwierigste Rckrutenmaterial anvcrtraut wird, mit pädagogischen Grundsätzen ver traut macht und ibn einsührt in das Verständnis für die Psyche der Arbeiterwelt? Wo findet sich ein einziger Unterrichtsgeyenstand, der das soziale und wirtschaftliche Leben der Nation beleuchtet und dem ahnungs losen jungen Fähnrich die Augen darüber öffnet, mit welchen Schwierig keiten die staatserhalteuden Kräfte zu kämpfen haben?" Preuß untersucht dann die einzelnen Faktoren, die auf den Offizier später wirken. Da ist zunächst der Dienst. Preuß siebt, namentlich als Folge der zweijährigen Dienstzeit, eine Dieifftüberlastung und über mäßige Anspannung rein technischer Arbeit. Die geistigen Wirkens und Schaffenskräfte werden nicht gesteigert, sondern lasten nach. Tie Zeit zu innerer Sammlung und Vertiefung fehlt. Dann kommt in der aus ein Mindestmaß beschränkten freien Zeit des Offiziers die ge sellige Inanspruchnahme. Sie ist auch nicht geeignet, den Blick werter und das Herz empfänglich zn machen für die sorgende Anteilnahme an dem Schicksal des Volkes. Und nun dagegen der Soldat! Ein großer Teil der i-n den Nock des Königs gekleideten Arbeiterschaft ist weit vorgeschritten. Im Jahre 1806 war der Soldat ein aus dem Hörigkeitsverhältnis hervor gegangener Arbeiter mit geringstem Pcrsönlichkcitsbcwußtsein: heute ist ein intelligenter Arbeiter durch und durch Persönlichkeit: nach Bildung hungernd und aufstrebend. So wird das Mißverhältnis immer größer. Daraus folgert Preuß begreiflicherweise, daß eine Umbildung auf feiten des Offiziers eintreten muß. Leicht kommt es ja vor, daß solche Erörterungen unfruchtbar werden durch ihre allzu große Abstraktheit; wenn man Verkörperungen dessen will, was Preuß vorschwebt, so denke man an Männer wie Scharnhorst, Gneisenau, Nork und Boyen, die ein schlichtes Leben führ ten, aber eine universale Bildung besaßen, während beute militärische Fachbildung vorherrscht und leider auch zahlreich« Ansätze zu materia listischer Lebensauffassung vorhanden sind. Der Offizier soll fähig wer den, Volkserzieher zu sein und dem Soldaten nicht nur eine militärisch technische, sondern auch eine staatsbürgerliche Erziehung zu geben. Preuß, der ausdrücklich ablchnt, utopistischc Erzichungsluftschlösser zu bauen, schlägt vor, zunächst eine Kommission einzusetzen, bestehend aus hervorragenden Offizieren und bedeutenden Männern der Wissen schaft. Die Kommission ist ja nun fast ein trivialer Weg. Aber wenn der ehemalige preußische Hauptmann die Mitarbeit von Männern wünscht, die vermöge ihrer Genialität und ihrer Studien, die sie im Jn- lande und im Auslande gemacht haben, der Schulpolitik neue Bahnen weisen, so ist das doch ein rührender Zug und beweist, daß von diesen Schulmännern eine starke innerliche Wirkung auf ihn ausgestrahlt ist. Man darf annchmen, daß diese Wirkung sich von neuem einstellen würde, wenn die Männer der Wissenschaft in einer Armeebildungskommission mit Generälen zusammensäßen, und daß hier in der Tat die hundert fältigen Beziehungen zwischen Schul- und Armee-Erziehung ersprießlich gepflegt werden könnten: Preuß denkt da an „Zivilisten", wie Harnack, Rein, Matthias und Kerschensteiner. Von dieser Armeebildungs kommission wäre zunächst die Frage zu entscheiden, ob das Fähnrichs examen abgeschafst werden und ob — wie in Bayern — von jedem Offi zier das Abituricntcnexamrn gefordert werden kann. Dann wäre die Ausgestaltung der Kriegsschule im Sinne einer staatsbürgerlichen Er ziehung, die der Offizier zur Entwicklung der vollen Führcreigenschaftcn braucht, zu erstreben: endlich die Teilnahme von Offizieren an sozial- und wirtschaftspolitischen Vorlesungen an einer Universität. Dem Sol daten aber gebe man schon jetzt die Mittel, sich selbst weiterzubilden. Man schasse kleine, gediegene Bibliotheken bei der Truppe, richte Lese räume ein, in denen der Soldat nach dem Dienst Ruhe, gute Beleuchtung und ein mit seelischer Atmosphäre gefülltes Heim findet. Tas alles mag manchem zunächst nach Utopien klingen, aber man hat doch schon jetzt Soldatenhcimc außerhalb der Kaserne gegründet, und schließlich steht es nicht in den Sternen geschrieben, daß die deutsche Armee sich nicht mehr weiterbilden kann. Der» erste deutsche Vecuutentag. sTelegraphischer Stimmungsbericht.) Berlin, 18. April. Die parlamentarischen Ferien sind am Ende. Die letzten Vor bereitungen zu dem bevorstehenden großen Entscheidungskampsc unserer inneren Politik werden getroffen. Nun macht in letzter Stunde auch die Beamtenschaft mobil. Ein Vergleich des ersten Deutschen Beamtentages mit dem ersten Allgemeinen Deutschen Mittelstandstage drängt sich von selber auf. Innerhalb eines Zeitraumes von acht Tagen veranstaltet, stehen sic beide unter dem gemeinsamen Zeichen des Protestes gegen die Verschleppung unserer Finanzreformen. Aber doch ist ein Unterschied unverkennbar. Auch die nationalste Politik ist Intereffenpolitik. Die Reichsfinanzreform ist gegenwärtig die na tionalste deutsche Ausgabe. Der Mittelstand hat sie vom Stand- punkt seiner Interessen behandelt. Das versteht sich von selbst. Bei den Beamten aber tritt eine Verschiebung des Schwerpunktes ein, weil sich bei ihnen das spezielle Interesse der Äesoldungsvorlage zuwendet. Besoldungsvorlage — Reichsfinanzrcform; in dieser Grup pierung ist das Thema des Tages bestimmt. Dort, wo vor acht Tagen der Mittelstand marschierte, wo heute abend die Rixdorfer zur Feier ibres Sonntags ihren „Rixdorfer" tanzen werden, wimmelt es mittags um 12 Uhr von Beamten jeder Kategorie und jeden Alters; alles reicht sich heute die Hände. Einige Ausdrücke des Zornes über den Garderobezwang — bei den schlechten Gehältern! — Dann ist man im Großen Saale der „Neuen Welt", der beute wo möglich noch voller ist als am Mittelstandstage. Der Andrang ist so stark, daß sogar eine zweite Versammlung in Happoldts Brauerei im- provisiert werden muß. Mit militärischer Disziplin wird das Rauchen eingestellt. Die ungeheure Masse der Männer beruhigt sich. Herrn Erzbergers Stimme, unverkennbar wie sie ist, tönt irgendwo im Saale und beweist, daß unsere treuen Reichsvertreter sich dem Schoße ihrer Familie wieder entrissen haben. Herr Korbach, der Vorsitzende des Beamtenbundes, der bewährte Leiter auch des Mittelstandstagcs, er- öffnet die Versammlung. Ein Hock' aus den Kaiser, und dann beginnt der Redakteur Coböken zu reden, um eine allgemeine Uebersicht über die Entwicklung der Bcamtenvorlagen zu geben. — Flick- und Stückwerk der Besoldunasvorlaae, Machenschaften des Herrenhauses, Thronrede, der „wohlwollende" Rheinbabcn lgroßes Gelächter); aber kein Streik, Stütze der Monarchie, Forderung der Gerechtigkeit — das sind die Grundgedanken seiner Ausführungen, die von starkem Beifall begleitet werden. Die dann folgende Rede des ^Eisenbahnmaterialienverwaltcrs Lewonig bat einen ziemlich starken Stich ins Demagogische. Er be zeichnet den Beamten als einen treuen, aber unterernährten Hund, dem die Wurst hingehalten, aber immer wieder vor der Nase zurückgezogen wird. Noch beißt er nicht, denn der Maulkorb sitzt zu fest, noch knurrt er bloß; aber es wird vielleicht auch noch zum Beißen kommen! So Herr Lewonig, und heftig tritt er gegen Herrn v. Buch sZwischenrui: „Verhaut ihn!") und den Professor Löning sHalles, dieser „erwachten Mumie"! Es folgt Oberpostsekretär Easpary, der über die Lage der Reichsbeamten spricht. Da er seine Rede bei Happoldt bereits einmal gehalten, läuft sie glänzend vom Stapel. Seine Andeutungen über „unsere Ziele" haben eine parteipolitische Färbung in der Richtung dc> Freisinns. Ausfälligerweise ist er der einzige, der über die Finauzresorm und die Besitzsteuern einiges sagt, wenngleich er deutlich durchblickeu läßt, Ivie unsympathisch ihm die „Verguickuna" der Finanzrcsorm mit den Besoldungsvorlagen ist: Wie ernst es aber die Beamten meinen, zeigt sein rücksichtsloses Wort: „Wir bitten nicht mehr, wir fordern!" — Der Magistratssekretär Stürmer redet kurz über die Beamten der Kommunen. Dann ist die Rednerliste erschöpft und es beginnt die Diskussion über eine Resolution, die der Geheime Kalkulator Schall wig im Namen des am Vorstandstische aufgereihten Neunerausschusses ver- liest und empfiehlt. Unter den Diskussionsrednern nimmt entschieden die erste Stelle Herr Dr. Ebeling ein, der Bodenresormer, der in einer Rede, die an Popularität und Ausdrucksweise einer kräftigen Bierrcde nicht Nachsicht. An Stelle aller „Attentate auf das Alkoholbedürfnis" usw. empfiehlt er die Reichswertzuwachssteuer und schlägt dem Beamtenbund eine Ehe vor, di« den 7-Monats-Embryo der Beamten vorlage durch ein kräftigeres Kind ersetzen soll. Nachdem unter weiteren Rednern Herr Otto aus Leipzig die Grüße von 3500 Leipziger Beamten überbracht und das Herrenhaus der sozialen Unreife geziehen hat, läßt ein kurzer Kampf am Schluß der Debatte noch zu guter Letzt die pensionierten Beamten zu Wort kommen und die 83 000 organi sierten Unterbeamten, für die Obcrpostschaffner Laux einen flammen- den Protest erhebt: Erfreulich ist, daß hier am Schluß und gerade von den Nnterbeamten der Post, ein scharfer Gegensatz gezogen wiü> zwischen der deutschen Beamtenschaft und ihren französischen Kollegen. Einstimmige Annahme der Resolution. Damit ist der Beamten tag zu Ende. Er hat im ganzen einen würdigen Verlauf genommen. Was u. a. zu wünschen gewesen wäre, so ist es das eine, daß der große Gesichtspunkt der Reichsfinanzrcform in höherem Maße, als es geschehen, über der ganzen Kundgebung gestanden hätte. Sie ist und bleibt doch einstweilen die Hauptsache. Durch sie sollen doch auch erst die Mittel für die Beamtenaufbefferungen aufgebracht werden! Der Gegenstotz -er Jungtürken. Nach den neuesten Depeschen aus Saloniki, dem Sammelplatz der Jungtürken, von dem aus ihre Truppen den Marsch auf Konstantinopel begonnen haben, steigt die Siegeszuversicht des Komitees. Obwohl das rollende Material der Bahnlinien Monastir und Konstantinopel mobili siert wurde — so beißt es —, gehen die Mffitärtronsporte doch noch äußerst langsam vor sich. Die Jungtürken beabsichtigen, binnen acdt Tagen 10 Bataillone in Tschataldicha zu konzentrieren und erst dann gegen Konstantinopel zu marschieren. Das Jungtürkenkomitee ist sich bewußt, daß die Macht in Konstantinopel eine nicht zu unterschätzende ist, hofft jedoch so viel Truppen zur Verfügung zu haben, daß es mit Erfolg operieren könne. Ueberhaupt haben die Jnngtürken hier die feste Ueberzeugung, daß es ihnen unbediügt gelingen wird, neuerdings die Oberhand zu gewinnen, dagegen scheint Adrianopel eine verdächtige Haltung zu beobachten, so daß das Vertrauen zu den Truppen des 2. Armeekorps fehlt. Man befürchtet sogar eine Meuterei dieser Truppen. O Der Aufmarsch nach Tschataldscha — Wachsender Mut der Juugtürken. Ter „Berl. Lok.-Anz." meldet ferner zur Situation: Der Aus- marsch nach Tschataldscha vollzieht sich programmäßig. Bis jetzt kam ein Militärzug aus Saloniki an. Von Sparatakule sind drei Züge unterwegs, zwei aus Adrianopel, einer aus Saloniki. Heute gehen zwei weitere aus Saloniki und vier aus Adrianopel ab. Der Freiheits- Held Niasi, der in Resna die erste Konstitntionssahne aufpflanzte, übernimmt das Kommando in Tschataldscha. Die Truppen von Hadem- koi sind zurückgckehrt, nachdem sie vom Kriegsminister beruhigende Zn- sagen erhalten hatten und beschworen worden waren, die Festungsgürtel nicht unbewacht zu lasseu. Die Saloniker fordern den Kopf Ali Kemals „nd des Redakteurs des „Misau", Murad. Für oie Haltung deS Jildis ist charakteristisch, daß heute ans einem Kriegsschiff ein Büchsenspanner des Sultans, namens Ahmed, versucht hat, anti. konstitutionelle Flugschriften zu verbreiten. Mariuesoldaten brachten ihn gefesselt auf das Polizeiministerinm. Den wachsenden Mut der Jnngtürken kennzeichnet der Umstand, daß sic Nail, einen alten Anhänger des Komitees, als Kandidaten für die Präsident, sch ast der Kammer ansstellten, und daß dieser mit 111 Stimmen gewählt worden ist. Die Lage in Konstantinopel. Hierzu telegraphiert das „Berl. Tagebl." ausführlich aus der türkischen Hauptstadt: Die Bewegung hat hier den Charakter eines Kampfes zwischen den „Alajlis, den aus den Truppen hervor- gegangenen Offizieren, und den „Mckteblis", den akademisch ge- bildeten Offizieren, angenommen. Dieser Kamps hat eine Reihe von scheußlichen Morden gezeitigt. So wurde, wie schon gemeldet, der be kannte General Izzet Fuad Pascha, der früher türkischer Gesandter in Madrid war, ein Buch „Occasions Perdues" über den russisch-türkischen Krieg verfaßt hat und die Osfizierklubs gegründet hat, in seiner Woh nung ermordet. Gestern wurden zwei junge harmlose Offi ziere in Arnautkö e r s ch assen und heute nacht alle „M ektebli- offiziere" in der Kavallerie kaserne von Daud Pascha vor den Toren Stambuls von Soldaten getötet. Der letztere Vorgang soll sich folgendermaßen abgespielt haben: Ein Hodscha, der die Sol daten führte, ließ alle Offiziere in den großen Kmernensaal führen nnd verlangte von ihnen den Schwur auf das Scheriat. Da die Offiziere, 25 bis 30 an der Zahl, den Schwur nicht leisten wollten, weil sic keinen Befehl dazu hätten, wurden sie gefesselt und dann erschaffen »der erschlage». Die Empörung über diesen gemeinen Mord ist all- gemein. Die Soldaten aus Hadcmkoi sind ohne Zwischenfall nach dem Jildis gezogen und nachdem sie gesehen hatten, daß das Parlament
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