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Beilage zu Nr. 30. Donnerstag, den 13. März 1902. Ansichten ans Aiantschsu. In der Gonvernemextshauptstadt von Kiautschou, Tsingtau, herrscht den amtlichen Berichten zu Folge eine äußerst rege Bauthätigkeit, und zwar so, daß die Herstellung gepflasterter Straßen kaum gleichen Schritt halten kann mit dem Ewporwachsen der Häuserbauten. (Nachdruck verboten.) Wie flott und riesig dort gebaut wird, davon giebt unsere beistehende Illustration eine kleine Vorstellung, welche die Prinz Heinrich-Straße »ach einer photographischen Auf- nähme zur Anschauung bringt. Religionsübung" folgendes: „Nur den im Königreich auf. genommenen oder künftig, mittelst besonderen Gesetzes, aufzunehmenden christlichen Konfessionen steht die freie öffentliche Rcligionsübung zu. ES dürfen weder neue Klöster errichtet, noch Jesuiten oder irgend ein anderer geistlicher Orden jemals im Lande ausgenommen werden." Es fragt sich nun, ob die Aufhebung des Reichsgesetzes vom 4. Juli 1872 auch die Aufhebung der sächsischen Verfassung zur Folge haben würde. Diese Frage ist unbedingt zu verneinen. Artikel 2 der Verfassung des deutschen Reiches bestimmt zwar, daß das Reich innerhalb des Bundesgebietes das Recht der Gesetzgebung mit der Wirkung ausübt, daß Reichsgesetze den Landesgeseben vorgehen. Diese Bestimmung unterliegt jedoch der Be schränkung, daß die Reichsgesetzgebung nur ausgeübt werden kann nach Maßgabe des Inhalts der Reichsver- faffung. Die Gebiete, innerhalb welcher die Gesetzgebung des Reiches sich zu bewegen hat, sind nun in Artikel 4 der Reichsverfassung genau festgesetzt. Hierunter befinden sich aber keine Bestimmungen, die eingriffen in die Rechte der Einzelstaateu bezüglich deren Verfassung. Diese bleibt somit in jedem Falle ungeschmälert zu Recht bestehen. Die Folge der Aushebung des Jcsnitengesetzes könnte also nur die sein, daß die Geltung jenes Gesetzes für das Vaterländisches. Wilsdruff, den 12. März 1902. — Die Frage der Aufhebung des Reichsgesetzes vom JuU 1872 betreffend die Ausschließung des Ordens der Jesn und der ihm verwandten und ordensähnltchen Kongregationen ist auch in diesem Jahre wieder vom Zentrum im Reichstage zur Sprache gebracht verbündeten Regierungen in dem Sinne be antwortet worden, daß sie „och Prüfung der Angelegenheit beschäftigt seien. J„ Anbetracht der Be deutung welche d,e Zentrumspartei für die gesammte innere Re,chspolstik genommen hat, halten wir-es nicht für völlig ausgeschlossen, daß seinen Wünschen bezüglich der Wiederzulaffung der Je Men schließlich entsprochen wird. Für unsere fast ausschließlich dem evangelisch, lutherischen Bekenntmß «»gehörende Bevölkeruna dürf e es deshalb von Interesses «nmak sEst L Prüf ung der Folgen zu beschäftigen, welche die Aufhebung des oben erwähnten RtlLSgcsetzes für Sachsen »ach sich ziehen würde. Bekanntlich enthält die Verfaffunasu^ Les Königreichs Sachsen vom 4. Sep ember 183 ein striktes Verbot der Zulassung der Jesuiten und ande r geistlicher Orden. Der 8 56 bestimmt über von dort ausgeschlossen sei» dürft«, und all zu sparsam geht man um mit dem Holze, da« zum Ausbau der Streiken uöthig ist. Von dem Allen bab ich mich überzeugt." „Und Sie haben es dem Direktor mitgetheilt? Was sagt er denn dam? Aber — ich bab Ihnen noch nicht mal einen Stuhl angeboten, verzeihen Sie, daß ich so unhöflich war, bitte, setzen Sie nä!" Reiubart schob dem Holt einen Stuhl ht» und nahm ihm gegenüber Platz. „Also was sagte der Direktor?" „Hm, er meinte, Ihr Darstellung and meine Befürchtungen seien durchaus übertriebe«. Nachdem Sie so ausgetreten, dürfte er in keiner Weis« nachgegeben, wenn er sich nicht seines Ansehens bei der Belegschaft beraube« wslle. Es kSuse ja das eine oder ander«, was ich für nöthig fände, »ach und nach gesch ehe«, jetzt aber dürf» er sich de» Dcotz» der Arbeiter nicht beugen." „Und was meinen Sie zu den Forderung«!, U» wir ge stellt haben?" Holt zuckte die Achseln. „Ich bin eigentlich noch zu kurze Zeit hier und M wenig vertraut mit dem inneren Betriebe, um abschließend darüber urtherlen zu können. Doch scheint es mir auch nicht billig daß mlter allerlei Vorwänden diese fortwährenden Abzüge im Gedmgelohn stattfinden. Auf der anderen Seite muß vH Sie aber entschieden warnen, auf dem Weg« des Trotzes etwas erreichen zu wollen, da, ist durchaus verkehrt!" Reinhart lacht« kurz auf. Melcher andere Weg bleibt n»s denn übrig, wenn auch der Herr Arlingbchf diesen Direktor mit seinem ewigen kalten „Rein" wie eine eiserne Mauer zwischen sich und die berechtigte» Wünsch« der Arbeiter schiebt? Kl Güte haben-wirs umsonst versucht!" Holt schüttelte den Kopf. „Ich meine es gut mit Ihnen, glauben Sie mir das! Ihr Wesen, Ihre ganze Art und Weise hat etwas sympathisches für mich, ich möchte so gern Ihr Freund sein, darum bitte ich Sie nochmals, bedenken Sie was Sie thu»! Wie ich hörte, haben Sie auf heute ZAIagenüe Wetter.^ 11 Erzählung von A. Linden. — sNachdruck verboten.) Reinhart sah Holt scharf an. Ein hochmüthiaer, feindseliger Ausdruck ging über sein Gesicht und er sagte abweisend: „Da hätten Sie sich nicht zu bemühen brauchen! Ich weiche keinen Zoll breit, weder von meiner Ansicht noch von meinem Entschluß und di« Mehrzahl der Belegschaft steht hinter mir! Di« Grschichte mit Hallersbrrg hat bewiesen, daß ich Reckt hatte mit meinen Forderungen, und es ist traurig genug, daß ist ein Unglück geschehen und die Bergpolizei eingreifen mußte, um dem Direktor begreiflich zu macken, wie viel unter seiner Leitung vernachlässigt wird, das Leben der Ar beiter zu schützen. Er will es ja noch nicht einsehen und so- «b«, hab ich wieder «inen neuen Strauß mit ihm gehabt." Host hatte ibn ausreden lassen ohne Widerspruch; er Hnt« an der Tischkante, strich seelenvergnügt seinen Schnurr- uud sah wohlwollend in da, erregte Gesicht des jungen Steigers. „Ja, Sie und die L«ute sind durchaus iin Recht! Ich komme Ihnen zu sage», daß auch ich ganz ihrer Anpcht mn. Ein erstaunter Ausruf Reinhart'S unterbrach denselben. ^»Jst das Ihr Ernst, Herr Holt, Sie, auch Sie halten mit . Sir wir ein« Unaufrichtigkeit zu, oder daß ich ^«4- zu scherzen?" fragte der BettnebS- ."^"ch d«m Herrn Dwektor gegenüber hab' tch aus meser Ansicht kein Hehl gemacht. Ich kam heute Mch- «Mag zu spat hmzu, und dann batte ich bei der kurzen Zett mernes hiesigen Aufenthalts noch nicht Gelegenheit ge habt mich vollständig zu« überzeugen. Die, hab' ich jedoch mzwis^n grthan. Die Wettervorrichtungen, die Ventilation ganz in Ordnung, die Kommunikation mit de« »tten Bau«« ist nicht so hturächend gesperrt, daß jede Gejchr Reich zwar außer Kraft tritt, die Bestimmungen der sächsischen Verfassungsurkunde dadurch aber unberührt bleiben und deshalb die Zulassung von Jesuiten für daS Königreich Sachsen nach wie vor verboten ist. — Jetzt giebt es Ausstattungen zu kaufen, freilich nicht die umfangreichen zum Bunde für das Leben, die Osterzeit ist als Zeit für die Eheschließungen nicht so be rühmt, wohl aber für die Kleinen, die zur Schule sollen, und für die Größeren, welche die Schule verlassen. Solch ein kleiner Page oder ein kleines Mädel, die in vier Wochen zum ersten Mal mit der Tasche oder dem Ranzen zur Schule wandern sollen, wollen auch etwas zum Zeichen ihrer neuen Würde haben, die Spielkleider, die bisher im ungezügelten lustigen Leben noch lange gut waren, werden zur zweiten oder dritten Garnitur, und die Schulkleider treten neu in die Erscheinung. Und die Eltern kommen dann von selbst entgegen, soviel sie können, es ist doch ein bedeutsamer Tag und ein herziger dazu, an welchem die Kleinen zum ersten Mal sich auf den Weg machen, den Wissenschaften obzuliegen. So weit sind sie dann! Noch bedeutender und ernster ist aber der Austritt auS der Schule, welcher den äußeren Menschen gleichfalls umwandelt. Rock und langes Kleid sind die Zeichen neuer Würde, in denen sich die Erwachsenen so wohl fühlen, ohne zu be- denken vorerst, daß mit der Würde auch manche Bürde der Verantwortung sich einstellt. Lernen, viel kennen lernen, nicht blos, was den LebenSberuf bilden soll, sonder« auch sich selbst; wie schwer das Alles ist, wird erst später er kannt. Doch wir wollen nicht abschweifen, bei dem Thema bleiben. Für die neuen Menschen nach der Schule auch ein neues Aeußere! Und zum Einen kommt das Andere, bei solcher Ausstattung reiht sich, namentlich, wenn die jungen Leute da» Elternhaus verlassen, Vieles zusammen, was nothwendig und was Freude bereiten soll. Mit dem Eigenen dann recht umgehen lernen, das ist auch eine Kunst und sie will gelernt sein; nicht immer wird es den Eltern so leicht, Ersatz für schnell unbrauchbar Gewordenes zu schaffen. So bietet die Osterzeit reg« Anknüpfungspunkte zwischen dem großen Publikum und unserer Geschäftswelt; die Eltern können hier auf besten Rath rechnen, sie haben die größere Bequemlichkeit der Auswahl, die Ueberzeugung, das wirklich Passende gefunden zu haben. Es fehlt nicht, gerade jetzt, an Angeboten von außerhalb her, an Besuchen von Vertretern fremder Geschäfte, gegen die ja an sich nichts gesagt werden soll; aber heute ist es selbstverständ- lich, zu Haus zu kaufen, da sich die Gelegenheit bietet, zur Hebung des Geschäfts beizutragen. Das ist auch eine Wirthschaftspolitik, und zwar die gesundeste, daß man dazu hilft, das heimische Erwerbsleben und das Gewerbe leistungsfähig zu halten; das umlaufende Geld kommt Allen wieder zu Nutzen. Die Anstrengungen zur Gewinnung von neuen Kunden und Aufträgen, die von allen Seiten her gemacht werden, sind natürlich, denn daß das Jahr 1901 kein gutes gewesen, weiß ein Jeder, aber erst recht natürlich ist, daß man dem einen Auftrag giebt, der uns am nächsten steht, dem heimischen Kaufmann. Lei dem wäscht eine Hand die andere, anderswo nimmt mit der Bezahlung auch das Entgegenkommen ein Ende. Bezahlt — vergessen! — Arbeitslose ehemalige Angehörige des Chiuakorps. Der preußische Eisenbahnminister hat be- Abend «in« allgemein« Versammlung der Arbeiter anb«- räumt." „Ja, mir wollen berathen über die nächsten Schritte, di» wir zu thu» haben, wenn der Direktor sich weiter hartnäÄ- weigert, auf unsre Wünsche einzugehen." ,Ftun, so beruhigen Sie die Leute, sagen Sie ihnen, daß ich Ihnen im Namen des Direktors versprochen, Abhilfe zu schaffen da, wo Gefahr für sie sei." „Ja, wenn das der einzige Punkt wäre! Aber auch di« Lohuverhältniss« . . „Nun, ich denk«, Sie persönlich sind doch gut besoldet?" „Wer hwicht von mir?" rief Reinhart hart. „Begreifen Sir sicht, daß ich nicht für mich selbst, daß ich für all die ander« «insichen und kämpfen will? Ist nicht di« Grubeuarbest di« schwerst« und gefahrvollste, die es giebt? Dar Bohmann kniet i» d«r schwarzen Strecke, schwingt di« Keilhaue im Schweiße senws Angesichts beim armseligen Schein des Grubentichto; über ihn und um ihn her starrt das dunkle Gastein, wo der Tod ans ihn lauert in allen Fugen und Ritzen, >ts er endlich «och ihm zur Beute fällt. Und sein Weib, sein« .Ander sitze« daheim und bangen um den Vater! Sie habe« Mcht ick persönlich kann nicht klagen, bin gut be- oidet, aber das Herz brennt mir für meine Kameraden uud was ich thun kaull für sie, das soll geschehen, das muß gescheheu!" „Hm, Si« wolle« es wohl machen wie Moses der de» Königspalast von Egypten verließ um seine Stammes- genssjeu vom Aiegelarbeiten zu befreien? Ihre Stellung wird «s Ihnen koste«' wenn Sie so sortfahren." „Da- w«tß ich, aber ich kann nicht anders." „Kennen Sie Herrn Arliughoff?" ,Flicht näher. Ich sah ihn früher nur flüchtig. Er ist sehr ange nicht mehr hier gewesen, und da war ick auf derBerg- chul«. Er soll ja bei allem äußeren Stolz ein Herz, für eine Leute haben, aber warum kommt er denn nicht öfter her über? Warum GmMrt_tr sich so wenig um die Grube?"