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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.03.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-03-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190903277
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19090327
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19090327
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-03
- Tag 1909-03-27
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Monat
1909-03
-
Jahr
1909
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2. Btilaae Gonnabeud, 27. März 1S09. Leipziger Tageblatt. Nr. 8V. 103. Jahrgang. Derrtsehev Reichstag. «I. Berlin, 26. März. sPrivattelegramm.) 234. Sitzung. StiminrrngsbUd. Während hinter den Kulissen eine schwere Krisis sich abspielt, bietet sich den Neugierigen, die etwa gekommen sind in der Erwartung, die großen politischen Umwälzungen im Reichstagsgcdäude mit Augen sehen und mit Händen greifen z^ können, ein alltägliches Bild. Die Tage, an denen die große Schlacht geschlagen wurde, sind nicht immer die Tage, an denen die Entscheidung siel. Große Dinge kommen langsam von niemand gesehen, große Entscheidungen bereiten sich vor, ehe sie über die Schwelle der Bühne treten, daß sie jeder sehen kann. Darum ist es häufig so, daß gerade dann, wenn im Plenarsaal des Hohen Hauses die Nichtigkeiten des politischen Lebens austreten, daß gerade dann seine schwersten Kämpfe hinter den Kulissen ausgefochten werden. Ein scharfes Auge mag vielleicht entdecken, wie hier eine Gruppe, dort zwei selten beieinander gesehene Gegner zusammentreden und in ein Gespräch ge bannt sind, das sicher nichts zu tun hat mit jenen Dingen, die von der Tribüne tönen. Es mag ihm auch aussallen, daß die maßgebenden Parteiführer häufiger als 'onst hcrauSgerufen werden von einem Diener oder einem Freund. Aber das sind Imponderabilien des Gesamtbildes, an dem wirklich nicht viel Verlockendes zu sehen ist. Eine schwache Be- setzung, ein monotoner Gang der Verhandlungen, etwas von allgemeiner Geistesabwesenheit — das ist die Stimmung, in der man heute versam melt ist und die Ne st e vorübergegangenerEtats erledigt. Jene Reste, an denen noch nicht alles in Ordnung war, die daher in die KommissionSwcrkstättc zurückgeschicki werden mußten. Da gibt's ein bunt gemischtes Gericht, ein Rest aus dem Rcichsamt des Innern, einer aus dem Militäretat und dem Postetat, aber alle diese Reste sind zu tragen nicht allzu peinlich. Sie werden schnell hinabgetan. Auch der Etat des allgemeinen Pensionsfonds macht nicht viel Schwie rigkeiten. Der Aba. Erzderger kritisiert zwar und spricht vom „ab normen Anwachsen", ist aber schließlich selbst ganz friedlich und nach einer statistischen Beruhigungsrede des Generalleutnants Vallet de Barres und einigen weiteren kurzen Bemerkungen anderer Redner ist man auch mit diesem Punkt fertig. Ebenso geht's mit den vom Bundesrat neu aufgestellten Grundsätzen für Anstellung von Militäranwärtern. Man fügt ihnen zwei Resolutionen an, das ist alles. Etwas mehr Anstrengung erfordert die zweite Lesung des Auto- m o b i l g e s e tz e s. Bei den Verkehrsvorschriftcn würde allgemeine Zufriedenheit geherrscht haben, wenn nicht Stadthagen einen An trag über Arbeits- und Ruhezeit der Chauffeure gestellt hätte. Da ihn aber Prinz Schönaich-Earolath sNatl.s und Herr v. Oertzen lRpt.) vorrechnen, sein Antrag sei weder durchführbar, noch überhaupt hierher gehörig, lehnt man ihn ab und die Verkehrsvorschriften werden unverändert genehmigt. Zu den Haftpslichtparaaraphen bringen die Sozialdemokraten gar drei Anträge ein, die Herr Stolle vertritt, je doch mit demselben Mißerfolg, wie sein Genosse Stadthagen. Die an deren Redner äußern fast ausnahmslos den Standpunkt, wir nehmen das Gesetz an, aber es könnte schöner sein. Unter dieser Signatur wird keine zweite Lesung erledigt. Herr Tracger sFrs. Vpt.s hat die Gelegen heit nicht vorübcrgehen lassen, über den „verewigten Block" zu spotten und über das „blutende Herz", das zu einem unentbehrlichen Körperteil des Parlaments geworden sei. Sein Schlußsatz: Also nehmen wir das Äutomobilgesetz schon an, denn wer weiß, ob nicht bald wieder ein Zu- iammenstoß erfolgt, war nicht ohne symbolischen Beigeschmack. Heiterkeit beantwortete diese Anspielung, es war aber wohl nicht die Heiterkeit der jenigen, die zuletzt lachen. Sitzungsbericht. Am Bundesratstische: Staatssekretäre v. Vethmann-Hollweg, Kraetke, Nieberdina. . . . Präsident Grar Stolberg eröffnet die Sitzung pünktlich um 2 Uhr. Die Beratung des Reichshaushaltsetats für 1909 wird fort gesetzt. Das Haus berät zunächst über die an die Budgctkommissiou zurückverwicseuen Titel. Vom Ordinarinm des Etats für das Re'ichsamt des Innern war d<r Titel „Besoldungen der Bureau- und Kanzlei- llnterbcamten des Statistischen Amtes" an die Kom mission zurückverwiesen behufs nochmaliger Prüfung der Frage der Arbeitszeit der Unterbeamten. Der Antrag der Kommission geht dabin, den Titel unverändert zu bewilligen und folgende Resolutionen an- nehmen: Den Reichskanzler zu ersuchen, die erforderlichen Anordnungen zu treffen, durch welche einheitliche Bestimmungen für sämtliche Reichsrcssorts festgesetzt werden 1) über die Pauschalvergütung an Beamte berr. die Schreibgerätschaftcn, 2) über die B e s ch ä f t i g u n g der Bureaubcamten. Der Antrag wird dcbattelos zum Beschluß er hoben. Vom Militäretat waren die fortdauernden Ausgaben für die Gouverneure, Kommandanten und Platzmajore mit dem Antrag Stvrz, die Stelle des Kommandanten von Ulm zu st reich en, an die Kommission zurückgogangen.. Präsident Gras Stolberg stellt fest, daß der Referent auss Wort verzichtet. Mg. Gothcin sFrs. Vgg.l protestiert dagegen, daß Ker Bericht erstatter davon ablche, den mündlichen Bericht im Plenum zu erstatten. Abg. Bassermann sNatl.s schließt sich dem an. Abg. Erzberner sZtr.s erscheint daraus im Saale und erstattet kurz über die Kommissionsverhandlungen Bericht. Die Kommission bean trage, diesen Titel der Kommandanten für Ulm, Swinemünde usw. zu bewilligen. Abg. Rogalla v. Bieberstein iKons.s stellt die Anschauung richtig, als ob der Kommandant von Swinemünde vor zwei Jahren unterlassen habe, beim Vorbeifahren der englischen Flotte Vorkehrungen für das Salutschieben zu treffen. Abg. Müller-Meiningen sFrs. Vpt.s: Der Vorredner bat dadurch Stimm unggegen mich zu machen gesucht, daß er von dem schwer tranken Kommandanten spricht. Ich meine, der Kommandant war ver- pflichtet, in diesem Falle einen Vertreter zu stellen. Es ist unrichtig, daß die englische Flotte sehr weit weg gewesen ist, sie hat 13 See meilen bei Swinemünde gelegen. Im übrigen behalte ich mir vor, nach weiterer Erkundigung auf die Sache zurückzukommen. Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. v. Bieberstein und Müller- Meiningen wird der Antragder Kommission angenommen. Vom Etat der Reichspost- und Telegraphenverwal tung war der Titel „Vergütungen an auswärtige Post- und Telegraphenbehörden, sowie an Eisenbahn-, Schiffs- und Telcgrapbenunternehmungen, „Beiträge zur Unterhaltung des inter- nationalen Post- und Tolegraphenbureaus 26 269 000 .kl" der Budget kommission zur nochmaligen Prüfung überwiesen worden. Berichterstatter Abg. Erzberger weist darauf hin, daß in der Kom mission die Frage erörtert worden sei, ob die Verträge der Neichspost- vcrwaltung imt Privatgesellschaften dem Reichstage zur Genehmigung vorzulegen seien oder nicht. Die Kommission habe schließlich beschlossen, dem Reichstage vorzuschlagen, folgende Bestimmung in da- Dispositiv des Etats zu setzen: Die Verträge sind dem Bnndesrat und dem Reichs tag in geeigneter Weise vor der Beschlußfassung über die angeforderten Etatssummen zur Kenntnis zu geben. Der Etatstitel selbst sei nicht verändert worden. Der Titel wird debattelos in der von der Kom mission vorgeschlagenen Fassung angenommen. Das Hans wendet sich hierauf zur Beratung des allgemeiuen Pensionssonds. Die Bndgetkommifsion, Berichterstatter Graf Oriola sNatl.), emp fiehlt die unveränderte Bewilligung. Abg. Srzberger sZtr.j: Angesichts de- ganz beängstigenden An wachsens des PensionSfondS, der 18k bis 190 Millionen beträgt, sollte mit der Pensionierung nicht zu schnell torgegangen werden. Ganz besonders sollte die Heeresverwaltung eine gesunde Mittellinie zwischen der erforderlichen Schlagfertigkeit und den finanziellen Interessen de- Reiche- ziehen. Bei dem Uebertritt von Offrzieren in den Privatdienst — für gewisse AufsichtSratSstellen sind diese Herren j a sehr gesuchte Kandidaten — sollte ein Teil der Pension, wie beim Uebertritt in den Kommunaldienst, in Anrechnung gebracht werden. Angesicht- der Finanznot sollten die meisten Beamtenstellen bei der Verwaltung der Pensions- und Jnvalidenfonds als Sinekuren ge strichen werden. Auf Vorschlag de» Präsidenten wird die Diskussion auch über den Etat deS NeichSinvalidenfond» erstreckt. Referent Graf Oriola <Natl.>: Neber die Gepflogenheit der zahl- reichen Zur-Di-position^tellungen rm Bereiche deS Auswärtigen Amts bzw. deS diplomatischen Dienstes hat sich die Kinmnission eingehend unterhalten, ohne daß ein Antrag daran gcknichft wurde. Di« weitere Anregung, sämtliche Jnvalidenhäuser zu beseitigen, ist speziell bezüglich des Berliner Jnvalidenhauses mit Hinweis auf seine historische Be deutung bekämpft worden. Wegen der Reduktion des großen Beamtenapparates dos Reichsinvalidenfonds schweben im Reichsschatzamt schon seit langem Erwägungen: eine Aenderung könne aber nur auf gesetzlichem Wege erfolgen. Abg. Gothein lFrs. Vgg.j: Die Heeresverwaltung hätte alle Ur sache, die F e l d w e b e l l eu t n a n t s zu schaffen und alle Standes- vorurteile dabei beiseite zu lassen. Der PensionsfvndS würde durch diese Maßnahme günstig beeinflußt werden. Generalleutnant v. Vallet des Barres: Die Jnvalidenhäuser haben sich durchaus bewährt und als eine große Wohltat für die Armee er wiesen. Tas Anwachsen der Pensionslast ist erneut zum Oiegcnstand der Erörterung gemacht worden. Nicht nur die Pension der Offiziere, son dern auch die Mannschaftsrcnlen und die Pensionen für die Beamten sind erhöht worden. Ter kleinere Teil der Pensionen entfällt ooch immer au die Offiziere. Das Haus hat die Pensionsgasehe von 1300 nach seinen Wünschen gestaltet. Nach einer weiteren Bemerkung des Abg. Gocrckc sNatl.s wird der Etat bewilligt. Darauf werden: der Etat des allgemeinen Pensionfonds und des Neichsinvalidenfonds unver ändert genehmigt und die von der Kommission vorgcschlagene Re solution angenommen: Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, tunlichst bald einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen die Verwaltung des Rcichsinvalidcnsoiids wesentlich ver billigt wird. Es folgt die Beratung des Berichts der Budgctkomiuission über die vom Bundesrat festgcstellte neue Fassung der G rundsätzc für die Besetzung der mittleren, Kanzlei- und U n t er be« m ton Hellen bei den Reichs-undTtaatsbehördcn sowie bei den Kommunalbehörden usw. mit Militäranwärtcrn. Referent Abg. Graf Oriola: Die Kommission hat die Annahme folgender Resolutionen beantragt: I. Zu den Grundsätzen für die Besetzung der mittleren, Kan.zlei- und Unterbeamtcnstellen bei den Reichs- und Staatsbehörden mit Militär anwärtern und Inhabern des Anstcllungsscheincs: 1j den Reichskanzler zu ersuchen, Anordnungen zu treffen, wonach im Falle der Verweigerung des Zivilversorgungsschcins den Kapitulanten die Gründe der Ver- Weigerung in angemessener Zeit mitgeteilt werden müssen^ 2s den Reichs kanzler zu ersuchen, dem Reichstag tunlichst bald eine Denkschrift über die Zivilversorgnng pensionierter Offiziere zugehen zu lassen: ,3s a. die verbündeten Regierungen zu ersuchen: 8 11 Abs. 1 solgenden Zusatz zu geben: Ist das Antcilvcrhältnis der Militäranwärter utw. nicht erreicht, so kann zugunsten derselben von dieser Reihenfolge abgesehen werden: b. die verbündeten Regierungen zu ersuchen, auf Verkürzung des Diäta- riatS der Zivilanwärter hinzuwirken: 4) die Verbündeten Regierungen zu ersuchen, die erforderlichen Anordnungen behufs der geeigneten Vor bildung der Militäranwärter für den Zivildienst zu treffen: 5s die ver bündeten Regierungen zu ersuchen, in Erwägung einzutreten, ob nicht für Elsaß-Loihriugen eine Abweichung von tz 18 der Anstellungsgrund sätze für die Militäranwärter in dar Richtung erhöhter Berücksichtigung der Landeskinder stattfinden kann. II. Zu den Grundsätzen für die Besetzung der mittleren, Kanzlei- und Unterbcamtenslcllcn bei den Kommunalbehörden usw. mit Militär anwärtern und Inhabern des Anftellungsscheines: 1> die zu I gefaßten Resolutionen, soweit sie auf die Grundsätze für die Besetzung der mitt leren, Kanzlei- und Untcrbcamtenstellen bei den Kommunalbehörden nsw. mit Militäranwärtern und Inhabern des AnstellungsschcinS Bezug haben können: 2) die verbündeten Regierungen zu ersuchen, für zweckentsprechende Veröffentlichungen über die den Inhabern des Zivilversorgungsschcins und Anstellungsscheins vorbehaltcncn Stellungen im Kommunaldicnst Sorge tragen zu wollen; 3) die verbündeten Ne gierungen zu ersuchen, dahin zu wirken, daß bei der Einberufung der Militäranwärter usw. in den Kommunaldienst tunlichst die Reihenfolge der Eintragung in die hierfür bestimmten Verzeichnisse maßgebend ist; 4s die verbündeten Regierungen zu ersuchen, dahin zu wirken, daß in Anwendung des 8 15 der Anstcllungsgrundsätzc die politische oder rcli- giöse Gesinnung des Bewerbers nicht in Betracht kommt. Abg. Racken sZtr.s tritt den Resolutionen bei. Erfreulich sei, daß die Militärverwaltung dieser Resolution und den übrigen von der Kvw- mffsion geäußerten Wünschen resp. Resolutionen günstig gegenüberstche. Generalleutnant v. Vallet des Barres stellt die Prüfung der von dem Vorredner angeführten Wünsche in Aussicht. Die Resolutionen der Kommission werden angenommen. Zur zweiten Lesung steht sodann der Gesetzentwurf über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen nach den Beschlüssen der 29glicdrigen Kommission. Die Kommission hat die beiden ersten Abschnitte der Vorlage: Haftpflicht §8 1—13 und Fahrerlaubnis 88 14—17 umaestellt, dem Abschnitt: Fahrerlaubnis die Uebcrschrist: Verkehrsvorschristen gegeben und folgenden neuen Para graphen an die Spitze gestellt: Kraftfahrzeuge, die auf öffentlichen Wegen oder Plätzen in Betrieb gesetzt werden sollen, müssen von der zuständ'.- gen Behörde -um Verkehr zuaclassen sein. Als Kraftfahrzeuge im Sinne dieses Gesetzes gelten Wagen oder Krafträder, welche durch Maschinenkrast bewegt werden, ohne an Bahngeleise gebunden zu sein. 8 II lautet nach der Vorlage: Wer ein Kraftfahrzemz führen will, be- darf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Erlaubnis gilt für das ganze Reich: sic darf nur erteilt werden, wenn der Nachsuchende seine Befähigung dargetan hat. Den Nachweis der Erlaubnis hat der Führer durch eine Bescheinigung, den Führerschein, zu erbringen. Die Befugnis der Ortspolizeibehörden, auf Grund des 8 37 der Reichs gewerbeordnung weitergehendc Anordnungen zu treffen, bleibt unbe rührt. Die Kommission hat den ersten Absatz wie folgt anderweit formuliert: Wer auf öffentlichen Wegen oder Plätzen ein Kraftfahrzeug führen will, bedarf der Erlaubnis der zuständigen Behörde. Die Er laubnis gilt für das ganze Reich: sic ist zu erteilen, wenn der Nach suchende seine Befähigung durch eine Prüfung dargetan hat und nicht Tatsachen vorlicgcn, die die Annahme rechtfertigen, daß er zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Die Kommission hat dann folgen den tz 11a neu vorgcschiagen: Wer sich zum Zwecke der Ablegung der Prüfung in der Führung von Kraftfahrzeugen übt, muß dabei auf öffentlichen Wegen oder Plätzen von einer mit Führerschein versehenen, durch die zuständige Verwaltungsbehörde zur Ausbildung von Führern ermächtigten Person begleitet und beaufsichtigt sein. Das gleiche gilt für-die Fahrten, die bei Ablegung der Prüfung vorgvnommcn werden. Bei Ucbungs- und Probefahrten gilt im Sinne dieses Gesetzes der Be gleiter als Führer des Kraftfahrzeuges. Die 88 15 und 16 betreffen die Voraussetzungen, unter denen die Fahrerlaubnis entzogen und gegen die Entziehung Rekurs ergriffen werden kann. Nach 8 17 der Kom missionsvorschläge hat der Bundesrat eine Vorlage: Landeszentral behörde, Anordnung zur Ausführung der ß8 15—16, sowie der sonstigen zur Erhaltung der Ordnung und Sicherheit auf öffentlichen Wegen ober Plätzen erforderlichen Anordnungen über den Verkehr mit Kraftfahr zeugen, insbesondere über die Prüfung und Kennzeichnung der Fahr- zeuge und über das Verhalten der Führer zu erlassen. Soweit der Bundesrat solche Anordnungen nicht erlassen hat, können sie durch die Landeszentralbchörde erlassen werden. Abg. Albrecht und Genossen sSoz.s beantragen folgenden Zusatz: Der Bundesrat hat über die Dauer der zulässigen täglichen Arbeitszeit der Führer von Kraftfahrzeugen und über die ihnen zu gewährenden Ruhezeiten im Interesse der Sicherheit des Verkehrs Anordnung zu treffen. Die durch Beschluß des Bundesrats erlassenen Vorschriften sind durch das „Neichsaeletzblatt" zu veröffentlichen und dem Reichstage bei seinem nächsten Zusammentritt zur Kenntnisnahme vorzulegen. Die Diskussion wird zunächst über den Abschnitt: VerkSyrsvorschriften eröffnet. Abg. Prinz zu Schönaich-Earolath sNatl.): Die Hauptaufgabe wird fein, einen gut ausgebildeten Chauffeurstand heranzubil- den, und zwar, wenn möglich, in staatlichen Chauffeurschulen. Die Prüfung darf nicht in den Hofen der Polizeipräsidien stattsinden, son dern im Gelände selber. Abg. Graf von Carmer-Zieserwitz sKonsi): Die Unzuträglichkeiten im Chauffeurstande, die in dem plötzlichen Anwachsen dieses Standes bei dem ungeheurem Aufschwung des ÄutomobilverkehrS ihre Ursache haben, sollen durch dieses Gesetz beseitigt werden. Damit schließt die Diskussion. Der 8 1 und §8 11—16 werden hierauf nach den Kommissionsvorschlägen angenommen. Abg. Stadthagen sSoz.) begründet den Antrag seiner Partei auf die bundesratlichc Festsetzung der Maximalarbeitszeit und der Ruhepausen für die Chauffeure. Deshalb liege dieser Antrag in erster Linie im Interesse des Publikums. Aba. Prinz zu Schönaich-Earolath sNatlä: Dieser Antrag ist überflüssig, denn der Autobesitzer hat selber ein Interesse daran, einen leistungsfähigen Chauffeur bei sich zu haben. Abg. Oertzen lRpt.): Höchstens ein Drittel der Zeit, die der Chauf feur im Dienst ist, kann als Arbeitszeit angesehen werden. Von lieber- müdung ist da keine Rede. Aba. Stadthagen sSoz): Tie gesetzliche Regelung der Frage halten wir doch für notwendig. Abg. Oertzen lRpt): Der Vergleich mit den Eisenbahnbeamten ist nicht zutreffend. Diese Beamten sind tatsächlich während ihrer ganzen Dienstzeit in Tätigkeit. Wir lehnen den Antrag ab. Der Antrag Albrecht wird gegen die Stimmen der Antrag steller ab gelehnt, 8 17 in der Kommissionsfassung angenommen. 88 1 und 2 des Abschnittes der Haftpflicht hat die Kommission folgende Fassung gegeben: § 1. Wird bei dem Betriebe eines Kraft fahrzeuges ein Mcnich getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter des Fahr zeuges verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unvorhergesehenes Ereignis verursacht wird, das auf einen Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeuges oder auf Versagen seiner Vor richtung beruht. Als unabwendbar gilt das Ereignis insbesondere dann, wenn es aus das Verbalten des Verletzten oder eines nicht bei dem Betriebe beschäftigten Dritten oder eines Tieres zurückzuführen ist und sowohl der Halter als der Führer des Fahrzeuges jede nach den umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Wird ein Fahrzeug ohne Wissen und Willen des Fahrzeughalters von anderen in Betrieb gesetzt, so ist dieser anstelle des Halters zum Ersätze des Schadens verpflichtet. 8 2. Die Vorschriften des 8 1 finden keine An wendung 1) wenn zur Zeit des Unfalles der Verletzte oder die be schädigte Sache durch das Fahrzeug befördert wurde oder der Verletzte bei dem Betriebe des Fahrzeuges tätigk war: 2> wenn der Unfall durch ein Fahrzeug verursacht wurde, das nur zur Beförderung von Lasten dient und ans ebener Bahn die auf 20 Kilometer begrenzte Geschwindig keit in der Stunde nicht übersteigen kann. Hierzu sind noch folgende Resolutionen vorgeschlagcn: a. den Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstage baldigst einen Gesetzentwurf vorzulcgen, durch welchen aus den Haltern von Kraftfahrzeugen eine Zwangsaenossenschaft gebildet und diese Zwangsgenosscnschaft zum Träger der Haftpflicht für die bei dem Betriebe entstehenden Schäden den Geschädigten gegenüber bestimmt wird: d. die verbündeten Regie rungen zu ersuchen, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Unsall- versicherungsgesetzgebung ans das bisher nicht versicherungspflichtige Bedienungspersonal von Kraftfahrzeugen ausdehnt. 8 6, von der Kom mission unverändert angenommen, lautet: Ter Ersatzpflichtige haftet: 1) im Falle der Tötung oder Verletzung eines Menschen nur bis zum Kapitalbctrage von 50 000 ,<l oder bis zum Rentenbetragc von jährlich 3000 .kl. 2) Im Falle der Tötung oder Verletzung mehrerer Menschen durch dasselbe Ereignis, unbeschadet der in Nummer 1 bestimmten Grenzen, nur bis zum Kapitalbctrage von insgesamt 150 000 .kl oder bis zum Rentenbetragc von insgesamt 9000 .kl. 3) Im Falle der Sach beschädigung, auch wenn durch dasselbe Ereignis mehrere Sachen he- schädigt werden, nur bis zum Betrage von 10 000 .<t. Uebersteiaen die Entschädigungen, die mehreren aus Grund desselben Ereignisses zu leisten sind, insgesamt die Höchstbcträge, so verringern sich die einzelnen Entschädigungen in dem Verhältnis, in welchem ihr Gesamtbetrag zu dem Höchstbetragc stehl. Die Sozialdemokraten lAlbrccht u. Gen.) wollen die 2 und 6 streichen und beantragen die Bildung einer Haft- pflichtgenosienschafi, der alle Halter von Kraftfahrzeugen obligatorisch beizutreten haben. Abg. Stolle sSoz.): Die Einschränkungen der Ersatzpflicht nach 8 2 enthalten große Ungerechtigkeiten, gegen die sogar der Vertreter der Deutschkonservativen, der Vertreter der Narionalliberalen Prinz Carolath, mit besonderer Energie auch der freisinnige Träger und ebenso das Zentrum ankämpften. In der Kommission ist dann, un zweifelhaft durch Einwirkungen von außerhalb des Hauses her, eine wunderbare Umstimmung erfolgt und ein völliger Um fall der Parteien eingctreten. Trotz aller Ableugnungsversuche steht fest, daß der Kaiserliche Automobilklub diesen Um schwung geschaffen hat; auch Herr Träger erklärte mit schwerem Herzen, umfallen zu müssen. Abg. Dr. Bitter lZtr.): Wir vertraten schon in der ersten Lesung den Standpunkt, daß das Gefährdungsprinzip durch das Verschuldungs prinzip in dem Gesetz ersetzt werde. Die Gründung einer Versicherungs zwangsgenossenschaft muß dringend gefordert werden. Abg. Graf v. Carmer-Zieserwitz sKons.): Wir sind den Kommissions- beschlössen betreffend die Haftpflichtausnahmen beigetreten, um nicht das ganze Gesetz, das unzweifelhaft einen wesentlichen Fortschritt vor stellt, zu gefährden. Irgendeine weitere Aenderung des § 2 ist für unS nicht annehmbar. In seiner Fassung, wie sie in der Kommission be schlossen wurde, stimmen wir ihm zu. Abg. Träger sFrs. Vpt.): Wenn ich den Kommissionsbeschlüssen zu stimme, so geschieht es ohne jede Rücksichtnahme auf den Kaiserlichen Automobilklub, zu dem ich in keinerlei Beziehung stehe. Auch habe ich keine Rücksicht zu nehmen ans den verewigten Block. sHeiterkeit.) Mich hat lediglich das Verkchrsintcresse des Publikums geleitet. Abg. Delbrück sFrs. Vgg.j: Wir werden der Vorlage zustimmen, obgleich wir nicht so recht von der Notwendigkeit der gesetzlichen Re- gelnng dieser Frage überzeugt sind. Abg. Prinz zu Schönaich-Earolath sNatl.): Die Notwendigkeit deS Gesetzes ergibt sich schon aus den Unfallzahlen vcm Oktober 1907—08: 5312 Unfälle mit 2630 verletzten und 143 getöteten Personen. sHört! hört!) Abg. Stolle sSoz.): Es ist mir doch sehr zweifelhaft, ob die Ne- gierung das ganze Gesetz ablehnen würde, wenn wir den 8 2 strichen. Bange machen gilt nicht! Wir haben es schon ost erlebt, daß die Re gierung schließlich doch nachgegeben hat. Tic 88 2—6 Wersen alles Gute über den Haufen, was das Gesetz sonst bringt. Abg. Delbrück tritt den Ausführungen des Prinzen zu Schönaich- Earolath entgegen. Abg. Wagner-Sachsen sDkons.) verwahrt sich gegen den Vorwurf des Abg. Stolle, daß cr umgefallen sei. Nach einer kurzen Erwiderung des Prinzen zu Schönaich-Earolath schließt die allgemeine Debatte über den Abschnitt Haftpflicht. 8 1 wird angenommen, ebenso 8 2 gegen die Stimmen der Sozial demokraten, 88 3—5, Z 6 gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und einiger Freisinniger und 88 7—11. Der Antrag Albrecht auf Ein fügung eines 8 11», betreffend Bildung einer Zwangshaftpflichtgesell schaft aus Automobilhaltern, wird abgelchnt, Dafür stimmen die Sozialdemokraten, Freisinnigen und die Wirtschaftliche Vereinigung. 88 12—13 a werden angenommen, ebenso dcbattelos der dritte Ab schnitt: Strafvorschriftcn, 88 18—23 sowie Einleitung und Uebcrschrist des Gesetzes. Außer den beiden schon mitgeteiltcn Resolutionen schlägt die Koni- Mission noch zwei weitere vor: a. den Reichskanzler zu ersuchen, bei den verbündeten Regierungen anzuregen, daß Wett-, Dauer-, Zuver - lässigkeits- und ähnliche Tourenfahrten auf öffent lichen Wegen und Plätzen nicht mehr gestattet werden; ck. den Reichskanzler zu ersuchen, bei den verbündeten Negie rungen auf den Erlaß einheitlicher, womöglich auf nationaler Ver- cinbarung beruhender Vorschriften hinzuwirken, durch welche nicht nur der Verkehr mit Kraftfahrzeugen, sondern auch der gesamte Fuhrwerks verkehr, namentlich in bezug aus Ausweichen, Lichterführung und Be zeichnung einheitlich geregelt wird. Sämtliche Resolutionen werden debattelos angenommen. Ueber eine Petition berichtet Prinz zu Schönaich-Earolath: Ein Teil soll durch Beschlußfassung für erledigt erklärt, der andere dem Reichskanzler als Material überwiesen werden. Die Abstimmung findet erst nach der dritten Lefung statt. Schluß »L7 Nhr. Nächste Sitzung Sonnabend 2 Uhr: Etats für Kiautschau, ostasiatischc Expedition: dritte Lesung des Automobilgesetzes. Gsrichtrsaal. AtSnkgttche» Schwurgericht. r Leipzig, 25. März. Unter Ausschluß der Öffentlichkeit fand die Verhandlung gegen den am 15. Juni 1868 geborenen Metallgießer Ernst Paul Otto aus Dölitz statt, der beschuldigt war, in einer Ehescheidungsklage des Arbeiter- Schröder, in der am 10. Januar 1908 Termin vor der ersten Zivil kammer des hiesigen Landgerichts anstand und in dem er als Zeuge ver- nommen wurde, unter seinem Eide falsch ausgesagt zu haben. Zu der Verhandlung waren siebzehn Zeugen geladen. Der Angeklagte wurde auf Grund der Beweisaufnahme und des Wahrspruchs der Geschworenen freigesprochen. Ter gewinnsüchtigen Urkundenfälschung und deS versuchten vetru-e- war der Gla-macber Wenzel Weselyaus Lestina in Böhmen angxklagt. Der Angeklagte ist 21 Jahre alt und österreichischer Staatsangehöriger,
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