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8. Beklage Mittwoch, 24. März 1SVS. Leipziger Tageblatt. Nr. 8S. los. Jahrgang. M u k; e st u n d e n. Ich finde den Weg. 20) No man von Hans v. Hekethusen. Das Herz drängte sich ihm auf die Zunge, aber er bezwang sich. Er fühlte es in allen Nerven, wie weit er gehen durfte, um seinen Sieg nicht zu gefährden. So sagte er denn nur in einem freundschaftlichen Tone: „Ich finde es schon heraus, ich kenne Sie bereits besser, als Sic denken." „Das fürchte ich eigentlich." Nun lachte er herzlich. ... Es war der erste fröhliche Laut in dieser Sturmnacht, der in dem stillen Raume erschallte. „Gott sei Dank, daß Sie da sind", sagte sie und stand auf. Sic schob die Vorhänge zurück und lugte hinaus. Draußen dämmerte das Morgengrauen, aber unerbittlich tobte der Orkan. Haushohe Wellen rollten gegen den Strand, den man schon un- deutlich erkennen konnte. „Ein grausiges Schauspiel", sagte sie, als er neben sie trat. „Aber schön ist es doch!" meinte er. „Man wird so mit einem Ruck in eine Welt der Naturgcwaltcn verseht, an der man meist mit ver schlossenen Augen und unempfindlichen Ohren vorbeicilt." „Ja, ja, Hella Pescatore hat ganz recht, man arbeitet nicht genug. Man lebt viel zu viel sich selbst, ohne anderen zu nähen." „Versuchen Sie es einmal mit mir", klang es scherzend von seinen Lippen. „An mir bekommen Sie was zu tun! Wenn Sie es richtig an fangen, werde ich wohl noch ein brauchbarer Mensch " Ein guter Geist mußte ihm diese Worte eingegeben haben, denn nichts Klügeres hätte er herausfinden können, als in ihr den Wunsch zu erwecken, ihn zu fördern und ihm nützlich zu sein — wo doch in Wahrheit er der Gebende und Helfende war, wie er selbst sehr genau wußte. Ein warmes Gefühl durchströmte sic plötzlich, das sie für eine mütter liche Empfindung hielt — nach der ihr einsames Herz bitterer gedarbt, als sie sich selber eingestehen mochte. „Ja, ja, ich will", sagte sie und hob den Kopf. „Ich will Ihnen danken für all das Gute, das Sie in meine Einöde gebracht haben. Für das warme Leben, das wieder um mich aufblüht. . . . Wie öde es war mein Gott, das weiß ich erst jetzt. ... Es wird mir gut tun, zu denken, daß ich jemand nützlich bin." Jubeln hätte er mögen. Aber er beherrschte sich und sah nur wie im Traum in ihr aufleuchtendcs Gesicht, aus dem die tiefen dunklen Augen schimmerten, wie rr es noch nie an ihr gesehen hatte. Als es Heller wurde, löschten sie die Lampen nnd zogen die Jalousie des Eckfensters, das der Wetterseite weniger ausgesetzt war, in die Höhe. Ein trostloser Anblick bot sich ihnen. Mitten in dem kleinen, so wohl gepflegten Garten lag die riesige Eiche. Das Gitter war zertrümmert. In der hoch emporstarrenden Krone spielte der Sturm und zerpflückte das mächtige Geäst. Wie Streichhölzer flogen die Splitter nnd Aestc umher und häuften sich.an einer Gitterseite, daß sie aussahen wie ge- siapeltes Holz. Wohin das Auge durch den noch immer fallenden Schnee und Eisstaub dringen konnte, sah man traurige Verwüstungen. Mancher der alten Riesen hatte daran glauben müssen. Wie ein gewaltiges Schlachtfeld sei dieses Bild, so dachten beide. „Ich glaube, die Glocken läuten!" sagte sie und horchte. Das brachte Leben in sein eben noch so verträumtes Wesen. Sie hasteten beide in den Flur. Dort lag die alte, müde Köchin lang aus- gestreckt und schlief. Ihr hatte der vernichtende Sturm ein Schlummer lied gesungen. „Kann ich Sie wohl verlassen?" fragte er, als er in seine leidlich getrockneten Sachen schlüpfte. Es machte sich ganz von selbst, daß sie ihm dabei hilfreich zur Hand ging, wofür er ihr nur mit einem warmen Blick dankte. „Gewiß, gewiß", versicherte sie. „Es ist ja nun ganz hell. Von den Dünen komme ich schon heil herab, falls die See das HauS ernstlich be- schädigen sollte, wenn sie di? Fundamente lockert. Ihre Hilfe wird dort unten jetzt jedenfalls mehr gebraucht." Sie drückten sich stumm die Hand. Dann ging er, von ihr selbst die kleine Treppe hinuntcrgeleitet, die seitwärts der Veranda aus den Wirt schaftsräumen ins Freie hinausführte. Als er gegangen war und sie seine große, biegsame Gestalt gegen das Unwetter noch einen Moment ankämpfen sah, fühlte sie, daß ihr etwas von ihm verblieben sei: etwas Großes, Reines — das Allerbeste. * Der Sturm jagte ihn im wahren Sinne des Wortes über die Dünen. Erst in ihrem Schutze konnte er die Augen öffnen. Nun vernahm er deutlich das Läuten der Kirchenglocken. Schaurig und erschütternd drangen ihre mahnenden Töne durch die erregte Lust, in dieser frühen Stunde doppelt eindrucksvoll. Als er in den Anlagen weitereilte, versank sein Fuß im aufgeweichten Boden. Je mehr er vordrang, desto schwie- riger wurde es, in dem Schlamme zu gehen. Er sah sich genötigt, um zukehren, um einen höher gelegenen Weg zu benützen. Nach einem halb stündigen Umherirren hatte er das Städtchen endlich erreicht. Er sah lausende und hastende Menschen. Alte und junge Männer in wasserdichten Anzügen stürmten mit Säcken und undefinierbaren Gegenständen beladen dahin. Er hatte also richtig gefürchtet — die See mußte die Dünen durchbrochen haben! Man eilte, die aufgersisenc Düne mit Sandsäcken zu verstopfen. Aber was konnten kleine Menschenkräfte bei diesem anhaltenden Orkan machen! Und wenn er auch schwächer wurde: ehe die tosende See sich beruhigte, konnten Stunden vergehen! In den höhergelegenen Teilen der Stadt, in denen auch das Landrats amt, die Bürgermeisterei, das Krankenhaus und seine kleine Wohnung lagen, war wohl nichts zu befürchten. Wie aber mußte es in dem tiefer gelegenen Teile aussehen, der meist von kleinen Leuten und namentlich Fischern bewohnt wurde? Vor einer Schenke und Ausspannung in der Nähe seiner Wohnung gewahrte er Kutscher Anton, der im Kreise mit vielen anderen stand. Alle lamentierten sie laut. Nun trat Anton auf ihn zu und berichtete aufgeregt: „Die ersten Häuser da unten am Hafen sind alle futsch — bei die Dunkelheit sind sie einfach kopfüber gegangen. Keiner hat was von gemerkt. Bei dat heil lose Wetter hatte jeder mit sich zu tun. Immer höher steigt dat Wasser, die kleine Bach hat schon alles vollgelaufen. Nu kriegen wir auch eine See auf dat Land. In die Keller läuft es all, nächstens fahren sie nich bloß da unten, sondern auch oben mit die Kähne. ... Ja, ja, dat sag ich man, da unten dat Hafenland, dat is so ne Gegend, da dürft gar kein Mensch nich wohnen! Da kommt einem dat Wasser über den Kopp, ehe man noch Amen gesagt hat!" Er war so aufgeregt, daß er nur stoßweise sprechen konnte. „Der Herr Landrat sind schon dabei und der Bürgermeister auch — dit is noch doller wie Krieg, da kann man wenigstens den Feind packen, aber dat Wasser läßt sich nirgends anfassen." Kirdorfs ließ den Alten erzählen. Er wußte tragische Einzelheiten zu berichten. Kleine Kinder seien in den Betten ertrunken, das durch- brechende Wasser habe alles überrascht. Ehe man in der oberen Stadt davon erfahren, sei schon unglaublich viel Unglück geschehen. An diese Möglichkeit habe niemand gedacht, denn die Dünen hätten nun schon hundert Jahre und länger standgehalten. Als Hans sich anschickte, die Unglücksstätte gleichfalls aufzusuchen, schloß sich ihm der Alte an. Wo die Natur so gewaltig sprach, kam es niemand in den Sinn, an Klassenunterschied zu denken. Wie sic an Kirdvrffs Wohnung vorbeischritten, löste sich eine Gestalt aus einer Mauernische. Hella war es. Sie trat, vermummt wie ein Eskimo, heraus und vertrat ihm den Weg. „Ich warte auf Sie", sagte sie in ihrer kurzen Art. „Seitdem cs hell ward, stehe ich hier. Wo waren Sie? Sie können doch bei dem .Hundewetter nicht draußen kampiert haben? Schlafen konnte man ;a freilich nicht — aber um sich draußen zu verlustieren, war cs doch zu arg." Er überhörte ihre Frage und strebte vorwärts. Sie hielt mit großen Schritten gleichen Tritt mit ihm und musterte ihn dann und wann von der Seite. Ihr Instinkt sagte ihr, daß er ihre Frage nicht beantworten wollte. „Tie gnädige Frau Tante sind auch schon da unten", berichtete Anton, der im geheimen die Erscheinung „des wilden Fräuleins" kriti sierte. „Tie Frau Landrat hat ihr von sich alte Sachen angezogcn. So kurz und so knapp wie bei dem Fräulein ist das nun zwarst nich — aber um naß zu werden, immer gut genug?' „Ihre Stiesel sind ja bis obenhin durchweicht!" sagte Hella und musterte Kirdorfs wieder. „Allerdings!" war die kurze Antwort. „Aber in der Stadt ist doch alles gepflastert!" entfuhr es ihr. „Ja, aber in die Anlagen ist es schon ein Modder, weil dat Wasser so steigt", sagte Anton unschuldig. In Hellas Augen blitzte es auf: Sollte er wirklich bei Maria ge wesen sein, noch ehe sein Pflichtgefühl ihn zu der Unglücksstätte trieb? — Ein böser, häßlicher Gedanke durchzuckte sie. Sie schüttelte sich aber bald, als schäme sie sich seiner. „Ich dachte, Sie wären nicht neugierig", sagte er. „Im übrigen ist ein solches Fragen unweiblich. Sie sind doch kein Student, der Teil an meinem Junggesellenleben haben könnte." „Ganz recht!" Sie sah ihn düster an. Wieder betonte er, daß sie ohne jeden weiblichen Reiz für ihn sei, gerade er — durch den ihre Sehn- sucht, ein Weib zu sein, und als solches genommen zu werden — zum ersten Male erwacht war. Daß er ihr Bestes, das gleich einem heiß von innen herausflutenden Triebe jäh erwacht war, und das sie ihm gern rückhaltlos gegeben hätte — so gar nicht verstand und achtlos beiseite schob, machte sie krank und toll zugleich. . . . Immer tiefer verstrickte sie sich in den Reiz, der von ihm ausging. . . . Und je heißer sie empfand, um so abstoßender wirkte ihr ganzes Wesen auf ihn. . .. Mit wachsender Angst erkannte sie das. Viele Männer hatten sich ihr genähert, gierig und frech — auch teil nehmende waren darunter gewesen. Sie hatte über alle gelacht. Und dieser Eine, der sie, wenn er wollte, zu seinen Füßen hätte zwingen können als willenloses Geschöpf — dem sie alles, alles geben'— nichts versagen würde — der sah kalt und fremd über sie hinweg — ja, was das Härteste war, sie war ihm lästig! Sie merkte das an der Art, wie er dahinschritt und nur sprach, wenn sie fragte. Warum konnte er eingehend und freundlich mit dem alten, schlaublinzelnden Kutscher reden, der ihm ein willkommener Dritter bei diesem unfreiwilligen Beisammensein zu sein schien! Wenn er doch fragen wollte, warum sie auf ihn gewartet hatte! Dann hätte sie ihm wenigstens eine abstoßende Antwort, die nur ihr selbst weh tat, geben können. . .. Aber er fragte und sagte nichts. Sein Sinn war jetzt ganz auf die Unglücksstätte gerichtet, der sie immer näher kamen. (Fortsetzung folgt.) . * * (Auf Wunsch wird der Anfang dieses Romans neu hinzutretenden Abonnenten kostenlos nachgeliefert.) 8 Z ru ckon beliebten unä beväbrten II » 12«« 14«« LS«« kU»88nia«tvr. bedeutend billirrer Sokllp'"""" IUNPPVN Rindleder v. 4.75 an. 8ekr preiswert u. baltdur. 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Um nun das geehrte zahuleidende Publikum davon zu überzeugen, daß ein tüchtiger, gewissenhafter Fachmann jetzt tatsächlich Zähne und Wnrzeln schmerzlos entfernen kann, so bin ich bereit, falls die in meiner Praxis schon mit grösztem Erfolge erprobte Be handlung nach neuester schmerzloser Methode nicht völlig der Zufriedenheit entspricht, dieselbe kostenlos auszuführen. k. Lavksrmrmn, Institut tilr Lr»liuI<-i«Ivn«Ia, Grimmaijcher Steinweg 20 o»o«o (Johanmsplay). Telephon 11643. ^iscbxstlleh '/ srest in sn- zH ZcrUll.töln.llzmdllrr. rrlllltnirt».» .Vt», Sne.IsiIrsd.esri,, LAem/s. 1.»9bdrbsto üusreicbnuntzen.