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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.03.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-03-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190903240
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19090324
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19090324
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1909
-
Monat
1909-03
- Tag 1909-03-24
-
Monat
1909-03
-
Jahr
1909
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über die Wiener Revolution von 1848 enthielt. Tas Buch ist schon 'ruber erschienen und wurde seht in Lieferunaen neu herauSgegebeu. Ter Broschüre ist ein Ausruf „An das Militär! vorgedruckt. Ter An ge klagte hängte daS .^est sv ins Schaufenster, daß der Aufruf gelesen werden konnte. Die Soldaten werden darin ausgesordert, für Wahrheit i'nd Recht zu kämpfen. Recht und Wahrheit, heißt es dann, ständen aber iichl auf feiten der Regierung, sonders des Volkes. Sie würden leicht in die Lage kommen, auf ihre eigenen Väter und Brüder zu schieben. Tas sollten sie der späteren Gewissensbisse wegen nicht tun. In diesen Säuen erblickt das Gericht Aufforderung zum eventuellen Ungehorsam eegcn die Befehle der militärischen Vorgesetzten. — Die Revision des Angeklagten wurde von Rechtsanwalt Dr. Frank vertreten. Ter Reick: anwast beantragte die Verwerfung der Revision. Fcstgestellt sei, dan der Angeklagte mit der Ausstellung auch politische Zwecke verfolgt babe, nämlich Einwirkung auf die Personen des Beurlaubtenstandes. — Tas Reichsgericht verwarf die Revision. ASnigliche» Schwurgericht. ; Leipzig, 23. März. Wegen betrügerischen BankerottS und Beihilfe zu diesem Verbrechen bauen sich beute der Kalk- uird Kohlenhändler MaxHugoJunghanS ans Niederfrankcnbain und seine Ehefrau Anna Hulda Junghans geb. Seidel aus Großböbla vor den Geschworenen zu verantworten. JungbanS ist 33 Jahre, seine Frau 30 Jahre alt, sie heirateten im Jahre 1899, ein Jahr, nachdem Junghans vom Militär entlassen worden war. Er bekam eine Stellung a!S herrschaftlicher Kutscher in Ronneburg, wo er mir seiner Familie bis zum Jabre 1905 geblieben ist. In dieser Zeit haue Jungbaus 235 Ersparnisse gemacht, seine Frau hatte etwa 100 und ihre Aussteuer, samt nichts. Als Junghans dann von seinem Vater, der Gutsbesitzer ist, 1500 als Erbteil bekam, siedelte er nach Deuben über und kaufte von dem Bruder seiner Frau dessen Kalk- und Kc'.üenacsckäft und auch das HauS nebst Gartengrundstück. Für die Ge- schäftSoestände zahlte er an seinen Schwager 200 -F bar, für das In ventar 5000-,7 und für Hauö und Garten 20 000 Diese 25 000 «K blieben hypothekarisch stehen und mußten mit 4 Proz. bzw. 15 009 davon m:t 4'4 Proz. verzinst werden. Das Geschäft ist nicht gegangen, wie man erwartet batte, denn schon im Jahre 1906 mußte Junghans eine weitere Hypothek von 4000 -7 aufnehmen, so daß er an Zinsen jähr lich 1200 -V zu bezahlen hatte. Er kam in seinen PcrmogenSverhältnissen mehr und mehr zurück und am 24. August 1908 wurde über sein Ver mögen der Konkurs eröffnet. Da bat er denn, in der Absicht, Vermögens, üückc dem Zugriffe seiner Gläubiger zu entziehen, wie die Anklage an nimmt, mit seiner Frau zwei Scheinverträge abgeschlossen, und zwar mt er ihr das Inventar und eine SicbcrungShyvotbek von 8600 ,1k über schreiben lassen, angeblich, weil sie ihm so viel in die Ebe eingebracht habe. Das iü aber nicht der Fall gewesen, es wären höchstens 2000 gewesen. Während Jungkans selbst sich nach anfänglichem Leugnen zu einem Geständnis beguemte, blieb Frau Junghans dabei, das; sic sich kcuier Schuld bewußt sei. Die Geschworenen billigten beiden Ange- klagten mildernde Umstände zu. Diesem Wahrspruche gemäß wurde JungbanS zu sieben Monaten Gefängnis und 2 Jahren Ehren, rccbtsverluit und Frau JungbanS zu vier Monaten zwei Wochen Gefängnis verurteilt. Auf die Strafe wurden JungbanS 4 Mo nate 2 Wecken, Frau JungbanS 2 Monate 2 Wochen in Anrechnung ge bracht. Außerdem wurden beide Angeklagten aus der Haft entlassen. Aöriiglichcs LanSgericht. ; Leipzig, 23. März. Schwere EinbruchSdiebstähle. In der Nacht zum 18. Januar brachen der 39 Jahre alte Barbier Gustav Paul Wilhelm Hertling aus Leip zig und der 24 Jahre alte Handarbeiter Gottlob Paul Kahlert aus Suerfurt in den Laden deö Schuhwarenhändlers Sch. in der Kolonnaden- straße ein, nachdem sie die Ladentür mit falschem Schlüssel geöffnet hat ten, und entwendeten eine große Partie Herren- und Damenstiefel und Schuhe, die einen Wert von mehr als 200 hatten. Tann statteten sic auf die gleiche Manier dem Laden des Produktenhändlers K. einen un erwünschten Besuch ab und stablen ihm 4 <kk bares Geld, eine größere Quantität Butter, Wein und Konserven. Hertling hat außerdem auch noch im November v. I., als er aushilfsweise bei einem hiesigen Barbier in Stellung war, den Geburts- und Taufschein eines Arbeitskollegen ge stohlen. Hertling, der wegen Bettelns, Landstreichens, Glückspiels, Kör perverletzung, einfachen und schweren Diebstahls schon sehr oft bestraft worden ist, wurde zu fünf Jahren Zuchthausstrafe verurteilt, gegen KaHlxrt, der wegen Diebstahls eine längere Gefängnisstrafe ver- oü'zt, erkannte der Gerichtshof auf eins Zusatz st rase von einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis. Pki einem gelegentlichen Zusammensein in einem Bierlokale in der inneren Stadt nahm die Prostituierte Frieda Helene Stempel die günstige Gelegenheit wahr und entwendete einem Weinhändler die gol- bene Uhr im Werte von 390 -tk. Der Bestohlene merkte seinen Verlust aber noch rechtzeitig und ließ die Diebin verhaften, die Uhr wurde im Futter des Kleides vorgefunden. Zuerst behauptete die Stempel, ein Unbekannter babe ibr die Ubr zugesteckt mit dem Bedeuten, sie solle ihm diese zum Berliner Bahnhof bringen, dann aber gestand sie den Diebstahl Sie se: betrunken gewesen und wisse von dem Vorgänge nichts Ge naues mehr. Daö Urteil gegen die schon oft bestrafte Angeklagte lautete aus acht Monate Gefängnis. Verscheucht. Tic beiden Geschirrführer Richter und Henschel hatten sich am Abend des 10. November kennen gelernt, und da sie beide mittellos waren, so machte H. seinem Freunde den Vorschlag, eine ..Sache zu drehen". R. war auch damit einverstanden; beide verschafften stch ein Stemmeisen und begaben sich in die Elsterstraße, wo sie über einen Zaun in ein Grundstück cimtiegen. N. blieb als Wache im Garton zurück, während H. eine Scheibe einer Glasveranda eindrückic und eben dabei war, die Tür auszubrechcn, als der dazukommende Haus mann die Einbrecher verscheuchte. Vor der vierten Strafkammer des Landgerichts wurde Richter zu einer Gefängnis st rafe von drei Monaten und Henschel, der ein rückfälliger Dieb ist, zu einer Ge fängnis st rase von neun Monaten verurteilt. Die bürger lichen Ehrenrechte wurden H. auf die Tauer von fünf Jahren ab erkannt. rronigliche» Schöffengericht. : Leipzig, 22. März. Tas Schustermesscr. Am Abend des 17. Februar kam die Ehefrau oes Schuhmachers H. aus die Polizeiwache gelaufen und bat um Schuh gegen ihren Mann, der zu Haus: in der Wohnung umherskandaliere, alles zu zerschlagen gedroht habe und sie mit dem Schustermesser um bringen wolle. Es wurden der Frau von dem Polizeiwachtmeister zwei Beamte mitgcgcbcn, die H. in seiner Wohnung antrafen. Ihren Vor stellungen, sich ruhig zu verhalten und nicht einen solchen Spektakel zu machen, gab H. kein Gehör und so wurde ihm die Arretur angekündigt. Darüber aber wurde H. rabiat. Mit der einen Hand auf dem Rücken, als ob er darin irgendeine Waffe trage, ging er auf den Beamten los, der sein Seitengewehr zog, um den H. einzuschüchtcrn. Dann faßten die beiden Beamten zu und nahmen den Arrestanten mit, was aber nicht ohne heftigsten Widerstand von feiten H.s geschah. Auf der Wache hat H. seinen Radau noch eine Zeitlang fortgesetzt, geschimpft und getobt, bis ihm mit Anlegung der Zwangsjacke gedroht wurde. Vom Schöffen gericht wurde er jetzt zu drei Wochen Gefängnis und einer Hast st rafe von drei Tagen verurteilt. (*in Wiener Raubmord vor den Berliner Geschworenen. Ux. Berlin, 23. März. Per dem Schwurgericht des Landgerichts Berlin I begann heute der Prozeß gegen den Uauimann Richard Henkel, der der Ermordung deS 64jährigen Juwcl'ers Julius Frankfurter beschuldigt wird. Ten Vorsitz führt Landgerichts direktor Spiet tstößer, die Staatsanwaltschaft ist durch Staatsanwalt To. Kreymar vertreten, als Verteidiger fungiert Rechtsanwalt Dr. Alsberg. Bei der ÄuSlo'ung der Geschworenen macht der Verteidiger in vielen Füllen von dem Rechte der Ablehnung Gebrauch. Auf Befragen deS Vorsitzenden gibt der Angeklagte zu, die Tat begangen zu haben, sucht sie aber als Totschlag tünzuüellen. Er behauptet, er babe nur die Absicht gehabt, zu rauben, uns habe mit seiner Waffe den Juwelier Frankfurter nur einlchüchlern wollen. Er erklärt anfangs, daß die Waffe »in Revolver gewesen fei. muß aber dann zagest,den, daß es eine Browningpistoie war. Ter Vorsitzende läßt nunmehr den Angeklagten seinen Lebenslauf erzählen. Henkel g'bt an, er sei am 3. September 1836 in Gera als der Sobn ziemlich armer Ellern ge boren und habe dort die Lutberschule lesuckt. Mit viercrbn Jabren ist er in ein Geschäft alS Kaufmannslehrling eingetreten. Bald darauf beging er seine crfle Unterschlagung, die ober der Vater gedeckt hat. Nach weiteren Unl.r- schlagungen in Gera kam er 1904 nach Berlin, wo er zunächst eine Stellung bei der Firma Bukoszer fand. Tort kam er bald In den Versacht, eine Unter schlagung begangen zu haben, die ibm aber nicht nachqewiesen werden konnte. Er verlor seinen Posten und trat bei einer anderen Firma ein. der er 2400 unterschlug. Tamit fuhr er nach Monaco und Nizza, wo er sich amüsiert^ bi» das ganze Geld aoSgegeben war. Dann kehrte er nach Berlin zurück und stellte sich selbst dem Gericht. Er erhielt rin Jahr Gefängnis. Am 7. Oktober 1908 wurde er aus der Halt entlassen und erdielt von seinem Vater nach und nach 1050 llr eröffnete ein Geschält mit pharmazeutischen Artikeln, mietete sich ein großes Bureau dazu und lebte aus allergrößtem Fuße. AlS daS Geld alle war, wollte er sich wie er brhauvtet, nach Belgrad begeben, um sich als Kriegsfreiwilliger anwrrben zu lassen. Tatsächlich kam er aber nur bis Wien, wo bald sein letztes Geld auSgegebcn mar. Ter Angeklagte behauptet, er habe vom 5 Tezeinber an nichts mehr gegessen und will es so darstellrn, als ob er den Raub an dem Juwelier Frankfurter in größter Notlage begangen hebe. Es wird ihm aber vorgehalten, daß er morgens stets Kaffee und Bröt chen und mittags einen Braten genossen habe. Nach der Tat ist der Angeklagte im Wiener Prater spazieren gegangen und hat dann die Vorstellung iiii Karl- thealer besucht. (Forts, folgt.) Der Mordprozeß Breuer. (Fortsetzung.) * Trier, 23. März. Im Verlaust der gestrigen Verhandlung erklärte der Angeklagte auf Be- fragen des Boisitzenden, daß er mit Matbonet auf telegraphische Aufforderung eine Zusammenkunft gehabt habe. Sie seien beide spazieren gegangen und sprachen über geschäftliche Angelegenheiten, so über die Beteiligung MatbonetS an der Radrennbahn in München-Milbertsdofen. Sie kamen auch auf Natur schönheiten zu sprechen. Er, Breuer, sei vorangeganqrn, Mathonrt folgte in ge ringer Ents-rnung AlS er sich die reizende Gegend berrachtete, Hörle er plötzlich zwei Schüsse fallen. Er drehte sich um und sah Mathonet tot zu Boden sinken. — Bors.: Es ist aber ausfällig, daß Sie versucht haben, die Depesche an Matbonet hinter einem Felsvorsprung zu verstecken. — Angekl.: Darin sehe ich nichts Auffällige». Ich gebe ja zu, die telegraphische Aufforderung an Mathonet gerichtet zu haben. Der Angeklagte gibt weiter zu, daß er viel Geld in dem jetzt aufgelösten Anglo- Amerikanischen Klub Unter den Linden in Berlin und durch Rennbetriligungen im Auslände sow-e am Totaliiator gewonnen babe. Der Vorsitzende ma i t ibm hier zum Borwurf, daß er seiner Frau, die als einfache BergmannSsrau lebe, nicht den notwendigen Unterhalt gewährt habe. — Angekl.: Das ist nicht wahr; ich babe meiner Frau monatlich 60 geschickt. — Es kommt dann weiter zur Sprache, daß der Angellaate in Berlin außer seiner Geliebten auch noch andere Verhältnisse haste. Aus Befragen des Vorsitzenden erklärt der Angeklagte, daß er gar nicht wisse, was der Ausdruck homosexuell bedeute. ES gelangt hierauf die Korrespondenz zwischen dem Angeklagten und dem Ermordeten zur Verlesung. Aus dieser geht hervor, daß zwischen beiden ein perverleS Ver hältnis bestanden haben mutz da der Angeklagte fast sämtliche Briese mit der Unterschrift versah: „Deine dich liebende Freundin I." ES gelangt weiter ein Bries des steckbrieflich verfolgten Zeugen Peters zur Verlesung, aus dem hervor- gedt, daß Peters von dem Angeklagten große Summen erpressen wollte. So dann wird der zum Tode verurteilte Maagh als Zeuge ausgcrnsen Vorsitzender: Auf Fragen, durch deren Beantwortung Sie fick eine Strafverfolgung zuziehen könnten, brauchen Sie nicht zu antworten. — Zeuge Maagh: Ich verweigere meine Aussage. — Zeuge Kriminalkommissar Laubbütte (Aachen) macht Bekundungen über das verschwenderische Leben des Angeklagten. — Zeuge Tr. Kaufmann äußert sich über den Leumund des Ermordeten Matbonet. Dieser sei ein lebenslustiger, leutleliger Mann gewesen, dessen Wohltätigkeit und Mildherzigkeit in der ganzen Umgegend bekannt war Sein Charakter lasse einen Selbstmord als ausgeschlossen er cheinen. — Es wird sodann die Gebebte des Angeklagten, Grete Schmidt, vernommen. Sie bekundet, daß sie jabrelang ein intimes Verhältnis mit dem Angeklagten hatte. Dieser habe ihr die Wohnung eingerichtet und ihr monatlich über tausend Mark gegeben. Eine andere Berliner Halbweltlerin bekundet, daß der Angeklagte einmal bei einem Sektgelage in einem Nachtlokal der Friedrich- siadt einen geladenen Revolver auf den Tisch legte und die Aeutzerung tat, die eine Kugel ist für Nobl bestimmt, weil der mich beim Karten- spielen beinogelt hat, die andere für den Rentier Mathonet. — In der heutigen weiteren Zeugenvernehmung wird zunächst die Frau des Angeklagten vernommen. Sie wohnt gegenwärtig mit einem Kinde in Lüttich. Von dem Angeklagten habe sic mvnalUch 200 bekommen. Ihr Mann kei stets sehr jäbzorig und aufbrausend aewesen. Nack ihrer Vernehmung bittet die Zeugin unter großer Bewegung im Zuhörerraum Leu Gerichtshof um eine Unterstützung, da sie gegenwärtig ohne Subsistenzmittel dastede. — Der nächste Zeuge Brief träger Schenk (Gerolstein) ist bei der Auffindung der Leiche zugegen gewesen. Als er einen Schutz fallen hörte, eilte er nach der betreffenden Stelle. Mathonet lag tot am Boden. Der Angeklagte stand dabei mit einem Revolver in der Hand. In dem Augenblick, als der Zeuge biinulam, feuerte er noch einen Schutz gegen den Felsen ob. — Zeuge Fabrikdirektor Winkler (Gerolstein) befand sich ebenfalls nm die betr. Zeit am Tatort. Er habe gesehen, wie der Angellagte neben der Leiche stand und einen Revolver in der Hand hielt. Er habe ihn gefragt, was daS zu bedeuten habe. Ter Angeklagte erwiderte, er sei selber darüber erschrocken, das, Mathonet sich erschossen bätte. — Mehrere Berliner Radrennfahrer, die vollkommen erschöpft'"eb?n von Lein Berliner Sechstagerennen angekommen sind, einige Halbwclt- lerinnen und Bardamen aus den Nachtlokalen der Berliner Friedrichstadt schil dern den Angeklagten als sehr rabiaten und aufgeregten Mann. Er habe namentlich gegen den Rennfahrer Robl Unsummen verspielt. Tie Zeugen wun derten sich über die vielen Geldmittel, die dem Angeklagten zur Verfügung standen. Es wurde immer gesagt, daß die Geldquelle eine unlaulere sein müsse. — Zeuge Kriminalkommissar TreSckow II aus Berlin hat die Ermittelungen geleitet. Es ist ibm von Zeugen in Berlin erzählt worden, Latz der Angellagte enorme Summen für sicv verbrauchte. Jeden Schmeichler, der ibn zu nehmen verstand, lud er zu einem Scktgelage ein. Die Kotzen für einzelne Zechereien beliefen sich bis auf 600 ^ll Gewöhnlich bestellte er 5 bis 6 Flaschen ter teuersten französischen Marken auf einmal. Einmal goß er die Flaschen in einen Eislübel und gab diesen an die drautzen wartenden Droschkenkutscher. An 1000 VL monatlich gab er für Frauenspersonen aus Tabe, hatte er als Rennfahrer ein Einkommen von höchstens einigen hundert Mark. Diese Einnahmen standen in gar keinem Verhältnis zn seinen Spiel verlusten. Dem Zeug-n sind Fälle bekannt geworden, wo der Angeklagte 12 000 und 30100 an Robl im Spiel verloren hat. Seine Bekannten schilderten den Angeklagten als widerlichen Protzen. Tie Geldscheine trug er meistens lcüe in der Tasche. Einmal wischte cr sich mit einem 1000-Mark- schein die Na'e. Seine Bekannten schilderten Breuer als jähzornig und sprachen davon, Latz seine Geldmittel aus unreeller Quelle stamme» müssen. Ter Angeklagte müsse in den letzten Jabren an D OOOO.^l auSgegeben haben. Er habe schon srüber zwei kleine Revolver getragen, die in der Schwäbischen Straße bei seiner Geliebten beschlagnahmt wurden. Der steck brieflich verfolgte Zeuge Leters, der die aeickästlichen Angelegen heiten Breuers besorgte, habe sofoit an dem Tage, als die Mordtat in den Berliner Blöltcrn bekannt wurde, geäußert: Kein anderer als Breuer ist der Täter, lieber die unlauteren Beziehungen zwischen Breuer und Mathonet konnten die Bekannten des ersteren nichts angeben. Auf Befragen des Staatsanwalts erklärt Kriminalkommissar v. TreSckow noch: Breuer sei alS jähzorniger Charalter geschildert worden. Schwächeren gegenüber war er brutal, vor Stäikeren duckte er sich. — Auf Antrag der Ver teidigung wollen einige Vertreter von Kölner Waffengejchästen vernommen werden, um zu ermitteln, ob der Revolver dem Angeklagten oder Malhonet gehörte. (Fortsetzung folgt.) (:) Dresden, 23. März. BetrugSprozeß. Die am vorigen Dienstag vor der dritten Strafkammer deS hiesigen Königlichen Landgerichts begonnene Verhandlung gegen den Agenten Pank Traugott Herman Horra und 26 Mitangeklagte wegen vollendeten und versuchten Betrugs, Anstiftung und Bei hilfe wurde gestern nachmitlag 3 Uhr zu Ende geführt. DaS Urteil lauiet für Horra aus eine Zuiatzsttase von 4 Jahr 3 Monaten Gefängnis, für vier Angeklagte auf Freisprechung, für die übrigen Anacklagien wurde auf Gefängnis bis zu 8 Monaten, auf Geldstrafen von 30 bis 900 ./L event. 6 bis 180 Tage Gefängnis erkannt. — Der nächtliche Ueberfall im Moabiter Untersuchungsgefängnis, dem beinahe ein Geiangenausscbcr zum Opfer gefallen wäre, beschäftigte am Montag das Berliner Landgericht. Aus der Untersuchungshaft wurde der 21jährige Buchhalter Rubin vorgeführt, der sich wegen Körperverletzung mit gefährlichem Werkzeug, tätlichen Angriffs auf einen Beamten sowie wegen Unterschlagung zu verantworten hatte. Er wurde zu 2^4 Jahren Gefängnis verurteilt. * Betrügerische Heiratsvermittler. Nach achttägiger Verhandlung erkannte das Schwurgericht in Dortmund am Montag gegen drei Heiratsvermittler wegen Meineids und Betruges aus vier Monate bis drei Jahre Gefängnis. Geschädigt sind hauptsäch lich Bauern, denen die Angeklagten reiche Frauen versprochen hatten. Vermischtes. Erplosivn. Aus Hamburg meldet uns ein Privatteleqramm: Auf dem im Hasen am BeiSmannSkai liegenden Schleppdampfer „Eduard" erfolgte gestern eine Kesselexplosion, bei der drei Mann ver Besatzung schwer verbrüht und einer getötet wurde. Das Schiff ist vollständig demoliert. Schweres vrandunglück. Aus Hamburg wird unS unterm 23. Mar; gemeldet: Heute vormittag brannte ein Speicher der Getreide- und Futtermittelsirma Fontheim in der Jdastraße vollständig nieder. Dabei wurden zwei Ewerjübrer ver schüttet und einer von ihnen erschlagen. Auch ein Feuerwehr mann wurde verletzt. Attentat gegen einen Nachtwächter. Au» Kreuznach wird uns ge meldet: Än dem Dorfe Schwarze Erde wurde das HauS des Nacht wächters Horbach durch eine Dynamitbombe, die in verbreckeri'cher Absicht in daS Ofenrohr gelegt worden war, in die Luft gesprengt. Horbach hatte kurz vorher das HauS verlassen. Olga Molitor verlobt. Aus München wird gemeldet. DaS ans dem Han-Proz eß bekannte Fräulein Olga Molitor verlobte sich mit dem Arzt Gsetzes aus Würzburg. Die geheimnisvolle Leiche. Eine geheimnisvolle Mordaffäre hat sich in Nom ereignet. Von dort wird uns darüber berichtet: In der Dachstube eines Hauses an der Via Frattin» in Rom wurde ein Koffer mit der in Verwesung übergegangeurn Leiche eines anscheinend dreißigjährigen, elegant schwarz gekleideten blonden Mannes von starker Figur aufgefuuden. Die Be sitzerin des Hauses erklärt: Am 25. Februar mietete ein Mann von 45 Jahren namens Tarassoff oder Rom ans ff daS Zimmer, am 26. habe er einen Koffer gekauft und am 27. habe er gesagt, er er warte zwei Freunde und werde am andern Tag abreisen. Abends seien die zwei Freunde, und zwar einzeln, gekommen. Später sah man den Mieter mit einem der bcideu Herren das HauS verlassen. Die Leiche zeigt keine Verletzungen, und es scheint, datz das Opfer, durch Chloro form oder Schwefeläther betäubt, lebend in den Koffer eingrschlosscn worden ist. Man glaubt, daß eS sich um eineu politischen Mord hanvelt. Der Sarg an der Festtafel. Aus Yokohama wird uns geschrieben: Jshida, ein vornehmer Japaner, bemerkte, daß seine Tochter seit einiger Zeit besondere Sorgfalt auf ihre Kleidung verwandte. Er schöpfte Ver- dacht, daß die junge Dame sich schmücke, weil die Liebe in ihr Herz ein gezogen sei, und machte ihr deswegen heftige Vorwürfe. Dies nahm sich das Fräulein so zu Herzen, daß es sich in den HauSbrunnen stürzte, auf dessen Umfassung der Vater ihre Sandalen fand. Seine Tochter tor wähnend, ging er sofort zu einem Tischler und bestellte einen prächtigen Sarg. Als er nach Hause zurückkehrte, fand er seine Tochter, bei der die angewandten Belebungsversuche Erfolg gehabt hatten, frisch und gesund vor. Den nun nutzlosen Sarg zurückzunehmen, weigerte sich jedoch der Tischler. Herr Jshida wies dem grausigen Möbel nunmehr den Ehren platz bei dem Festmahle an, das er zur Feier des glücklichen Ausgangs dieses Dramas veranstaltete. Religionswechsel aus praktischen Gründen. ES ist bekannt, daß Zar Nikolaus Öl. seinen geliebten Untertanen neben zahllosen andern „Frei heiten" auch die Gewissensfreiheit geschewkt hat, d. b. die Freiheit, in Glauberssachen zu denken und zu tun, was ihnen beliebt. Man hätte meinen können, daß diese Reform nach der jahrhundertelangen Knechtung der Gewissen zu den schlimmsten Exzessen führen und daß in Glaubens dingen in Rußland eine vollständige Anarchie eintreten würde. Das ist aber nicht der Fall gewesen: die Proklamierung der Glaubens- und Gewissensfreiheit hat viÄmehr eine ganz unerwartete, nüchterne und praktische Wirkung gehabt. „Die Russen , so schreibt man dem „Petit Parisien" aus Petersburg, „geben ihre Religion nicht aus, um sich von jedem theologischen Dogma zu emanzipieren, sondern einfach, um für die alte Religion eine bequemere neue einzutauschen. Und die aller- beqnemste Religion, wenn man so sagen kann, ist die mohammedanische. Der Koran ist nämlich für Eheleute, die sich in der Ehe nickt glücklich fühlen, ein geradezu idealer Helfer: man braucht nur zu erklären, daß man mit seiner Ehefrau unzufrieden ist, und kann sie dann sofort in Gnade oder Ungnade entlassen. Weqen dieser überaus einfachen Art der Ehescheidung haben sich die Russen in den Koran direkt verliebt, und der Enthusiasmus für die mohammedanische Religion ist so groß, daß der Heilige Synod Zetermordiv schreit und den Haren flehentlich bitter, den Ukas, der die Glaubensfreiheit verkündete, wieder zurückzunehmcn." Ein Vermächtnis für die Pariser Journalisten. Die „Associa tion des journalistes parisien s" erhielt in ihrer Haupt versammlung. die sie am vergangenen Sonnabend abhielt, durch ihren, bekannten Präsidenten Alfred MSzidres die überraschende Mit teilung; daß sie mit einem reichen Vermächtnis bedacht worden sei. Ein ehemaliger Journalist, der später Zolldirektor geworden war, Herr Louis Äigot, hat die Association zn seinem Universalerben eingesetzt. Der Wortlaut des Testaments ist noch nicht bekannt. Nur so viel ist bekannt daß das der Association vermachte Kapital nach Abzug der durch die Auslage — Zuwendung an das Museum des Louvre und an die Unterstützungskasse der Zollbeamten — bestimmten Summe zur Gründung eines Bersorgungshauses verwendet werden soll, das aus schließlich alten Pariser Journalisten aller Parteien offen stehen soll. Von Interesse ist die Begründung dieser hochherzigen Zuwendung, die der Testator dem Testament vorausgeschickt hat. Er schreibt: „Da ich zwanzig Jabre hindurch als Berufsjournalist gelebt babe, also aus eigener Erfahrung die meist aufreibende schwere Arbeit der Presse kenne und selbst viele Journalisten in Not habe sterben sehen, wünsche ich meinen alten Kolleaon, die durch Krankheit oder Alter in Not geraten sind, zur Hilfe zu kommen." — Wenn das Vermächtnis nicht zum Bau eines Versorgungshauses reichen sollte» so würden die Zinsen zur Unter stützung kranker und unglücklicher Journalisten verwendet werden, bis event. neue Zuwendungen den Bau ermöglichten. Ein Mann gelyncht, weil er seine Frau mißhandelte. Die seit einem Jahre verheirateten Eheleute Poirier in Paris hatten ein Theater be sucht und warteten an der Haltestelle auf die Straßenbahn, die sie nach ihrem Heim zurückbringen sollte. Hier machte der eifersüchtige junge Ehemann seiner Frau Vorwürfe, daß sie einem Herrn, der sie aus einer Loge anstarrte, freundlich zugelächelt habe. Im Laufe des Streits packte Poirier, der Werkmeister in einer Automobilfabrik in Saint-Denis ist, seine Frau bei den Haaren und schleuderte sie so heftig auf das Straßen pflaster, daß sie einen Schädelbruch erlitt, der ihre Ueberführung ins Krankenhaus nötig machte. DaS Publikum, das diesem Vorgang mit Unwillen gefolgt war, fiel nun über den rohen Ehemann her und be arbeitete ihn mit Faust, und Stockschlägen. Die Polizisten hatten Mühe, ihn der wütenden Menge zu entreißen. In einer benachbarten Apotbeke mutzte er vor dem Gang aufs Polizeibureau seine zahlreichen Wunden verbinden lassen. Die Mißhandelte weigerte sich großmütig, gegen ihren Mann Strafantrag zu stellen. Lustiges von einem BohSmien. Man schreibt uns: Ein echter Bohemien-Typus war der vor einigen Tagen in Venedig verstorbene Literat Angelo Tessarin, von dem ein Mitarbeiter des „Piccolo" amü sante Geschichten zu erzählen weiß. Tessarin trank jeden Abend seinen Kaffee im E<ff6 Martini, ohne auch nur ein einziges Mal zu bezahlen. Eines Abends aber erlaubte sich der Kellner, ihm die Rechnung vor zulegen und in höflichster Weise um Bezahlung zu Litten. Da hätte man Tessarin sehen sollen! Er sprang voller Wut von seinem Sitze aus. rief mit Pathos: „Das ist eine kolossale Gemeinheit! Wie kann man nur einem Manne von meiner Bedeutung mißtrauen!" und wandte fick schließlich an den Besitzer des Kaffeehauses mit den Worten: „Borg mir mal zwanzig Eentcsimi!" — „Wozu brauchst du denn zwanzig Eentesimi?" fragte der Kaffeebauswirt, der die Szene nicht beigewohnt hatte. — „Das werde ich dir später sagen", erwiderte Tessarin. „Gib mir erst mal die zwanzig Eentesimi!" Der Wirt gab sie ihm, worauf Tessarin seinen Hut anfschte und mit den Worten: „Jetzt werde ich meinen Kaffee in einem anderen Kafseehause trinken!" das Lokal verließ. Das Cafö Martini hatte seinen treuesten Gast verloren . . . Eines Tages wurde Tessarin von dem bekannten Librettisten und Komponisten Arrigo Boitv zum Essen ringelnden. „Ich nehme die Einladung am, aber nur unter der Bedingung, daß ich den Kaffee zahle", sagte der Kunstzigeuner. Beim Kaffee stellte Tessarin zn seiner großen Betrübnis fest, daß er das Portemonnaie zu Hause vergessen hat. „Borg mir mal zehn Lire", sagt cr mit einer vornehmen Handbeweaung zu Bosto. Boito gibt ihm die zehn Lire, worauf der originelle Mann mit einer Triumphatormienc den Kaffee bezahlt und ... den Rest des Geldes in die Tasche steckt. Drollige Szenen spielten sich ab, wenn Tessarin einmal inS Stottern kam: er war nämlich ein Stotterer, trug aber sein Unglück mit Anstand und mit Würde. Eines Tages trat er in einen Tabakladen, um eine „Trabucos" zn kaufen. Zu seinem Leidwesen wollte ihm aber :m kritischen Moment das Wort „Trabucos" nicht aus dem Munde kommen. „Geben Sie mir eine Tr..., geben Sie mir eine Tr..., «ine Tr...", sagte er zu der ratlos dastehenden Verkäuferin, um dann plötzlich, voll Wut gegen sich selbst, in die Worte auszubrechen: „Dann geben Sie mir, zum Donnerwetter, eine Briefmarke — in dieser verdammten Stadt kann man ja nicht einmal rauchen!"
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