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DAS ATELIER DES PHOTOGRAPHEN. j 6 [Heft i. Der Gummidruek und dessen praktische Ausführung in der Porträtphotographie. Es wird heute noch von vielen Berufsphoto graphen der Gummidruck wie eine Spie lerei ange sehen, welche gerade gut ist, um den Ama teuren ihreZeit zu vertreiben, vondenBerufs- Photographen hingegen nicht ernst zu nehmen sei. Es mag dies zum Teil daher rühren, dass die meisten der so Urteilenden noch nie einen Gummidruck in Händen gehabt oder ihr Urteil über den selben nach den in verschiedenen Zeitschriften erschienenen Reproduktionen nach Gummidrucken gebildet haben, oder auch durch einzelne Aus wüchse auf diesem Gebiet — die notabene nicht zu den Seltenheiten gehören — sich haben abschrecken lassen. Diejenigen, welche noch nie einen Gummi druck vor Augen hatten, können sich naturgemäss kein Urteil bilden, denn der richtige Effekt eines solchen lässt sich nach meiner Ansicht durch eine Reproduktion nie, am wenigsten aber in Autotypie wiedergeben. Wenn aber manche Vertreter dieses Ver fahrens in ihrem Eifer etwas weitgehen, und Dr. Carstens-Wandsbek. Heinrich Kühn - Innsbruck. in sonst löblichem Streben, Künstlerisches im modernen Sinne zu schaffen, auf Abwege ge raten sind, so ist das kein Grund dem Verfahren selbst sich indifferent oder feindlich gegenüber zu stellen. Die Photographie hat sich schon seit Jahren auf dem Punkte befunden, der zu dem Schlüsse führen musste, dass die Leistungen der Porträt photographen sich immer mehr verflachen, immer langweiliger werden. Es ist nicht zu leugnen, dass der noch so strebsame Photograph bei den Tausenden und aber Tausenden von Aufnahmen eine solch un geheure Menge von Ideen in Bezug auf Stellung und Beleuchtung verausgabt, dass es zu ver- Dr. H. Henneberg -Wien. wundern wäre, wenn in dieser Richtung nicht eine allmähliche Einseitigkeit Platz greifen würde. Kann es fernerhin wunder nehmen, wenn mancher Fachmann kaum noch Freude an den vom Kopierer mechanisch kopierten Positiven hat? Alltäglich hört man, die Photographie ist eine Kunst, aber betrachten wir uns die, welche am lautesten schreien, so werden wir finden, dass diese sehr häufig am wenigsten dazu thun, um die Photographie dieser Bezeichnung würdig auszuüben. Es ist ja sehr richtig, dass der vielbeschäftigte Photograph kaum Zeit findet, um die Herstellung des Positives auch nur richtig zu überwachen, geschweige denn selbst auszuführen. Und den noch ist ja das Positiv das Endresultat, das Produkt unserer Arbeit, welches auf die Be zeichnung als künstlerisches Erzeugnis Anspruch machen soll. Wir werden uns wohl auf ewige Zeiten damit zufrieden geben müssen, die Dutzendware von Visit und Kabinett wie bisher auf diesem Wege entstehen zu sehen. Wir werden uns aber auch mit dem Gedanken befreunden müssen — der Anfang ist ja gemacht — dass diese Art von Bildern in Zukunft dem Publikum von