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1899.] DAS ATELIER DES PHOTOGRAPHEN. [Heft i. lerische Leben in diesem letzteren Verein sich in den achtziger Jahren gestaltet und in welcher hervorragenden Weise Vogel diesen Verein geleitet hat, der wird den lebhaftesten und glück lichsten Eindruck von der Persönlichkeit des Verewigten sich erhalten haben. Es mag uns gestattet sein, neben diesen wissenschaft lichen Grossthaten Vogels und neben seiner Bedeutung, die er im photographischen Leben beanspruchen kann, auch auf seine Person hier einzugehen. Der Verewigte hat neben einer grossen Anzahl warmer Verehrer im Leben auch eine vielleicht ebenso grosse Anzahl von Feinden gehabt, und in gewisser Beziehung kann auf ihn mit Recht das Sprichwort angewendet werden: Viel Feind’, viel Ehr’. Denn so wenig bestritten werden soll, dass Vogels ganze Natur leicht dazu führen konnte, jemand zu verletzen, und so wenig einerseits verhehlt werden kann, dass er ein guter Hasser war, so darf andererseits nicht ver kannt werden, dass viele seiner Feinde zugleich seine Neider waren, und dass sich breite Mittelmässigkeit und Undankbar keit an ihn von allen Seiten herangedrängt haben und, seine kleinen Schwächen benutzend, ihn mit ihrem Hass verfolgt haben. Vogel war eine ausserordentlich impulsive Natur. Es gab für ihn zwischen gut und böse kaum einen Übergang, ent weder ein Engel oder ein Teufel. Das war nur zu oft seine Vorstellung, die ihn dann unter Umständen seinen Wider sachern gegenüber in eine schwere Position brachte. Seine Natur war nicht die eines weltfremden Gelehrten, sondern eines streitbaren, durch seine Genialität oft zu scharfem Urteil hin- reissbaren Mannes, der mit einem Fuss immer im gesellschaft lichen und künstlerischen Leben stand, und der daher teils mit, teils ohne Absicht auch in seinem besten Streben verkannt wurde. Der Tod hat eine reinigende Kraft, und deswegen können wir heute, ohne dem grossen Ver storbenen irgendwie nahezutreten, neben seinen grossartigen Verdiensten und seinen liebenswürdigen persönlichen Eigenschaften auch seine kleinen menschlichen Schwächen erwähnen und zu erklären suchen. An dem Bilde des Verewigten, welches wir uns heute aus der Schale seines Äusseren heraus abstrahieren können, haben diese kleinen Eigenheiten keinen Anteil. Alles das, was vom menschlichen Standpunkte ihm mit Recht vorgeworfen werden kann, erklärt sich eben aus seinem übersprudelnden Temperament, welches ihn gelegentlich unfähig machte, auch den Gegner zu verstehen, da es für ihn nur ein Entweder — Oder gab. Wie sehr der Verstorbene unter diesen seinen Charaktereigenschaften selbst zu leiden hatte, wie schwer er seine gelegentlichen Übereilungen empfand, das wissen alle die, welche mit ihm in nähere Berührung gekommen sind, und welche sehen mussten, wie ihm aus verhältnismässig leicht erklärlichen und durch sein Naturell bedingten Fehlgriffen oft ein gewaltiger Strick gedreht wurde, der, kleinen An fängen sein ursprünglich bescheidenes Dasein verdankend, allmählich zu einem fürchterlichen Netz ver knotet wurde, das man mit Behagen und hämischem Vergnügen dem Opfer über den Nacken zu werfen versuchte. Hierbei soll nicht verkannt werden, dass Vogel neben diesen seinen Neidern auch wirkliche ernste Feinde hatte, die sich mit Recht darauf berufen konnten, dass er ihnen Unrecht gethan hat, und dass er sie vielfach mit seinem Grimm verfolgt hat; aber wir sind fest überzeugt, dass diese seine Feinde ihm längst verziehen haben, und dass sie ihm, dem jähzornigen Mann, niemals das nachtragen weiden, was er ihnen in einer schlimmen Stunde angethan hatte. Wir wollten die vorstehenden Ausführungen nicht unterdrücken, um auch nach dieser Richtung hin dem Verstorbenen volle Gerechtigkeit angedeihen zu lassen. Sein Bild steht heute rein und flecken los vor uns, das Bild eines grossen Forschers und Menschen, dem die Photographie die wichtigsten Errungenschaften, und dem jeder einzelne von uns, soweit er mit ihm in nähere Berührung gekommen ist, köstliche Stunden zu verdanken hat. Friede seiner Asche!