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IValther Bartels - Gütersloh. An unsere Lieser. as verflossene Jahr ist zwar nicht reich an äusseren Ereignissen gewesen, aber um so intensiver hat sich ganz im stillen eine Entwicklung weitergesponnen, deren Wurzeln allerdings schon einige Jahre zurückliegen, nämlich die Ent wicklung der künstlerischen Photographie. Die Photographie, noch vor wenigen Jahren nur in der Hand Einzelner mehr als ein schlichtes Handwerk oder eine handwerksmässig ausgebildete Technik, beansprucht heute mit Recht in einer grösseren Zahl ihrer Vertreter in Deutschland den Platz einer Kunst, und die Zahl derer, welche den photographischen Erzeugnissen ihren Kunstwert absprechen, ist heute wohl recht klein geworden; aber ebenso wie das Kunsthandwerk in den siebziger und achtziger Jahren in Deutschland allmählich entstand, wie auf die Zeit absoluter Geschmack- und Stillosigkeit langsam eine Zeit erwachenden und erstarkenden künstlerischen Aufschwunges folgte, so allmählich, aber auch ebenso sicher macht die künstlerische Photographie ihre 1' ortschritte. Erzwingen lässt sieh hier nichts, und ebenso, wie es äusser dem Kunsttischler noch heutigentags eine grosse Anzahl von Tischlern giebt, welche für die einfachen Bedürfnisse des täglichen Lebens sorgen, und wie es Fabriktischlereien giebt, die jahraus, jahrein dieselbe Ware dutzend- und grosweise liefern, und ebenso, wie man diese Thatsache als voll berechtigt hinnehmen muss, so wird es auch in der Photographie neben den Kunstphotographen, deren Zahl in erfreulichem Wachsen begriffen ist, auch immer eine überwiegende Anzahl hand werksmässiger Vertreter dieses Gewerbes geben, denen man ihre Existenzberechtigung wohl nicht wird absprechen können. Die schlimmste Erscheinung, die stets mit der Entwicklung einer neuen Kunst verbunden ist, ist das Bestreben vieler künstlerisch nicht veranlagter Naturen, sich die äusseren Formen des neuen Geistes anzueignen und das Räuspern und Spucken der bedeutenden Geister nachzuahmen. Dieselbe Erscheinung haben wir auch auf dem Gebiet der Photographie, und sie verdient begreiflicherweise nicht die Förderung, welche sie von manchen Seiten findet. Kunstempfinden kann zwar anerzogen werden, aber nicht an jedem; Nachempfinden und Nach ahmen ist noch längst kein Kunstempfinden. Wir befinden uns in dieser Beziehung in einer Zeit der Gärung. Manches wird noch heute als wahre photographische Kunst gerühmt und hervorgehoben, was uns später als reine Mache erscheinen wird, und es ist ausserordentlich gefährlich, derartige Bestrebungen zu stärken und sie durch ewiges Lobhudeln weiterzubilden. Zu wahrer Kunst gehört auch eine vertiefte lechnik. Das blosse genial sich Gebahren und die Ausübung gewisser Kunststückchen und Trics