Archiv für wissenschaftliche Photographie. II. Band. Ausgegeben im Februar 1900. Heft 2. Untersuchungen über umkehrbare photochemische Vorgänge. Von R. Luther. Einleitung. enn wir uns die Gesamtheit der photochemischen Vorgänge daraufhin an- 8A sehen, ob das Licht bei denselben den vorhandenen chemischen Affinitäten E-vL entgegen, oder im Sinne derselben wirksam ist, so werden wir finden, dass nur sehr wenige zu der ersten Klasse gehören. Die photochemischen Vorgänge dieser Klasse — bei denen also Licht den vor handenen chemischen Spannkräften entgegen wirkt, also chemische Arbeit leistet — werden dadurch charakterisiert sein, dass die durch das Licht erzeugten Änderangen im Dunkeln wieder zurückgehen. In diesem Sinne können wir von umkehrbaren photochemischen Vorgängen sprechen. 1 ) Diese umkehrbaren photochemischen Re aktionen beanspruchen eine ganz besondere Beachtung, denn ihr Studium wird uns den Schlüssel für die Erklärung und Messung der Umwandlung strahlender Energie in chemische geben. Sie sind indes bisher nur wenig beachtet worden. Ihre theo retische Bedeutung ist zuerst von Elder 2 ) erkannt worden. Unabhängig von ihm hat später Luggin 3 ) nochmals ihre theoretische Bedeutung betont und die ersten Messungen an photochemischen Gleichgewichten vorgenommen. Die vorliegende Arbeit war bereits begonnen, als die erste Veröffentlichung Luggins erschien. Der spezielle umkehrbare photochemische Vorgang, mit dem sich sowohl die vorliegende Arbeit, als auch die Untersuchungen Elders und Luggins beschäftigen, besteht im Dunkel werden von Chlor- resp. Bromsilber im Lichte. Diese Färbung erfolgt unter Ausscheidung von Chlor resp. Brom. Anderseits wird im Dunkeln das gefärbte Silberhalo'id durch freies Halogen wieder gebleicht. Es muss also zu jeder Lichtstärke eine ganz bestimmte Konzentration des Halogens gehören, bei der der Vorgang weder vorwärts noch rückwärts geht. Dieselbe Kon zentration des freien Halogens würde sich natürlich schliesslich einstellen, wenn wir überschüssiges Silberhalo’id in einem begrenzten geschlossenen Raume sehr lange der betreffenden Lichtstärke aussetzen: das Licht würde aus dem Silberhalo'id so lange Halogen abspalten, bis dessen Wiedervereinigungsbestreben durch die erfolgte Kon zentrationszunahme so gross geworden wäre, dass es der Wirkung des Lichtes die Wage hielte. Eigentümlich für dieses Gleichgewicht ist also die Thatsache, dass wir das photochemische Bestreben des Lichtes durch eine Konzentrationsänderung eines Stoffes kompensieren können — und in dieser Thatsache liegt auch die theoretische Be- 1) Kürzlich sind durch Marckwald [Zeitschrift physik. Chemie 30, 412 (1899)] zwei der artige umkehrbare photochemische — oder wie er sie treffend bezeichnet — phototrope Vorgänge mitgeteilt worden. Vergl. auch Zeitschr. phys. Chern. 30, 527 und dieses Archiv I, 287. Hierher gehört vielleicht auch die von Liesegang mitgeteilte Phototropie von Rhodansalzlösungen; vielleicht auch die von Richardson beobachtete photochemische Bildung von Wasserstoffsuperoxyd. 2) Chem. News 65, 153 (1892). 3) Bih. Svensk. Akad. 23, I Nr. 6. — Zeitschrift physik. Chemie 23, 517 (1897). — Bih. Svensk. Akad. 25, I Nr. I (1899).