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Archiv für wissenschaftliche Photographie. II. Band. Ausgegeben im März 1901. Heft 12. Über den Einfluss des Bindemittels auf den photochemischen Effekt in Bromsilberemulsionen und die photochemische Induktion. Von R. Abegg, nach Versuchen mit CI. Immerwahr. (Aus den Sitzungsberichten der kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien. Mathern.-naturw. Klasse; Bd. CIX. Abt. Ila. Oktober 1900.) ■ urch die wertvollen Untersuchungen von Luggin 1 ) und Luther 2 ) ist er wiesen worden, dass die dauernde Belichtung von Halogensilber zu chemischen . Gleichgewichtszuständen führt, die für jede Lichtintensität durch ein be stimmtes Potential (Gasdruck, elektromotorisches Potential, Lösungskonzentration) des freiwerdenden Halogens definiert sind. Diese Gleichgewichtszustände werden nun aus zweierlei Gründen bei dem üblichen Negativprozesse nicht erreicht: 1. ist die ge wöhnliche Belichtung viel zu kurz, um dies zu erzielen, 2. ist dem Halogen normaler weise nicht Gelegenheit geboten, sein Gleichgewichtspotential herzustellen, da es beim Freiwerden sich sofort a) durch Diffusion verteilt und so sein der Belichtung ur sprünglich entsprechendes Potential vermindert, b) durch etwaige chemische Bindung durch das Bindemittel ebenfalls an der Erreichung seines Gleichgewichtspotentials gehindert wird. Die Empfindlichkeit einer Emulsion wird offenbar gemessen durch den photo chemischen Effekt, den eine gegebene Belichtung hervorbringt, und da die Grenz wirkung einer Belichtung erreicht ist, sobald das Halogen sein Gleichgewichtspotential besitzt, so befördert den photochemischen Effekt und damit die Lichtempfindlichkeit alles das, was das Halogenpotential unter den die Lichtwirkung aufhebenden Gleich gewichtswert erniedrigt. Dass diese theoretischen Folgerungen durch die Erfahrung bestätigt werden, zeigt zunächst der Umstand, dass die Empfindlichkeit der Halogensilberpräparate steigt, je mehr die Schichtsubstanz zur chemischen Bindung von freiem Halogen neigt; so ist die leicht oxydierbare Gelatine ja dem chemisch gegen Halogen indifferenten Collodium weit als „chemischer Sensibilisator“ überlegen, was von jeher in diesem Sinne gedeutet worden ist. Der durch I. erreichbare photochemische Effekt, d. h. der Reduktionszustand des Silberhaloids wird nun durch die unter 2. aufgeführten Einflüsse derart verändert, dass derselbe grösser wird, weil das die Lichtwirkung hemmende freie Halogen auf ein niedrigeres Potential gebracht wird. Wir wollen nunmehr überlegen, wie diese Einflüsse bei einer photographischen Platte sich geltend machen können: Wird ein in freier Luft befindliches Bromsilberkorn vom Lichte bestimmter Stärke getroffen, so spaltet es Brom ab, und dieses würde, in der Umgebung des 1) Luggin, Zeitschrift physik. Chem., 23, 577, 1897; Bihg. d. Schwed. Akad., 23,1, Nr. 6, 1897; 25, I, Nr. 1, 1899; Eders Jahrb. 1898, 163. 2) Luther, Zeitschrift physik. Chem., 30, 628, 1899; Arch. wiss. Phot., 2, 1900. 22