Archiv für wissenschaftliche Photographie. II. Band. Ausgegeben im Januar 1901. Heft 11. Studien über die Solarisation bei Bromsilbergelatine. Von W. Eugen Englisch. W. Herschel 1 ) fand bereits 1830, dass rotes Licht auf photographische Papiere blauem entgegengesetzt wirken könne; seitdem ist diese Thatsache vielfach bestätigt worden. Man hat die Versuche auf alle lichtempfindlichen Stoffe angewandt und die Bildumkehrung als Solarisation bezeichnet. Ein Teil der Resultate, ins besondere die an gefärbtem Chlorsilber gewonnenen, hat durch O. Wieners 2 ) Untersuchungen eine andere Deutung erfahren, und darf nicht mehr mit der Solarisation in Verbindung gebracht werden. Waterhouse 3 ) entdeckte die Umkehrung des latenten Bildes bei Bromsilber- collodium; die eingehendsten Versuche über Solarisation stammen jedoch wieder von Sir W. Abney 4 ). Er fand, dass die Solarisation nur in Gegenwart von Sauerstoff erfolge und zwar am leichtesten im Spektralbezirk der wenigst brechbaren Strahlen, dass also die Umkehrung des Bildes eine Oxydationserscheinung der im Licht ver änderten Silberhaloide sei. Auch in Gegenwart eines Alkalihaloids erfolgt die Um kehrung, wobei das Licht auf das Alkali wirkt und gleichzeitig Oxydation des als Bildsubstanz supponierten Silbersubsalzes eintritt; endlich bewirkt die Anwesenheit mineralischer Säuren in der Schicht die Umkehrung. Die Maxima der Lichtwirkung im Sinne der Solarisation stimmen jedoch mit dem Maximum der Lichtwirkung frei exponierter Platten nicht überein. Zu dieser chemischen Solarisation gehört auch die Umkehrung des Bildes im Eisenoxalatentwickler, dem viel Natriumthiosulfatlösung zugesetzt wird (Eder). Andere Arbeiten beschäftigen sich mit der Vergleichung der Wirkung verschieden farbigen Lichts; dagegen ist bis jetzt eine systematische Untersuchung über die Wirkung verschiedener Intensitäten und Expositionen nicht vorhanden; man hat sich merkwürdigerweise damit hauptsächlich beschäftigt, weiterliegende Fragen zu studieren und über die Natur des solarisierten Bildes Hypothesen aufzustellen, ehe in die Grundfragen genügend Licht gebracht war. Die im folgenden zu beschreibenden Versuche sollen durchaus keinen Abschluss bilden und sind weit entfernt davon, alles erklären zu wollen; sie sollen vielmehr als erster Beitrag zum Studium der grundlegenden Gesetze betrachtet werden und zu Wiederholungen ermuntern, die diese Versuche nicht nur bestätigen, sondern vertiefen werden. Die Solarisation an Bromsilbergelatine soll nach Kogelmann 5 ) eintreten bei einer Exposition, die 18000 mal länger ist als die zur Erzielung eines normalen Negativs; beachtet man, dass der letztere Begriff ein absolut vager ist, so stimmt mit Kogelmanns Angaben die von Eder, der die Zahl 10000 findet, gut überein; 1) Herschel, vergl. Eder, Hdbch. I. I. 2. Auf. S. 262. Halle 1892. ) Wiener. Wied. Ann. 55, 225. 1895. 3) Waterhouse, ebda. S. 264. 4) Abney, Phil. Mag. 1878, 1880. Treatise on Phot. S. 302. 6. Aufl. 1890. 5) Die Angaben sind Eder, Hdbch. d. Phot. II. S. 72 ff. (1897) entnommen. 20 '