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Monomerisationstheorie. Hurter und Driffield, sowie eine Reihe anderer Photochemiker nehmen an, dass das gewöhnliche Bromsilber der Platte einer polymeren Molekularformel Ag n Br n entspräche und durch Belichten in das monomere Ag Br zerfalle. Eine derartige Umwandlung könnte allerdings zu einem energie reicheren Produkt führen, auch ist beim gelösten und beim geschmolzenen Schwefel eine solche Zerlegung der Molekel durch Lichtwirkung wahrscheinlich 1 2 ); solange je doch für das amorphe Halogensilber kein analoger Vorgang experimentell nachge wiesen ist, dürfen wir auch diese Hypothese nicht heranziehen. Zerstäubungstheorie. Viele Stoffe, wie die Metalle (selbst Quecksilber), Realgar, Rotspiessglanzerz etc. werden durch Belichten zerstäubt. 3 ) Bredig 4 5 ) hat darauf aufmerksam gemacht, dass die durch einen solchen Zerstäubungsvorgang be wirkte Oberflächenzunahme sowohl eine Erhöhung der Reaktionsgeschwindigkeit als auch eine Vermehrung der freien Energie (nach Thomson, wegen der Vergrösserung der Oberftächenenergie) bedinge; dass thatsächlich die vermeintliche Aktivierung des Sauerstoffs durch Belichtung auf Zerstäubung des oxydablen Körpers zurückzuführen ist, haben Bredig und Pemsel5) nachgewiesen. In ähnlicher Weise könnte auch Halogensilber durch Zerstäubung aktiviert werden. Nun erleiden bekanntlich Krystalle; von Halogensilber im Licht ohne Zersetzung eine Trübung und zerfallen allmählich auch besitzt belichtetes Halogensilber ein grosses Zerstreuungsvermögen für Elektrizi tät 6 ), was sich am einfachsten durch Zerstäubung erklären lässt. Ferner spricht für einen solchen Vorgang die Beobachtung, dass man an einer Daguerrotypplatte das Halogensilber an den belichteten Stellen leicht abreiben kann. Scholl 7 ) will aller dings die Trübung einer Jodsilberschicht durch einen kontinuierlich verlaufenden Prozess nach dem Schema 2 AgJ — O = Ag 2 O — J 2 =2 AgJ + O etc. erklären; man sollte aber erwarten, dass ein solcher Vorgang durch Erreichung eines Gleich gewichtszustandes bald zum Stillstand käme; auch geht die Trübung in einer reinen Jodatmosphäre vor sich und scheint mir die Annahme von Scholl, dass das durch Belichten nach Arrhenius 8 ) elektrolytisch dissoziierte Jodsilber durch Jod unter Neubildung von Jodsilber zerlegt werde, nicht wahrscheinlich; Jod müsste im Gegen teil als eines der Zersetzungsprodukte einen solchen Vorgang verhindern. Sehr be merkenswert ist allerdings die Thatsache, dass in Wasserstoff und in Stickstoff keine Trübung stattfindet. Sollten Jod und Sauerstoff etwa die Zerstäubung katalytisch beschleunigen? Die Strukturtheorie unterliegt in Form der Zerstäubungstheorie jedenfalls keinen prinzipiellen Bedenken, auch steht eine grosse Anzahl von Erscheinungen mit der selben im Einklang; jedoch vermag sie allein das Verhalten des latenten Bildes nicht zu erklären. Die Möglichkeit der Entwicklung nach primärer Fixierung, die Zer- 1) Eders Jahrbuch 1899, 193. 3) K. Schaum, Liebigs Ann. 308, 29. 3) Lenard und Wolf, Wied. Ann. 37, 443. 1889. Eder, Handbuch I, 156t 1891. ) Archiv f. wiss. Phot. I, 40. 1899. Eders Jahrbuch 1899, 363 f. 5) Archiv f. wiss. Phot. I, 33. 1899. 6) G. C. Schmidt, Wied. Ann. 64, 708. 1898. 7) Wied. Ann. 68, 163. 1899. Archiv f. wiss. Phot. I, 249. 1899. 8 ) Sitzungsber. Wien. Akad. 96, 831. 1887. Eders Jahrbuch 1895, 201.