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Archiv für wissenschaftliche Photographie. II. Band. Heft i. Ausgegeben im Januar 1900. Neue Versuche zur Theorie der photographischen Prozesse. Von J. Precht. ie Frage nach der Natur des latenten Lichtbildes ist in hervorragendem Masse auch eine rein physikalische. Bei unserer geringen Kenntnis der Eigenschaften von Gallerten, Emulsionen und colloiden Lösungen widerstehe ich indessen der lockenden Versuchung, die bisher notwendigerweise recht ergebnis lose Diskussion über Subhaloid oder Silberkeime dadurch fortzusetzen, dass ich den Standpunkt des Physikers zu der Angelegenheit darlege. Vielmehr sollen im fol genden eine Reihe von Versuchen mitgeteilt werden, die ich angestellt habe, um mir selbst ein Urteil in dieser und gewissen anderen Fragen zu bilden, die sich auf die Theorie der photographischen Prozesse beziehen. Die bisweilen recht auffälligen Ergebnisse dieser Versuche werden, denke ich, zu etwas grösserer Vorsicht im Ver allgemeinern vereinzelter, oft unkontrollierbarer Beobachtungen führen, als bis jetzt auf photographischem Gebiete üblich ist. Sie haben ausserdem den Vorzug, dass sie sich leicht wiederholen lassen 1) und — dass man sie bestätigt finden wird. Als lichtempfindliches Material wurde, wo nicht ausdrücklich anderes erwähnt, Dr. E. Albert’s Bromsilbercollodiumemulsion benutzt. Die Rohemulsion ist zur Steigerung der Empfindlichkeit mit Farbstofflösung A, die äusser dem Farbstoff Silber nitrat enthält, meistens durch Übergiessen, seltener durch Mischen mit der Lösung, sensibilisiert worden, ausgenommen in denjenigen Fällen, in denen die Gegenwart von freiem Silbernitrat das Versuchsergebnis in anderer als rein quantitativer Be ziehung geändert haben würde. Die Farbenempfindlichkeit der sensibilisierten Emulsion reicht etwa von D bis h, mit zwei wenig ausgeprägten Maximis der Wirkung bei etwa 560 und 440 uu. Ein Albertscher Vierfarbendruck und ein gedrucktes Engel- mannsches Spektrum dienten für alle im folgenden zu beschreibenden Versuche 2 ) als Testobjekte. I. Latentes Bild. 1. Oberflächenwirkung. Manche Erscheinungen legen den Gedanken nahe, dass für das Verhalten der empfindlichen Schicht Vorgänge in ihrer äusseren Ober fläche von bestimmendem Einfluss sind. Ich habe daher versucht, ob auf einer belichteten Schicht ein Hauchbild erhalten werden könne. Das Resultat ist negativ. Weder auf getrockneten Rohemulsionsplatten, noch auf trockenen, in der Masse gefärbten Schichten, noch endlich auf nass exponierten Übergussplatten, die nach der Exposition getrocknet wurden, ist ein Hauchbild zu beobachten. Selbst wenn die Exposition so lange ausgedehnt wird, dass nach der Belichtung einzelne Teile ) Die wichtigsten Versuche sind der akademischen photographischen Gesellschaft zu Heidel berg in ihrer Sitzung vom 8. November 1899 vorgeführt. 3) Ich benutze die Gelegenheit, Herrn Dr. Albert für die Liebenswürdigkeit, mit der er mich mit einigen technischen Einzelheiten des Collodverfahrens bekannt machte, auch hier herzlich zu danken. Seine bei Gelegenheit der Naturforscher-Versammlung zu München gezeigten Versuche gaben den äusseren Anstoss zu den hier mitgeteilten. (Vgl. Arch. f. wiss. Phot. I, 285. 1899.)