Archiv für wissenschaftliche Photographie. I- Jahrgang. i. Juni 1899. Heft 6. Über die Silberkeimwirkung beim Entwicklungsvorgang. Von Karl Schaum. ewisse photographische Verfahren, wie die Silberverstärkung eines Negativs, die Hervorrufung des latenten Bildes einer Kollodiumplatte und die Ent- . wicklung einer gleich nach der Exposition fixierten Gelatineplatte 1 ) mit silbersalzhaltigen Entwicklern beruhen auf der Thatsache, dass sich an den bereits vorhandenen Silberkeimen — mögen sie in der Kollodium- resp. in der Gelatine schicht direkt durch die Lichtwirkung (Silberkeimtheorie 2 3 )) oder erst unter dem Ein fluss des Entwicklers (Subhaloidtheorie s )) entstanden sein — das aus dem Entwickler sich abscheidende metallische Silber absetzt. In gleicher Weise erklärt man die Durchentwicklung des latenten Bildes einer Trockenplatte: der Entwickler reduziert noch unverändertes Bromsilber der Emulsion, und an den bereits vorhandenen Silber keimen scheidet sich das metallische Silber ab. Zur Erklärung derartiger Vorgänge zieht Eder 4 ) elektrochemische Betrachtungen heran, indem er mit Lermontoff annimmt, dass aus Silberpartikeln, Silbersalzlösung und Entwicklerflüssigkeit galvanische Elemente gebildet würden, welche sich unter Silberabscheidung bethätigten. Da die Bildung solcher Elemente jedoch nur unter der in den vorliegenden Fällen nicht erfüllten Bedingung möglich ist, dass Silbersalz lösung und Entwickler nicht gemischt sind, sondern nebeneinander angeordnet — wie in den Reduktionsketten — das Silberteilchen umspülen, so müssen wir eine andere Erklärung heranziehen. Dieselbe wird in folgender Weise zu geben sein. Nach einem bekannten Ostwaldschen Satz muss jeder Abscheidung aus einem homogenen System eine Übersättigung vorangehen; in den vorliegenden Fällen muss also zunächst eine übersättigte Lösung von Silber entstehen. Dieselbe kommt auf folgende Weise zu Stande: Entwickler sind reduzierende Substanzen, d. h. Stoffe, welche das Bestreben haben, positive lonenladungen aufzunehmen; so beruht die reduzierende Wirkung des Kaliumferrooxalates auf dem Bestreben der doppelt negativ geladenen Ferrooxalionen Fe (C 2 O4)2 unter Aufnahme einer positiven Ladung in einfach negativ geladene Ferrioxalionen Fe (C 2 O 4 ) 2 überzugehen. Beim Entwicklungs vorgang werden diese positiven Ladungen den Silberionen entzogen, da das Bestreben des metallischen Silbers in den lonenzustand überzugehen (der elektrolytische Lösungs druck des Silbers) weit geringer ist, als das Bestreben der Ferrooxalionen eine posi tive Ladung aufzunehmen. Das Potential einer unangreifbaren Elektrode gegen eine 1) Young 1857; R. Ed. Liesegang 1893; vgl. diese Zeitschr. I, 54. Kogelmann, Die Isolierung der Substanz des latenten photographischen Bildes. Graz 1894. Neuhauss, Photogr. Rundschau 1899, 28. 2) R. Abegg, Die Silberkeimtheorie des latenten Bildes; vgl. diese Zeitschr. I, 15. 3) Eder, Handbuch, 2. Auf!., Bd. II, 28 ff. (1895). 4) Bd. II, 45ff. Bd. III, 92fr. (4. Aufl., 1890).