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Archiv für wissenschaftliche Photographie. I. Jahrgang. i. Januar 1899. Heft 1. Die Verwendung der photographischen Methoden in den exakten Wissenschaften, insbesondere in der Astronomie. Von Prof. Dr. J. Scheiner. ei der Beantwortung der Frage, weshalb die Einführung der photogra phischen Methoden in die exakten Wissenschaften von so grossem Erfolge begleitet gewesen ist, pflegt man gewöhnlich sehr summarisch vorzugehen. Man nennt in erster Linie die viel grössere Empfindlich keit der photographischen Platte gegenüber dem Auge, die Freiheit von der Sub jektivität des Beobachters, die grössere Genauigkeit, Ersparnis an Zeit und anderes mehr. Ebensowenig exakt, wie man bisher im allgemeinen diese Frage beantwortet hat, ist man auch bei der Einführung der photographischen Methoden in die ver schiedenen Untersuchungsgebiete verfahren. Es war meistens mehr ein planloses Probieren als ein zielbewusstes Vorgehen, und dass trotzdem epochemachende Erfolge erreicht worden sind, beruht darauf, dass in einzelnen Fällen die photographischen Methoden den direkten thatsächlich ganz ausserordentlich überlegen sind. In anderen Fällen sind sie es aber zweifellos nicht, und daher datieren die vielen Misserfolge, die man ebenfalls zu verzeichnen hat, und die manchen Gelehrten eine willkommene Gelegenheit boten, ihre Zweifel an der dauernden Verwendbarkeit der Photographie bei exakten Untersuchungen zu befestigen. Derartige Rückwirkungen können bei einem nicht zielbewussten Vorgehen niemals ausbleiben, und sie erschweren das sieg reiche Vordringen des Besseren häufig recht empfindlich. An den eingangs hervorgehobenen Vorzügen der photographischen Methoden ist viel Wahres, aber auch viel Falsches; eine exakte Beantwortung der Frage ist eben mit kurzen Schlagwörtern nicht möglich, und ich möchte deshalb in den fol genden Zeilen den Versuch unternehmen, die verschiedenen Vorzüge und Nachteile der photographischen Methoden klarzustellen und durch Beispiele zu belegen. Voll ständigkeit ist in dieser Beziehung innerhalb des Rahmens eines Aufsatzes nicht zu erreichen, und dieser Versuch soll daher nur den Zweck haben, anregend zur exakten Behandlung von Aufgaben innerhalb des Gebietes der wissenschaftlichen Photographie zu wirken. Die Empfindlichkeit der photographischen Platte gegenüber derjenigen des Auges. Der allgemeine Satz, dass die Empfindlichkeit der Platte eine grössere sei als die des Auges, ist zunächst durchaus unrichtig; er ist auch nicht einmal formal berechtigt, da Empfindlichkeit der Platte und Empfindlichkeit des Auges zwei völlig heterogene, unvergleichbare Qualitäten sind. Das Auge empfindet nur Lichtintensi täten, also die unmittelbare Strahlungsenergie, und ist in völlig ausgeruhtem Zustande fast gänzlich unabhängig von der Zeit, wenn wir als Minimum der Zeit diejenigen wenigen Sekunden nehmen, welche erforderlich sind, um ein betrachtetes Objekt 1