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,Lr Lechjta «» vor»N» drn- iniser, Lräa« «»d vpedttna» toi Hao» -edrachtt Lu«,ad, ä (»« owraroi) vtrrttlMrltch 8 vi., mauaM« » vl.; «lliaob, > (morurnl an» adeud«) viertel» tätzrN« ch« iL. mouatlich IÄ M. Vor« dt« Gas» ,» dqtrhn,: (2 mal täglich) innerhalb Deutschland» und der deutlchen Kolonien vierteljährlich b,2S M., monatlich 1,78 Dl. aulschl. Pop. destellqelb, Pir Oesterreich 9 L Sä d, Ungarn 8 L oiertelsthrlich. Ferner in Bel gien, Dänemark, den Donaustaaten, Frank» reich, Italien, Luirmdny, «tederlande, Norwegen, Nutlaod, Schweden, Schwei, und Spante». In eilen übrigen Staaten nur direkt durch di» Sxped. d. Bl. erhältlich. Adonnrm-nr-Lnnedme« Uugustubvlatz 8, de, unseren Drtaeru, AUtalen, Spediteuren und Snaahiurstellen, sowie Postämtern und vrtesträgera. Di» ringln, Nummer kostet 1V birdaktto» »nd istrpebitt«»! Johann itgasse 8. Telephon Nr. iE, Nr. lEi, «r. 14SS4. Nr. 89. ÜWger.TagMIt sstr Inserat, au» l!ew,ia und Umgebung di« Sgespalten« Petit,eile 2b Pi., finanzielle Anzeige» SÜ Pi., Neklame» l M.: von auswärts 30 PI., Ncklamen l.2l) M., »omilullaudbtiPi., finanz. An,eigen 7LP! Reklame» ISO M. Jnierate v. Behörden ,n. amtlichen Dell 40 P« veilagegebüdr S M. p. Dauiend cxN. Polt, gebühr. Sieichäittanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach T rii FefterteUt« Austräg» können nicht zurück- gezogen werben. Für da» itrscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird keine Saranri« übernommen. Handelszeitlmg. Amtsblatt des Rates und des Vottzeiamles der Ltadt Leipzig. Donnerstag 9. April 1908. Anzeigen «Annahme, AugustuSplatz 8, bet sämtlichen Filialen u. allen Annoncen» Sipeditiouen des Ja» und iiiuslandes. chanpl-Stltal« Berlin> Sael Duncker, Herzogs. Bapr. tztibuch» Handlung, Lützowstrahe l(t (Telephon VI, Nr. 4iD3> 102. Jahrgang. Das wichtigste voin Tage. * Der Rottenburger Bischof hat den Geistlichen seiner Diözese das Arbeiten für nichtkatholische Blätter verboten. lS. Dtschs. R.s * In dem unteritalienischen Städtchen Troja stürmte das Volk die Kathedrale und verjagte die Geistlichen. lS. Ausl.) - In Marokko nimmt die franzosenfeindliche Be wegung zu. lS. Ausl.) * Die japanische Reederxi Osaka Chosen Kaisha eröffnet eznen regelmäßigen Dienst zwischen Japan und Tsingtau. Die Beschlüsse der sächsischen wahlrechtsöeprrtation. sic. Im „Dresdner Anzeiger" wird in drei Aufsätzen ein längerer offiziöser Bericht über die Verhandlungen und Be schlüsse der sächsischen Wahlrechtsdeputation ver öffentlicht, der endlich einmal einen Ueberb lick über das bisher ge wonnene Ergebnis gewährt. Danach hat die bekanntlich aus 13 konservativen, 8 nationalliberalen und einem freisinnigen und einem sozialdemokratischen Abgeordneten bestehende Kommission einen natio nalliberalen Antrag auf Erhöhung der Zahl der Abgeordneten auf 96 einstimmig angenommen und unter Beseitigung der Drittelerneuerung der Kammer aller zwei Jahre mit großer Mehrheit beschlossen, daß alle Abgeordneten gleichzeitig auf sechs Jahre gewählt werden sollen. Sehr eingehend beschäftigte sich die Deputation mit den Vorschlägen wegen der Zusatzstimmen. Man entschied sich in erster Linie für solche Zusatzstimmen, die allen zuteil werden könnten und als maßgebend Alter, Ansässigkeit, Selbständigkeit, höhere Steuerleistung und erhöhte Bildung anzusehen. Uebereinstimmcnd herrschte dabei zwischen Depu tation und Regierung, daß niemand das Wahlrecht genommen werden dürfe. Im einzelnen ist hervorzuheben, daß mit den Konservativen gegen alle anderen Stimmen die Altersgrenze auf 45 Jahre bestimmt worden ist swährcnd von den Nationalliberalen das 40. Jahr, von den Sozialdemokraten das 30. Jahr vorgeschlagen warj, ferner, daß als ansässig jeder Besitzer eines Grundstückes, als selbständig aber jeder Arzt, Rechtsanwalt und jeder Gewerbetreibende, der in seinem Betriebe wenigstens zwei Personen beschäftigt, sonsse jeder öisentliche oder Privat» beamte und Lehrer mit einem Einkommen von mehr als 1900 .<l an gesehen werden soll, endlich, daß als Grenze für die Steuerleistung die Zahlung einer Einkommensteuer von 36 sd. i. ein Einkommen über 1900 F> und als Maßstab für die Vorbildung die Befähigung zum ein- jährig-freiwilligen Militärdienst bestimmt wurde. Von konservativer Seite lagen hierzu verschiedene Anträge vor, durch welche die Zahl der Zusatzstimmen 6, bzw. 5, bzw. 4 (im Höchstfalles betragen sollte. Die Nationalliberalen brachten einen Antrag ein, wo- nach kein Wähler mehr als zwei Zusatzstimmen erhalten sollte. An der Hand der statistischen Unterlagen, wonach im Lande 312 000 nichtsozial demokratische und 343 000 sozialdemokratische Stimmen angenommen wurden, ergab eine Berechnung mit Hinzufügung der Zusatzstimmen für den weitestgehenden konservativen Antrag 898 500 oder 61,2 Prozent nicht sozialdemokratische und 569 740 oder 38,8 Proz. sozial demokratische Stimmen, für den n a t i o n a l l i b e r a l e n Antrag 752 739 oder 56 Proz. nichtsozialdsmokratische und 555 684 oder 43,4 Prozent sozialdemokratische Stimmen. Ueber die Vorteile und Nachteile der einzelnen Vorschläge entspann sich eine sehr lebhafte Debatte. Während von konservativer Seite immer wieder hervorgehoben wurde, daß die Häufung der Stimmen so vor gesehen werden müsse, daß die Wahl einer zu großen Zahl von sozial demokratischen Abgeordneten völlig ausgeschlossen sei — es wurde dabei von einem Abgeordneten 15 als Höchstzahl bezeichnet —, und daß des halb nur ein solches Pluralsystem Sinn habe, das lediglich den Ord nungsparteien nütze, wurde von den Nationalliberalen als Hauptgrund satz aufgestellt, daß der Zweck der Wahlrechtsänderung in der Be ruhigung der Wähler, in der Beseitigung der durch das Wahlgesetz von 1896 hervorgerusenen Verbitterung liege. Dem Kampf um die Man date müsse Raum gelassen werden und die bürgerlichen Parteien müß ten sich bewußt bleiben, daß sie bei Lässigkeit mit einem großen Erfolge der Sozialdemokratie zu rechnen hätten. Die Zahlen bewiesen zudem, daß eine Häufung der Stimmen die Wirkung gegenüber der Sozial demokratie nur wenig vermehre, während sich die Unzufriedenheit des Volkes mit jeder Mehrstimme erheblich steigere. Von einigen konser vativen Mitgliedern wurde dabei zugegeben, daß bei Einführung der Wahlpflicht eine geringere Stimmenhäufung erfordert sei, als ohne sie. Bei der Abstimmung wurde der nationalliberale Antrag mit 13 Stimmen s12 konservativen und einer sozialdemokratischen) gegen 9 Stim men i8 nationalliberalen und 1 freisinnigen! abgelehnt, dagege ein kon servativer Antrag, der 4 Zusatzstimmen will, mit 12 Stimmen gegen 10 Stimmen angenommen. Für die von der Regierung warm empfohlene Verbindung des Pluralwahlsystems mit der Verhältniswahl war in der Deputation nicht viel Stimmung vorhanden. Zu einer Abstimmung hierüber kam es nicht, ebensowenig wie über das System der Kommunalwahlen, so energisch auch dessen Annahme vom Grafen Hohenthal befürwortet wurde. Man erfährt hierbei aus dem Bericht, daß der Minister tat sächlich seinen Rücktritt in Aussicht gestellt hat, denn er hat mit dürren Worten erklärt: „Vielleicht findet sich nach mir ein Minister, der eine solche Verantwortung zu tragen gewillt ist, ich bin hierzu nicht geneigt." Später fügte er noch hinzu, daß er die Zahl der Kommunatvertreter mit einem Drittel der Gesamtzahl der Abgeordneten ansehen wolle. Gegen ein reines Pluralsystem wandte er ein, daß es, wenn eine Majo risierung von Besitz und Bildung durch die große Masse verhütet werden solle, sehr plutokratisch ausgebildet sein müsse, dann aber sei es sicher, daß bei weiten Kreisen des Volkes das Gefühl der Entrechtung wieder Platz greifen würde nnd wir gerade so weit sein würden, wie unter dem jetzt bestehenden System. Schließlich wurde unter Zustimmung der Regierung mit 14 gegen 7 Stimmen die geheime Wahl und mit 11 gegen 7 Stimmen die Ein führung der Wahlpflicht beschlossen. Gegen die sonstigen von konservativer Seite formulierten Vor schläge, die Wahlberechtigten nach ihrer Steuerleistung in zwei Klassen einzuteilen, von denen die Höherbesteuerten die große Mehrzahl der Abgeordneten, nämlich etwa 80, die anderen nur eine geringe Zahl von Abgeordneten, und zwar nur 10, höchstens 15, je in direkter, gleicher und geheimer Wahl wählen sollten, verhielt sich der Minister Gras Hohenthal durchaus ablehnend, ebenso wie gegen einen andern kon servativen Antrag, die Wähler nach Berufsständen einzuteilen. Die Regierung blieb auf ihrem Standpunkt beharren, daß die Ab geordneten nicht lediglich aus allgemeinen, direkten und geheimen Volks wahlen hervorgehen dürften, sondern daß neben der Kopfzahlvertretung auch den Gemeinden als solchen ein Einfluß auf die Zusammensetzung der Zweiten Kammer eingeräumt werden müsse. Dies soll bekanntlich dadurch ermöglicht werden, daß die Vertreter der Stadt- und Land» gemeinden sunter Ausschluß der Vertreter der Höchstbeslcuertenj, sowie die Mitglieder des Landeskulturrates, der Handels- und Gewerbe kammern aus je einem Regierungsbezirke zu einem Wahlkörper zu» sammentreten, der die auf den Regierungsbezirk entfallende Zahl der Abgeordneten wählt. Ein Teil der Konservativen zeigte sich dem Re gierungsvorschlage schließlich geneigt, und zwar wurde dabei „von hei- vorragender konservativer Seite" betont, daß man nur von der Stelle kommen könne, wenn man sich auf Kompromisse einlasse. In der letzten Sitzung präzisierte Graf Hohenthal die Sachlage nochmals mit folgenden Worten: „Es kommt in der vorliegenden Frage nicht lediglich darauf an, ein neues und vielleicht auch in einigen Punkten verbessertes Wahl recht dem sächsischen Volke zu schaffen, sondern es kommt der Ne gierung allein darauf an, die nicht wegzuleugnende große Un zufriedenheit mit dem jetzigen Wahlrecht, soweit als dies überhaupt möglich ist, zu beseitigen." Nach dieser Erklärung wurde nur noch der Beschluß aus Aufhebung der Vertraulichkeit einstimmig gefaßt. * Graf Hohenthal ist aus dem Süden nach Sachsen zurück gekehrt. Wie aus guter Quelle verlautet, hat der Minister dieser Tage aus Meran wissen lassen, daß die Regierung unter keinen Umständen von ihrem Vorschläge abgehen könne. Nachdem am vorigen Sonntag die nationalliberale Partei aus ihrem Vertretertag in Dresden sich nach wie vor für ein einheitliches, allgemeines, direktes und geheimes Pluralwahlrccht mit Zusatzstimmen, also unter Ausschluß aller Wablen durch Körperschaften, entschieden hat und da nach einer gleichzeitig von dem Abg. Langhammer gemachten Mitteilung auch von den Konierva- tiven zwei Drittel nicht für die von der Negierung geforderten Wahlen durch Körperschaften zu haben sein dürften, ein Ersatz für diese aber noch nicht gefunden worden ist, ist vorläufig eine Lösung dieses Kon- fliktes nicht abzusehen. Auf -en Spuren Deleafsvs. Man schreibt unS: Die Bewilligung der Marokkokredite durch die französische Kammer sowie die ReichStcigsredcn des Fürsten Bülow und des Staalzse.'reiärö v. Schoen veranlassen die „TepZche de Toulouse", einen Herrn Jean Frontiere das Wort zu einem sehr umfangreichen Artikel über die auswärtige Politik Frankreichs zu geben. Da die „Döpöche de Toulouse" beinahe das einzige Provinzblatt Frankreichs von politischer Bedeutung ist, verlohnt es sich, die Aufmerksamkeit auf den chauvinistisch-deutsäneind- lichcn Vorstoß zu lenken, der in dem erwähnten Artikel gemacht wird. Herr Jean Frontiere tadelt, daß Frankreich nicht sofort sämtliche in der Algecirasakte angeführte Häfen Marokkos mit 14 000 Mann besetzte und bei seinem militärischen Vorgehen die Berliner Regierung ver ständigte. Zur Begründung dieses Tadels führt sein Urheber u. a. folgen» des auS: „Die Wilhelmstratze hat das mit einer bemerkenswerten Promptheit ausgebeutet. Sogleich begann sie die Ausübung einer Kontrolle, die wir ihr in einer schwachen Stunde Preisgaben und die sie nicht mehr aus den Händen gelassen hat. Bei jeder Gelegenheit kontrolliert sie, bald mit Rauheit, gemäß dem Charakter Bülows, bald mit Höflichkeit im Stile Tschirschky oder Schoen, aber immer in derselben Absicht, uns den Stachel und die Kralle der Oberaufsicht, die wir ihr überantwortet hatten, leb haft fühlen zu lassen. Es wird zur Tatsache, was Delcassö nur zu gut vorausgesehen hatte, der die vollzogene Tatsache von Algeciras hinnimmr, ohne aber deren Grundfehler sich zu verhehlen. Gerade weil die Konferenz Feuilleton. Nirgends lebt, wer überall lebt. Seneca. * Besuch aus Persien. Von Camill Hoffmann. Es ist eine lustige Episode aus glorreicher Zeit. Ein von Ge lächter begleitetes Intermezzo aus des Sonnenkönigs letztem Lebens jahr. Ein fröhliches Aufprasseln bunt sich übertönender Farben, eine grelle, saftige Fanfaronade. Ihr Held ist Mohammed Riza Beg, Ge- landte des Schah Hussein, < ne ,, aur von unvergleichlichem Ruhm. Sein Name war in aller Mund; da Paris ihn kannte, wutzte ganz Europa von ihm. Und er war kein Held, wie er in den Büchern steht. Er war den Klauen der Türken entwischt, die mit Mißtrauen seine Sendung verfolgten. Sie mochten die Verbindung Frankreichs mit dem Orient nicht, sahen sich selbst dadurch bedroht. Und Riza Beg fuhr aus, um Persiens Handelsbeziehungen mit Frankreich zu erneuern. Schon früher hatten Franzosen mit dem König der Könige einen Ver- trag geschlossen. Er fuhr auch mit anderen geheimen Absichten aus. Darum betraute ihn nicht der Schah selbst, sondern der Khan von Eriwan mit der Mission, nur um die Aufmerksamkeit der Türken nicht M wecken. Aber die waren hinter Riza Beg bald her, obwohl er ihr Reich als Pilger verkleidet kreuzte. Sie sperrten den frommen Mann sogar ein, und wäre er nicht ein so vortrefflicher Komödiant gewesen, so hätten die Fische des Bosporus ihn gefressen. Er spielte seine Rolle so ausgezeichnet, daß er sich, wenn auch streng bewacht, einem Pilger zug nach Mekka anschließen durfte. Bei erster Gelegenheit echappierte er denn: es gelang. Ende Oktober tauchte er in Marseille aus, nach einer Seefahrt, die er absolut nicht vertrug, und nachdem er vorsichts- baiber die Geschenke des Schah für Ludwig XIV. mit einem verläß lichen Armenier vorausgeschickt hatte. Das Aufsehen, das die Ankunft des persischen Gesandten hervor- rief, ist beute unverständlich. Als die Behörden ihn im Hafen be- arüßten, forderte er zuerst einen feierlichen Einzug in die Stadt. Was Riza Beg wünschte, verstand er durchzusetzen: in der Reget wenigstens. Ging es nicht im guten rasch genug, so bekam er seine Anfälle von un- gelinder Raierei. War er mich nicht sehr imposant, von kleiner Gestalt, unschönem Gesicht, mit gekrümmter Nase und schwarzem Bart, so jagten doch seine Zornausbrüche allen Schrecken ein: man war froh, ihn zu beschwichtigen. Man feierte ihn mit Festen, Paraden, Ausflügen, ranz nach seinem Herzen. Er revanchierte sich mit einem Gastmahl, zu dem an zwanzig der angesehensten Persönlichkeiten, Herren und Damen, geladen waren. Dabei aß er nach persischer Sitte, auf einem Teppich mit gekreuzten Beinen sitzend, ohne Messer und Gabel, Fleisch, Käse und Konfitüren durcheinander mengend, die bald berühmt werdende Schlauchpfeife neben sich — ein unerhörtes Schaustück. Er beschenkte seine Gäste mit feinem Porzellan, das er aus Persien mit gebracht hatte, und ließ sie Sorbet kosten. Nachdem ein Dutzend Mar seillerinnen während einer Pause getanzt hatte, mußte das Gefolge des Gesandten persische Tänze exekutieren. Das Mahl wurde aufgehoben und Mohammed Riza Beg sprach sein Gebet und wusch sich vor der ganzen Gesellschaft nicht bloß die Hände, sondern cckch die Füße. Es war für die Kapazitäten von Marseille in der Tat ein unerhörtes Schaustück. Inzwischen war der Pariser Hof von der Ankunft des originellen Diplomaten verständigt worden. Der König sendete ihm sofort einen Edelmann, den Kammerherrn Saint-Olon, einen Adjutanten und seinen Professor der persischen Sprache entgegen, obwohl Riza Beg selbst einen Dolmetsch mithatte. Gleich beim ersten Zusammentreffen bildete sich Saint-Olon ein Urteil über den Perser. Er sei „lebhaft, stolz eigen- sinnig und wohl ganz u»beherrschbar", schrieb er an den Minister Col- bert. Gern hätte er ihn zusammengepackt und nach Paris expediert. Schon mit Rückficht darauf, daß jeder Tag der Federungen viel Geld kostete. Denn Riza Beg besaß keinen Pfennig; er war in der Türkei ausgeraubt worden, und lebte nun auf Pump und machte der Regierung Spesen. Bescheiden war er nicht danach. „Er empfängt die Ehren, die man ihm erweist, mit Gleichgültigkeit." In der Oper fanden zwei Ballerinen seinen Beifall, und er lud sie zu sich ein und schenkte ihnen Zobelfelle. Als er ein nächstes Mal die Oper besuchte, hatten die Tän zerinnen schon die Felle an, was ihn so entzückte, daß er sie noch reicher beschenkte. Sein Herz war überhaupt leicht in Fl-rmmen. Kleine Mar- seiller Grisetten bestürmten sein Haus: und bestürmten es nicht ver geblich. Der Tag des Einzuges in Paris war von der abergläubischen Ex zellenz genau ausgerüstet worden. Am 7. Februar 1715 hatte Paris das Glück, das Wundertier aus dem Osten zum erstenmal in feinen Mauern zu sehen. Zu Tausenden war das Volk zusammengerannt und gaffte den allerdings sehenswerten Zug an. Die Fenster, an denen er vorüberkam, waren dicht besetzt, die Straßen gedrängt voll. Der Empfang in Versailles fand zwölf Tage später statt. Seit siebenundvierzig Jahren erschien Ludwig XIV. wieder auf dem Thron in der großen Galerie, von einem betäubenden Pomp umgeben. Der König stand am Fenster, um, ebenso wie seine Untertanen, den denk- würdigen Zug Riza Degs kommen zu sehen. Die Geschenke des Schah riefen eine tiefe Enttäuschung hervor. Man fand, daß alle Geschenke zusammen keine tausend Taler wert, also eines so reichen Königs wie Ludwig XIV. unwürdig waren. Der Schah hatte sich schäbig gezeigt. Man riß Witze über seinen Vertreter, höhnte und verspottete ihn um so mehr, als er geprahlt hatte. Das hinderte den wackeren Perser selbstverständlich nicht, in dem Gesandtschastshotel, in dem man ihn installiert hatte, ein kurzweiliges Leben zu beginnen. Tie Regierung steuerte ihm einen täglichen Spcsenbeitrag von fünf hundert Franken bei. Und sein Trachten war, die Summe möglichst lange zu beziehen. Wie in Marseille, wurde Riza Beg wieder von Frauen belagert, und nicht bloß von Frauen leichter Sorte. Eine hübsche Pariserin, Mine. d'Evinay, stach bald alle Konkurrentinnen aus. Sie war erst siebzehn Jahre alt, verheiratet, wenn auch von ihrem Mann getrennt, und die absonderliche Liaison hätte man ihr nicht zu getraut. Vielleicht wurde sie von ihrer eigenen Mutter an den Ge sandten verkuppelt, die ihm nur Geld zu entlocken suchte. Sie wurde seine erklärte Favoritin und zog zu ihm. So wenig moralisch auch die Zeit war. erweckten die galanten Abenteuer Riza Bcgs doch Acrgernis. Das vermehrte sich durch verschiedene höchst peinliche Vorfälle. Bei den Tumulten, die zu entstehen vflcgten, so ost sich der Gesandte öffent lich zeigte, hatte er sich wiederholt zur Mißhandlung französischer Unter tanen hinreißen lassen. Das mußte man ihm freilich übelnchmcn. Und wie man ihn in Marseille nicht loswerden konnte, so schwer war er auch in Paris zu erledigen. Eigentlich war er ja gekommen, um die Handelsbeziehungen Persiens mit Frankreich zu erneuern. Er schloß wirklich einen ausführlichen Handelsvertrag ab, der den franzö- fischen Kaufleuten viele Vorteile, besonders den Erlaß des Zolls, ver bürgte. Dafür wollte er die Negierung bewegen, den Schab durch die Entsendung der Kriegsflotte in den Persischen Golf gegen die Araber zu unterstützen. Das war der geheime Gedanke, mit dem er nach Pari:- gereist war. An einer politiich-militärifchen Entente war ihm mehr gelegen als an den Handelsbeziehungen. Aber die Franzosen stürzten sich in keine orientalischen Unternehmungen nnd behielten, was sie sicher in der Tasche hatten. Riza Beg hatte damit kein Glück. Dagegen er hielt er vom König Ludwig Gegengeschenke für den Schab. Da man die persischen Gaben so streng kritisiert halte, mußte Ludwig XIV. nobler sein. Seine Geschenke waren wenigstens zwanzigtauscnd Franken wert. Mit Absicht wurden ausschließlich Erzeugnisse französischer Industrie gewählt. Es war schwer, noch länger zu bleiben, nachdem er die Geschenke übernommen hatte. Immerhin hatte er schon mehr als drei Viertel jahre in Paris verbracht, die Bevölkerung genügend beunruhigt, amü siert und haranguiert, der Regierung Angelegenheiten uno Unkosten verursacht. Nur die Route der Rückkehr nach Persien war noch zu erwägen. Der Türkei mußte Riza Beg natürlich auswcickicn. Cr iollie also von Havre aus zur See nach Rußland und von dort guer durch das Zarenreich in die Heimat reisen. Alles wäre in Ordnung aewcien, wenn Madame d'Evinay nicht gewesen wäre. Sie liebten sich immer noch. Ja, sie liebten sich immer mehr — und konnten einander nicht lassen. Der Abreise durste der Theatcrefsekt nicht fehlen. Der Perser durste nickt ohne besonderen Coup vom Schauplatz verschwinden. Des lag nicht in seiner Art. Er beschloß, Madame d'Evinav zu entnihren. Madame, die sich Mutter fühlte nnd sich nm so licbestoltcr gebarvete, war einverstanden. Ihre Mama bemerkte wohl, daß etwas vorgina, verhindern konnte sie jedoch nichts mehr. In einer Kiste winde Ma- dame d'Evinay aus das Schm Riza Begs gebracht. Ter Segler »log aus dem Hasen, als ein Kurier mit dem Be'cbl beransprengie, die Ent führung zu verhindern. Madame d'Epinays Mutter hatte Himmel