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MMufferTageblatt Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtsyauptmannschast Meißen, des Stadt- rats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt alle anderen Stände des Wilsdruffer Bezirks Anieigenpreise laut-usliegendem Tarif Nr. 4. — Nachweisungs-Meb ährt 20 Rpfg. — Dorgefchriebene- Erscheinungsiage und Plagvorschriste» werden nach Möglichkeit berücksichtigt. Anzeigen.. Annahme! dis vormittags 10 Uhr. . ,, Für die Richtigkeit deh durch Fernruf übermit» Fernsprecher ; Amt Wil§druff Nr. 6 «eltcn Anzeigen üdc-neh- men wir keine Gewähr. ...» — Jeder Radattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden- muh odeo den Aultraggcdev irr Konkurs gerät. Nationale Tageszeitung für Landwirtschaft und LsLMASL «L7..LV.S S NLLLL W°«EE M Wi,sdmN a.Umgmen« kein Anspruch aus Lieierung der Jeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung -ingesandter Schriftstücke erfolgt nur. wenn Rückporto beiliegt. Nr. 167 — 93. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Tageblatt Freitag, den 20. Juli 1934 Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Streiks im Dollarland. Streiks sind in den Vereinigten Staaten schon seit einiger Zeit fast zur Alltäglichkeit geworden; bald hier, bald dort flackerte ein mehr oder minder starkes Streikssuer auf. Den Arbeitern, genauer gesagt den G e - Werkschaften, hatte der Präsident Roosevelt bei der Durchführung seines Programms für den Wirtschafts aufbau zum allerersten Male weitgehende Rechte beim Abschluß von Tarifverträgen eingeräumt, und das ging soweit, daß in manchen Industrien die Arbeitgeber nur Gewerkschaftsmitglieder als Arbeiter einstcllen durften. Infolgedessen nahmen die früher auch im Wirtschaftsleben herzlich bedeutungslosen Gewerkschaften einen riesenhaften Aufschwung, erfuhren aber auch ebenso schnell dasselbe Schicksal wie ihr Vorbild, die englischen Gewerkschaften, nämlich das, einen „linken Flügel" zu erhalten, also unter ben stetig wachsenden Druck des Radikalismus zu geraten. Daß man darob in Moskau sofort fehr hellhörig wurde und auch in Amerika die kommunistische Agitation erheblich und mit Erfolg verstärkte, bewiesen und beweisen zahlreiche Vorkommnisse, namentlich beim Generalstreik in San Franzisko, der sich dann wie ein Steppenbrand über andere kalifornische Städte bis hin unter nach Los Angeles ausdehnte und den bisher größten Arbeiterausstand in Amerika darstellt. Vielleicht auch den bedrohlichsten. Auch in dem früheren „Minen krieg" der Bergarbeiter in Pennsylvanien, der fast zwei Labre dauerte, griff die Regierung dieses Staates ener gisch mittels Militär und Rationajmiliz ein, — aber den zweifelhaften Ruhm, zum erstenmal Batterien zum Schutze der Öffentlichkeit gegen die Streikenden auffahren zu scheu, besitzt bisher nur San Franzisko. Allerdings war es schon vorher infolge der Radi kalisierung der Arbeitcrmasscn in der „Fordstadt" Detroit und in Milwaukee zu blutigen Straßenkämpfen ge kommen; denn vielfach — auch Ford selbst tat das — Weigerten sich die Unternehmer, die letzten, teilweise wirt schaftlich geradezu absurden Folgerungen aus den neuen kollektiven Tarifrechtcn der Gewerkschaften ziehen z« sollen. Da schritten diese zur direkten Aktion, — und deswegen geht es um mehr als nur um Arbeitszeit und Arbeitslohn. Mit umso größerer Erbitterung wird gekämpft. Und um dieses kollektive Arbeitsvertragsrecht der Ge werkschaften ging es auch beim Ausstand der Hafen- und Tockarbeiter inSanFranzisko. Über alles Sonstige hatte man sich mit den Reedern und den Schiffahrtsgesell schaften geeinigt, — hier aber, in jenem Punkt, ging es auf Biegen oder Brechen. Eine „direkte Aktion" führte zum Eingreifen der Militärmacht des Staates Kali fornien. Und dann zum Sympathiestreik der andxren Gewerkschaften bis zum Generalstreik. Und da scheute man kein Mittel des Terrors gegen Arbeitswillige mehr. Daneben standen die Massen der noch Unorgani sierten und der Arbeitslosen. Denn deren gab es mehr als genug in dem mit reichen Schätzen der Natur gesegneten Kalifornien, dem „Garten Gottes", wie man dieses Land an der pazifischen Küste nennt. Und jene Massen wurden nun der Nährboden des Kommu nismus, — sehr zum Mißvergnügen der Gewerk schaften. D i e haben sicherlich nichts dagegen gehabt, als ein Trupp Arbeiter das kommunistische Streiklokal bis zum letzten Stuhl demolierte! Aber in Kalifornien — wie überhaupt in Amerika — wohnt äußerstes Elend neben toll prassendem Reichtum. Der Arbeitslose ist auf die öffentliche oder private Mildtätigkeit angewiesen, und in dem wüsten Völkergemisch gerade Kaliforniens kennt man das Wort „moralische Hemmungen" nicht einmal dem Ramen nach. Durch das „Goldene Tor" des Hafens von San Franzisko geht es in die s o z i a l e Hölle. Bis hart an die Grenze der Revolution hat dieser Kamps in San Franzisko geführt, der aber offenbar nur als ein Svmptom anzusehen ist trotz seiner großen Ausdehnung. Denn auch, wenn man sich bei den Gewerk schaften und bei den Arbeitgebern einem Schieds spruch nun wirklich fügt, so war es doch zum ersten Male in Amerika geschehen, daß die Gewerkschaften in dem bestreikten San Franzisko tatsächlich doch sozusagen öffentliche Funktionen ausübten und eine Machtposition erobert hatten. Ein Schiedsspruch hinterläßt unter solchen Umständen aber immer Unzu friedenheit auf beiden Seiten, und zahlreiche Angriffe sind auf Roosevelt niedergegangen, daß er diese Revolutionierung eigentlich erst ausgelöst habe durch die Begünstigung der Arbeitersy ndikate. Dahinter aber — und das zeigt die große Streik welle in Amerika — steigt drohend eine andere Gefahr empor, die kommunistische. Die ins Maßlose über steigerte liberalistische Wirtschaftsanschauung in Amerika verbot jede Milderung des Einzelschicksals durch eine soziale Gesetzgebung; wem die Kraft erlahmte, der kam unter die Räder. Jede Verantwortung des Wirtschafts führers gegenüber dem Staat und Volke wird abgelehnt und was wir im vergangenen Jahr siegreich in Deutsch land niedergeschlagen haben, — der Bolschewismus erhob Lum ersten Male in Amerika deutlich sichtbar das Lauvt. LMM MerM in LMM» Emigrani Machts als Einbrecher. Gesetzwidrige Haussuchung bei der Deutschen Front. Bei der Landcsleitung der Deutschen Front fand unter Leitung des berüchtigten Emigrantenkommissars Machts eine Haussuchung statt, bei der cs zu skandalösen Zwischen fällen kam, die eine der dreistesten Herausforderungen darstcllen, denen die an derartige Vorfälle wahrhaft ge wohnte saardeutsche Bevölkerung in den letzten Jahren ausgesetzt war. Mehrere Kriminalbeamte drangen in die Büroräume der Landesleitung ein. Auf Befragen waren diese Beamten nicht imstande, die Gründe ihres Vor gehens anzugcben. Sie verletzten damit die elementarsten gesetzlichen Voraussetzungen zur Durchführung einer der artigen Aktion. Sie erklärten lediglich, im Auftrage der Rcgierungs- kommission die Büroräume des Freiwilligen Arbeits dienstes durchsuchen zu müssen. Von feiten des Haus meisters wurden sie zunächst auf die selbstverständliche Pflicht aufmerksam gemacht, erst einmal den Hausherrn, in diesem Falle Landesleiter Pirro, von ihren Absichten in Kensttnis zu setzen. Pirro hatte indessen seine Ange stellten aufgesordert, strengste Disziplin zu wahren, wenn auch in der Betrauung des Emigrantenkommissars Machts mit dieser Aktion eine offene Provokation erblickt werden müsse. Die Landcsleitung der Deutschen Front setzte sich nunmehr mit dem Polizeidirektor Heimburger in Ver bindung, der am Fernsprecher zu keinerlei Auskunft be reit war. Zwei Herren der Deutschen Front begaben sich darauf unverzüglich persönlich zu Heimburger, der ihnen erklärte, auf Grund der Artikel 93a—e eine Haussuchung anempfohlen zu haben. Die fraglichen Artikel beziehen sich auf die Neutralität der Gemeindebeamten, denen strengste Innehaltung des Amtsgeheimnisses auferleqt Wird und das Verbot der Anzeige jeglicher Personen bei nicht saarländischen Stellen wegen Vergehen, die im Saar gebiet nicht strafbar sind. Der nähere Zusammenhang dieser Artikel mit der an geordneten Haussuchung in den Büroräumen des Frei willigen Arbeitsdienstes wurde nicht gegeben und ist auch nicht ersichtlich. Nach Rückkehr der beiden Angestellten der Deutschen Front fuhren die Kriminalbeamten fort, die Büroräume eingehend zu durchsuchen und sämtliches Material zu beschlagnahmen. Machts leitete die Aktion persönlich. Er suchte den Hausmeister zu veranlassen, ihm verschiedene Schlüssel auszuhändigen, die dieser aber nicht bei sich hatte. Machts forderte daraufhin, daß mit einem Dietrich geöffnet werde, Worauf ihm bedeutet wurde, daß er es hier nicht mit Einbrechern zu tun habe. — Mittlerweile hatte sich die Nachricht von den Vorfällen in der Stadt verbreitet. Vor dem Hause sammelte sich eine viel- hundertköpsige Menschenmenge an, die dem Treiben Machts zunächst mit wortlosem Abscheu zuschaute; da Machts jedoch immer dreister und heraus ¬ fordernder aufträt, konnte sich die Menge lauter Zurufe nicht enthalten. Immer wieder stürmte der Emigranten kommissar eilfertig durch die einzelnen Büroräume, um nachzukontrolliercn, ob seine Befehle strikt durchgeführt würden, verlangte Oeffnung sämtlicher Kcllerräume und Durchstöberung jedes Schrankes und Aktenstückes. Die beschlagnahmten Gegenstände wurden jedoch erst ausge händigt, nachdem jedes Aktenstück durchgezählt war. Dieses korrekte, aber langwierige Verfahren brachte Machts erst recht aus der Fassung. Er tobte wild in den Büroräumen herum. Als er wieder aus dem Hause her austrat, wurden Fahnen und Transparente mit der Auf schrift „Heil Hitler!" gezeigt. Die Menge stimmte spontan das Deutschlandlied an. Als Quittung dafür ließ Machts zwei Ucberfallkomman- dos kommen, die die Straße räumen mußten. Besonders tat sich hierbei der Emigrantengenosse Kriminalbeamter Gercke hervor, der in Zivil die Aktion eröffnete und sich sogar soweit hinreisten ließ, mit erho benem Revolver ins Haus zu stürzen und die Büroange- stellteu mit „Hände hoch!" anzuschrcicn. Aus der Menge tönten ihm laute Pfuirufe für sein feiges Verhalten entgegen, worauf Gereke noch die Stirn hatte, stolz auf seine Eigenschaft als Kriminalbeamter zu verweisen, die zu derartig herausforderndem Vorgehen berechtigte. Angesichts dieses ungeheuerlichen Vorganges suchte Landcslciter Pirro sich mit Ministerialdirektor Heimbur ger in Verbindung zu setzen. Diesen hatte jedoch der schöne Sommerabend bereits vorzeitig zum Verlassen seines Büros veranlaßt. Pirro rief daraus Präsident Knox persönlich an, um ihn auf das beispiellose Verhalten dieses Beamten aufmerksam zu machen. Pirro erklärte, daß sich der Be völkerung angesichts der offenen Drohung mit der Waffe eine begreifliche Unruhe bemächtige, für deren Folgen jeg liche Verantwortung abgelehnt werden müsse. Präsident Knox gab zunächst seiner Verwunderung darüber Aus druck, daß überhaupt Menschen vor der Landesleitung versammelt waren, erklärte sich jedoch schließlich bereit, eine weitere Bereitschaft zu schicken. Nach einstündiger gründlicher Arbeit zog Machts mit seinen Beamten mit dem gesamten Aktenmaterial des Freiwilligen Arbeitsdienstes wieder ab. Diese Ereignisse Haber erneut gezeigt, wie unbeirrbar die saardeutsche Bevölkerung in ihrer Disziplin ist. Trotz des drohenden und herausfordernden Verhaltens der Emigrantcnpolizisten ließ sich die Bevölkerung zu keiner undisziplinierten Handlung hiureißcu. Die Vorfälle haben aber gleichzeitig von neuem bewiesen, wie berechtigt die Forderung der deutschen Bevölkerung auf Entfernung der Emigrantcubcamten in der Rcgierungskommission ist, ist es doch beispiellos, daß der Landesleiter der Deutschen Front den Präsidenten der Regierungskommission um Schutz gegen einen von diesem selbst entsandten Polizei kommissar ersuchen mußte. Botschafter Köster bei Barthou. Der französische Außenminister Barthou- empfing den deutschen Botschafter in Paris, Dr. Köster, zu einer Besprechung. Nach dieser Unterredung traf der sowjetrussische Geschäftsträger in Paris, Rosenberg, bei dem französischen Außenminister ein. über den In halt der Besprechungen wurde bisher nichts bekannt gegeben. Gegen den gallischen Lhauvim-mus. Ernste Worte Italiens an Frankreich. Der Chefredakteur der italienischen Zeitung „Stampa", Alfredo Signorctti, wendet sich in einem äußerst beachtenswerten Leitartikel gegen Frankreich, in dessen Einstellung — wie sie besonders in der Bayonner Barthou-Rede wieder zutage getreten sei — er ein schweres Hindernis für günstige Verhandlungen um den Ostpakt sicht. Es sei ganz offensichtlich, daß Deutschland, das ein Fricdensabkommen auf zehn Jahre mit Polen ge schlossen habe, nicht die Absicht habe, mit Feuer und Schwert seine Ostgrenzen zu verändern. Frankreich könne nicht päpstlicher als der Papst sein, wenn die Regierung von Warschau sich mit diesem deutschen Abkommen zu- I fricdcs erkläre. Es seien darum also gar keine weiteren Garantien nötig, die doch nur wieder Mißtrauen bei Deutschen und Polen cinflößten. Notwendig sei vielmehr, daß dieses erdichtete Gebäude nicht existierender Gefahren und Drohungen endlich abgebaut wird. Hierfür, für eine Ent spannung der Geister, die als logische natürliche Schluß folgerung die Anerkennung der Gleichheit der Rechte Deutschlands hätte, könne der Ostpakt nützlich sein. Andernfalls bekenne man, daß der Pakt dem ursprünglichen Plan gegenüber unverändert geblieben sei und die Isolierung Deutschlands bezwecke, ein Ziel, das in der AbsickN der italienischen und englischen Politik nicht liege und niemals liegen werde. Signorctti fährt warnend fort, der gallische Chauvinismus zeige ein dreistes Wiederauswachcn, besonders nach den letzten innerdeutschen Ereignissen. Redensarten kämen wieder in Mode, die seit der Ruhr- bcsetzung vergessen schienen. Aber der Boden müsse ein für allemal von den Mißverständnissen geräumt werden, daß eine Politik des Friedens und der Zusammenarbeit in Europa anders möglich sei als durch Frieden und Z u - s a m m e n a r b c i 1 in i t D eu t sch l a n d. Alle anderen Straßen hätte» denselben Endpunkt, nämlich de» Ab grund des Krieges.