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3. Beilage Sonntag, 8. November 1908. Leipziger Tageblatt. Nr. SV». tttS Jahrgang. rn ui; eftunde n. Mut zur Künd«. 44 Roman von Max Kretzer. (Nachdruck verboten: all« Recht« Vorbehalten.) Emmerich, der sie mißverstand, sprang auf und sah sie drohend an. «Vorschuß, Vorschuß? Aber Verehrte, Beste! Sind Sie toll geworden? Wer Hai denn je an Vorschuß gedacht . . Frau Frobel bezwang sich. „Ja, Sie selbst waren es doch, der mir immer damit kam." „Ach das war doch nur so eine Redensart von mir. Begreifen Sie denn nicht? Das mußten Sie doch begreifen. Sie haben mich doch sonst besser verstanden. Nein, meine liebe Freundin, das geht nicht ... um keinen Preis . . . Und nun wollen Sie mir wohl die zugesagten fünf tausend Mark noch in Abzug bringen, wie? Eine hübsche Rechnung." „Von Rechts wegen müßte ich es tun." „Ach, was heißt von Rechts wegen, Verehrte. Bleiben wir doch lieber bei der Gewohnheit. Sie haben mich eben verwöhnt, — verwöhnen Sie mich also auch weiter." „Nie mehr, nie mehr!" rief sie aus und schlug mit der Hand auf den Tisch. Und sie sprang auf und rauschte an ihm vorüber, heftige Zuckungen im Gesicht, die ihr fast Schmerz verursachten. „Ich gebe Ihnen noch fünftausend Mark, wie versprochen, und das übrige schenke ich Ihnen dazu. Dort liegt die Quittung, Sie brauchen sie nur zu unterschreiben. . . . Das ist mein letztes Opfer, hören Sie? Und dann Schluß, ein für allemal Schluß. Ich schwöre es Ihnen." „Schwören Sic nicht zu früh, liebste Freundin." „Jedenfalls nicht so leichtsinnig, wie Sie Ihr Ehrenwort gegeben haben, als Sie hier eintraten. Schriftlich sogar." Der schöne Dedo sah sie verständnislos an. „Ich? Sollte ich wirk lich — ? Hören Sie mal, das ist mir total entfallen, total. Ich habe immer ein bißchen an Vergeßlichkeit gelitten." „In manchen Dingen — ja." „Und Sie, verehrte Freundin? Sie? Ich kannte eine junge Dame, die mir fest versprach, sich von mir heiraten zu lassen." Und er summte los: „Ach, wie so trügerisch sind Fraucnherzen . . ." Dann, während sie sich darüber ausschwieg, versuchte er sie zu beruhigen, denn diesen Widerstand hatte er nicht erwartet. „Sie sind eine Törin, verehrte Frau Ernestine." Sie fand ein grelles Lachen. „Da haben Sie recht." Und sie stellte sich ihm in' den Weg und sagte mit verhaltener Stimme: „Wissen Sie, was ich Ihnen im Lause der Jahre geopfert habe? Haben Sic sich das einmal zusammengerechnet? Wie sollten Sic auch! Ich aber habe es getan — mit stiller Scham habe ich es getan. Huntertzwanzigtausend Mark haben Sie im Laufe der Jahre von mir erhalten — ein Kapital, ein Vermögen." „Ein Trinkgeld für Sie." Da vergaß sie sich und spie aus. „Pfui, Ihr Zynismus . . . Einen Raub an meiner Familie habe ich begangen, verstehen Sie! An meinem Mann, an meinen Kindern. Nur, um Sie in Ihrem Leichtsinn zu stärken." Emmerich spielte den Gleichgültigen. „Ach, reden Sie doch nicht — Ihr Herz sprach immer noch mit." Frau Frobel legte die Hand aus ihre Brust. „Zuerst ja. Dann aber kam die Furcht vor Ihrer Niedertracht, vor Ihrer Infamie. Und das wußten Sie. Jetzt aber ist diese Furcht verschwunden, denn ich habe einen Mitkämpfer in diesem Kampf gefunden — ich ahne eS, ich fühle es: meinen Sohn." „Na also, verehrte Gönnerin, um so mehr müssen Sie ihn ganz für sich behalten, bevor es zu spät ist. Bevor er —. Machen Sie die Zwei- malhundcrttauscnd voll, dann meinetwegen — Schluß. Ich bin auch mit einem Scheck zufrieden. Ich unterschreibe alles, was Sie wollen. Und dann schenke ich Ihnen den Herrlichen, es laufen noch mehr von der Sorte herum. Und wenn ich nach Rapallo kommen sollte, bestelle ich nur die schönsten Grüße." „Aeh, was sind Sie für ein Schuft." „Nach dieser Behandlung von Ihnen — mit Vergnügen." In diesem Augenblick, da sie in heftiger Wut zusammcnprallten wie zwei Menschen, deren Liebe der Haß nun endlich für immer bezwungen hat, und wo ihr ganzer Sinn nur darauf gerichtet war, sich ihr ver lorenes Leben vorzuwerfen, stand plötzlich Günther vor ihnen, ohne daß sie ihn kommen gehört hatten. Vor einer Stunde hatte er sich auf die Straße begeben, war dann aber wieder in? Kontor zurückgekehrt, ohne daß es jemand ausfallend gefunden hätte. Verstohlen hatte er sich in das dunkle Zimmer Ahlcmanns gesetzt und war dann, als seine Mutter sich wieder in ihrem Zimmer befand, in die kleine Wasch- und Garderoben nische seines Kontors geschlüpft, hinter deren grünem Jriesoorhang ec unbesorgt sitzen konnte. Er hörte Emmerich kommen, vernahm dann jedes Wort der Unterhaltung, und war nun wie besinnungslos hereingestürzt. Leichenblaß stand er vor ihnen, noch im Paletot, den Hut in der Hand, als wäre er soeben erst von seinem Ausgange zurückgckommen. Und Frau Frobel nahm auch an, daß er hinter ihrem Rücken durch die Wohnungstür gekommen sei. „Jawohl, das sind Sie: ein Schuft, ein ganz gemeiner Schuft!" schrie er ohne Mäßigung Emmerich inS Gesicht hinein. „Noch mehr als das: ein Lump sind Sic, ein gemeiner Erpresser. Die Polizei werde ich holen, verhaften werde ich Sie lassen." Und wie trunken vor Zorn erhob er die Faust, so daß Ernestine mit einem Aufschrei sich zwischen sie warf, denn sie dachte nicht anders, als daß sie sich wie die gewöhnlichsten Leute schlagen könnten. Schon aber hatte Emmerich seinen Gegner eisern am Handgelenk ge faßt und ließ seine Stimme erdröhnen: „Knabe, was wagst du? Knabe, Knabe!" Und er stieß den jungen Frobel zurück, so daß er taumelte und stellte sich dann mit geballten Fäusten vor ihn hin. Wie ein roter Kampfstier stand er da, den Nacken gekrümmt, brennende Hitze in den Augen. Dann verlor sich die Nöte aus seinen Wangen, weil all dieses heiße Blut, das nie stürmischer durch seine Adern gerast war, vor uner hörter Wut plötzlich stockte. Und aufs neue dröhnte es von seinen Lippen: „Knabe du, anmaßender, unvorsichtiger Knabe, der du mir dein Leben verdankst, dein köstliches Leben. Küß mir die Hand dafür, komm her zu deinem Erzeuger." Da war endlich der Augenblick gekommen, wo sich die Erde um Frau Frobel zu drehen begann, und wo sie die Empfindung hatte, als müßte sich die Decke langsam auf ihr müdes Haupt senken und sie so allmählich zu Staub erdrücken, damit sie auch noch den Tod qualvoller erleide, als dieses Leben der letzten Jahre. Und dazu kam die Vorstellung, als müßte ihr Sohn diesen Tod noch beschleunigen helfen, damit sie ihm so rasch als möglich aus den Augen komme. Es kam aber keine Anklage gegen sie, kein schlimmes Wort zu ihr von seinen Lippen. Durch ihren tränender- schleicrten Blick sah sie nur, wie er furchtlos vor Emmerich stehen blieb, mit keiner Wimper zuckte und nur verächtlich die Schultern hob. Und dann sagte er trocken: „Sie, mein Vater? Nie und nimmer." Und er lachte ihm ins Gesicht hinein. „Das haben Sie ja schon in jener Nacht gefaselt, aber ohne jeden Eindruck auf mich, ganz ohne jeden Ein druck . . . Und wenn Sie es sein sollten, was wäre dann, wie? Sie sind mir fremd, völlig fremd — so fremd, wie der kalte Norden dort oben, den ich noch nie gesehen habe. Nicht ein Blutstropfen von mir regt sich für Sie, nicht eine einzige Fiber zittert . . . Wenn Sie Weggehen, sind Sic für mich vergessen, und wenn^Sie tot sind, werde ich Sie vielleicht bedauern, aber beweinen — nein. Ein Stein würde eher weinen, als ich." Und er drehte ihm den Rücken zu und ging zu seiner Mutter, deren heiße Hände er ergriff und küßte. Sie wollte schluchzen — aufschrcien in einem überquellenden Gefühl von Liebe und Trauer, aber kein Ton kam ihr aus der Kehle. Einen Traum glaubte sie zu erleben — und doch kam ihr alles ganz natürlich vor, so einfach natürlich, wie sie sich immer eingebildet hatte, cs erleben zu müssen, wenn diese Stunde ihr einst schlagen würde. Und da bekam sie die Kraft wieder, ihn zu bitten, sie mit Emmerich allein zu lassen; aber er sträubte sich dagegen. Jetzt nicht mehr, da ei alles gehört habe und wisse, daß es sich um Erpressungen handele. Er ic> Zeuge und warte ab, was noch kommen werde. Da geriet Emmerich wieder in Bewegung. „Knabe, reden Sie nicht solchen Unsinn", ging er plötzlich in einen kalten Ton über. „Nichts Menschliches sei fremd mir und Ihrer Mutter. Was wir mucinandcr abzumachen haben, geht keinen Tritten an. Das möchte ich hier betonen. Ich habe gegeben und ich habe zurückcmpfangcn. Punktum. Bisher habe ich geglaubt, ich hätte zuviel gegeben, nun aber sehe ich ein, vaß Sic weder von meinem Geist noch von meinem Witze sind. Einen Künstler wollte ich bilden, und ein trockener Zahlcnmensch ist daraus geworden." Und er lachte aus beengter Kehle und griff zu seiner Garderobe, denn er sah ein, daß mit dieser Szene sein Kunststückeben für immer zu Ende war. Verkniffen zog er sich den Paletot über. Als er aber Stock und Hu: genommen hatte, gab er Ernestine die Hand und sagte nicht ohne Rührung: „Leben Sie Wohl, ick denke für immer. Haben Sie Tank für alles. Unsere Wege werden sich nicht mehr kreuzen — in diesem ver logenen Dasein nicht." Und dann sprach er gewissermaßen zu beide«, stolz und von oben berab: „An Dedo Emmerich werdet ihr noch denken uiusten, paßt auf. Denn er geht als der Sieger, als der Unbczwungene, als der lachende Philosoph, als der Vielgeliebte, Verkauft euer Messing nach wie vor, ramscht noch mehr zusammen — ich werde lachen, lachen, lachen!" Und er lachte los und ging erhaben hinweg. Ernestine begleitete ihn durch das Kontor, denn sic mußte ihn dort herauslassen. An der Tür fand sie doch Gelegenheit, das Päckchen mit Banknoten aus ihrer Kleidertasche hervorzuholen und cs ihm zuzurcichcn. Einen Augenblick zauderte er, dann aber nahm er cs ohne weiteres und sagte kurz: „Danke". Sie sah ihm nach, wie er, ohne sich umzublickeu, die Treppe hinunter ging, wie jemand, der sein Glück in der Tasche hat und nicht im Herzen. Ein Vater, der seinen Sohu gesucht, aber nicht gesunden hatte! Und da: war die schlimmste Tragik seines alten Zigeunerlebens. Ja, sic fühlte es als die einzige Zuschauerin in diesem letzten Lebensspiel . . . Mochte er ziehen, wohin er wollte —: das Beste von ihm behielt sic doch zurück. Als sie mit Günther wieder in ihrem Zimmer war, tüt er so, als hätte bei diesem ganzen Vorfall nichts Besonderes seine junge Selle bc rührt. Und sie fühlten es, daß cs besser wäre, diese Dinge tief in sich zu verschließen und sie nie mehr zu erwähnen. Weshalb auch nicht? Man konnte einen Menschen nicht plötzlich aus den Kops stellen und ihm ein reden, er gehe auf seinen Füßen. Ein Vater war kein loser Begriff, kein plötzliches Geschenk, frisch hcrvorgezogen aus dem Backofen, sondern er war etwas langsam Gewordenes, etwas Mitcrlebtes, das vom Kinde un zertrennbar war wie die Luft seiner Umwelt, die ihm zum Lebens bedürfnis wurde. Die Stimme der H-ewohnheit war stärker als die Stimme der Natur. „Willst du jetzt noch fortgchen?" fragte Frau Frobel. „Wir könnten eigentlich die Drei abholen und mit ihnen irgendwo zusammen essen. Gertrud würde sich nm meisten treuen." Sie betonte das letztere nicht umsonst, denn niemals hatte sic mehr Hoffnungen gehabt, als gerade jetzt. Günther schüttelte mit dem Kops. „Heute möchte ich einmal an Pava schreiben, ich bin ihm schon längst einen Bries schuldig." Unverkennbare Wärme sprach ans seinen Worten. Und Frau Frobel freute sich darüber und sagte nichts mehr. Sie wandte sich aber ab und dachte an das grausame Schicksal, das für den anderen alles in ihm getötet hatte .... Ende. Außklsnumg! Verscbluss Ser kakste sinä Lie siiedsiseken Aal/baNeo von kari einrlx unL allein Las »reisse Xiebt 8cdnnr nnL kiombe als Lrbevllunxsreloken kür Len eebten lililllvr in ^Itenburx 8.-^., sonLorn Sedlussetlbett mit Ler 8tbutrmarko roter Lnxel mit kUIIborn. Heder- kaopt kanLein 8io im eigenen Interesse, rrenn 8ie ausLriielillek Liesen LalriiaHeo rerianxen unL Lle mit 8cknur rersekeoen kakete ruriiek- Rvlsen. IVer also Lev derriibrten „erbten 8ilek8iseben" baden »rill, Ler torLerv Len ron Alliier in 4lt«llbnrx unL tiderrenxe sieb, ob Lerselde aneb mit Ler 8odvtrmarkv roter Lnxvi mit küliborn rerseben Ist. Sitebsiseder UairkaNev ist naek rrlv vor im Kesvbmneil unL ^roma nnerrelekt. Lin Versnob vlrL HeLv Nanskran von Ler Datsavbv llder- renxvn nnL kilkrt ru LanernLem (iedranek. » - 0 o s o s e "4 s zv o r - v ciielii.Meliei'el-fMei'el Oavlünsn Heu lesisilclii-eliilgiiiis X N.k.?. 159 280. Leios Uanckapparats. L r» 48. «NNatr. 4». »«rnvNovriitr. ». Settleüei'iii'eliilWg UottvntötunA X MelsilldemIil-.-siiMiil Lunststopkersi i mit e>upi«IU. vl.l u k>r»t «^»tl, u. krituSn tlnnoi-, kumml^ieinlikrtii, »««IIi, , krieariekstr. VI/SL Li'iilsn unrß KIsmmsn mit feinsten Llssei-n. IVtoltepne foomen. Uiester- niul keizexliizei'. l'eiMen-leltkleelwt. Varomvter, Dkermomoter, 4>boboi«meter, ^ritometer. k'twtoxi'Lpdtscks ^ppunats unä Leäarksul'tikel. onck W Liren unck Hatten keissLeugv und msttiemstiseiis Instrumente. Villigv Preise. "WU NM" Kein ksdstt. UI Institut Mu Optik unct ?k^sik, LURVTLVL, Wini'kT Iß. Legi'ündel 1850. Ludrlb: LL sIirv» Ii»et kernspr. 500. M E Es. Sri Ttrikne»-Passage, Fernipr. 95U2. Königoplatt l v, ^ernjpr. 372l. Petcrostrinweg 18. 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Frankfurter Ltr. 10, Ecke Funken- burguraße, Fernsvr. 7520. GottschrSstr., Ecke Promenadenstr. Vcctyovcnstraste 10. L.-Plagwist, Zsckwcberscbe Straße 28. L.-Liuiicnau, Kuhturmstraße (Ecke Markt'. L.-Neuvntst, Dreövner Straße 37. V.-NkUünilt, Dresdner Straße 79. L.-6annrtvist, Pegauer Stiliße 20. u. olZsni. Ksinigun^ kür 5 '.Ä I>kUA»«UA-