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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.12.1908
- Erscheinungsdatum
- 1908-12-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190812106
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19081210
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19081210
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-12
- Tag 1908-12-10
-
Monat
1908-12
-
Jahr
1908
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habe noch nicht meine Bettschwere- (deutsch i« Text), „noch ein Glaü!" DaS mus! man gesehen haben, um einen Teil, vielleicht den wichtigsten (!) der deutschen Psyche »u verstehen: ich möchte von der Art und Weise reden, wie die Jugend ihre überflüssige Kraft verbraucht, die bei den lateinischen Böltern in der phvsischen, frühzeitigen Liebe, in Deutschland im Betrinken mit Bier verschwendet wird. In den Jahren, die dem Jünglingsalter folge», und bi» zum Ende wird der Mann gewordene Franzose seine Vorliebe und seine Gewohnheiten in diesem Sinn beide- halten, wahrend der Deutsche gleichfalls fortsahren wird, den Neber- schuß an Lebensenergie im Essen schweren Fleisches und vor allem im Trinken seines dicken Meis zu vergeuden! Und diese beiden, im Jüng lingsalter entstandenen Gewohnheiten werden bei den Nationen des Nordens und Süden» so entgegengesetzte Sitten schaffen, daß das Leben von Grund auS verschieden werden wird. Was ließe sich nicht alles er klären, wenn man von diesem Punkt ansgeht! Der Typus des Brauhaus«» ist im Zug, sich langsam zu verändern. Man sieht jetzt in den großen Straßen lichterfüllte Lokale, die breite Fenster und allen modernen Komfort haben, wo die Jugend und die Fremden sich erfrischen. Früher war jedes, seines Namens würdige Brauhaus eine rauchcrfüllte, niedrige Wirtsstube. Es gibt in München noch viele dieser Art. Dort leben auch zumeist weiterhin die alten Münchner, nach deren Empfinden dieser neue Stil und diese Elektrizi- tätsorgie nicht „gemütlich" genug sind. Erzählt man nicht, daß sich letzt hin die Stammgaste einer dieser traditionellen Zufluchtstätten gegen de» vom Besitzer mitgeteilten Plan, im Hauptsaal einen Ventilator aufzu stellen, auflehnten! Sie drohten, nicht wicderzukommen . . . Nein, nein! Sie wollen den Rauch, und so wenig Licht wie möglich. Sie würden sich in einem von der Zeit und dem Rauch geschwärzten Bild TonierS wohlfühlen, zwischen Mauern, an denen Würste und geräucherte Schinken hängen und die von zwei Talgkerzen erhellt werden. Sobald eS weiße Tischtücher gibt, ist der Ort nicht mehr „gemütlich", gibt eS keine „Bierstimmuna" mehr. Man findet sogar Wirtshäuser, in die da» Tageslicht nicht eindringt und in denen es keine Nbr gibt, damit die Trinker nicht zu wissen brauchen, wie spät e» ist, solange ihre Trink freude nicht das Ende erreich! hat. Tas ist daS wahre Glück! Die Münchner lassen auch die eigentlichen Cafes im Stich, die übrigens um sieben Uhr abends schlievcn. Wir meinen die Art Wiener Cafes, wo man Kaffee, Eis, Kuchen und Likörs serviert. Ich habe schon gesagt, daß München die Metropole der Wurst ist. Die Münchner essen eine Wurst, wie wir ein Bonbon knabbern, ohne größere Anstalten, Notwendigkeit und Appetit: daS zählt nicht. Man geht an einer Bratstube vorüber, tritt ein, setzt sich, der Kellner bringt eia Paar, zwei Paar Würstchen und einen Liter Bier, man verschlingt das alles in fünf Minuten und räumt anderen seinen Platz ein. Eine gute Bürgersfrau kauft im Freien zwei gekochte Würstchen, die man ihr in ein Stück Papier einwickelt, und ißt sie in wenigen Sekunden an Ort und Stelle oder im Weitergehen. Trotz dieser allgemeinen Mode gibt eS keine große Wurstfabrit selbst in München. Man findet sie erst in Thüringen. Das Hofbräuhaus befindet sich im Zentrum der Stadt, auf dem Platzl, zwei Schritte von der Maximiliaiistraße. Man betritt eine Art mit Bäumen bepflanzten Hof, in dessen Mitte ein Brunnen steht und wo Tonnen aufgestellt sind, auf die man große irdene Krüge mit Zinn deckeln gestellt hat. Rings um diese Fässer stehen Männer, die die Pfeife rauchen und plaudern. Aus diesem Hof kommt man zu ebener Erde in das Brauhaus, das mit seinen auf niederen Pfeilern und mit verbliche nen Fresken bemalten Mauern ruhenden Ogivalbogen wie ein Kloster aussieht. Die dicken Kellnerinnen haben ihre Ledertasche um die Taille geschnallt, die in keinem Korsett steckt und die zwei Arme nur mit Mühe umschlingen können: sie drücken ein Dutzend leere Krüge gegen ihre mäch tige Brust und rollen gewissermaßen langsam und unaufhörlich auf ihren kurzen Beinen vom Faß zu den Tischen und von den Tischen zum Faß. Die wahren Kenner, die „Bicrkießer", wissen immer, in welcher Bierballe das älteste Bier verkauft wird, und wechseln ihre Lokale nach den Weisungen, die ihnen ihre Freunde unter den Brauknechten der Stadt geben, mit denen sie sorgsältigst vertrauliche Beziehungen unter halten. Ein anderer erzählte scherzend, daß sein Vater, wenn er sich überzeugen wollte, ob das Bier gut wäre, die Hälfte eine» Glases auf die Eichenbank schüttete und sich darauf setzte: wenn der Hosenboden fest klebte, konnte man es trinken, dann war cS dick nach Wunsch! Tie Bauern werden sich über den Bieneneifer frenenj mit dem Hurek in die Geheimnisse der Brauhäuser einHudringen suchte. Er hat sicher kompetente Informatoren, aber erstaunlich ist eS, daß er daS „Dentsch". der „Bicrkießer" verstehen konnte, das selbst manchem Norddeutschen un möglich ist. Dafür schreibt er freilich regelmäßig alle deutsch zitierten Worte in seinen „Figaro"-Fenillctons falsch. Die Valknnkvisi». Paris, 9. Dezember. (Telegramm.) Der Korrespondent deS „Petit Parisien" meldet auS Berlin: „Wie ich erfahre, bemühht sich Deutschland, das um jede» Preis einen Krieg vermeiden möchte, ans Oesterreich einzuwirken» um es vor etwaigen, nicht wieder gut zu machenden energischen Schritten abzuhalten. Gleichzeitig bemüht sich Deutschland, in ähnlichem Sinne als Friedeusvermittler in Belgrad und Konstantinopel zn intervenieren. Die österreichisch-ungarische Militarfrage. Wie ernst die gegenwärtige europäische Lage in der habsburgischen Monarchie momentan ausgefaßt wird, das beweist auch folgende Mit teilung über neue schwebende Verhandlungen über die österreichisch- nnaarische Militärfrage, die von der „Neuen Fr. Pr." vorläufig noch als „unverbindlich hingcstettt werden. Wieu, 9. Dezember. Die „Neue Freie Presse" meldet: In den letzten Tagen waren neuerdings Meldungen verbreitet, daß der militärische Aus gleich mit Ungarn vorbereitet werden solle. Demgegenüber ver lautet von informierter Seite, daß erst nach Erledigung der Unionsfrage und der Bankfrage an die Perfektionierung des militärische» Ausgleichs geschritten werde. Nichtsdestoweniger finden von Zeit zu Zeit »nver- bindlichc Besprechungen über die militärischen Frage» statt, und auch in den gestrigen Besprechungen des ungarischen Ministerpräsidenten Dr. Wckerle mit dem Neichskriegsminister dürften diese Fragen gestreift worden sein. Cin italienisch-türkisches Bündnis? (Telegramm.) Rom, 9. Dezember. Im Neapeler „Mattino" wird heute die Notwendigkeit eiue» Bünd nisses zwischen Italien und der Türkei erörtert. Es heißt, daß für beide Mächte Oesterreichs Valkan-Expansion keine Kolonialfrage sei, sondern eine Grenzfrage. Vereint könnten beide, Italien und Türkei, Oe st erreich Halt ge bieten. Ein Bündnis Italien» mit der Türkei widerspreche übrigens seinen Verpflichtungen gegenüber dem Dreibund keineswegs, da auch Deutschland jahrelang „der Verbündete Abdul Hamids" gewesen sei. Die österreichisch-türkische Boykottfraqe. (Telegramm.) Paris, 9. Dezember. Wie der „Eclair" ans Konstantinopel meldet, hatte der österreichisch-ungarische Botschafter eine Unterredung mit dem Grobwesir über die D o y k o t t fr a g e. Der Botschafter teilte dabei dem Großwesir mit, daß die österreichisch ungarische Negierung sofort nach Beendigung des Boykotts die Verhandlungen über dre Annexion Bosniens und der Herzegowina, sowie über den Zu- sammentritt der Konferenz wieder aufnehmen werde. Die öffentliche Meinung sei indessen nach wie vor f ü r d i e Fort setzung des Boykotts bis zu dem Tage, wo Oesterreich-Ungarn Kompensation en gemacht haben werde. Konstantinopel, 9. Dezember. Ter Großwesir Kiamil Pascha stattete vor einigen Tagen dem französischen Botschafter Eonstans einen Besuch ab. Ter französische Diplomat riet dem Großwesir dringend, wegen der Boykottbchvegung zur Mäßigung. Vorschläge zweck» Vermittlung wurden nicht ge- «acht, da Oesterreich imStillschweigen verharrt. Di« Pforte ist der Ansicht, daß Nachgiebigkeit im jetzigen Moment einen Stur» der Regier» »g herbeiführen werde. Weitere Mobilisierungen. (Telegramm.) Loudon, 9. Dezember. Die „Westminster Gazette" meldet au» Belgrad: Plötzliche Mobi lisier» ngSbefehl«, die in Ungarn verfügt worden sind, haben in Belgrad groß« Erreg»ag Hervorgerufe». In Pest erhielten niedrere Elitetruppen Mobilmachung»order. Derttfcher Reich. Leipzig, 10. Dezember. * Der Stempelfteuergesetzeutwurs. Eine der wichtigsten gesetzgebe rischen Arbeiten, die der sächsische Landtag noch vor dem Beginn der WechnachtSscrien in Rücksicht auf daS Gleichgewicht im Staatshaushalt erledigen muß, ist die Verabschiedung der neuen Stempelstegeraesetz- oebung. Der Gesetzentwurf ist gegenwärtig so weit gediehen, daß die Finanzdcputation und die Gesetzgebungsdevutation der Zweiten Kammer, denen die Vorlage zu gemeinsamer Weiterberatung und Be richterstattung vom Plenum diefeS Hauses überwiesen worden ist, die erste Lesung beendet haben. Demnächst wird nun der Berichterstatter, Abg. Dr. Seetzen-Wursen, den Deputationen seinen Druckbericht vorleaen, worauf sich al-ball» die Kammer endgültig zu der Regierungsvorlage äußern wird. Dann geht daS Gesetz zur verfassungsmäßigen Beratung an die Erste Kammer, wo die Verabschiedung kuapp vor Toresschluß erst möglich sein wird. Trotz der mannigfachen Bedenken, die man seitens des Landtage» einzelnen Besteuerungsvbjekten und Steuersätzen in dem vorgelegten neuen Tarife gegenüber geltend macht, wird das Gesetz doch nur kleine Aenderungcn erfahren. Die Abgabe von jedem Mietverträge, die einem großen Widerstande begegnete, befindet sich noch in der Vor lage, und es ist nur wenig Hoffnung vorhanden, daß diese neue Abgabe noch fallen gelassen wird. * Die Handelskammer zu Plauen und die Gewerbenovellc. Die Handelskammer Plauen bat oeim Reichstag im Interesse der in ihrem Bezirk weitverzweigten Textilindustrie auf telegraphischem Wege cm- schicdcnsten Widerspruch gegen die Herabsetzung der Arbeits zeit verheirateter Arbeiterinnen an Sonnabenden von 8 ans 6 Stunden erhoben. Desgleichen hat die Kammer im Interesse der in ihrem Bezirk vorhandenen wichtigen Saisonindustrien zur Her stellung von Stickereien und Spitzen und Konfektion gegen daS Ver bot der Mitaabe von Heimarbeit an Fabrikarbeiterinnen noch Fabrikschluß dringend Verwahrung eingelegt und den Reichstag gebeten, diesen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleich nach teiligen Beschränkungen die Zustimmung zu versagen. * Freisinnige Bersammlnng in Chemnitz. In Chemnitz fand am Dienstag eine vom Freisinnigen DolkSverein veranstaltete stark besuchte öffentliche Versammlung statt, in der der freisinnige Parteisekretär Herr Hofmann (Leipzigs über „Politische TageSfragen" referierte. * Ueber die Reichsfinanzrefovm und die neuen Steuer» sprach der ReichStagScrbgeordnete Geyer in einer im Felsenkeller in Leipzig- Plagwitz abgehaltenen Volksversammlung. Er schilderte die einzelnen Stenervorlaqen, kennzeichnete die Stellung der einzelnen politischen Parteien hierzu und führte die Ursachen des fortgesetzten ReichSdefUits auf das uferlose Anwachsen deS Militarismus und der Kolonialpolitik zurück, wobei er zu dem Schlüsse kam, daß diese Steuervorlagen ein Ein griff in die Zivil-Wohlfahrt seien und daß auS diesem Grunde mit dem jetzigen System gebrochen werden müsse, wenn eine Gesunduna der Reichsfinanzen herbeigeführt werden solle. Beschlüsse wurden hierzu nicht gefaßt. * Abg. Opitz »nb der englische Ministerpräsident. In der Zweiten Kammer hatte der Abg. Opitz erklärt, der ungarische Ministerpräsident Andrassy habe sich an de» deut'chen Reichskanzler Md au den englischen Ministerpräsidenten gewandt 'wegen der Stellung zum Pluralwahlrechk, und daß ihm beide übereirrstimmeild geantwortet, das Pluralwablrecht sei die einzige Methode, die den Anforderungen der Zivilisation entspreche. Die „DreSdn. BolkSztg." veröffentlicht nun ein Schreiben deS englischen Sozialistenführers Keir Hardie, der sich deshalb mit einer Anfrage an den englischen Ministerpräsidenten gewandt hat. In seiner Antwort an Keir Hardie bestreitet der englische Ministerpräsident, daß er jemals eine derartige Neußeruug getan habe. Es sei an der ganzen Geschichte kein Wort wahr, s^ou hat der Abg. Opitz das Wort. * * Bon einer seelischen Depressiv» oeS Kaisers wurde vor ungefähr zehn Tagen da» erste Malin der Presse berichtet. Jetzt wird diese Melkung wiederholt und in ihrem Ton verstärkt. E» heißt, die «aufsässige De pression nnd die Gemütsstimmung deS Kaisers" mache auf dessen Umgebung eine» starken Eindruck. Der Kaiser bringe «auch während deS Tages mehrere Stunden im Bett zu und zwar sei dies nicht durch körperliches Kranksein bestimmt." Weiter wird noch hinzugesügt, daß sich die GemiitSstimmuvg de» Kaiser- «in einer stärker noch al- sonst Her vortreteode» Religiosität äußere, und daß die fürs Frühjahr geplante Mittelmeerreise des Kaiser- nicht ausgeführt wird. Die Wahricheinlich- leit diese- bedauerlichen Zustande» dr» Kaiser- ist angesichts der Vor gänge der letzten Wochen sehr groß; nur ist nicht recht ersichtlich, wes halb die Nachricht davon iu verhältnismäßig kurzer Zeit wiederholt wird. * Ueber da» Ergebnis der Delegiertentagung am Internationalen Institut für Landwirtschaft in Rom erfahren wir, daß allgemein die Ueberzeugung von einem zukünftigen erfolgreichen Arbeiten des Instituts Platz gegriffen hat. Dies hat seine Begründung in der vorzüglichen sach verständigen Vertretung der beteiligten Staaten im Ständigen Ausschuß, sowie in dem einmütigen Zusammenarbeiten dieser Behörde. Als erste Ausgabe wird sich das Institut die Schaffung einer umfassenden landwirt schaftlichen Produktionsstatistik stellen, die — auf einheitlichen Grund lagen beruhend — ein klares Bild der vorhandenen Erzeugung in den wichtigsten Artikel des Welthandels bietet. Man erwartet hiervon einen günstigen Einfluß auf den Handel, weil die frühere Verschleierung der vorhandenen Produktion nur der unlauteren Spekulation Vorschub leistete. Diese Statistik soll auch auf die Vieherzeugung der hierfür in erster Linie in Frage kommenden Länder ausgedehnt werden. Ferner dürfte auch eine Erforschung der Pflanzenkrankbelten und ein Nach richtendienst über deren Auftreten in die Wege geleitet werden. Zweifel los wird die Lösung der verschiedenen Aufgaben des Instituts in erster Linie durch den Ständigen Ausschuß erfolgen, während die Delegierten versammlungen sich mehr auf die allgemeine Kontrolle der Geschäfts führung und auf Anregungen zu neuen Arbeitsgebieten beschränken dürften. * Die Reich-finanzreformkou, Mission des Reichstag» beschloß ein stimmig, die au» den Rechnungsjahren 1906 bi» 1908 herrührenden gestundeten Matrikularbeiträge in Höhe von 144 753 000, die nach tz 6 veS Finauzgesetze» auf die Reichskasse übernommen werveu sollten, au- der Be- darf-recdnuug des Schatzsekretärs auSzuscheidcrr. Ferner wurde eine frei sinnige Resolution angenommen, wonach die verbündeten Regierungen in Erwägungen über die Veredelung der Matrikularbeiträge eintreten sollen. * Zur Tabaksteuer. Aus dem Bureau des Deutschen TabakvcreinS wird uns geschrieben: ES wird neuerdings von Freunden der Tabaksteuer eine bildliche Darstellung der Tabaksteuervorlage verbreitet. Darin ist die jetzige Tabaksteuer ganz winzig mit einer kleinen Zigarre und einer kleinen Zigarette dargestellt, und der Betrag dabei auf 25,6 Millionen angegeben, daneben steyt die geplante Tabaksteuer mit emer Riesen zigarre und einer Riesenzigarette bezeichnet und der Betrag mit 77 Mil lionen. Tatsache ist, daß jetzt der Tabak mit 72 Millionen und die Ziga rette mit einer Sondersteuer von 15 Millionen, der Tabak also zusammen mit 87 Millionen zugunsten der Reichskasse belastet ist. ' (Hegen die Lichtsten« wendet sich auch die Vereinigung der (> I ü k st r u m p s fa b r i ka n t c n in einer Eingabe an den Reichstag. In überzeugender Weise wird darin »achgewicsen, daß das Gas durch' aus kein Luxuslicht mehr sei, sondern daß es vielmehr zum Licht des kleinen ManneS geworden sei. Die Denkschrift weist vor allen Dingen auch nach, daß die Regierung sich hinsichtlich deS Ertrages der Steuer gründlich und bedenklich geirrt habe. " Der Krieasminist« nnd «stillende Mütter". Der Kriegüminister hat, wie die „Inf." von unterrichteter Seite erfährt, soeben eine dankens werte Einrichtung getroffen, die allseitia mit aroßer Befriedigung aus- genommen werden wird. Er hat nämlich verfügt, daß von de» Direk- roren der Militärwerkstätten in Spandau alle dort beschäftigte« Arbeite rinnen, die als junge Mütter ihre Säuglinge selbst sttllen^täglich einen dreistündigen Urlaub erhalten müssen. Zugleich dal der Minster ange ordnet, daß diesen Arbeiterinnen, welche die freie Zett »um Stille» ihrer im Säuglingsheim befindlichen Kinder verweude» müssen, trotzdem den- selben Lohn erhalten, als wenn sie während dieser Zett gearbeitet hätten. Ein Lohnabzug darf für die Stillzeit uuter keinen Umständen erfolgen. ' Verschiebung der Reichstagsvertagnua? ES ist nicht ausgeschlossen, schreibt die „Neue pol. Korr.", daß der Reichstag »och über de» Donners tag hinaus tagt, weil die erste Etatslesung nnd die Gewerbeordnungs novelle noch erledigt werden sollen, und eS fraglich ist, ob dieser Stoff sich bi» Donnerstag erledigen läßt. Bleibt aber der ReichStaa bis Freitag zu- fammen, dann liegt die Möglichkeit vor, daß vielleicht noch drei Sitzungen der RcichSfinanzreform-Kommission statthaben und die Bedarssfrage dabei noch angeschnitten werden kann. Der Reichstag gebt dann bis zum 12. Januar in die Ferien. Es ist zu hoffen, daß die Reichsbote» nach dieser langen Erholungspause so gestärkt zurückkehren, daß sie an die wichtige Finanzresorm dann mit allem Nachdruck Herangehen werden. Man würde eS im Lande nicht verstehen, wenn die beteiligten Industrien zu lange in Spannung blieben und daneben die Sicherheit einer groß zügigen Lösung der notwendigsten Finanzreform zu lange aufgeschoben werden würde. Auch da» Interesse der vielen Tausenden von Beamten, deren Gehaltserhöhung unlösbar mit der Finanzresorm verknüpft ist, erfordert baldigst eine Entscheidung. * Boykott deutscher Waren in Böhmen nnd in Mähre». Wie aus Frankfurt a. M. gemeldet wird, haben zahlreich« süddeutsche Groß fabriken nnd Exporthäuser die Kündigung jahrelanger Geschäfts verbindungen seitens böhmischer und mährischer Abnehmer erhalten mit der Motivierung, daß infolge de» Vorgehens de» Deutschtum» (!j in Prag deutsche Fabrikate in Böhman und Mähren nicht mehr geführt werden dürsten. * Die nachgesuchte Genehmigung zur Gründung eine- Verbandes der Ncichspost- und Tclearaphcuuntcrbeamten ist nunmehr erteilt worden, so daß der neue Neichsverband am 1. Januar inS Leden tritt. Da dieser Organisation die bereits bestehenden Bczirksvcreine sämtlich bcitreten, wirb sie mit fast 70000 Mitgliedern die größte Beamten vereinigung darstellen. Die in der Genehmigung liegende Anerkennung des freien Koalitionsrechtes darf hoffentlich als ein Beweis dafür an- gcstben werden, daß auch die Postbehörde zukünftig eine andere Stellung gegenüber den Dcamtenvercimgungen «innehmen wird. * Der Einspruch des Bischofs von Rotteubnrg gegen die Volks- schnlreform in Württemberg wird von der württembergischen Presse aller Parteien mit Ausnahme deS Zentrums energisch zurückgswiesen. Die Auslassung deS nationalliberalen „Schwäbischen Merkur* wurde bereits mitgeteilt. Das Hauptorgan der Volkspartet, „Der Beobachter", verlangt eine rasche und entschiedene Antwort der Regierung: „Ein Ignorieren der Nottenburger Kundgebung wär« ein Schwächezeuanis für die Negierung, die nun genötigt sein wird, ganz besonders auch in der Ersten Kammer, wo sie den Vertretern deS Ordinariats Auge in Auge gegcnübcrstehen wirb, ihren Standpunkt mit allem Nachdruck zu vertreten. Für die Negierung gibt es nach diesem Schachzug nur noch ein kraftvolles Vorwärts und niemals ein zauderndes Zurück." Die Betrachtungen des „Beobachters" klingen auS in dem Wunsche nach ganz- licher Trennung von Staat und Kirche, „wobei die Schule vom Staat in Anspruch zu nebmen wäre". In ähnlichem Sinne äußerl sich di« sozialdemokratische „Tagwacht". DaS Organ der Konservativen und Bancrnbündler, die „Deutsche ReichSpost", meint, durch die Kund gebung des Bi'chofs werde die Zentrumsfraktion von der Notwendigkeit entlastet, ihrerseits nochmals durch lange Reden ihren Standpunkt zu vertreten. Auch die liberalen Blätter „Neues Tagblatt" und „Neckar- zeitnng" betrachten die bischöfliche Kundgebung als letzten Vorstoß, durch den der Rückzug des Zentrums gedeckt werden st>ll. Smon in den nächsten Tugen wird das Vorgehen de» Bischofs in der Abgeordnetenkammer zur Sprache kommen. Ausland. Oesterreich-Ungarn. * Au- dem Abgeordnetenhaus. Im österreichischen Abgeordnetenhau- hat Herr von Blenerth gestern eine bedeutsame Rede über die Prager Assäre gehalten, deren Inhalt folgendermaßen übermittelt wird: Wieu, S. Dezember. (Tel.) In fortgesetzierBeratung deSBudgetprovisoriumZ sprach Ministerpräsident Frhr. v. Blenerth im Abgeordnetenhaus unter auhaltendem Lärm und fortdauerndem Pfeife« der Tschechisch Radikale« seine große Genugtuung darüber au», daß da- Hau- mit einer Raschheit, die gewiß die von ein- zelnen geäußerten Zweifel an seiner Leistungsfähigkeit glänzend widerlegte, iu die Verhandlung de» Budgetprovisoriom- eiugetreten ist. Der Ministerpräsident besprach zunächst die Verhängung de- Standrecht« über Prag und betonte, daß die Regierung nur »ach gewissenhafter Prüfung der Sachlage zu diesem gesetzlichen Abwehrmittel erst daun gegriffen habe, ol der staatliche Notstand offenkundig geworden war und irr der Bewegung sogar ausgesprochene staatsfeindliche Tendenzen schärfer zutage traten. (Lebhafte Zustimmung.) Die volle Schärfe der Maßregel richte sich gegen jene, welche die nationale Verblendung und Leidenschaft in offenkundiger Absicht entfachten und gerade i« gegenwärtigen ernste« Augenblick (Zwilchenrufr) die AktionSkraft Oesterreichs durch et«e Anzettel««» tuuerer Wirre« z« schwächen suchten. Aber ein Staat, der in de« schwersten Stürmen, die Europa heimgesucht haben, sich kraftvoll zu behaupten gewußt hat, wird nicht vor der Wühlarbeit gewisser Staat-feind^ die vor ganz Europa die Ohnmacht unserer öffentlichen Gewalt asfichiereu möchten, abdaokea. (Lebhafter Beifall; anhaltende Zwischenrufe der Tschechisch-Radikalen.) " Konferenzen mit Weierle. Aus Wien wird unterm S. d. M. berichtet: Der ungarische Ministerpräsident Wekerle, der sich heute in Wien aufhielt, wurde vom Kaiser in längerer Audienz empfangen, in der die i n n e r p o l i t i s ch e n Angelegenheiten Ungarn vornehmlich die Frage des Budget», besprochen wurden. Hierauf batte Wekerle eine Konferenz mit dem gemeinsamen Minister des Aeußern, mit dem gemeinsamen Krieg-Minister und mit dem österreichischen Ministerpräsidenten. Die Konfc- rcnzen galten nicht der Beratung der auswärtigen Lage. Frankreich. * lllemeneeau» Sieg. Die Affäre de» gemaßregelten Admirals Germinet hat, wie gemeldet, die politischen Leidenschaften auf» höchste ent facht. Die Erregung spiegelte sich in der großen Kannnersibung von, 8. d. M. deutlich wieder. Da» Hau» war, wie au» Pari» mitgeteilt wird, überfüllt. Alle Minister waren anwesend. George» Llemenceau sitzi schweigend auf seinem Platz. Man sieht auch Herrn Picard, den ehe maligen Ausstellungsdirektor und jetzigen Marmeminifter, wie seinen Vorgänger Thomson. Die Interpellationen über Admiral Germinet wurden von den beiden Nationalisten BienaimS und Dubourque und von dem Radikalen Michel eingebracht. Admiral Bien atm» taucht als erster Redner auf der Tribüne auf. Er meint, daß e« sich um eine miß- verständliche Auffassung der Regierung handle, die diese schleunigst korrigieren müsse, wenn man nicht vermuten solle, daß die sogenannte Indiskretion nur ein Vorwand sür Lle- menceau gewesen sei, um einen lästigen Offizier loszuwerden. Die nächsten beiden Interpellanten, der Nationalist Dubourque und der Radikale Michel, sprechen gegen da« Ministerium, bringen aber dem Ministerium Nutzen. Besonders als Michel die Tatsache, daß der Inter viewer Germinets dem Blatte „Petit Var" angehört, mit LlemenceauS Senatorwahl im Departement Bar zu vereinen sucht, gewinnt der Ein druck an Macht, daß die Situation deS Ministerium« weniger verzweifelt ist, al» es anfänglich schien. Jetzt hält Elemeneeau die Zeit für gekommen, einzugreifen. Er sagt ungefähr folgende«: Die Regierung übernimmt die volle Beran Wortung für die Bestrakuna de« Admirals Germinet. Die Kammer kam, dies« Handlung billigen oder verwerfen, da» steht bei ihr. Sie hat darüber ,u entscheiden, ob di« unverantwortlichen Indiskretionen in der Marine aufhören oder andauern sollen. Gewiß ist der Admiral Germinet ein guter Franzose, ein guter Soldat. Gerade deshalb aber hatte er mehr al» andere die Pflicht, die Disziplin zu wahren, di- er von seinen Untergebenen verlangt. (Beifall link«.) Aber Germinet hat, wie Sie eben körten, den Fehler, für den er gestraft werden mußte, wiederholt begangen. Er hat auch über Dingegesprochen, von denen er nichts versteht, über technische Dingel War es ihm um die Sache ,« tun, so hatte er sich an h« Mariae-
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