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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.08.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-08-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080803020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908080302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908080302
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-08
- Tag 1908-08-03
-
Monat
1908-08
-
Jahr
1908
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Vnrch die »oft zu b«»t«-«n: fl mal tiglich) innerhalb Deutschland« und der deutschen Kolonien »iertelithrlich 42S M- monatlich 1.75 M. anllchl. Post, beftellgeld, chr Oesterreich 9 L 66 k, Ungar» 8 L viertelsLhiUch. sserner in Beü ateü, DLaemarl, den Donaustaaten, Italien, Luremburg, Niederlande Norwegen, Rutz» land, Schwede», Schwer na» Spanien. In allen übrigen Staaten nur dtrea durch di» irgpch. d. Bl. «htltlich. »dmmemeadchlnnab«», SnguüuspIaH 8^ be» unseren DrLaern. Filialen, Spediteuren »ad Lnaahmrftellen, sowie Posttmtern und Di« »t»Mi» Nummer lostet 1V »edaktto, und »rpedtttou! Jodanattgass« 8. »elevb-a Nr. 14LSL Nr. IE, Nr. 14SS4. Abe«d-A«sgave 8. Mlp.ngcrTagtblatt Handelszettung. Ämksvlatt des Rates und -es Volizeiamtes -er Lta-l Leipzig. Anzeigen. Preis sstr Inserate au« Leipzig und Umgebung di» Sgespaltene Petitzeile 2b Pi., sinanuelle «neigen 80 Pi., NeNamen IM.: »on au»wtrt» 80 Ps., NeNamen 1.20 M., »omLu«land50Ps., finan,.Anzeigen75Pi Reklamen 1.50 M. Inserate d. 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R.) * In Rom kam eS gestern zu einer deutschfeindlichen Kundgebung. sS. Ausl.) * Die Neubildung des türkischen Ministeriums ist nun erfolgt. lS. Ausl.) * Nachrichten aus Panama zufolge steht ein offener Bruch zwischen den Vereinigten Staaten und Panama bevor. lS. Ausl.) * Die europäischen Gesandtschaften in Teheran haben angesichts der bedrohlichen Lage die Tore geschlossen und gewähren In ländern keine Zuflucht mehr. Trieanus * Potsdam, 3. August. sPrivattelegramm.) Der Ehef des Geheimen Zivilkabinetts des Königs von Preußen, Dr. jur. et med. von Lucanus, ist heute nacht gestorben. Nachdem schon vor einigen Wochen, zu Anfang des Juli, von einer bedenklichen Abnahme der Kräfte des hochbetagten Chefs des Geheimen Zivilkabinetts des Königs von Preußen Meldungen kamen, und nach dem auch schon in der Person des Regierungspräsidenten v. Valen- tini seit einiger Zeit der präsumtive Nachfolger des Herrn v. Lucanus die Dienste des nunmehr Verstorbenen versehen hat, mutzte man auf diesen Todesfall gefaßt sein, denn Herr v. Lucanus war nicht der Mann, der sich einer Indisposition wegen von seinem Posten entfernt hätte. Zwar ging schon seit Jahren immer wieder die Nachricht durch di« Presse, der Chef des Geheimen Zivilkabinetts fei amtsmüde, und nur auf dringenden Wunsch seines Königs behalte er die Geschäfts führung noch in den Händen. Wiederholt auch schon ist Herr v. Valen- tini für ihn eingesprungen, aber immer wieder erholte sich der alte Herr, und man weiß heute nicht recht, ob der Wunsch des Königs doch nicht auch der Wunch der Exzellenz war. Erst noch in einer der letzten Sessionen der preußischen gesetzgebenden Körperschaften bildete die Position des Herrn v. Lucanus ein interessantes Streitobjekt. Die Re gierung wünschte, die Bezüge des Chefs des Geheimen Zivilkabinetts auf die Höhe der Ministergehälter zu bringen, und es geschah das Un glaubliche, daß konservative Parlamentarier gegen diese Wünsche stimm ten und die Position zu Fall brachten. Man oarf den Versicherungen glauben, daß dieses Votum nicht gegen die Person des Herrn v. Lucanus gerichtet war, sondern vielmehr «inen politischen Hintergrund hatte, nämlich in einer Anwandlung von Konstitutionalismus zum Ausdruck bringen sollte, daß es doch wohl nicht angängig sei, den Ches einer der Kontrolle des Parlaments entrückten, ausschließlich dem König unter stellten Behörde den Ministern auch äußerlich gleichzustellen. Denn daß Herr v. Lucanus ihnen faktisch mindestens gleichstand, hat wohl jeder Politiker gewußt. Persönlich war dabei Herr v. Lucanus den preu ßischen Granden, den Konservativen überhaupt, durchaus nicht unsym pathisch. und man könnte auch beim besten Willen kaum eine Tatsache aus der Amtsführung des Herrn v. Lucanus konstatieren, die ihnen zum Unmut Anlaß gegeben hätte. Soweit man nämlich überhaupt in diese Amtsführung hineinsehen konnte. Hier liegt das Charakteristiche, das völlig Unkontrollierte dieser aus der Zeit des Absolutismus in die Moderne hincinragenden Macht. Nach außenhin war die Position di: unscheinbarste von allen Hofämtern, cke kscio aber war ihr wohl die meiste Exekutivgewalt gegeben, und bei dem Vertrauen, das Herr v. Lucanus beim König genoß, hätte es nur einer intriganten Per sönlichkeit bedurft, um hier eine Nebenrrgierung schönster Art zu schaffen. Man kann dem Verstorbenen derartige Gelüste nicht nach» sagen. Man muß sogar an ihm rühmen, daß er es auch verschmäht hat, die Macht seiner Position nach außenhin durchscheinen zu lassen. Ihm hat am Schein der Macht nichts gelegen. Bei der Doppelnatur seines königlichen und kaiserlichen Herrn griff natürlich auch der Wirkungsbereich des Chefs des Geheimen Zivil kabinetts des Königs über die Grenzen von Preußen hinaus und um faßte die gesamte Exekutive des kaiserlichen Willens. Dies trat schon dadurch hervor, daß auch die Reichskanzler, die Staatssekretäre, selbst wenn sie nicht preußische Minister waren, vom Lucanus geholt wurden. Die Auffassung der Oefsentlichleit, bestärkt durch die Karikatur der Witzblätter, hat in dieser Tätigkeit das Wirken des Verstorbenen sich erschöpfen sehen. Natürlich mit Unrecht. Und vielleicht sind Herrn v. Lucanus gerade diese Gänge manchmal peinlich genug gewesen, um so mehr, da manche der Minister und Staatssekretäre in einem guten Verhältnis zum Chef des Geheimen Zivilkabinetts eine wichtige Stütze ihrer Stellung sahen. Bei der Verführung, die in der eminent wichtigen Vertrauens stellung des Herrn v. Lucanus lag, ist man zu der Anerkennung ge zwungen, daß von einem selbständigen Politisieren dieses Mannes nichts bekannt geworden ist, und daß er sich auf sorgfältige Wahr nehmung seiner Funktionen beschränkt hat. Solange die Institution des Geheimen Kabinetts überhaupt noch besteht, muß man das eine wünschen, daß seine 9-achfolger ihm hierin gleichen mögen. Exzellenz Friedrich Karl Hermann v. Lucanus wurde geboren am 24. Mai 1831 in Halberstadt. Im Jahre 1834 wurde er nach vollende- jem juristischem Studium Auskultator in Halberstadt, dann in Frank furt a. d. O. 1859 wurde er als Hilfsarbeiter in das Kultusministerium berufen, wo er 1878 Ministerialdirektor und 1881 Ünterstaatsiekretär in diesem Ministerium wurde. Seit 1888 wirkt er als Geh. Kabinetts rat und Chef des Zivilkabinetts Kaiser Wilhelms II. Im gleichen Jahre wurde er in den erblichen Adelsstand erhoben. Er war seit 1884 ehrenhalber Dr. jur. der juristischen Fakultät Göttingen und Dr. med. der medizinischen Fakultät Halle. Die Vorbereitung der Truppen für -en Äanrpf. Don hoher militärischer Seite wird uns geschrieben: Nur in dem innigen Zusammenwirken der drei Waffen, besonders der Infanterie und der Feldartillerie, ist im modernen Kampfe der Er folg zu suchen. Die Exerziervorfchriften und die Felddienstordnung sprechen dies mit dürren Worten aus. Die Frage der Vorbereitung dieses Zusammenwirkens in der Friedensschulung der beiden genannten Hauptwaffen ist also eine militärische Lebensfrage. Infanterie uno Feldartillerie halten im allgemeinen in der jetzigen Jahreszeit ihre Ge fechtsschießen ab, aber nicht vereinigt, sondern getrennt. Entspricht diese Anordnung dem Grundsatz der Vorbereitung für den Kampf? Niemand wird dies wohl bejahen können. Hier ist also eine klaffende Lücke in der Vorbildung für das Gefecht vorhanden. Sie muß geschlossen werden. Die kleinen Unbequemlichkeiten, die sich aus einer vereinigten Unterbringung der Infanterie und Feldartillerie aus den — zweifellos noch einer Vermehrung bedürfenden — Truppen- Übungsplätzen ergeben, treten weit zurück hinter der immensen Be deutung gemeinsamer Schulung beider Waffen für das Gefecht, be- sonders auch durch Scharfschießen. Wenn Italien in der Lage ist, der Zahl der von jedem Infanteristen oder Alpenjäger jährlich zu ver schießenden scharfen Patronen von 135 aus 160 l145 auf 170) zu bringen, außerdem das Quantum an scharfen Schüssen für die Batterien stark zu erhöhen, so werden sich auch im deutschen Kriegsbudget dazu die Mittel finden. Nicht ohne Grund vereinigt man in Frankreich schon seit langen Jahren gemischte Verbände bis zu s1908: zehn) Divisionen auf wärts auf Truppenübungsplätzen wie Chalons, Mailly, Sironne zu gemeinsamen Gefechtsübungen, die mit Scharfschießen verbunden sind. Warum sollte das nicht auch bei uns möglich sein, und wenn es möglich ist, warum unterbleibt es? Im „scharfen" Feuer muß die Infanterie lernen, daß es bei den vor- züglichen Konstruktionen der Geschosse der Feldartillerie keine Gefahr für sie hat, überschossen zu werden: sie würde sonst vielleicht stutzen, wenn in der Vorbereitung ihres Angriffs bis dicht vor dem Einbruch, im kritischsten Momente also, in dem sie die Hilfe der Artillerie er sehnen wird und ihrer nicht entraten kann, die Brennzünder der Schrapnells der Feldartillerie über sie weg oder aus flankierenden Stellungen bei ihr vorbeisausen und wenige hundert Meter vor ihr zerspringen. Tie Feldartillerie aber muß auch lernen, wie lange sie in diesen entscheidenden Augenblicken ihr Feuer ohne Gefahr für die eigene Infanterie fortsetzcn kann, und wann sie es weiter vorwärts gegen etwa vorgeführte Unterstützungen und Reserven zu verlegen hat. „Vorbereitung der Einbruchsstelle", das ist theoretisch leicht gesagt, aber in dem Hin- und Herwogen des heutigen und aus einer Reiye von Teilkämpfen sich zusammensetzenden Jnfanteriegefechtes ist manchmal der Einbruchspunkt nicht von langer Hand vorher zu bestimmen. Tas richtige, nur durch Uobung zu gewinnende Verständnis für die jedes- malige Lage muß da nachhelfen. Eben dies Hin- und Herwogen des Jnfanteriegefechtes und die Notwendigkeit, entschlossen und richtig die aus- und abschwellenden Feuerwellen der Schnellfeuergcschütze jedesmal dorthin zu richten, wo die Infanterie ihrer Wirkung bedarf, führt zu der Frage, ob unsere Feldartillerie alle Hilfsmittel besitzt, das Feuer auch in größeren Ver bänden rasch und sicher zu leiten. Exerziervorschrift und Schietzvor- schrift für die Feldartillerie sprechen an mehreren Stellen aus, daß W.nker und Fernsprecher für die Feuerleitung sehr viel sicherere Hilfs- mittel find als Meldegänger, Reiter usw. im feindlichen Feuer. So rasche Uebermittlung von Besehen, wie sie gerade für die Unterstützung des Jnfanteriegefechtes notwendig ist lz. B. bei Ausnützung von Mo menten, wo feindliche Infanterie iprungweise vorgebt und Vollziele bietet, um sich dann nach kurzem, raschem Sprunge wieder hinzuwerfen), durch Winker, muß für unausführbar bezeichnet werden. Die Beschaffung des Fernsprechers ist also ein Gebot brennender Notwendigkeit. Eine gute Portion „Strippe" und gewandtes Personal für die Legung ist erforderlich. Das wird besonders eintreten, wenn die Batterien aus verdeckter Stellung feuern und die wechselnde taktische Lage zu raschen Uebergängen auf neue in Bewegung befindliche Ziele zwingt, für das Vorbringen der Geschütze in fast verdeckte Stellungen aber die Zeit mangelt. Fassen wir zusammen: längere gemeinsame Gefechtsübungen, ver bunden mit Scharfschießen für Infanterie und Feldartillerie, ein größeres Munitionsmaß für beide Waffen und die sofortige Aus stattung der Feldartillerie mit brauchbaren Feldfernsprechern, das sind die militärisch unabweisbaren Forderungen für die Vorbereitung der Truppe aus den Kampf. Feuilleton. Hoffen, hoffen, ewig hoffen? Wie das Trugbild lockt und zerrt? Immerdar der Himmel offen Und der Weg dahin versperrt. Fulda. * Briefe eines jungen Malers an einen jnngen Schriftsteller. Von Wilhelm Herzog lMünchen). Die Briefe van Goghs, die Sie mir neulich gaben, sind schön sich habe nicht so viel Adjektivs zur Verfügung wie Ihr Kritiker)! lind ich danke Ihnen für dioies ganz köstliche Geschenk. Jetzt freue ich mich, Ihnen eine Ueberraschung machen zu können, sofern Sie mir nicht schon wieder zuvorgekommen lind. Ich habe das Buch eines Mannes gelesen, dessen Namen ich bisher noch nie gehört hatte. Ich glaube, es ist ein Däne. Das ist ein Dichter mit den Augen eines Malers. Und der — um seine Welt auszudrücken — doch kein besseres Werfzeug finden konnte als das geschriebene Wort. Als wir neulich zusammensaßen im Cafe, Sie. der Dr. Löbel, seine Frau und ich, schimpften Sie mit wohltuender Grobheit auf die Künstler, die einseitig genug wären, um sich für nichts anderes, als- für ihre Malerei, ihre Musik zu interessieren, die gar keine geistigen Interessen hätten. Sie schimpften mit Recht auf die Nichtsalsmaler, auf die Nur musiker. auf die Blödiane unter den Schauipielern, die sich Künstler nennen, und die nicht einmal das Werk zum Lesen anreizt, worin sie einen Teil, ein Glied zu verkörpern haben. Sie lächelten, als Sie von dem Geist dieser Künstler sprachen, wie er sich in der gesellschaftlichen Unterhaltung dokumentierte, in welch grotesk-trivialen Formen er sich bloßstelle . . . Gut. Ich glaube, daß Sic das Richtige treffen. Aber ist es nötig loder auch nur wünschenswert), daß ein Schauspieler Geist habe, oder ein Maler, oder ein Musiker? -- Bitte, lachen Sie nicht, das ist keineswegs paradox. Sinnlichkeit, eine für alle Eindrücke der Natur frische, empfängliche Sinnlichkeit muß ein Maler haben, glaub' ich. Sonst nichts. Hat er mehr, fo ist's vom Uebel. Sinne, Beobachtung und Technik. Technik! Ja, mein Freund, darin liegt der Geist. Alle sogenannten Intellektuellen unter den Malern sind mir von vornherein verdächtig. Und Ihr, Ihr liebt sie natürlich. Das ist was für Euch, die Ihr in jedes kleine Mädch.nseelchen hineinkriecht und uns dann Euere psycho- logischen Analysen prätentiös und anspruchsvoll serviert. Aber ich ver sichere Sie, es gibt für mich schlechterdings nichts Widerlicheres, als dieses Gerede von Subtilitäten. Mir wird physisch schlecht, sobald ich solche Worte wie Psychologie, Weltanschauung, Intellektualismus — und wie diese -ismen alle heißen, höre. Es klingt so maßlos arrogant, so aufdringlich, wie wenn mir einer sagte: „Ich verstehe Sie, oder: „Ach, wie ich Sie verstehe"! Und dabei ist man meilenweit von dem Menschen entfernt, hat nichts mit ihm gemein. Gar nichts steckt hinter feinen Worten. Jedenfalls interessiert es mich nicht. Sie wissen fo gut wie ich, daß es unter uns eine Anzahl von un- gewöhnlich tüchtigen Malern gibt, die kraft ihrer sinnlichen Anschaulich keit und ihrer eminenten Technik ausgezeichnete Bilder gemalt haben und die im Leben geistige Trottel, Ignoranten, ganz primitive Gehirne sind. Deren Ehrgeiz auch vollkommen damit erschöpft ist, ein gutes Bild gemalt zu haben. Sie lesen kein Buch, Politik interessiert sie nicht, das Theater ist langweilig und reizlos. Und das können Sie nicht verstehen? Es ist für mich das Natürlichste, was es geben kann. Obwohl ich glaube, nicht ganz zu dieser Gesellschaft von Ignoranten zu gehören; andern falls ich nicht den Vorzug hätte, mich Ihres Verkehrs zu erfreuen. Aber: ich habe in meinem Leben erschreckend wenig gelesen. Ich kenne Goethes „West-östlichen Tivan", seine Farbenlehre, ich habe Stendhals „I-s rouzxv st le noir", Flauberts „I/schwstion .-«ntiiosrits.lv" und von modernen Deutschen Heinrich Manns „Herzogin von Assy" gelesen. Ja, E. T. A. Hoffmann hab' ich vergessen. Aber viel mehr wird es nicht sein. Diese Bücher hat mir zum Teil meine kluge Frau geschenkt. Die ist viel gebildeter als ich und liest alles. Doch nur gute Sachen, wie sie sagt. — Ins Theater gehe ich selten. Bei Wagneropern interessierte mich immer das Publikum bedeutend mehr als die Musik. So ging ich mehrere Mole ins Prinzrcgententheatcr: häufiger jedoch in die VarictLS, die aber auch nichts Hervorragendes bieten. Wcnigenfts in Deutschland. Ich weiß nicht, woran es liegt, daß ich nicht einmal Sehiffucht nach Büchern habe: ich spüre nicht das geringste Verlangen, etwas zu lesen — und daß ich mir auch gar keinen Vorwurf machen kann. Viel leicht — wenn ich nachdenkc — kommt es daher, daß die Micher, die meine Frau auf ihrem Tisch liegen hat, und in die ich dann und wann hineingeguckt, daß diese sogenannten Unterhaltungsromane einen hef tigen Widerwillen in mir hervorgerufen haben. Neulich — nach Tisch — hatte ich wieder so ein Buch in der Hand. „Die Welt ist liest . . ." Novellen von Johannes V. Jensen.*) Und das ist meine Ueberraschung für Sie. Daß Sie so lange warten muß- ten, ist Ihre Schuld. Ihre ungerechtfertigten Angriffe durften nicht unerwidert bleiben. Wie es mir bei diesen Büchern noch nie gegangen war, ch las weiter, ging ins Atelier hinüber, zündete mir eine Zigarre an, legte mich lang — zur größten Verwunderung meiner Frau — auf die Chaiselongue und las. Las alle vier Novellen. Vom Mittag — bis eS schon dunkelte. Ich lese sehr langsam. Aber das ist ein Kerl, dieser Jensen. Sie müssen sich sofort seine Bücher anschafsen. Ich habe meine Frau gebeten, mir auch seine anderen zu bringen. Da ist ein Roman „Madame d'Qra"! Ten hab' ich gestern gelesen. Das ist ein ganz wüstes Buch. Schmeckt nach Kolportage: Kriminal- und Tetektivgelchich- ten. Spielt in New Aork. Man hört das Tosen der Weltstadt. Oben, *) Johannes V. JeiffenS Bücher erschienen bei S. Fischer, Berlin: Ter Roman „Madame d'Qra" und die beiden Novellenbände: „Die Welt ist tief. . . und „Himmerlandsgeschichten". im 12. Stock eines Wolkenkratzers sitzt einer der bedeutendsten Gelehrten der Welt. Edmund Hall, in seinem Laboratorium und arbeitet. Mil einer furiosen Phantasie, in einer verblüffend raffinierten Technik sind hier Szenen, Dekorationen gemalt, spiritistische Lntzungen, ein Boxer kamps, dessen grausiger Realismus jeden Leser überrumpeln muß. Aber ich will Ihnen doch keine Inhaltsangabe, noch viel weniger eine Kritik schreiben. Sic müssen diesen wild-grotesken Roman lesen! Mehr gaben mir die Novellen. Da steckt ein ganz großer Künstler dahinter. Hier vereinigt sich seine wild flackernde, leidenichastlichc Phantasie mir der gestählten Ruhe un- Sicherheit eines wissenschaftlichen Forschers. Er lieht die Dinge ganz wie ein Maler. Wenn er Sevilla, Paris oder die Tropen schildert. . . Etwas Animalisches liegt in allen seinen Sinnen. Er hat etwas von einem Tier, das schärfer sicht, deutlicher hört und reiz barere Geruchsncrv-'n hat als der Mensch. Und diese Mischung von Animalischem und nervöser Sensibilität, von Brutalität und dekadenter Feinfühligkeit — ist sein Wesen, gibt ihm das Besondere, das Indivi duelle seiner Existenz. Er ist ein Globetrotter, ein emotionssüchtiger Abenteurer. In einer Novelle sagt er von sich: „Ich komme frisch aus der Ueberkultur Europas, nervös und bebend wie ein Telirist — nicht vom Trinken, denn Spiritus beruhigt, Prost —, sondern weil ich meiner selbst bewußt bin, bis in die äußersten Verzweigungen meiner Nerven hinein, während ich gleichzeitig ein blendendes Strahlenbündcl heißer Einbildungskraft bin." Er erreicht ein ganz Hohes in seiner Kunst, glaub' ich. Er macht uns fremde, unwegsame Gegenden, ganz wilde unberührte Länder zu gänglich. Menschen, bar jedes Interesses für uns, gewinnen Leben und stehen vor uns. Er ist bei den Malaien. Er schildert eine Nacht, eine gewitterschwüle Nacht, er malt flüchtige Impressionen. „Jeder Blitzstrahl beleuchtete das Tal in allen seinen Einzelheiten. Der Blitz zeigte die großen Baumgruppen aus den Waldhöhen rings umher. Und in einem dieser kurzen Blitzlichte sah ich eine Schar Elefanten über eine Lichtung am Waldessaum jagen, in plumpem Galopp, die Rüssel in der .kopflosen Flucht erhoben. Gleichzeitig fiel mir auf, wie fern der an scheinend so nahe Waldessaum war und wie klein die Elefanten im Verhältnis zu dem turmhohen Wald aussahcu! Sie glichen Blatt läusen, winzig kleinen Geschöpfen, die aus dem Waldboden davoncilleu" Und einige Seiten später erinnert ihn die Atmosphäre dieser dichten Wildnis, die voll von schweren Gasen, grotesken Tieren, Dschungcligcln ist, diese Atmosphäre: — der sauersüße, schwindelnde Geruch, der über den wachsenden und faulenden Gewächsen in dem heißen Sumpf lag, er innert ihn — an gedüngte Felder in der Abenddämmerung blühende Roggen . . . Schminke und ranzige Parfüms auf dem Boulevard de Clichy . . . den Schoß des,Mädchens und das schwüle Bett." Jensen erzählt von dem jungen Sultan von Birubunga, wie er, von seinen Frauen begleitet, träumend den Fluß hinauffährt: in dem ersten un prächtigsten Boot sitzt er selbst ganz allein, in den drei andern folgt sein Harem. ES entsteht ein seltsames Bild von köstlichen, exotischen Reizen. Kein Ton zu viel und keiner zu wenig. Seine ewig neugierigen Sinne reagieren auf alle Eindrücke. Und er drückt seine Gemütsverfassung einmal etwas pessimistisch auS: „Einer
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