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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.08.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-08-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080810026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908081002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908081002
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-08
- Tag 1908-08-10
-
Monat
1908-08
-
Jahr
1908
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Bezu-S-Prei» ör Leivji« >!»» <>orvrre durch «Ye« Träger und iö»»dlti»r» in« Hast gebracht> Su«-ab» L l»n morgen«) vtertrlithrUch 8 vi., monatlich I vr.; Autgade I (morgen» und abend«) vierte» jährlich «.SV M., monatlich l.SV M. Dur» dt» Poft ,« de,leben! fl mal täglich) innerhalb Deutichland« und der deutschen Kolonien viertelithrlich S.2S M., monatlich l,7S M. antjchl. Polt, bestellgeld, ür Oesterreich st L VS d, Ungarn 8 L vierteljährlich. Ferner in Bel gien. Dänemark den Donaukaaten, Italien, Lukemdurg, btiederlanden Norwegen. Rn» land Schweden Schwei» und Spanien, g» allen übrige» Staaten »nr direkt durch di» llxv«. d. Bl. erhältliche Lbonnement-Bnnadme i Augnstulplntz Sd bei unleren Trägern. Filialen, Spediteuren »ad Annahmestellen, iowu Postämtern und Briet trägern. Di» «tngelne Nnwmer koket Iv Pf» Sietakttv» and Lrpebttio»! Johanni«,ast« ri. Teleobon Nr. 14692, Rr. I4SS6, Nr. 146S«. Abend-Ausgabe 8. MpMerTUMM Handelszettung. Amtsblatt des Rates und des Nalizeiamtes der Ltadt Leipzig. L«zeignr-Preis Mr Knjerat, an« stetpjia und Umgebung di, «gespaltene Petit-eile L Pi., stnanzielle Anzeige» 30 Pi., Reklamen l M.; »o« »»»wärt» 30 Pi., Reklamen 1.20 Mg vom An« land S0PI.,ftnanz. Anzeigen 7SPI-. Reklamen 1^0 M. Juieratev.Behdrdenii amiIlchenLeUMP!. Beilagegebübr SM. p. Taujcnd exkl. Post, gebühr, chelchästtanzeigen an bevor,ugtei Stelle i» Preise rrhüht. Rabatt nach Tarn Festerteilte Auiträge kännen nicht zurück- aeroge» werden. Für da» Eriche, neu an bestimmten Lagen und Plätzen wird kein« Garantie übernommen, Anzeigen- Annahme: Augustu-platz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen- Expeditionen de» Ja- und Autlande». Haupt-Filiale Merlin! L«rl Duucker, Lerzogl. Bahr. Hofbuch» Handlung, Lktzowftrabe 1V. (Lelephon VI, Nr. «M3). Haupt-Filiale Dresden! Seestratze 4,1 (Telephon 4621). Nr. 220. Montag 10. August 1908. 102. Jahrgang. Das wichtigste. * Wie uns ein Privattelegramm meldet, ist in Basel em Komitee zur Förderung des Deutschtums in der Schweiz gebildet worden. sS. Ausl.) — — * Bei Groß-Tarup (Schleswigs ereignete sich gestern ein schweres Eisenbahnunglück, bei dem neun Personen getötet und neun schwer verletzt wurden. lS. Letzte Dep.) „Die Bilanz -er Marokko-Affäre". (Das Urteil einesFranzosen.) I,. Paris, 8. August. „Die Bilanz der Marokko-Affäre", unter diesem Titel veröffentlicht Francis Delaisi in „La Revue" eine bemerkenswerte Studie, die zeigt, daß Algeciras, wenn es für Deutschland nicht gerade glänzende Resultate brachte, für Frankreich ebensowenig Anlaß zum Frohlocken bietet, und daß auch die Franzosen anfangen, das einzusehcn. Wir entnehmen dem Aufsatz folgende Stellen: „Durch Vermittlung des Herrn Delcassö hatte 190-1 das Syndikat von Unternehmern, Metallurgisten und Finanziers, das sich um die Banque de Paris et des Pays-Bas gruppierte, Frank reich zum einzigen Gläubiger Marokkos gemacht. Es zahlte alle Schulde« des Sultans an England und Spanien zurück und erlangte das Monopol aller zukünftigen Anleihen. Es war das ein gutes Geschäft. Von jedem Rentenpapier zu 500 Fr. erhielt der Scheris nur 400 Fr.; die Bank ver kaufte ihren Kunden die Papiere zuerst zu 462,50 Fr., doch wurden sie auf 535 Fr. hinausgetrieben. Das machte für die Bank einen Rein gewinn von 1314 Millionen. Die Rentner bekamen jährlich 3 125 000 Fr. Zinsen von Marokko, außerdem hatten die französischen Unternehmer dank einem besonderen Abkommen mit England und Spanien das Monopol der öffentlichen Arbeiten in Marokko — eine weitere schöne Quelle für Geldgewinn. Da schritt Deutschland ein. Die Deutsche Bank lieh dem Machsen ITfH Millionen; deutsche Unternehmer machten den unseren die Hasenarbeiten von Tanger streitig. Augenblicklich schien der Krieg zwischen Deutschland und Frankreich ausbrechen zu müssen. Unsere Kriegsminister bestellten für 223 Millionen Kriegsmaterial, woran sie ohne das marokkanische Abenteuer nicht gedacht hätten. So kostete uns Marokko gleich von Anfang an die vierfache Summe dessen, was unsere Baaken ausgegeben hatten, um die Hand auf das Scherifenreich zu legen. Man mußte sich nach Algeciras begeben. Dort wurden zwei Hauptfach- liche Beschlüsse gefaßt: 1s Das Anleihemonopol ging an eine marokka nische Staatsbank über, in der Frankreich 3 Stimmen von 13 hatte, 2) die öffentlichen Arbeiten mußten für jedermann ausgeschrieben werden. Die französische Industrie und Finanz verloren ihre privi legierte Situation. Immerhin blieben uns zwei Dinge: die Erlaubnis, die Polizei in manchen Hafenstädten zu organisieren und entlang der algerischen Grenze mit den Stämmen nach unserem Belieben zu handeln. Dies wurde von unseren Geschäftsleuten als ein relativer Erfolg be trachtet; Fez sollte, weil Deutschland nicht zuließ, daß man sich ihm vom Meer aus näherte, von der Landseite her erreicht werden. Unser Syndikat faßte folgenden Plan: Zwischen Tlemcen und Fez einen Kara wanenpfad über Udscha und Taza anzulegen, diese Karawanen unter den Schutz halb französischer, halb marokkanischer Truppen zu stellen, die, wenn nötig, von Frankreich bezahlt würden, dann diesen Pfad lang sam zu einer Chaussee und später zu einer Eisenbahn auszugestalten. Abdul Aziz aber gedachte seiner muselmännischen Kollegen, des Bey von Tunis und des ägyptischen Khedivs, das heißt, was europäische Bankiers aus einem Souverän zu machen wissen, wenn sie die Hand auf seine Börse gelegt haben! Da Abdul Aziz sich nicht freiwillig den Plänen lieh, ließ das Syndikat mit Gewalt vorgehen. Die Ermordung Dr. Mauchamps in Marrakesch bot den Vorwand. Ausgesandte der Creuzot-Werke entdeckten bei den Beni-Snassen ein Eisenbergwerk; da von ihnen auf einen Franzosen geschossen wurde, marschierte General Liautey mit 9600 Mann, 2850 Pferden und 9 Batterien gegen sie vor. Einen Monat später sind sie unterworfen und das Bergwerk kann aus gebeutet werden. Diese kleine militärische Operation kostet Frankreich einige Millionen. Aber die Einkünfte aus den Minen werden dafür in gewissem Maße die Kompensation bieten. Die Compagnie maroccnine, eine Filiale Creuzots, ließ gleichzeitig 1907 den Hafen von Casablanca Herrichten, wobei einige Europäer ermordet wurden. Die Regierung sandte Kreuzer nach dem Hafen und schiffte 4000 Mann, 812 Pferde, Kanonen, Mitrailleusen und einen Luftballon aus. Es handelte sich darum, die Zollämter zu schützen, die einzige Garantie unserer Rentner. Der Coupon vor allem! General Drude mußte, damit der Handel nicht stocke und das Zollamt zu tun habe, für den Markt sorgen. Aber im Innern schnitten die Reiterscharen den Verkehr mit Casablanca ab, und General d'Amade wurde ausgesandt, das ganze Schaujaland erobert. Die Kunden der Banque de Paris et des Pays-Bas werden nichts mehr für ihren Coupon zu befürchten haben. Aber dieser Feldzug kommt uns teuer zu stehen. 14 000 Mann, 22 Kanonen, 20 Mitrailleusen und 4600 Pferde mußten zu den Schaujas gesandt werden. Nach dem Rapport Doumers schütteten wir 66 200 Geschosse über den Feind aus, die 1 565 000 Fr., und 17 Millionen Kartuschen, die 2 275 000 Fr. kosteten. Außerdem feuerte unsere Marine 14 261 Kanonenschüsse für 218 338 Fr. ab, das sind 3 840 000 Fr. Frankreich gab für Geschosse mehr aus, als die gesamten französischen, Marokko geliehenen Kapitalien im Jahre cinbringen. Hinzufügcn muß man nach dem Rapport Doumers 2 182 000 Franken für Kleidung mit Feldausrüstung, 1873 000 Fr. für Pioniere, 1366 000 Fr. für den Truppentransport usw Alle diese Ausgaben wurden gemacht, um den Zustand wiederherzustellcn, wie er vor dem Juli 1907 gewesen. Wir haben also keine Kompensation. Zweifellos hält man darauf, daß der Sultan diese Ausgaben wieder zurückzahlen wird. „Aber er hat keinen Heller", wird man sagen. „Das ist gleichgültig", antworten unsere Jinanzleute, „wir werden ihm die nötige Summe vorstrccken. In Wahrheit werden wir sic, indem wir sic ihm leihen, behalten, denn er schuldet sie uns. Aber die Marokkaner werden die Zinsen und die Amortisation bezahlen." So handelte man bei der China-Expedition von 1900, und das war kein schlechtes Geschäft. Als im Januar 1908 El Mokri, Finanzminister der schcrifischcn Maje- stät, in Paris eintraf, um mit der Banyuc de Paris et des Pays-Bas eine Anleihe auf 150 Millionen abzuschließen, erfuhr er, ohne Verblüffung, daß sein Herr entthront worden sei. Die Leute in Fez, die wohl nicht ohne Grund annahmen, daß jede Anleihe in Europa sich in Marokko in Steuern umsetzen werde, hatten sich erhoben, unter dem Geschrei: „Hoch der Sultan ohne Steuern!", und sie hatten Muley Hafid proklamiert. Es ist nur geringe Hoffnung vorhanden, daß dieser Fürst cinwilligen wird, die Kosten eines Krieges zu zahlen, der gegen ihn geführt wurde. Was Abd-el-Aziz betrifft, so hat seine gegenwärtige Macht da ihre Grenze, wo die Tragweite unserer Kanonen und unseres Goldes aufhört. Es ist also mehr als wahrscheinlich, daß die französischen Steuerzahler bei der Begleichung der Kosten des Abenteuers nur auf sich selbst zählen können. Wie hoch werden sie sich belaufen? Herr Doumer schätzt die außer gewöhnlichen Ausgaben der militärischen Expeditionen seit Januar 1906 auf 22 Millionen Franken; aber in dieser Ziffer sind nicht inbegriffen (und das sagt er selbst): 1s Die Kosten für die Wiederherstellung des Materials und der erschöpften Verproviantierungsmagazine, 2) für die Reparatur der Kriegsschiffe: dies letztere Kapitel ist besonders „beträcht lich" (das Wort ist von Herrn Doumer); die Maschinen unserer Panzer schiffe sind in einem bedauerlichen Zustand. Unser Minister sagte feierlich: „Eine Nation hat immer genügend Vorteil, wenn sie ihre Pflicht getan hat-" Ludwig LV. sagte ungefähr dasselbe: „Ich schloß den Frieden als König und nicht als Händler." Ludwig XV. war, wie jeder weiß, kein großes Genie. Diese bittere Ironie Delaisis enthüllt den Franzosen keine neue Wahrheit. Sie wissen sehr gut, daß ihre Politik in Marokko der Allge meinheit zum Nutzen einiger weniger Kapitalisten ungeheure Opfer auf erlegt. Doch fragt man einen Pariser, warum man sich die Marokko politik gefallen läßt, so pflegt er mit gallischem Humor zu antworten: „Was wollen Sie? Wo immer wir Politik treiben, wir sind die Ge rupften. Lange waren es die Russen, für die wir die Dummen spielten, jetzt sind es die Engländer. Wir wollen sehen, wer es später sein wird." — Es ist das ein Vergnügen, das sich nur eine reiche Nation ge statten darf! Di- Nationalsp-nde. Der „B. L.-A." schreibt: Das Deutsche Reichskomitee zur Aus- bringung einer Ehrengabe des gesamten deutschen Volkes für Len Grafen Zeppesin zum Bau eines neuen Luftschiffes erhält BeitrittSertlärungen aus dem gesamten Deutschen Reiche. Es ersucht, dahin zu wirken, daß die sämtlichen bestehenden Organisationen, w.lche Sammlungen für den gleichen Aweck unternommeu haben, sich dem Reichskomitee anschließen, ihre Selbständigkeit aber be wahren und das Erträgnis an dasselbe abführen. Ein größerer Teil der sammelnden Städte, Korporationen, Vereine hat sich bereits in diesem Sinne dem Komitee angegliedert. Alle näheren Mitteilungen sind zu richten an Herrn Emil Selberg, Berlin, Alsensiraße 10. Ueber den gegenwärtigen Stand der Sammlungen wird, wie folgt, weiter berichtet: — Hamburg, 10. August. Die von den hamburgischen Vereinen unv dem Lustschifferverein veranstaltete öffentliche Sammlung für den Grafen Zeppelin ergab bisher 110 000 llls. Kassel, 9. August. Magistrat und Stadtverordnete der Residenz stadt Kassel erlassen heute in den Zeitungen einen öffentlichen Aufruf an die Bevölkerung und fordern zu Beiträgen für die „National- Zeppelin-Spende" auf. Die Stadthauptkaffe und die städtischen Zahl stellen sind zur Entgegennahme von Spenden bereit. Außerdem haben die kiesigen ZeitungsgeschLftSstellen und sämtliche Bankhäuser Sammel stellen errichtet. Am Schluffe der Bitte an die Bevölkerung heißt es: .Es möge jeder nack seinen Kräften zu dem großen Werke Leisteuern. Jede, auch die kleinste Gabe wird dankbar angenommen, denn der Werk der Nationalspende besteht eben darin, daß an ihr das ganze deutsche Volk beteiligt ist. — Bemerkenswert ist auch, daß bei der vorgestrigen Sympathiekundgebung der Stadtverordneteuversammluug die lozial- demotra'.ischcn Mitglieder einen besonderen Dringlichkeitsantrag ein brachten, dem Grasen Zeppelin eine Sympathiekundgebung per Tele gramm zu senden und 1000 zu stiften. * Greiz, 9. August. Zur Zeppelinspende zeichnete ein Groß industrieller 1000 „L; weiter gingen aus Fabrikantenkreisen namhafte Beträge in Posten von je 100 ein. Die Sammlung schließt bis jetzt mit 2156,70 Zn Zeulenroda gingen gegen 200 in Pößneck 600 ein. * München, 9. August. Das Ergebnis der Sammlung der .Münch. Reuest. Nachr." beläuft sich zurzeit auf 40 000 -ät * Wie«, 9. August. Aus Asch (Böhmen) wird gemeldet: Die in Deutschböhmen an acht Sammelstellen für Zeppelin eingeleiteten Samm lungen haben bereits einen Ertrag von 21000 ergeben. Der Flottenverein an Ze-Pelin. * Köln, 9. August. Die heute in Köln tagende Hauptversammlung des Deutschen Flottenvereins für die Rheinprovinz sandle vor Emlrift Feuilleton. Ewig herrscht der Wechsel auf der Erde. Eins zerstäubt, damit das andre werde; Töten muß. was Leben bringt. Altindisch. * Josef M. Olbrich Die Liste der bahnbrechenden Erneuerer des modernen deutschen Kunstgewerbes ist nicht sehr umfangreich. Unter den Männern, deren Verdienste um die neue Bewegung der letzten zehn Jahre bereits historisch geworden sind, muß der leider viel zu früh verstorbene Olbrich mit an erster Stelle genannt werden. Sein Name ist eng verknüpft mit der lieblichen Residenz der hessischen Großherzöge Darm stadt. Durch ihn ist diese Stadt zu einem Kultursaktor im modernen Deutschland geworden. Der Tod des Meisters ist für Darmstadt ein geradezu unersetzlicher Verlust. Heute, wo wir rückblickend die Etappen einer selten großartigen Kulturbewegung überblicken, wird eS uns nicht schwer, die wirklichen Verdienste der bahnbrechenden Talente auf kunstgewerblichem Gebiete nach Gebühr zu bewerten. Denn auch die moderne Bewegung hat durch die Kinderkrankheiten, die von Natur aus mit jeder plötz lichen lrasterfüllten Entwicklung verknüpft sind, hindurchgeben müssen. Olbrichs Experimente, die noch vor 8 Jahren vielleicht gefährlich für die Befreiung der deutschen Werkkunst aus den Banden überkommener Stillosigkeit hätten werden können, haben durch die lieber- zeugungSkraft ihrer Idee zur Klärung prinzipieller Fragen vielleicht das meiste beigetragen; ohne ihn stände man, speziell waS Lie architektonische Seite der modernen Bewegung anlangt, heute noch nicht an jenem Punkte, der uns zu der Anerkennung berechtigt, daß der Deutsche in der Tat nach jahrelangem Suchen und R'ngen wirklich seinen eigenen und neuen Stil bereits gefunden hat. Mit der Berufung des Wiener Architekten Olbrich nach Darmstadt, di« iin Jahre 1899 erfolgte, hat sich der hessische Großherzog ein glänzende» Zeugnis für seinen künstlerischen Scharfblick ausgestellt und zugleich den Beweis geliefert, daß es ihm um seine Initiative von Anfang an bitter ernst gewesen ist. Der Erfolg hat den großherzigen Fürsten inzwischen reichlich belohnt und seinen Absichten und Plänen vollkommene Anerkennung verschafft. Als schon im Jahre 1901 lene einzigartige Darmstädter Ausstellung als ein Dokument deutscher Kunst an die Oeffentlichkeit treten konnte, war damit gewaltsam in Deutschland eine zukunftSrrheißende Bresche geschlagen, die der modernen Bewegung, dem Ringen nach Stil energisch Tür und Tor öffnen sollte. In erster Linie batte Olbrich den Ausschlag gegeben. Er war der Erbauer der Künstlerhäuser auf der Malhildenköhe, die heute noch wie eine stille Oase in das übrige deutsche Kulturmilieu hineinblickcn. Sie sind der Ausgangspunkt für die moderne Architektur geworden. Neben Olbrich waren eS vor allem damals Peter Vehrens, Bosselt, Bürck und Habich, die der Veranstaltung ihren Stempel ausgeprägt hatten, alle Mitglieder jener vom Großherzog inS Leben gerufenen Kolonie. Man hat den Eindruck dieser Ausstellung lange nicht vergessen. Wohl selten sind die Geister so erhitzt aneinander geraten wie damals. Das aber war daS Heilsame. Hier wurde zum ersten mal unter der Führerschaft Olbrichs gezeigt, was der Deutsche an künstlerischer Kraft in sich trug, welche Wege die Entwicklung noch zu gehen Haden würde. Gewiß gab es damals mancherlei, was zu einem Widerspruch berechtigte — nicht zuletzt die oft bizarren Formgedanken Olbrichs —, aber der Lösung einer brennenden Zeilsrage war man dock bereit» nahegekommeu. Es war gelungen, den neuen Geist hier zum erstenmal in ein geschloffenes Ganzes zu fasse» und alle Einzelheiten, soweit sie das Haus betreffen, in einen architektonischen Zusammenhang zu bringen. Alle Fragen sind damals bereits der Losung nahegebracht worden, m erster Linie wurden die Aufgaben aller dekorativen und gewerblichen Künste im Zu sammenhang mit dem Wohnhaus, dem Atelier, dem Theater klargelegt. Olbrich hat die eigentliche Physiognomie der Aus stellung bestimmt; als geborener Architekt hat er die Kontroverse gerade an ihren heikelsten Punkten energisch und zielbewußt aufgegriffen und so dem Fortschritt mit der Kraft meiner Periönlickkeit die Wege geebnet. Das wird ihm die Geschickte des Kunstgewerbes dauernd zugestehen müssen. Erst durch ihn hat überhaupt die Architektur die Führerrolle in den nachfolgenden Jahren beim Ringen um den neuen Stil übernommen. Auch das ist sein nicht genug zu betonendes Verdienst. Der Künstler Olbrich hat in den ersten Jahren seines Auftretens in Deutschland nicht das Verständnis gesunden, das wir ihm heute leichter entgegenbringen, nachdem die große Bewegung bereits alle Etappen der Entwicklung durchlaufen hat. Er kam au» Wien, hatte sich dort früh in der „Sezession" einen Namen gemacht. Die Wiener Raffe bat sich auch in seinem Schaffen viel zu deutlich ausgeprägt, als daß sie sogleich beim damals noch stark konservativen Durchschnitt-deutschen Verständnis hätte finden können. Olbrich >st auch in Darmstadt Wiener geblieben, der ZwillingS- bruder eine- Klimt, dem eS im Reicke ja auch noch immer an begeisterter Anerkennung fehlt. Das Wienerische in Olbrich hat seinen Stil bestimmt. Wie LuxeS in seinem Buche über das „Neue Kunstgewerbc in Deutschland" so fein umschreibt, ist es „eine melodiöse Rhythmik, bei der man an Schuber», mehr noch an Lanner und Strauß denken mag, und die fick ebensogut auch sichtbar künstlerisch auSzudrücken vermag, in Farbe und Linien, in Architektur und Dekoration", die au» Olbrichs künstlerischem Schaffen zu uns spricht. Es steckt in seinem Temperament etwas dern Rheinländer verwandtes und nur so ist es erklärlich, daß er in Darmiladt in der freien lauteren Umgebung der Residenz einen Boden fand, der ihin auch innerlich zusagte. Seine Kunst verbindet den Esprit ces launigen Wieners mit der zielbewußten Entschlossenheit, die im Kampfe um einen vornehmen Preis geläutert ist. War er Neuerer, ,o hat er bewiesen, raß er auch Vollender sein konnte. An den Usern des Rheines ziehen sich Dutzende von Villenbauten hin, deren Schöpfer Olbrich gewesen ist. Eine seiner Glanzleistungen aber ist das neue Darmstädter Museum, vor dem man beinahe betroffen Halt macht, wenn man von der lustigen Malhildenköhe die Schritte zur unteren StLdt lenlt und erstaunt fragen die Blicke, ist das derselbe Olbrich, der da droben so viel Witz und leichten Lmienschwung verewigt, der hier jenen ernsten, edelhannoniicheu, imposant gefügten Nutzbau geschaffen hat? Ja eS ist derselbe Olbrich auch, dessen Gärten vor wenigen Jahren in Düsseldorf und Mannheim das Entzücken der Liebhaber weckten, der die Idee des Farbengartens zum erstenmal ausgetprochen und veiwirklicht und damit vielleicht den deutschen Garten der Zulunst be gründet hat, in dem sich wundervoll träumen läßt und berauschende Gedanken den müden ruhebedürftigen Geist umschmeicheln. So bricht bas Wert dieses Meisters nicht jäh ab mit seinem plötz lichen Tove. Erst die Zukunft und kommende Generationen werden seine Vollendung erleben. vr. Qeorg Liorwanu. » * Hamburger Theater. Aus Hamburg wird uns vom 8. August gt. Ickrieben: Zurzeit finden Gastspiele des Berliner Deutschen Theaters iin diesigen Stadt-Theater statt. Erregte schon die erste Aufführung „Der Kaufmann von Venedig" großes Interesse beim hiesigen Publikum, so war der Jubel bei der heutigen Ausführung des „Wintermärchens" allgemein. Erstklassig war Lie Leistung Schildkrauts ebenso als Shylock, wie als Spitzbube Autolycus. Schild kraut, als früheres Mitglied des hiesigen Deutschen Schauspielhauses, wurde besonders gefeiert. Jeden Darsteller besonders zu nennen, ist bei ReinbardtS Ensemble überflüssig, jedes Mitglied seiner Truppe ist ein großer Künstler. Trotz LeS schönen Wetters und der Ferien war das Theater gut besucht. * Leoncavallos neue Opern. Ein Mitarbeiter der Turiner „Stampa" hatte in Brissago eine Unterredung mit Leoncavallo. „Wie Sic wohl wissen werden", sagte der Komponist, „habe ich soeben die Komposition eines dreiaktigen provcnzalischcn OperntcxtcS von Paul de Ehaudcns bc- endigt. ..Maia" heißt tue neue Oper. Bisher hatte ich meine Texte immer selbst geschrieben, da ich damit aber nur Zeit verlor und wenig Dank erntete, habe ich mich jetzt an einen andern gewandt. Die Oper soll noch in diesem Jahre in Paris und in Montecarlo zur Aufführung gelangen. Mein-, zweite Oper heißt „Orunioiv ross«" 'Rothemdcnl. Ile! ere'frige Journalisten haben verbreitet, daß ich Garibaldis Hcldcnkampf aus die Bühne bringen wolle; dieser Kampf bildet aber nur den Hintergrund der Oper. Die Handlung spielt 1866, in der Zeit, in welcher Garibaldi sich Trentinos zu bemächtigen suchte. Hier wohnt eine italienische Familie: Vater, Mutter und Sohn. Der Vater, ein echter Italiener, läßt sich auf
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