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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.08.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-08-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080819024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908081902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908081902
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-08
- Tag 1908-08-19
-
Monat
1908-08
-
Jahr
1908
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Nr. 229. 1V2. Jahrg. Leipziger Tageblatt. Mittwoch. 19. August 1908. ' Fürst Bülow. Tie Preßmeiduna, daß der Reichskanzler in dieser Woche nach Berlin kommen wird, dürste sich, schreibt die „Neue polir. Korrespondenz", al» unzutreffend erweisen. Der Reichskanzler kann selbstverständlich, wenn ein besonderer Anlaß es erfordert, jederzeit n-ach Berlin kommen, Kn Aussicht genommen aber ist die Rückkehr des Reichskanzlers nach Berlin erst im Lauf« deS Monats September. * Posadowsky» Reichstagskandidatur. Bekanntlich hatte die natio- nalliberäle Bartel vorgeschlagen, ihre eigene Kandidatur des Landtagsab- geordneten Buhl-Teidesheim für den Wahlkreis Speher-Ludwigshafen, der bisher durch den verstorbenen „roten Pfalzgrafen.", den Genossen Ehrbart, vertreten war, zurückzuziehen und den Grasen Posa- dowsky alS gemeinsamen Kandidaten aller bürgerlichen Parteien, cin- ichliegllch des Zentrum», zu nominieren. Die Parteileitung des Zen trums in dem umstrittenen Wahlkreis gab einstimmig eine ab lehnende Antwort. Das Pfälzer Zentrumsorgan schreibt u. a. dazu: „Alles in allem genommen, hat die Zentrumeparici keinen Grund, sich bei dieser Wahl irgendwie zu beteiligen. Wie die Stimmung in den Zentrumskreisen ist, würde auch Graf Posadowsky darunter leiden müssen. Nur wenn alle Zentrumswähler für ihn eintreten würden, wäre es vielleicht möglich, den Wahlkreis den Sozialdemokraten abzu nehmen. Die Stimmung ist aber so, daß ein guter Teil der Wähler nicht mittun würde, denn sie würden sich alle schaden: die Blockpolitik darf man nicht unterstützen, selbst wenn ein Gras Posadowsky gewählt werden soll, denn auch er kann, selbst wenn er fraktionslos bleibt, doch nur im Rahmen der Blockpolitik in Berlin wirken." — Daraufhin hat die nationalliberale Partei ihre — seht ziemlich aussichtslose — Kandi datur Buhl wieder ausgenommen. Bei der letzten Wahl erhielt Erhärt 18 639, Buck! 13 708 unv das Zentrum 8169 Stimmen, während in der Stichwahl der Sozialdemokrat mit 21 826 gegen 15 784 nationalliberale Stimmen siegte, wobei ihm noch Zentrumshilse zustatten kam. * Das neue Weingesetz. Nachdem jetzt aas nahezu sämtlichen Inter essentenkreisen die Aeußerungen zu dem Entwürfe eines Weingcsetzes eingeganaen sind, wird eS möglich sein, den Entwurf bald zur Wferti- gung zu bringen. Die Bundesregierungen beabsichtigen, vor Mitte Sep tember zu dem Entwurf endgültig Stellung zu nehmen, so daß alsdann die Beschlußfassung des Bundesrats binnen kurzem erfolgen kann. * Ein «euer großer Truppenübungsplatz bei Berlin. Wie der „Inf." von unterrichteter militärischer Seite mitMeilt wird, ist das Gelände für einen neuen großen Truppenübungsplatz in der Nähe von Berlin vom Kriegsministerium soeben an gekauft worden. Er liegt 5 Kilometer südöstlich von Zossen und erstreckt sich in der ganzen Länge zwischen dem Teupitzer See und Wuhnsdorfer See. Da der Platz zum Scharfschießen dienen soll, so beabsichtigt man an maßgebender Stelle, den Truppenübungsplatz noch durch Ankauf von Geländen be deutend zu vergrößern. Es bandelt sich hierbei um das Terrain bei dem Dorfe Zesch und südöstlich der F i n? e n m ü h l e. Die Verhandlungen über diesen letzten Punkt sind noch nicht zum Abschluß gelangt. Ausland. * Nachklang zur Haager Friedenskonferenz. Lissabon, 19. August. (Telegr.) Die Kammer stimmte dem Abschluß von Uebereinkommen mit Spanien, England, Schweden, Norwegen, Italien, der Schweiz, Oesterreich-Ungarn, Frankreich, Dänemark und den Unionssiaaten zur Regelung der Frage eines internationalen Schiedsgerichts zu. * Lte französische „Neutralität" in Marokko zwischen den beiren Sul tanen wirb durch folgende Meldung reckt hübsch beleuchtet: Tanger, 18. August. (Tel) Bei der azizischen Mahalla Buaudas befinden sich etwa dreißig Soldaten der hiesigen französischen Poltzeitrnppe zur Bedienung der Geschütze. * Portugal und England. Wie unumschränkt England mit Portugal, insbesondere dessen ostafrikanischer Kolonie Mozambique verfährt, zeigt wieder das nachstehende Telegramm. Von einer Einverleibung der langersehnten Delagoabai ist England jetzt wirklich nicht mehr weit entfernt. London, 17. August. Der „Daily Telegraph" meldet aus Johannes burg, daß die Verhandlungen, die gegenwärtig zwischen dem Gouverneur des Transvaal und dem Gouverneur von Portugiesisch-Ostafrika geführt werden, sich auf «ine Verpachtung der Eisenbahn beziehen, die den Transvaal mit der Delagoabai verbindet. Tie Eisenbahn wird entweder von der britischen ReichSregierung oder von dem Transvaal selbst übernommen werden. * Tie italienischen Irredentisten konnten es sich nicht veksägen, in die Geburtstagsfeier Kaiser Franz Josefs einen störenden Mißklang zu hringen. Rom, 19. August. (Tel.) Die Jrredentistenliga veranstaltete gestern abend eine große Kundgebung gegen Kaiser Franz Joses von Oesterreich. Polizei mußte einschreiten und mehrere Verhaftungen vornehmen. Die fanatischen Roheiten der Irredentisten in Welschtirol gegen deutsche Touristen sind noch in guter Erinnerung. * Griechenland und Persien. Recht lange, nämlich 2388 Jahre, waren die diplomotifchrn Beziehungen zwt'chen den beiden Landern abgebrochen. Nun mehr soll diesem weltbewegenden Mangel abgeholfen werden. Paris, 19. August. (Tel.) Nach einer Meldung des „Temps" wurden gestern die seit der Seeschlacht von Salamis (480 v. Ehr.) unterbrochenen diplomatischen Beziehuugeu zwischen Griechenland und Persien wieder ausgenommen. Der von der persischen Regierung ernannte Gesandte ist bereits unterwegs nach Athen. * Ter Umschwung in der Türkei soll auch der lange so schmählich ver nachlässigten türkischen Flotte zugute kommen. Wien, 18. August. (Tel.) Die „Politische Korrespondenz" meldet: Nach einer uns aus Konstantinopel zngehenden Meldung werden die Kriegsschiffe „Hamidie" und „Avn-Ullah" und das Torpedoboot „Berk-Schejket" mir zahl reichen Marine-Offizieren und Zöglingen der Marineschule an Bord demnächst in See gehen, um zu Urbungszweckrn eine Kreuzfahrt im Schwarzen Meer und im Mittelmeer zu unternehmen. Die türkische Regierung befaßt sich mit einem Plaue, der die Entsendung von ungefähr tausend jungen Leuten aus den Militärschulen und anderen Instituten zur Vervoll kommnung ihrer Ausbildung nach verschiedenen Staaten vorsieht. Die Verbannung war früher eine der beliebtesten Strafen in der Türkei. Immer größer wird die Zahl der aus ihier Heimat verbannten Türken, die nunmehr zurnckkehren; zugleich ein Beweis, daß die Sicherheit in der Türkei zunimmt. Konstantinopel, 18. August. (Tel.) Heute sind hier KOO Personen eingetroffen, die unter dem alten Regime nach Aegypten verbannt worden waren; die Bevölkerung bereitete den Rückkehrendeu einen festlichen Empfang. Ter deutsche Gesandte v. Kiderlcn-Wächter besuchte heute den ebenfalls aus der Verbannung in Damaskus zurückgekehrten Marschall Fuad Pascha, um ihm Nachrichten von seinem in Deutschland lebenden Sohne zu überbringen. In hiesigen deutschen Kreisen geht die Auffassung über den Passus in Kiamils Programm, der die Abschaffung der Kapitulationen fordert, dahin, daß diese Frage ohne jeden Zwang aus rein praktischen Gründen sich lösen werde, sobald die türkischen Gerichtshöfe zuverlässig sein werten. Der Lieblings- jobn des Sultans, Burhaneddin, hat die ihm angebotene Präsidentschaft über die neuen Militärklubs angenommen; die Bereitwilligkeit, mit der der Prinz auf den Wunsch der Offiziere eingegangen ist, ist von diesen mit großer Genugtuung begrüßt worden. leipziger nnö sächsische AnKelegenheiten. Wetterbericht -er Aönigl. Sachs. Landes-Wetterwarte zu Dresden. Äoranssage für Ven 2V. Anguft 1VV8. Ruhig, heiter, warm, trocken. Das Branduirqlükk im Hotel Kratzsch. Noch ist das Brandunglück in der Pvniatowskystraße in aller Er innerung und schon wieder hat sich ein zweites noch schrecklicheres Er eignis, dem zwei Menschenleben zum Opfer gefallen sind, zugetragen. Wir brachten bereits in den Morgenstunden folgende uns hierüber zu- gegangene Meldung zur Kenntnis: Heute früh gegen Uhr ist in einem Bodenraum Les Grund- stückes Zeitzer Straße Nr. 19 — Hotel Kratzsch — Feuer ausge brochen, das bald gröberen Umfang annahm. Dabei sind die in einer Bodenkammer schlafende Küchenmamsell Lina Emilie Mathilde Beck, geboren den 31. Dezember 1886 in Urbach bei Schlochcim, und das Zimmermädchen Emma Junge, geboren den 4. Juli 1891 in Eilenburg, die beide in dem Hotel bedienstet waren, in den Ranchmasscn erstickt. Die ebendaselbst wohnende 73 Jahre alte Arbeiterin Johanna Wil helmine verw. Obenauf geb. Koch wurde von der Feuerwehr mittels Rettnngsschlauches gerettet. Die von der Saniläiswache unter Leitung von zwei Aerzten mit dem Sauerstoffapparat angestcllten Wiederbelebungsversuche an den beiden Mädchen waren leider erfolglos. Die Leiche» wurden nach dem In- stitut für gerichtliche Medizin gebracht. Soviel jetzt feststeht, dürfte die Entstehung des Brandes auf Selbstentzündung von angesammel- rem Ruß zurückzuführen sein. Unser an die Brandstelle entsandter VV.-Mitarbeiter gibt folgende Darstellung von dem Unglück. Heute morgen kurz nach Uhr wurde der 3. Feuerwache in der Schenkendorfstraße ein Dachstuhlbrand in dem Grundstück Zeitzer Straße Nr. 19 gemeldet. Es rückte daraufhin der Löschzug der 3. Wache und ein Tender der Hauptwache aus. Als Brand inspektor Kästner an dem Feuerherd cintraf, bemerkte er sofort, daß das bedrohte Grundstück sich in größter Gefahr befand; er ließ „Groß- ieuer! Menschenleben in Gefahr!" nach der Hauptwachc melden. Schon nach ungefähr 5 Minuten traf der Automobillöschzug an der Brandstelle ein. Der ganze rechte Dachstuhl stand bereits in Hellen Flammen. Nach Ueberwindung größter Schwierigkeiten gelang es den mit Rauchmasken versehenen Feuerwehrleuten, nach den bewohnten Räumen deS Dach stuhles vorzudringen. Links am Aufgang der Treppe in der dritten Etage liegen an einem engen Bodengange hintereinander drei kleine Kammern, in denen Hotelpersonal schläft. Von diesen drei Räumen waren nur die erste und die letzte Kammer bewohnt. In der ersten, ziemlich an der Treppe gelegenen Kammer, schlief der 16jährige Kellner- lehrling Peter hänsel, während in der hintersten Kammer die beiden umgekommenen Mädchen schliefen. Auf der anderen, der rechten, Seite des DackKuhles von der Treppe aus, befindet sich neben verschie denen Räumen, die als Aufbewahrungsort für altes Gerümpel dienten und durch Lattenverschläge getrennt waren, die Wohnung der 73jährigen Frau Obenauf. Nach Lage der ganzen Sache scheint in diesen nnbcwohn- icn Aufbewahrungsräumen der Brand auszebrochen zu sein, und zwar in einer kleinen, zwischen zwei Essen gelegenen Kammer, in der sich altes Hausgeräte befunden hat. Die ursprüngliche Vermutung, daß das Feuer von der Esse aus durch angcsammclten Nuß entstanden sei, bestätigt sich nach fachmännischem Urteile nicht. Die Esse ist vollständig intakt und es sind daran keinerlei Spuren vorhanden, die darauf schließen lassen, daß der Brand von dort aus sich verbreitet hat. Der Ausbruch de» Feuers wurde zuerst von dem Pächter deS Hotel Kratzsch, der eine Treppe unter dem Brandherd schlief, bemerkt. Und zwar wurde er durch seinen Hund, der laut und lange bellte, geweckt. Dadurch aufmerksam gemacht, stand der Wirt auf, um nach der Ursache zu sehen. Er hörte von den oberen Räumen ein heftiges Knistern und Prasseln. Als er die Treppe nach der dritten Etage hinaufstieg, drangen ihm bereits dicke Rauchmassen ent gegen. Er versuchte nun, nach der Mädchenkammer durchzudringen, mußte aber, da ibm der Qualm den Atem benahm, von seinem Vor haben abstehen. Es gelang ihm dagegen noch, das verschlossene Schlaf zimmer des Kcllnerlehrlings aufzureißen und diesen zu retten. Die herbeigerufene Feuerwehr konnte sich in den verwinkelten, rauchüber- süllten, dunklen Räumen ursprünglich nicht orientieren. Erst nach einiger Zeit gelang es, in die Mädchenkammer einzudringen. Man fand die Küchenmamsell Beck im Bette liegend vor; sie ist offenbar im Schlafe erstickt. Das Zimmermädchen Emma Junge lag vor dem Bette, mit dem Gesicht nach der Erde zu. Sie ist jedenfalls durch die eindringenden Rauchmassen aufgeweckt worden, hat aber keinen AuSgang mehr finden können. Die Fenster l2 Oberlichtsenster, di« nach dem Dache heraus gehens sind so hoch angebracht, daß sie für die Mädchen nicht zu erreichen waren. Sonst trug die Schlafkammer der beiden MädcheM nicht die geringsten Spuren, daß die Mädchen etwa Anstrengungen gemacht hätten, zu entkommen. Es war alles in Ordnung. Der nebenan schlafende Kellnerlehrling gibt an, daß er weder von dem Feuer, noch von dem Rauch etwas .gemerkt hat. Die 73jäbrig Arbeiterin Obenauf, die ein großes, nach dem Hofe zu liegendes Zimmer bewohnt, konnte von der Feuerwehr durch Anlegung des Rettnngsschlauches, mittels dessen sie herabgelassen wurde, zuerst gerettet werden. Die von den beiden Aerzten vorgenommenen Wiederbelebungsversuche, die längere Zeit angewendet wurden, waren leider erfolglos. Merkwürdig ist es, daß nur die rechts der Treppe gelegenen Bodenräume völlig ausgebrannt sind; in der Nähe der Kammern, in denen die unglücklichen Mädchen schliefen, nimmt man von dem Feuer nichts weiter wahr, als daß verschiedene Türen durch die von der anderen Seite herdringendc Glut versengt sind. Die Feuerwehr war über zwei Stunden mit den Löscharbeiten beschäftigt. Die Aufräu mungsarbeiten, an der auch die gegen 5 Nhr eingetroffene 2. Wache teil- nahm, dauerten bis gegen 10 Uhr. Im Hofeingange des Hotels Kratzsch liegen mächtige Trümmerhaufen, die aus dem Hause heransgebracht wurden. ; * * Prinz Hermann von Schanmburg-Lippe ist gestern hier angekommen und hat im Hotel Hausse Wohnung genommen. Ebenso fliegen dort ab Prinz Apjilanti aus Bukarest und Fürst Sulborsky aus Wien. * RatSbeschliifse. In der heutigen Ratsplenarsitzung nahm man Kenntnis von Einladungen zur volkstümlichen Feier des SedantageS am 30. August 1908 auf dem Sportplätze, zum 4. Nationalen Schwimmfest am 23. August 1908 nachmittags 3 Uhr in der Schwimmanstalt und zur Weihe der Glocken der Marienkirche zu Stötlerid am 20. August nachmittags 3 Uhr; weiter nahm man Kenntnis davon, daß der 2. Nachtrag zur Spar kassen« und Leih Hausordnung der Stadt Leipzig ministeriell bestätigt worden ist. — Genehmigt wurde die Ausführung vonBauarberten in der IV.Realfchnle.— Vergeben wurden die Erd- und Maurerarbeiten für die Einfriedigung am Erwciteruiigsbau der 27. Bezirksschulc zu Leivzig-Conncwitz, die Bauarbeiten zur Herstellung der Klein,zschocherschen Borflutschleuse von der BiSmarckbrücke bis zur Jahnstraße, die Arbeiten zur Herstellung der Straße k im Baugebictc Leipzig-Eutritzsch—Nordost, die Pflasterarbeiten in der Mittelstraße von der Tauchaer Straße bis zum Kugeldenkmal und die Kohlenlieserungen für die Armenansialten, für die Heilanstalt Dösen und für die Markthalle auf die Zeit vom 1. Juli 1908 bis 30. Juni 1909. * Nette Fassung der JmmatrtknlatiouS-Lrdnung. Die Bestimmungen der JmmatrikulatwnS-Ordnung der Universität Leipzig über beizubringende Zeugnisse find im 3 7 in folgendem Sinne abgeänvert worden: „Die Imma trikulation für das Studium der Theologie setzt die Erlangung der Reise eines deutschen humanistischen Gymnasiums, die Immatrikulation für eine Diszi plin der Philosophischen Fakultät — soweit nicht die Vorschriften für sächsische BolkSschnllehrer, für Studierende der Landwirtschaft und kür Studie rende zweiter Ordnung anders bestimmen — die Erlangung der Reife eine deutschen humanistischen oder Realgymnasiums oder einer deutschen Lberrealschule voraus. Die Immatrikulation für LaS Studium der Rechte wird aus Grund deS Reifezeugnisses eines deutschen humanistischen Gymnasiums ohne weiteres, auf Grund deS Reifezeugnisses eines deutschen Realgymnasiums nur dann, wenn dieses im Lateinischen leine geringere Zensur alS „gut" aus weist und auf Grund des Reifezeugnisses einer deutschen Oberrcalschnle nur dann gemährt, wenn neben letzterem ein Zeugnis über die an einem Real gymnasium mindestens mit der Zensur „gut" bestandene Ergänzungsprüfung in der lateinischen Sprache bcigebracht wird. * Bürger)ubiläum. Der Kaufmann Ernst Robert Schäfer in Leipzig, Tauchaer Straye 10, begeht morgen sein 50jähriges Bürgerjubiläum. * Pedell Holzhäuser« In vergangener Nacht starb nach langer Krank- heit der erste Pedell an der Universität Leipzig, Wilhelm Holzhausen. Am 20. Mai 1854 in Wittenberg geboren, trat der Verstorbene am 1. März 1887 in den Dienst der Leipziger Universität ein und zwar war er bis zum 1. Februar 1896, an welchem Tage er dritter Pedell wurde, Inspektor der Akademischen Lesehalle. Am I. Oktober 1898 wurde Holzhausen zweiter, am 1. Oktober 1904 erster Pedell. Ltranlheitshalber wurde er am I. April d. I. pensioniert. — Saltomortale tm Automobil. Bor einer Reihe von Jahren rollte einmal rin „Teuselrrad" vom Dachfirst Les SchützenhofeS auf einer schiefen Ebene herunter, einen verwegenen Gymnastiker innerhalb seiner Reifens mit sich zur Erde führend. Die Sache nahm damals einen unglücklichen AuSgang und für den Künstler ein schlimmes Ende. Jetzt wiederholt sich an derselben den Willen des Weltganzen drehen müßten". Aber den Kampf des Königs, den Leeienkampf, der mit Macht seine Ueverzeugungen zum Durchbruch bringen will und das Ziel nicht erreicht, vermißen wir; Artur ist ein unverstandener Märtyrer, der in seinen Handlungen hin und her schwankt. Dagegen liegt in Merlin eine Entwickelung, er kämpft für eine reine Kultur, und gegenüber der Uebermacht der römisch britischen Einflüsse müßte er sallen, er Hal eine Schuld zu sühnen; die Schuld, seine Liebe zu Ginevra geopfert zu haben. Bon der Hand des Königs, der ihm wesensfremd geworden ist, hätte er den Todesstreich ais Sühne zu empfangen, als er die Kreise der Friedenssphäre Arturs störie und die Schande der Königin ausdeckle. An diesen Schwächen krankt nach meiner Auffassung das Trauerspiel. Wachlcrs sorgfältige uns unter den Verhältnissen des Bergtheaters schwierige Inszenierungs kunst halte sich der Aufgaben glücklich entledigt; ein Nachteil war es, Saß sie Vorstellung sich etwas tief in die Nacht erstreckte und im letzten Akt oas Mienenspiel nicht mehr deutlich zutage trat. Ta sie Landschastsbühne nicht der Nahmen für irgendein Svicl ist, 'andern, imolge ves Verzichtes auf eine Abgrenzung zu beiden Seiten ses Zuschauers, mehr ein Stück Wirklichkeit darstellt — die Menschen Irenen sich zufällig an dieser einsamen Waldftätte — so wüLde es ein Fehler sein, wollte Wachler die Gruppen stets in die Mitte des Schau platzes verlegen. Er paßt sie vielmehr dem Gelände an, gleichgültig, ob ein großer unbenutzter Raum freiliegt. Der Felsen, auf den sie Tarsteller aus dem Walde kommend treten, eine mit Büschen beschattete Höhle, sie bieten natürliche Stützpunkte und heben den Wirklichkeits werr des Spieles. Ter Skalde Merlin uns Ginevra bildeten die Pole, um die sich sie übrigen Gestalten scharten. Merlins kraftvolle Persönlichkeit vcr- srängr den schwankenden König, der übrigens durch Herrn Bunk- Köniasberg eine angemessene Darstellung fand. Mühlhofers Spiel als Merlin war in Ausdruck und ruhiger, gemessener Bewegung eine glän- zende^Leistung. Auch Frau Hansa land für die Ginevra, das durch sas Schicksal in eine fremde Welt entrissene Kind des Hochlandes, die liefe, lragi'ch-bewegte Stimmung; ihre schöne, klare Sprache machte sas Spiel eindrucksvoll und fesselnd. In eine wilde^sinnlich-durchalüyte Leidenscha't kleidete Herr Weitag den buhlerischen Mordred. Auch die übrigen Darsteller wußten das Werk auf ein künstlerisches Niveau zu stimmen. Von Lienhard, dem schwärmerischen Jvcalistcn, zu Gerhart Hauptmann — ein weiter Weg, fall» man mit dem Namen Hauptmanns nur seine naturalistischen Schöpfungen verbindet. „Weber", „Kollege Crampton" und „Biberpelz" gehören nicht in die feierliche Stille des BergtheaterS, wo nur die Weibestimmuna und Festesfreude schalten sari. In diesem Kreis darf wohl aber sich Rautendelein heimisch fühlen; ist ja die „Versunkene Glocke" ein deutsches Märchendrama! — Wir sind Wachler dankbar, daß er das Wagnis unternahm. Der reiche Bei- 'all des glänzend besuchter ZüichauerraumeS dürfte ihn für die Mühen ser Inszenierung reichlich entschädigt haben. In der freien WaldeS- orackt entfesselten die Naturgeister ihr innerstes We>en, Nickclmann und Waldichrat erhalten erst ihre Daseinsberechtigung zwischen den Fellen und den zitternden Kronen der WaldeSzweige, keine noch so voll ¬ endete Dekoration vermag sie in ihr wahres Element zu versetzen, wie die große Künstlerin Natur selbst. Durch eine gemessene, ungekünstelte Darstellung zeichneten sich neben Nickelmann iHerr Bunts und Schrat sHerr Karstens) Herr Mühlhofer als Meister Heinrich und Frau Hansa als Rautendelein aus. Auch die Rolle der Magda sZrl. Wunschmannj lag in guten Händen. Lienhard bezeichnet in einem Essay den Glocken- Gießer Heinrich als stimmungsrcich und unklar. Er suche wie Nora, cLolneß, Borkmann das Wunderbare und Große, trage es aber nicht in sich. „Alle diese Menschen rufen nach der Sonne, aber sie selbst sind im Tale." — Ich halte diese Charakterisierung für zutreffend, finde aber trotzdem im Heinrich eine innere Linie der Entwickelung, eine trei bende Kraft — seine Künstlermijsion reißt ihn fort von den Seinen in eine höhere Sphäre, aber immer wieder greift das rauhe Leben in die feinen Saiten seiner Kunst und wirft ihn nieder. Tas symbolistische Be- gleitwcrk trat aber gerade unter der Macht der Waldcsdämmerung mehr in den Vordergrund und machte das Märchen noch mystischer als auf der geschlossenen Bühne. Man will träumen, den Stimmen der Natur, die der Dichter verkörpert hat, lauschen, aber nicht deuteln. Die volkstümliche Tendenz des Bergtheaters wurde in diesem Jahre durch die schon anläßlich der Pfingstauffuhrungen eingehend besprochenen Schclmenspicle Wolfgang Herchers, den „Liebestrank" iTill-Eulcn'picgel. Schwank! uns „Pfennig" bestritten, zu welchen ein drittes politisches Lustspiel „Ter Demokrat" trat. Die biederen Bürger von Schilda ent puppen sich hier als waschechte Demokraten, bis ein großes Ereignis, das Erscheinen eines Pjeudokaisers, sie zu devotester Huldigung hin reißt. Zu spät erkennen sie, daß sie genarrt worden sind — der Kaiier war der Hofnarr Hänsel von Singen; er hat sogar den Sau hirten und Bürgermeister Roßapfel in den Adelsstand erhoben. Es ist eine Charakteristik unserer Bierbankpolitiker gegeben, die die Fahne nach dem Winde hängen, wie er gerade am günstigsten für sie weht. Das Stück ist launig, teilweise von scharfer Satire; das hilft aber doch nicht darüber hinweg, daß es ebensowenig wie ein naturalistisches Drama in den Nahmen des Bergtheaters paßt. Wohl wird aber, so weit man prophezeien darf, das kleine Werk auf der geschlossenen Bühne eine freundliche Aufnahme erwarten dürfen. Das Spiel des Hänsel von Singen war ziemlich unklar, so daß man selbst am Schluffe im Publikum nicht wußte, ob der Kaiser oder sein Narr die Schildaer hinter das Licht geführt hatte.. Im übrigen war die groteske Dar stellung der Herren Bunk, Ernst, Kastner, Salcmon und v. Kaminietz sowie der Hofschauspielerin Frl. Schneider alS verbildeter Tochter Amalaswintha eine der Dichtung entsprechende. Wie in früheren Jahren, brachte Wachler an Regentagen Schelmen- ipiele und deklamatorische Darbietungen, und Mar -mm ersten Male in der neuerbauten Ichutzhalle, die sich malerisch dem Bergtheater anpaßt, zur Aufführung. Wird die Landschaftsbühne in deutschen Landen nie- mals das heutige Theater ersetzen können, so werden doch manche künst lerische Erfolge des ersteren — insbesondere die Versuche mit einigen Shakespeare-Ausführungen unter Verzicht au? prunkhafte Ausstattung und Akteinteilung — nicht ohne Bedeutung auch für das geschloffene Theater bleiben. Ob es Wachler gelingen wird, eine neue Dichter- generation im Anschluß an sein Programm zu schaffen, das liegt noch im Schoße der Zeiten verborgen. Jedenfalls verdient fein ernstes Streben die Anerkennung und tatkräftige Unterstützung — auch in materieller Hinsicht — aller Kreise, die für eine Gesundung unserer Bühnenkunist eintrcten. * * Tas neue LtaVtthcater in Lübeck wird nunmehr, wie unser R -Korre spondent meldet, bestimmt zum 1- Oktober eröffnet werden. Der neue Leiter, Jntendanzrat Kurtscholz, ist bereits mit feinem Spielplan, dem Personal- Verzeichnis und den Abonneinentsbedingungen an die Oefsentlichkeit getreten. U. a. ist auch Herr Conrad Holstein vom Leipziger Stadttheater engagiert. Mit dem Tage der Eröffnung des Neuen Theaters tritt auch das Stadlhallcn- theater unter die Leitung von Kurtscholz, um dem neuen Stadltheater eine Konkurrenz zu beseitigen. DaS Grjaintunltrnehmen wird unter dem Namen „Vereinigte Stadtthealer in Lübeck" geführt werden. Tas neue Tbeaier, in der Bäckergrnbe auf der Stelle des alten erbaut, bat etwa 1100 Sitzplätze, doch ist nachträglich auch noch einer Slehparterre eingerichtet worden. Der Zuschauerraum macht beim ersten Betreten einen kleinen Eindruck, doch sind alle Plätze bequem angeordnct. Die Preise sind den früher hier üblichen angepaßt, für einzelne Plätze sogar ermäßigt worden. Beim PerionalvcrzeichniS fällt auf, daß auch ein ständiges Ballett vorgesehen ist, das hier früher nur bet besonderen Ge- legenheiten einmal in die Erscheinung trat. * Die Ballonpost des Dichters. Im Zeitalter der Begeisterung für die Lustschiffahrt ffr cS interessant, mit Pariser Blättern an einen „Ballonbries" zu erinnern, den Alphonse Daudet während der Belagerung von Pari» per Luft ballon seinem Freunde Mistral übermitteln ließ. „Mein Capoulis", so heißt eS in dem Briese, der Las Datum vom 31. Dezember 1870 trägt, „per Ballon schicke ich Dir eine Menge Küsse. Ich schicke sie Dir auf provenzaliscy, denn daun bin ich sicher, daß die Barbaren, falls der Ballon ihnen in die Hand sallen sollte, meine Schrift nicht lesen und meinen Brief im „Schwäbischen Wirrkur" nicht veröffentlichen können. Es ist kalt, eS ist schwarz; wir essen Prrrd, Katze, Kamel, Rhinozeros (ach, hätten wir doch guir Zwiebeln oder den Käse de la Ribote d« Trinquetaillei; die Gewehre verbrennen einem die Finger, da» Holz wird rar . . . Adieu, mein CapouliS, drei große Küsse, einer von mir, einen von meiner Frau, einen von meinem Sohn. Und damit gutes Neujahr. Dein sslibre Alphonse Daudet." * Kleine t>ljronik. Direktor R. Schultz hat das Ensemble deS Berliner Metropol-TbcaterS durch ras Engagement der Herren Karl Pfann von der Berliner Komischen Oper, Hugo Ettling» vom Carl-Schulz«-Theater in Hamburg und Martin Kettner aus Berlin erweitert. — Wie aus Wien ge meldet wird, wurde Direktor Dr. Paul Schlenther anläßlich deS gestrigen Geburtstage» de» Kaisers Franz Josef zum Hofrat ernannt. Aus dem gleichrn Anlaß wurde Felix Weingartner, dem Direktor der WienerHofoprr, der Orden der Eisernen Krone verliehen. — DaS Berliner Neue Theater bringt al» erste Novität dieser Spielzeit da» dreiakiige Schauspiel „Außerhalb der Gesellschait" von Erich Schlaikjer. — Zum Nachfolger von Professor Wahrmund aus dem Lehrstuhl de- Kirchrnreckt« an der Unicrrsilät Innsbruck wurde der ordentliche Professor Dr. jur. Walther v. Hvrmann zu Hörbach in Czernowitz berufen.
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