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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.08.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-08-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080822018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908082201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908082201
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-08
- Tag 1908-08-22
-
Monat
1908-08
-
Jahr
1908
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«r. SSL. 103. Jahr«. Leipziger LqeUatL Deutsche» Reich. Letpzt«. ». ««guft. » Ter Reiser i» TrenRer,. Der Kaiser traf »it seinen Ver wandten bald nach 10 Uhr vormittag« auf dem Feldberggipfei em. Die Herrschaften bestiegen zunächst de« AuSsicht-turm «ad machten einen Nunkgang ans dem Feldbergpkateau. Einige Zeit verweilten ste am Brunb-ldi-selsen, um die prächtige Au-fichr ans den Hintertaunu« z» genießen. Nach fast einstündigem Aufenthalt ans dem Feldberg wurde die Rückfahrt nach Eronberg über da« Rote Kreuz und den Königstein angetreten. Auf der Rückfahrt stattete der Kaiser der Großberzogin- Mutter von Luxemburg auf dem Schloß Königstein einen Besuch ah. — T'er Kaiser kehrte gegen 12 Uhr nach Schloß Friedrich-Hof zurück. An der Mittagstafel nabmen außer den bohen Herrschaften und dem Gefolge Oberstleutnant Kuhl, Abteilungschef im Großen Generalstab, und Major Hobnhorst vom Nassauischen Feldartillerie-Regiment Nr. «3 in Frank- turt teil. — Um 3 Uhr nachmittag« reiste der Kaiser »ach herzlicher Verabschiedung von seinen Verwandten mittel« Hofzage« nach Wilhel««- böhe ab. Bei der Verabschiedung waren ferner anwesend Landrat Dr. Ritter v. Marx und Bürgermeister Pitsch. * Lloyd George in Berlin. Der englische Schatzkanzler Mr. Lloyd George ist von Frankfint a. M. in Berlin eingetroffen und gedenkt fick einige Tage dort aufzubalten, um die Einrichtungen der Alter«- und Invalidenversorgung zu besichtigen. Er suchte deshalb gestern morgen den Staatssekretär des Innern Staat-Minister v. Bethmann»Hollweg im NeichSamt deS Innern auf. * Herzog Adolf Friedrich »on MeckleiidirrA. verschiedene i«. und ausländische Blätter berichteten in diese« Tagen von einer der »Mili tärisch-Politischen Korrespondenz" entnommenen Meldung, daß Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg morganatisch vermählt ser und nunmehr aus Rücksichten auf die Thronfolge die Scheidung der Ehe i« Erwägung gezogen habe. Die »Mecklenburgischen Nachrichten" sind von zuständiger stelle ermächtigt, zu erklären, daß diese Meldung von An fang bis Ende auf Erfindung beraht. * Zum Fall Schückinq schreibt die »Norddeutsche Allgemein« Zeitunsi": Die bisher eingegangenen Berichte bestätigen, daß da« Amtsgericht Frankfurt a. M. von dem UntersncbungSkommifsar in der Disziplinär- sacbe wider Sck'iicking — nicht wider Unbekannt — um Vernehmung eine« RevakteurS der »Frankfurter Zeitung" ersucht worden ist. Der Kom in ssar hat das Ersuchen nicht auch auf die etwaige Anwendung deS ZeugniSzwangverfahrenS erstreckt. Er ersuchte gestern noch auf die ZeitnngSmeldungen hin das Gericht um Einstellung weiterer Zwangs- maßregeln. * Ltctiererlatz für Kriegsteilnehmer. Die Stadtverordnetenver sammlung in Koburg hat beschlossen, den Kriegsteilnehmern, die ein Einkommen von unter 1200 pro Jahr beziehen, SO Prozent der Kommunalsteuern zu erlassen. * Trr Verbaust mittlerer Reichspost« nutz »telcgraphenbeamten bält seinen 18. VerbandStaz vom 10. bi« 12. September in Berlin ad. Sofern bis zu diesem Zntpunkte die BcsoldungSreform noch nicht ver öffentlicht worden ist, dürfte die Abhaltung eines außerordentlichen Ver- bandStageS in Vorschlag gebracht werden, um zu der B-soldungSvorlage Stellung zu nrbm-n. Deutsch- Rolonrerr. * Tie AnsstandSgefahr in Tcutsch-Osiafrika, über die wir kürzlich auk'iihrlich berichteten, hat sich doch al- ernster herausgestellt, wie an amilich.r Stelle ursprünglich gegeben wurde, doch scheint sie durch energische Maßregeln jetzt befett,zt. Ein Telegramm des Gouverneurs von Deutkch-Ostatrika meldet nämlich, daß tue »nicht schwerwiegenden Unruhen in Turu und Iyambi durch den konzentrischen Einmarsch der entsandten drei Abteilungen ohne Kampf im Keime erstickt seien. Zwei Großzauberer seien hingerichtet und 18 Rädelsführer verhaftet worden. Die Truppenabteilungen bleiben vorläufig in jenem Gebiet, bi« die Rübe gänzlich wiekerhergestellt ist." * Neue Produttton-quellen in unseren Kolonien. Schön seit Jahren ist man bestrebt, die landwirtschaftliche Provuktioa unserer Kolonien durch Anwendung neuer Verfahren zur Gewinnung von Kautschuk, Terpentin und Harzen au- den daselbst wachsenden Bauinen zu beben. Hand in Hand damit ging ein Ausruf der botanischen Zentralstelle für die Kolonien in Dahlem bei Berlin, welcher zahlreiche Probeneinsendung'n zur Folge hatte, deren chemische und technische Untersuchung sehr bemerkenswerte Resultate ergab. Hauptsächlich kamen dabei Bäume and Sträucher in Betracht, au« deren Produkte« durch Kochen oder durch Anwendung von Säuren Kautschuk und Harz«, zwei wichtige und kostbare Rohmaterialien, gewonnen werde«. Die versuche, welche noch fortaeietzt werde« solle« und an denen sich zahlreiche kolonial« Farmer durch Einsendung von Milchsäfte« zur Untersuchung beteiligten, ergäbe«, daß zahlreiche Gewächse, die bisher keine genügend« Beachtung fände«, durch zweckentsprechende Behandlung ihrer Produkte sehr schöne, Rentabilität versprechende Resultat« ergäbe». Die Regierung wird e« sich augrlegen sei« lassen, de« Äaba« dieser Pflanzen zu fördern. Ausland. Oesterreich-Ungarn. * Keine Versöhnung! Anläßlich der Geburtstage- Kaiser Franz Joses» ging die Nachricht durch die Presse, daß der Kaiser eine Zusammenkunft mit seinem Bruder Erzherzog Ludwig Viktor gehabt habe und eS zu rin« Aus söhnung gekommen sei. Demgegenüber hat, der »Boss. Ztg." zufolge, diese Be gegnung nicht stattgefunden und wird wahrscheinlich überhaupt in abseh- barer Zeit nicht stattfindeu. Der Kaiser hat auf Anfragen seines Bruder» au- geblich mitteilen lasse«, daß er mit Rücksicht auf di« große» Anstrengungen der lebten Wochen nicht tu der Lage sei, den Erzherzog z» empfangen. Dar bedeutet, daß die Entfremdung zwischen dem Erzherzog Ludwig Viktor und sriorm kaiserlichen Binder bestehen bleibt. * Sine neue Wahrmunsthetze. Innsbruck, 21. August. (Tel.) Bor mehreren Tagen kam Professor Dr. Ludwig Wahrmund in da» Bad Müder«, welches zwischen den Orten Sterzina und Goffensaß im Etsacktalr liegt. Er wollte dort tv Roh« seine« Studien obliegen. Scho« am Abend deS ersten Tage», al« man von der Anwesenheit des Professor« mit dem uan so sehr be kannt gewordenen,Namen erfuhr, wurden au allen Ecken und Enden, an Bäumen und ia den benachbarten Orten Zettel angehrftet, welch« die Bevölkerung gegen d-n Badegast aufhetzten und die Anwesenheit de» Professor» al» «ine Schänd« für di« Gemeind« bezeichneten. E» blieb aber nicht bei dieser Mißachtenräußerung. Etwa um S Uhr abend», al» «» zu dunkeln begann, rückt« eine Schar von Burschen au» dem benachbarten Bauernneste Stilfe» an und zog vor da- Hau», wo Wahrmund wohnt«. Ste veranstaltete durch Johlen, Pfeifen und anderen Lärm eine regelrechte Katzenmusik. Nach langem Zu reden gelang r» dem Badetgentümer Dr. Spüttl au» Meran, die Ruhestörer za entfernen. Dies« kehrten aber, offenbar neuerdings aufgehetzt, bald wieder zum Badhanse zurück und stießen nun Drohrufe gegen Wahrmund an». Dieser war während der ganzen Demonstration gar nicht in Müder» und erfuhr erst bet seiner Rückkehr von dem Vorfälle. Unter den Sommergästen herrscht ob dieser Vorfälle Entrüstung. Professor Wahrmund äußerte sich, daß er durchaus nicht gewillt sei, wegeu dieser Vorgänge den Ort zu verlaßen, er sei solche Angriffe verhetzter, unwissender Leute schon gewöhnt. Nur um den Badeigentümer nicht in Verlegenheit zu bringen, der ihm mitteilte, daß er unter den obwaltenden Umständen keinen Geistlichen zur Lesung einer Messe an Sonntagen bekommen werde, sah sich Professor Wahrmund veranlaßt, da» Bad zn verlaßen und nach Innsbruck zurückzukehren. Der Badbesitzcr erstattete bei der Behörde die Anzeige wegen diese» Vorfälle». Interessant ist auch, daß der Besitzer Dr. Spöttl Alter Herr einer katholischen Stubeuten- Verbindung ist. Er batte wegen Professor Wahrmund» Anwesenheit im Bade viel« Angriffe feiten» katholischer Blätter au-zustrhra. (B. T.) Belgien. Die Annahme der Kouaoaktr, über die wir telegraphisch berichteten, wird in der belgischen Presse ihrer großen Bedeutung nach gewürdigt. Brüssel, 21. August. (Tel.) Da die meisten Blätter erst abends erscheinen, liegen nur wenige Preßstimmen zur gestrigen Kammcvabstimmung vor. Diese sind alle darüber einig, daß seit dem Bestehen des Königreichs daS Land keinen Entschluß von ähnlich folgenschwerer Bedeutung zu fassen gehabt hat. Die radikalen Blätter, wie „Dermöre Heure", laßen «S natür lich nicht an heftigen Ausfallen gegen den König. daS Kabinett, die Klerikalen und den Teil der Liberalen fehlen, die geholfen haben, der Kongovorlage die ziemlich ansehnliche Mehrheit von 28 Stimmen zu sichern. Der -Pcuple" druckt eine in der gestrigen Sitzung von dem Sozialisten Desir-e verlesene programmatische Erklärung ab, die das Verhalten der äußersten Linken noch einmal rechtfertigt und der Rechten mit eindrucksvollen Worten die Verantwortung für das Kammervotum und seine Folgen überlaßt. Die im Solde deS Kongo- staateS stehenden Blätter wie »Petit Bleu" und „Etoile Delge" äußern dagegen ihre Genugtuung über die Krönung ihre- Eifers, sie sinacn das Lob des Königs und die Weisheit deS Kabinetts. Die unabhängige liberale „Gazette" sagt: »Wir gehören zwar nicht zu denen, dre in der Uebernahme deS KouaoS nur rin glänzendes, oe- fahrloses Geschäft schen; nicht ohne Furcht sind wir Zeugen, wie sich Belgien in die Abenteuer der Kolonialpolitik verwickelt; aber jetzt handelt eS fick darum, keine Seit zu verlieren, sondern der über nommenen Aufgabe mannhaft ins Auge zu seben. Wenn es unS ge lingt, Europa das Musterbeispiel einer Kolonialpolitik «l geben, indem wir zur Erfüllung einer herrlichen Kulturaufgabe beitragen, Emmastevd. 22. August 1908. so tverdeu wir selbst größer werden, anstatt der unvermeidlichen De kadeuz der Eroberervölker z« unterliegen." — Die Minister kris!» gilt Mar al» äußerlich überwunden, der Gegensatz aber, der sich Nl den letzten Abstimmungen Misch«« der Gruppe Woeste und dem Kabinett Scholloert bekundet, ist eingestandenermaßen so bedeutend, daß der Rücktritt des Kabinetts nur eine Frage der Zeit ist. Italien. * Eine Rubtuipartel? Bo« «nserm römischen k.-Korre- spondenten wird unS geschrieben: Die Bildung einer neuen poli tischen Partei ist vou denjenigen Deputierten der Rechten der italie nischen Kammer geplant, die in dem unlängst verstorbene« Antonio di Radien ihren Führer erblickt haben. Die Führerschaft ist Herrn Luigi Luzzatti zugedacht, dem besten persönlichen und, insoweit mau von der- gleichen bei einer so wechselfreudigen Persönlichkeit wie Luzzatti über haupt sprechen darf, auch politischen Frounde RmdiniS. Der bisherigen Gruppe der Rechten sollen sich zugesellen Elemente deS Zentrums und sogar der radikalen Linken, die sich im Programm einer „gesunden De mokratie" zusammenfinden können. WaS eine „gesunde Demokratie" aber ist, daS scheint vorerst nur negativ bestimmt werden zu können: gewiße Methoden einer strengen Staatsverwaltung, die von der aktuellen vermeintlich abweichen; rein weltlicher Charakter deS Staatswesens, der ein« vollkommene Scheidung von Kirche und Staat vorauSsetzt und eine absolute Eliminierung des Religionsunterrichts aus den Schulen zur Folg« hat; iu der äußeren Politik Abwendung von den bisherigen Ver bindungen und engeren Anschluß an di« demokratisch regierten Staats wesen flies: Frankreich irnd England); und dergleichen mehr. Eine Kritik deS LksistenzrochtS und der Existenzfähigkeil einer solchen Partei bat ja Heit, hj« man ihre effektive Bedeutung ersehen kann. Vorläufig haben die Gründer nur den guten Willen, bei den nächstiährigen Wahlen zur Deputiertenkammer eine große Rolle zu spielen. Wenn ihnen da? gelingt, sind sie sicher, reif zur Regierung zn werden und in diesem Sinno bem derzeitigen Kabinett tröst seiner derzeit enormen Majorität erfolg reich Opposition machen zu können. Ein« besondere Parteizeitung soll dazu nachhelfen Marokko. * Der Kampf zwischen be« beiden Sultanen wogt hin und her. Heute wird zur Abwechslung ein Sieg der Anhänger Muley HasidS gemeldet. Tanger, 21. August. (Telegramm.) Einer Meldum, aus Marrakesch ohne Datum zufolge wurde ein Teil der Mahalla deS Sultan? durch den Zemramstamm geschlagen Bei der Verfolgung bis zum Lager wurde letzterer durch Artillerie aufgehalten. Die Schauja. Kontingente der hasidischen Mahalla gaben keinen Schuß ab. Türkei. * Daß die Jungtürken mehr al- gut sich den Franzosen und Eng ländern in die Arme werfen würden, wurde schon bei AuSbruch der Be wegung von Pessimisten behauptet und scheint jetzt in der Tat durch folgende Meldung eine Bestätigung zu erfahren, deren Tragweite je doch noch nicht abzuschätzen ist. Köln, 21. August. sTelegramm.s Einem Telegramm der „Köl nischen Zeitung" anS Konstantinopel zufolge beschloß der Ministerrat, einem englischen Beirat für die Flotte und einen französischen für die Finanzen anzustellen. Ebenso beschloß der Ministervat, den Grenzstreit mit Persien zu beenden, alle Truppen vom persischen Gebiet zurückzurufen und Beamte zu einer gütlichen Regelung zu entsende». * Als erste Macht beginnt Oesterreich die Folgerung auS der ver änderten Lage in der Türkei zu ziehen. London, 21. August. (Telegramm.) Nach einer Reuter- Meldung auS Konstantinopel bat O« st erreich-Ungar» seine in Mazedonien angestellten Offiziere «bber«fen. Amerika. " Kanada scheint jetzt vou der iu England grassierenden Spionenfurcht ergriffen zu sein. London, LI. August. (Tel.) Wie der Korrespondent der „Daily News" au» Ottawa meldrt, herrscht dort groß« Aufregung, weil die Pläne für die nenen Verteidigungsanlagen von Halifax abhanden ae- kommen sind, während sie von Halifax nach Ottawa gebracht wurden. Man fürchtet, daß di« Pläne la die Hände einer fremden Macht geraten sind. Die Regierung leugne allerding» diese Möglichkeit, die öffeutllche Meinung sei aber der Ueberzeugung, daß eS doch so sei. ES wird hervorgrhoben, daß man schon verschiedentlich bemerkt habe, wie ausländische Spione sich eifrig bemühten, Nähere» über die neuen Fort» de» Hafen» zu erfahren, der die Bast» jeder im Atlantischen Ozean operierenden britischen Flotte bilden muß. Eine gründ» liche Untersuchung der Angelegenheit wird vtrlaagt, uud di« kanadische« Zeituugeu äußern sich in der schärfsten Weise über den Vorfall. Feuilleton. Dar Ende -er Janitscharen. Die türkische Militärrevolte, die jetzt im Reiche de» Padischah di« Ge währung einer Konstitution durchsetzte, weckt di- Erinnerung, daß nicht zum erstenmal da» türkische Militär sich al» Machtfaktor mit tiefwirkenden historischen Konsequenzen erwies. Man denke nur an da» Korp» der Janitscharen, da» sich bi» in da» erste Viertel de» vorigen Jahrhundert» hinübcrrcttetc. Erst die Junitage de» Jahre» 1826 brachten ihnen Vernich tung und völlige Ausrottung. Schon längst hatte Sultan Mahmud erken nen müßen, daß das berühmte Korps der Janitscharen, einst der Kern der türkischen Armee und der Schrecken der Feinde, für den Herrscher die größte Gefahr bedeutete; in einer Zeit, wo die Notwendigkeit militärischer Reformen immer gebieterischer sich geltend machte, bildete die anmaßende übermütige Haltung der allmächtigen Truppe, die so oft mit blutiger Faust in die Geschichte der türkischen Dynastie eingegriffen hatte und allen Neuerungen ein starrsinniges Festhalten an den alten Privilegien ent gegensetzte, eine beständige Drohung und ein unübersehbare» Hemmnis für die Regierung. Im Frühling war eS gelungen, die argwöhnische Schar durch die Errichtung einer neuen regulären Truppe, der Muallem Jsch- kcndj zu überraschen, die nach europäischem Muster ausgerüstet und ein» geübt und zum Teil sogar aus Mannschaften der Janitscharcn-Korp» ge» bildet wurde. Die Janitscharen erkannten sofort, daß diese neue Truppe iüc ihre Allmacht eine furchtbare Gefahr bedeutete, und das zornige Miß trauen wuchs zu verhaltener Erbitterung, al» unter der Leitung ägyp. rischer Offiziere vor der Hauptkaserne der Janitscharen eine feierliche Parade der neuen Truppe abgebalten wurde. Die Usta», die Unteroffi ziere, und die Luartiermeister sahen ihren Einfluß bedroht, eifrig wur- den die ohnehin leicht mitzureitzenden Mannschaften aufgehetzt, man rech, nctc auf die Hilfe des Volke» und ziemlich offen ging man zur Vorbe reitung de? Aufstandes, besten Aufkeimen dem Sultan nicht verborgen blieb und nur willkommen sein konnte. Am 18. Juni sollte im Tal der süßen Wässer eine neue Parade der Muallem Jschkendj stattfinden. Dem wollten die Janitscharen zuvorkommen. In der Nacht vom 1». zum 1k. traten die Unteroffiziere von fünf Orta» zusammen und gaben da» Zei- cben: sofort drang man gewaltsam in die Kasernen, holte die alten Feld- zeigen, die traditionSumwobenen Kessel der Janitscharen und stellte sie auf dem Atmeidan auf, dem großen Platz im Herzen Stambul», von dem 'ost alle Janitscharcn-Aufstände ihren AuSgang genommen hatten. Sofort itrömten aus allen Kasernen die Genoßen herbei und am Morgen stand bereits eine Truppenzahl von 20 000 woblauSgerüsteten Männern kampfbereit. Schon in der Nacht waren Abteilungen in da» Hau» de» GroßwcsirS und de» Janitscharen-Aga« abgesandt, um die Würden, träger gefangen zu nehmen, aber von allem unterrichtet, waren diese de. reit» über das Goldene Horn geflohen und zum Sultan geeilt. Durch d,e List eine» sultantreuen Unterführer» wurde Zeit gewonnen. Man überredete die Janitscharen, ihre Bedingungen schriftlich al» Bittschrift dem Sultan vorzulegen, die Beratung und Abfassung de» DeokumentS nakm zwei volle Stunden in Anspruch und inzwischen hatte der Padischah Zeil gefunden, seine Maßnahmen zu treffen. Der Sultan selbst fuhr nach Top-Hana hinüber, um mit dem Großmeister der neuen Artillerie das Nötige zu besprechen; schon trafen auf den großen Booten vom Do». paruS die treuen Truppen Mehemed Bey» und Hussein Pascha» rin. In. zwischen hatte unter dem Vorsitz Mahmud« eine Diwanfihung stattgefunden, e» wurde beschloßen, zum Kampfe gegen die Meuterer da» Ebvrka-i.scherif, die heilige Fahne de« Propheten, aufzupflanzen, in feier, lichem Zuge wurde diese kostbarste Reliquie den Gläubigen au» der Schatz, kammer de» Serail» geholt. Ausrufer eilten durch die Straßen. Nun zeigte ei» sich, welche Macht der heiligen Fahne innewohnte. Ueberall eilten die Bürger herbei und bewaffneten sich und bildeten Schutzmann, schäften, und die Janitscharen sahen sich auf sich selbst angewiesen. Al» endlich ihre Deputation beim Sultan erschien und sofortige Auflösung der neuen Truppe sowie die Köpfe des Grohwesir«, da» Aga.Paschi und an- derer Würdenträger verlangte, konnte der Sultan sie kurz und herrisch abweisen und bedingungslose Unterwerfung fordern. Kurz darauf be- ginnt der Kampf. Es ist ein Abschlachten. Ein fester Truppenkordon um. zieht die Meuterer. Hinter ihm ordnen sich die Bombardiere, die Pio- niere und die anatolischen Milizen zum Angriff. Aber cs kommt nicht so weit. Au» Lk neuen Feldgeschützen prasselt ein furchtbare» Granat, feuer in die dichtgedrängten Maßen der Janitscharen. Nicht lange halten die wilden Gesellen, die mit fatalistischer Ruhe ihrem Schicksal entgegen, gehen, dieser gräßlichen Vernichtung stand. Sie fliehen in ihre am At. meidan liegende große Kaserne und bereiten sich für den letzten Ver- teidigungSstand. Allein das alte Gebäude ist aus Holz und Fachwerk aufgcführt, Hussein-Pascha läßt nur die Ausgänge besetzen: man legt Feuer an den Bau. Nach wenigen Minuten lohen die Flammen hoch auf und bilden einen gewaltigen, rotglühenden Herd, in dem Zehntausende von Menschen einem furchtbaren Tode entgegensetzen. Umsonst senden die nun Verzweifelten eine Abordnung, die um Gnade flehen soll; er- borwungSlo» werden die Emissäre nicdcrgchauen. Der Mufti spricht feier, lich den Fluch über die Janitscharen. Wer verzweiflungsvoll aus dem Flammenmeere einen AuSgang sucht, wird hingeschlachtct, Gefangene wer. den nicht gemacht. Gegen 1000 Janitscharen, die in dem benachbarten Stadtteil von den Dürgerwachen überwältigt werden, führt man zum Hippodrom vor da« Kriegsgericht. Kurz und summarisch ist da» Ver. fahren, die Vorführung genügt zum Todesurteil und kaltblütig wird die ganze Schar, einer nach dem andern erdroßelt. Die zcrstümmelten Leichen werden inv Mnrmara-Mcer geworfen. Nur 87 Tote kostete der Tag den neuen Truppen, während 1k—A OOO Janitscharen den Tod fanden. Am folgenden Morgen zieht der Sultan feierlich zum Gottesdienst, di« lang verehrten Kessel werden mit Kot besudelt, die charakteristischen Filz, mühen der Janitscharen durch die Straßen geschleift und am selben Tag erscheint ein Ferman, der daS altbcrühmte Janitscharcn-KorpS auf ewig auflöst. * - ' Geheimer Jntendanzrat Varnay. Ter „StaatSanzeiqrr" meldet. Dem mit der Leitung de» Theater» In Hannover betrauten bisherigen Direktor der König!. Schauspiele in Berlin Ludwig Barnay wurde der Charakter al» Geheimer Intendanzrat vrrliehen. * „Marstochüu» nutz Esther." Au« Oberammergau wirb «n» bo- richtet: Auf dein UehungSlbeatcr fand dieser Tag« die Ausführung de» biblischen Schauspiel» „MardochäuS und Esther", vom Geistlichen Rat Steigen berger versaßt und von Ferdinand Feldigl verlont, statt. Unter de« Au- schauern, welche da» Theater bi» aus de» letzten Platz stillten, sah man auch den Nuntiu» Frühwirth. Da» Spiel, eine vorzügliche Vorschule z» den im Jahre IAO stattfindenden Passton »spielen, wird noch dreimal zur Aufführung gelangen. * Tie Japaner unst Molibre Bor kurzem wurde gemeldet, daß Molitzre in Japan verboten worden ist. In einem Artikel, den die „D-p-che de Tou louse" verSssrntlicht, erzählt nun Louis Dumnr, weshalb dir Iap» diese auf den ersten Blick ganz unbegreifliche Maßregel ergriffen haben. Unter dem Borwaude dir Verkehrtheiten und Wilnderlichkelten der Welt lächerlich zu machen, greift Moli-re nabrzu alle» au, wa» di« Bast» der japanische» Gesellschaft»- ordnnng bildet. Da ist zurrst sein Bestreben, di« väterlich« Antorität herab- zosetzen und zu untergraben. Fast in jedem Stücke von Moli-re fleht man Bälrr, die von ihren Kindern — wenn auch ia gutmütiger Weise — verspottet werden. Die Kinder spielen ibnen die verdammen»- wertesten Streiche und lassen sich dabei von spitzbübischen Kammer dienern oder von verschmitzten Kammerkätzchen Helsen. Bei Moli-re hat immer die Jugend recht und immer ans Kosten dr» AVer». Stücke wie die „Fourberir» de Scapin" wäre» in Japan, wo die Kindr»lieb« die Tugend p»r «reelleucs ist, ganz unmöglich. Moli-re ist aber in den Auge» der Japaner auch uu- moralisch, weil er die Liebesheirat verherrlicht. In Japan spielt die Liebe bei der Heirat leine Rolle; die Heirat ist dort vielmehr eine rein konventionelle Angelegenheit, die die Familie« der Braut oder de» Bräutigams wie eia Geschäft untereinander abmachen. Ei« weiterer Borwurf, den »an Moll-re macht, ist, laß er gegen die Regeln verstößt, die in der javanischen Gesellschaft die Be- Ziehungen zwischen den beiden Geschlechtern beherrschen. Die japanische Frau muß ihrem Gatten unbedingt gehorchen; ste darf in seiner Gegenwart kaum ein laute» Wort sprechen; daß sie ihm kein« Szenen machen und noch viel weniger ihn betrügen darf, wie man es so ost bet Molt-re siebt, ist selbstverständlich. Un dann können sich die Japaner mit Moli-re nicht befreunden, weil sich bet ihm die Untergebenen ihren Vorgesetzten gegenüber oft arrogant benedmen (man denk« nur an da» Verhältnis zwischen Dienstboten und Herrschaften li, und weil er die Wissenschaft, vor allem die Aerzte, kurz alle», wa» man im Lande der Ausgehenden Sonne respektiert und bewundert, lächerlich zu machen sucht. Mit einem Worte: Moli-re gilt den Japanern als «ine Art Anarchist, vor dem nicht» sicher ist. Um nun seinen verderblichen Einfluß von Japan abzulenken, hat die Regierung des Mikado e» für da» beste gehalten, ihn ganz zu verbieten. " Die alte« Lateiner als Stenographen. Da» Britisch« Museum hat nach seinem neuesten Bericht ein Lextkoa erworben, da» «tue Sammlung lateinischer stenographischer Symbole enthält. Diese sind bereit» im Altertum erfunden worden und werden auf einen Freigelassenen de» Cicero, namens TulliiiS Tiro zurückgeführt. Eia andere» interessante» Stück ist eine TakerauS dem dritten Jahrhundert vor Tbristo, die in den damaligen ägyptischen Schulen zum Unterricht in der griechischen Grammatik benutzt wurde. Die kürzlich in Berlin au»g,stellte Pavyrn-sammlnua enthielt bekanntlich ebenfalls eine Reihe origineller Tafelu, dir den ägyptischen und griechischen Schulunterricht gut illustrierten. " Hochschnlnachrichten. Der Assistent an der Poliklinik für orthopädische Chirurgie der Friedrich.Wilhelm»-Universität in Berlin» Dr. Karl Helbiug, hat den Titel Professor «halten. — An Stelle de» Konservator» Protz ist zur Ausführung von Pflanzenunteriuchuagen bei dem Hauptzollamt in Königs berg i. Pr. der zweite Assistent de» Zoologischen Museum» der dortigen Universität A. Dampf ernannt worden. " Kleine Chronik. Bet Beginn der gestrige« allgemeinen Sitzung de» Gsperantokongresse» Verla», wie au» Dresden telegraphiert wird, Professor Bourlet-Pari» eia Telegramm de» Kaiser», desgleichen ein solche« vom Herzog von Connaught, dem Bruder König Eduard». Ja der darauf folgenden Propaaandadebatte wurde beschloffen, zam Zwecke möglichster Ver breitung de» Esperanto eine allaemeiue Lehrerverrinigung mit Professor Boirae-Dijoa al» Ehrenmitglied, sowie ein tnteraattoaaie» Esperanto- Institut za gründen, da» den Unterricht regeln »ad für Reinhaltung der Sprache sorgen, sowie ferner zur Ausstellung vou Diplomen berechtigt sein soll. — Wie da» „B. T." au» Prag meldet, wird Han» Richter im Lause der kommenden Saison eine Anzahl von Wagaer-Anfsübruuaen im Tschechischen Nationalthrater ia Prag dirigiere«. Ja Aus sicht genommen sind „»Lohengri,", „Tannhäuser', „Der fliegend« Holländer" und die „Meistersinger von Nürnberg". Der berühmt« Dirigent ist übrigen» am 25. d. M. gerade vierzig Jahre Orchrsierleiter. — Der französische Komponist Loui» Barney ist im Aller do« K4 Jahren gestorben. Barney hat viel graziöse Mnsik zu einer großen Zahl Textbücher von komischen Opern und Operetten geschrieben. Ja Deutschland wurde« von ihm hauptsächlich „!>, woueouetnir« an eoaeeat^ and potiw drobie" bekannt. — „Scharmützel, rin« neu« Komödie von Gnstav Wied, wurde von der Direktion Meinhard «nd Brraaner für da» B«rlt»«r Theater erworben. — Wir da« „B. T." au» Kßl« meldet, wurden in der Ortschaft Arlof bei Münstereifel mrhrerr Römergräber aufgedeckt. I« einem Steinsarge befände« sich je «ia gaterhaltene» männliche» und weibliche» Skelett. Ein schwer tartiger Sveer lag zur rechten Seite de- Manne», ein Perle»balSbaab bei dem weiblichen Skelett. Der Earadeckel war mit bentltch lesbaren In- schriftea und ornamentalem Schmock versehen.
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