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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.08.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-08-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080822018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908082201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908082201
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-08
- Tag 1908-08-22
-
Monat
1908-08
-
Jahr
1908
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Woche ms die , sowie stetiger orlhcrn ,75 bis Kupfer ;w Iort 3,50, siuaua (5.60'. °(5,N für den > Nr. 2 tnmarlt , Dezvr. do. sacken, S.4,75, »r«" do. )ie vor- äre, die Zesscrun- iffunaen n. ?ln- okoworc. : Ernte. N bis t heute tig und MaiS er 461°, dcte der ezcmbcr- regcnden eckungen z. Na» :nonnnen werden, ides, da- Zudcm auch die ne nied- artungcn chten aus shin cin- crzicltcn Einklang durchweg Baissiers tuns bis te einige ,t höher. 6,75 (27- in Barrel» or. Saison 29666 Rotterdam Current" verschlüge L der Er. kost. 174,50 193.60 111.10 94.10 15575 »d. f. kost. 174.50 193 90 LOO,— >1» lind ix. 149,90 9410 lt«lis,N»e>i» lkewoswi 51-- clu>. 117.42 er«. 803.50 ol. 2040- 162'1. 17^'u 167.— > — »«> — illluix. eA>»r. 1541« I.-V-». 2S4-» ooriä — 59.20 wo»»« 190 ir«. lu> r 59,15 ° - »elseiri i.8ie>» 123'/u »eteek. MM »kl. 44750 Stovkdolm titinotn 8loüt mke^on Liodt >r» 1 » 9V,« 4, »r. 2 » 41« <1. Seootou Soll- 211»w»oi». »„«»Ui 120.^ BezuflS-Prei» Morgen-Ausgabe v. Anzeigen-Preit >ür Lripjia und <ü>r»rr» oor» uuser« Träger uu» Spediteur» m« tau« gebrachtr >lu«^b» 4 «nur morgen») »irrteltthrlich 8 M., monatlich I M.; Rntaab« v (morgen« -nd abend«) viertel, jadrlich 4.50 M„ monatlich l.Sll M. Durch die »oft ,» be,leben: (2 mal täglich) innerbald Teulichlaod« und der deutichen llolonien merieliährlich b.25 M., monatlich 1,7b M. mi«>chl. Poft. bestellgelL, ür Oesterreich U L vü d, Ungar» 8 L viertelstbr'ich sserner tn Bel» gieu, Dänemark, den Donauftaaien, Italien, Luxemburg, Niederland«, Nmrwqr», Nu» land, Schweden Schwet» und Spanien. I» alle» übrige» Staate» aur direkt durch m» axped. d. Bl. «rbtltlich. LdoanemendNünnalml,i Luguftoüulutz bat unseren Dräger». Mia.e», Spediteur«» uud «nnadmeftellen, iowt» Povämtern und Brtesträgera. Li» e»n»etu« Nummer koste» I» Nrdaktto, »nd «rvedUtov Johanui«gas1« 8. Deterbvn Nr. I46S2. Nr. IE. Nr. 1469«. KipMerTMblaü Handelszeitung. Amtsökatt -es Rates und -es NEzeiamtes -er Lta-t Leipzig. für Inserat« au« Lewgig und Umgebung dt, -gespaltet,« Peruzeile 2b Pi., ftninzielle iänzeige» 80 Ps., Reklamen l M.; von auswärt» 80 PI., Reklamen 1.20 Mg vomLntlandbOPi., ftnanz. «,izeigrn7bPs.. Reklame» USO M. Inserate». BehLrdeuir amtlichenDrU40Pi. Beilagegebübr bM. p. Daulenb exkl. Post gebühr. Gelchäsrsanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhüht. Radatl nach Dari, ,i«fterretire Nuiträge künnrn nicht zurück- aezvge» werden. Für da« Erscheinen an iwttuumtrn lagen und Plagen wird lein« Garantie übernommen «tnzeigen-ittnn-dme! Luguftulplatz », d«i sämtlichen Filialen u. allen Annoncen. (Üxpeditionea de« Ju» uud Rullande«. Paupl-dtliale Verls» > Curl Duncker, Herzog!. Bahr. Hosbuch» Handlung, Lüdowllrabe 10. (Telephon VT, Str. 4602). Haupt-Kiliale Dresden: Seestrade 4,1 (Delephon 4621). Nr. 232. Sonnabend 22. August 1908. 102. Jahrgang. Da* wichtigste. * Der Kaiser ist wieder auf Wilhelmshöhe eingetroffen. sS. Dtschs. R) * Die „Nordd. Allg. Ztg." bestreitet die Einleitung des Zeugniszwangsverfahrens gegen einen Frankfurter Re dakteur im Fall Schiicking. sS. Dtschs. R.s * Die Aufstandsgefahr in Deutsch-Ostafrika ist be seitigt. sS. Dtsche. Kol.) * Als Nachfolger des zurücktretenden Staatssekretärs v. Koeller wird Unterstaatssekretär Frhr. Zorn von Bulach genannt. * Wie aus Konstanz berichtet wird, findet der neue Auf stieg des Grafen Zeppelin mit dem älteren Luftschifsmodell Nr. 4 bereits -wischen dem 2V. und 30. September statt. sS. Letzte Tep.) * Das Fürstenberg-Memorial (46000 .K) gewann gestern in Baden-Baden Weinbergs „Faust" unter O'Cvnnor. sS. Sport.) Der Vrrlow. Zuerst war es ein Fall Schiicking, dann behauptete der demo kratische Abgeordnete Konrad Hausmann in der Münchener Zeit schrift „März", cs sei nicht ein Fall Schiicking, sondern ein Fall (Noltke, und jetzt läßt es sich fast so an, als ob ein Fall Bülow daraus werden solle. Die Schneeflocke ist zur Lawine geworden. Wie das Gerücht und die Verleumdung aus einem Lüftchen zum Donner an schwillt, so geht es auch dem Skandal. Zunächst ist es nur ein Skan- dälchen, allmählich aber wird es zu einem Acrgernis, das die ganze Nation verstimmt. Warum? Weil ein- Hand fehlt, die den Gordischen Knoten entschlossen durchhaut oder vielleicht auch, weil eine leise Hand fehlt, die ihn geschickt löst. Zuerst war eS nicht mehr als die Unduldsamkeit eines Provinzial beamten. Ter Bürgermeister von Husum, Dr. Lothar Schücking, hatte, ohne seinen Namen zu nennen, ein Buch veröffentlicht, das den omi nösen Titel trug: „Die Reaktion in der inneren Verwaltung Preußens." Dieses Buch legte mit ganz ungewöhnlicher Sachkenntnis dar, wie die Bewegungsfreiheit der Stadt- und Landgemeinden durch die Burean- lratie des Staates gelähmt wird. Unserer Ansicht nach hätte der Ver fasser des Buches in den Staatsdienst berufen werden müssen, denn stin Werkchen zeigte deutlich, daß der Verfasser Qualitäten besitzt. Die Regierung konnte an dem Inhalt des Buches keinen Anstoß nehmen, denn es verstößt nicht im mindesten gegen die guten Sitten skeine ein zige persönliche Verdächtigung war in ihm enthalten), noch gegen die Gebote der Loyalität, die ein Beamter natürlich noch strenger beobachten muß als jeder andere Bürger. Daß die konservative Partei die Aus führungen des Verfassers übelnahm, beweist nichts gegen ihn; im Gegenteil, die Erregung der Konservativen zeigt nur, daß Herr Schücking die Hand in eine Wunde gelegt hat. Ein einigermaßen ruhig denkender, vorurteilslos prüfender Beamter konnte nie auf den Ge danken kommen, daß es möglich sein werde, Herrn Dr. Schücking aus diesem Buche und aus einigen Zeitungsartikeln ähnlicher Tendenz disziplinarisch einen Strick zu drehen. Der Regierungspräsident, der bis jetzt für die Disziplinierung Schückings verantwortlich gemacht werden muß, kann sich, als er diese Verfügung erließ, kaum als Staatsdiener, er kann sich nur als Vertrauensmann der Konservativen und als ein Mitglied dieser Partei gefühlt haben, auch wenn ihm das nicht zum Bewußtsein gekommen ist. Es wäre aber ein leichtes ge wesen, dem Skandal, der nicht einmal in allen konservativen Zeitungen eine Verteidigung fand, rasch ein Ende zu bereiten, wenn Herr v. Moltke eingegrifsen hätte. Dies geschah nicht und nun wälzte sich der Fall'Schücking gleich der legendären Seeschlange wochenlang durch die Spalten der radikalen Blätter. Man sollte meinen, der Reichs- langer hätte nun Herrn v. Moltke darüber aufklären müssen, daß solche Vorkommnisse die von Seiner Majestät gebilligte Blockpolitik doch ganz erheblich stören müßten, und daß daher die in Frage kom menden Beamten anzuweisen seien, sich in Zukunft so unmotivierter Schneidigkeit zu enthalten. Indessen es geschah nichts. Und weil nichts geschah, so geschah dann etwas ziemlich Unerhörtes: eS wurde nämlich gegen die „Frankfurter Zeitung" ein ZeugniSzwangSverfahren cingeleitet, um den Verfasser eines Artikels zu ermitteln, der am 2l. Juli dieses Jahres über den Fall Schücking in dem genannten Blatte erschienen ist. Dieses Vorgehen muß um so stärkeres Befrem- den erregen, da es im schroffsten Gegensatz zu der Verfügung steht, in der sich der Reichskanzler vor einigen Monaten gegen die nutzlose Anwendung des Zeugnis-Wanges aussprach. Außerdem soll der Zeug- niszwang gegen die Presse in der neuen Strafprozeßordnung, deren Entwurf am 1. September veröffentlicht werden wird, auf Strafver folgungen wegen Verbrechens beschränkt werden. Und das Hände waschen der verantwortlichen Oberbeamten in der „Nordd. Allg. Ztg." ist ja schon zum Gespött goworden. Wenn man den 'Fall Schücking in seinen einzelnen Phasen überblickt, so gelangt man zu de.- Ueberzeugung, daß der Reichskanzler entweder sehr viel mehr Mann der starken Hand ist, als man bisher glaubte, oder daß er es sehr viel weniger ist. Wenn er daS Vorgehen gegen Herrn Dr. Schücking billigt, so wird eS den liberalen Parteien kaum noch möglich sein, auch fernerhin die wohlwollende Haltung ihm gegenüber einzunehmen, durch welche sie ihm seine Amtsführung im letzten Jahre so sehr er- leichtert haben. Billigt er ober das Vorgehen gegen Herrn Schücking nicht, so fragt man sich, ob er denn in der inneren Politik Preußens nicht mehr die entscheidende Stimme besitzt. Welche von beiden Alter nativen man auch wählen will, man wird sich dem Eindruck nicht ent ziehen können, daß der Fall Schücking zu einem Fall Bülow ge worden ist. * Uebrigens gibt es auch Erfreuliches in den Begleitumständen der Schücking-Afsäre. Das ist die Stellung der Nationalliberalen, soweit sie aus der „Natlib-Korresp." ersichtlich ist. Das Parteiorgan hat eine ganze Zeit der Regierung gut zugercdet, nach Zeichen wiederkehrender Besinnung gespäht, wie das so des guten Herzens Brauch ist. Aber jetzt schreibt die Korrespondenz: „Was will man denn eigentlich? Steuert man partout darauf hinaus, Herrn Dr. Schücking als Bürgermeister zu disqualifizieren? Soll er um jeden Preis für unwürdig erklärt werden, innerhalb der schwarz-weißen Grenzpsähle das Amt eines mittelbaren Staatsbeamten zu bekleiden? Und glaubt man diesen Staat wie den mit Recht so be liebten roosior cko brvliro stabiliert zu haben, wenn bas hohe Ziel wirk lich gelang? Wir haben uns redlich Mühe gegeben, uns die Gedanken gänge zurechtzulegen, die die über uns Negierenden in diesem Fall ge leitet haben könnten. Aber wir gestehen mit tiefer Kümmernis: es ist uns nicht gelungen. Wir sehen nur, wie um eine Omelette smehr sind im Verhältnis zum Ganzen die despektierlichen Aeußerungen des Herrn Dr. Schücking über Korpsstudenten und konservatives Parteiregiment nicht) ein ungeheurer Lärm verursacht wird; wie mir nichts dir nichts Leute vor den Kopf gestoßen werden, die den besten Willen zu zeigen be- gannen, aus der Negation den Ausweg zur Bejahung zu finden. Daß dadurch Staat und Reich genützt wird, bestreiten wir. Daß die Politik des Fürsten Bülow gefördert wird, möchten wir bezweifeln. Ueber- haupt: wie steht denn der nur zu dem ganzen Handel? Und wenn er ihn, wie wir anzunehmen geneigt sind, nicht billigt: wie dürfen die Nachgeordneten denn nur so frank und frei darauflos verfügen und ihm das ganze mühselig genug zustande gekommene Konzept verrücken?" Staatliche Theaterpflege. Die polizeiliche Aufsicht über die Theater ist von der staatlichen Thcaterpflegc streng zu scheiden. Die erstere äußert sich in der Kon zession, geregelt durch 8 32 der Reichsgewerbeordnung, wonach nur sittlich einwandfreie, künstlerisch befähigte und finanziell leistungsfähige Personen die Leitung eines Theaters übernehmen sollen, ferner in der zurzeit noch nicht einheitlich gesetzlich geregelten Zensur, durch die der Bühne sittlich. Politisch oder religiös anstößige Stücke nach Möglichkeit fern gehalten werden, weiter in baupolizeilichen Sicherheitsmaßregeln, in der Kinderschutzgesetzgebung durch das Neichsgesetz vom 30. März 1903, sowie endlich in Aufführungsbeschränkungen für die ,,stillen Zeiten auS religiösen und während der Landestrauer auS politischen Gründen. Die bindende, zwingende Autorität des Staates offenbart sich in dieser sogenannten Theaterpolizei. Im Altertum aber war außerdem die Pflege des Theaters selbst, also die Veranstaltung von Aufführungen, Staatsangelegenheit. Ver traten doch im alten Athen und Nom die Theater — riesige, unbedeckte, zirkusartige, amphitheatralisch ansteigende Anlagen — teilweise zugleich die Stellung, die heute einerseits die Kirche, anderseits die Presse ein nimmt. Im klassischen Athen verbot sogar ein Staatsgesetz bei Todes strafe, den Fonds, der zur Bestreitung des freien Theaterbesuches für das Volk diente, jemals anzugreifen. Im Mittelalter war dagegen von einer Pflege der Dramatik kaum die Rede. Oeffentlichc Darstellungen sanden höchstens bei kirchlichen Festen statt: sie entnahmen ihren Stoff den kirchlichen Ueberlieferungen einschließlich der Legenden und dienten lediglich den Zwecken der Kirche. Allmählich erst wurden neben den kirchlichen auch Stücke profanen In haltes zur Aufführung gebracht. Das Schauspiel entwickelte sich so zu einer ost recht derben Volksbelustigung. Eine sorgsamere und verständnisvollere Pflege fand das Drama an den Fürstenhöfen. Hier erst entstanden bleibende Stätten für die Aufführung dramatischer und musikalisch-dramatischer Werke. Neben den Hoftheatern und nach ihrem Muster entstanden dann unsere Stadt- und Privattheater, und diese bilden heute bei weitem die Mehrzahl. Ökonomisch nur wenig oder gar nicht unter stützt, sind sie aus den Ertrag der verkauften Theaterbilletts ange wiesen und daher stark vom Publikum abhängig. Insofern also erscheinen die heutigen Theater nicht als Anstalten des Staates, sondern des Publikums; von seinem Geschmacke, von seiner Schaulust hängen sie ab. Die Idee eines Staatstheaters, in Athen einst so vorzüglich realisiert, ist uns also fast ganz verloren ge gangen. Allerdings hätte auch ein Staatstheater gewisse Gefahren. Tenn wie unsere schöne Literatur und Kunst aus dem individuellen Leben entspringt und besonders der freien Gesellschaft zugewandt ist, und wie dort jede staatliche Organisation und Herrschaft gefährlich ist, so gilt dies auch vom Theater. Das Theater zur Staatssache machen, würde allerdings bedeuten: auch die schöne Literatur und Kunst als Staatsangelegenheit zu de- bandeln. Das Theater hat freilich eine eminent nationale Bedeutung. Ge rade die berühmtesten Werke der dramatischen Dichtkunst aber sind all- gemein menschlich verständlich und deshalb nicht auf eine Nationalität beschränkt. Ein Shakespeare hat nicht bloß für die englische Nation geschrieben. Tie Dichter lassen sich eben kraft ihres starken Naturells nicht vom Staate vorschreiben, was und wie sie dichten sollen. Aus alledem läßt sich zwar rechtfertigen, daß der Staat die Theater zunächst der freien Tätigkeit und sogar der Privatspekulation überläßt und daß er das Theater nicht als Monopol behandeln darf. Keines wegs aber resultiert daraus, daß der Staat dem Theater gegenüber keine Ausgaben hätte. Vielmehr hat der Staat ein Interesse und sogar die ethische Pflicht, erstens gute Theater ziz unterstützen und zweitens auch eine gewisse Kontrolle über die öffentlichen Bühnen zu üben. Die im gangen also unvermeidliche ökonomische Abhängigkeit der Theater vom Publikum hat jedoch ihre großen künstlerischen und sitt- lichen Gefahren. Seiner Idee nach soll das Theater der lebendige und insofern höchste Ausdruck des >n der Nation enthaltenen dramatischen Gefühls fein. Die ausgezeichnetsten Werke des Genies soll es dem Bewußtsein des Volkes unmittelbar darstellen «nt mitteilen. Wie die Werke deS Genies aber selber hoch über dem Niveau deS Gewöhnlichen stehen, io müssen auch die Schauspieler das Publikum gleichsam über seine Alltäglichkeit emporheben. Sie müssen dem Pu- blikmn zwar verständlich, aber sie dürfen nicht auf der niederen Kultur stufe der Unbildung stehen bleiben. Am wenigsten dürfen sie auf den rohen Geschmack der Menge spekulieren und durch ihre Ueber- treibungen den plumpen Beifall der Massen erstreben. Dabei ist offenbar die Ehre und das gesamte Geistesleben einer Nation beteiligt. Darauf gründen sich auch das Recht und die Pflicht des Staates, mit seinen großen Mitteln zu helfen, daß wirkliche Meisterwerke auch in würdiger Form dargestellt werden. Wenn er daher durch feine ökonomische Unterstützung wenigstens die Hoftheater — denen dadurch zugleich die Pflicht auterlegt wird, den übrigen Bühnen als Vorbild zu dienen — in die Lage setzt, daß sie weniger in Versuchung geraten, um die Gunst der Menge mit unedlen Mitteln zu buhlen, so erfüllt der Staat damit nur seine Kulturpflicht. Neben der künstlerischen aber hat das Theater auch die große sitt liche Aufgabe, als Anstalt der nationalen Erziehung zu wirken, und die gemeinnützige Bestimmung, für würdige Genüsse und Unterhaltung zu sorgen und damit die allgemeine Lebensfreude zu erhöhen. Auch von dieiem Gesichtspunkte aus rechtfertigt es sich, wenn der Staat Beiträge leistet, damit diese Ausgaben würdiger erfüllt werden können. Allerdings kommt auch viel auf den sittlichen Ernst, der ,n Literatur und Kunst sich aussvricht, auf die Empfänglichkeit der Nation für das Edle und Gute, auf die Heiterkeit ihrer Lebensauffassung und auf die Mäßigkeit an, zu der sie erzogen ist. Seiner Ehrenpflicht, die dramatische Kunst zu fördern, kann der Staat in materieller, wie in immaterieller Weise ge- trügen. In Deutschland haben wir gegenwärtig — von den freien Städten und einigen Subventionen des Reiches in Elsaß-Lothringen abge sehen — kein Theater, das unmittelbar aus Reichs- oder Staats- Mitteln dotiert würde. In den meisten Verfassungen ist vielmehr dem Monarchen die Pflicht auferlegt, aus seiner Zivilliste die Unkosten der Hosbühne zu bestreiten. Der Monarch wird hiernach ohne Zustimmung der Landslände nicht das Recht haben, ein Hoftheater eingehen zu lassen. Nicht aber wird daraus die Pflicht hcrvorgehen, Zuschüsse in bestimmter Höhe zu leisten. Tie Frage ist übrigens keineswegs unpraktisch, insbesondere für Hannover, Wiesbaden und Kassel als die Hauptstädte annektierter Länder, in zweiter Linie auch für Koburg als die zweite Residenz des Herzogtums. Der Munifizeuz der Fürsten ist also die Höhe der Zuschüsse ganz anheimgestellt. Relativ am besten haben Wohl dieser Ehrenpflicht die verschiedenen Zweige der Wettiner und die Wittelsbacher genügt. An die früheren Leistungen der Meininger unter der tatkräftigen Mit arbeit ihres mit einer Bühnenkünstlerin vermählten Herzogs, aber auch der Weimaraner, die das Glück hatten, einen Goethe zum Theater leiter zu haben, braucht kaum erst erinnert zu werden. Die Dresdner Hofbühnen aber, die in den letzten Jahren in der Oper wie im Schau spiel auch die moderne Kunst in vornehmer Weise pflegten, erhalten in Deutschland fast den höchsten Zuschuß. Die in Deutschland von den Monarchien gewährten jährlichen Dotationen schwanken zwischen etwa 30 000 und 800 000 F. Die Hostheaterg e b ä u d e dagegen werden in der Regel gemäß der Verfassung direkt aus der Staatskasse, nicht aus den Mitteln der Zivilliste erbaut und im Stande gehalten. Sonst haben in Deutschland die Kommunen durch die Sud- ventionen, die sie ihren städtischen Bühnen gewähren, ihren Kunstsinn recht gut bewährt; besonders diejenigen, die ihre Theater auf eigene Rechnung durch einen Intendanten führen lassen. Bewährt hat sich auch dix Pachtklausel, wonach der Bühnenleiter eine Anzahl Kunstwerke vornehmerer Richtung zu volkstümlichen Preisen geben muß. In Frankreich und England dagegen wirb man außerhalb Paris und London vergebens nach guten Bühnen suchen. Daneben aber hat der Staat, sofern an seiner Regierung kunst- verständige Männer beteiligt sind, den großen Vorzug, daß er fast ohne jede Geldausgabe die Kunst in ihren bewährtesten Vertretern durch immaterielle Gunstbezruaungen ehren kann. Hier kommt ziemlich ernsthaft in Betracht die Verleihung von Titeln und Orden. Sind ja die deutschen Souveräne in der glücklichen Lage, ihre Beamten und Offiziere nicht nur mit Geld, sondern auch mit Ehren bezahlen zu können. Nur die außerordentliche Wert- schätzung, die man in Deutschland dem Staatsdienste zuteil werden läßt, ermöglicht es, daß selbst die verantwortunasreichsten und aufreibendsten Staatsämter svon Ungeschicklichkeiten in der Verteilung abgesehen) jo ost nur recht gering dotiert sind. Aehnliches gilt auch in der Kunst. Gerade für die Künstler (deren schwache Seite übermäßige Bescheidenheit ja nicht immer ist) haben Auszeichnungen Wert. Mag auch mancher noch so spöttisch versichern, wie wenig Wert er auf Auszeichnungen lege — die nämlich sein Rivale besitzt. Voraussetzung ist dabei allerdings, wenn die Auszeichnungen nicht völlig wertlos werden sollen, daß man nur die Vertreter einer edleren Kunstrichtung ehrt. Wenn z. B. einem Possentheaterdirektor nach einer Aufführung von „Charleys Tante", einem Zirkusschmarren ohne die geringste literarische Bedeutung, die Verdienstmedaille für „Kunst und Wissenschaft" verliehen wurde, w war wahrscheinlich eine Auszeichnung wegen Verdiensten um die „Wissenschaft" geplant, denn ein Verdienst um die „Kunst" war es wahrhaftig nicht, einen derartigen Unsinn dreihundert Abende hintereinander spielen zu lassen. Wenn dagegen die reife Kunst eines Mar Klinger, eines Max Reger, eines Artur Nikisch durch die Verleihung des Prosessortitels die offizielle staatliche Anerkennung fand, so wird dies feder Berufs genosse neidlos und mit ehrlicher Freude begrüßen. Nur gewinnen kann der akademische Titel, wenn ihn auserlesene Künstler in der Vollkraft ihres Schaffens tragen, auch ohne vom Katheder herab Weisheit zu dozieren. Recht günstig wurde es auch ausgenommen, daß man neuerdings in München und Dresden einzelnen alleren hervorragenden Hosschau- spielern den Titel eines „Professors der Schauspielkunst" verlieh. In München ernannte man auch Darsteller zu Hofschauspielern, die nicht Mitglieder der Hofbühne waren. Als wesentliche Förderung der dramatischen Dichtung — ein im materieller und materieller Lohn zugleich — könnte auch die Institution des „Schillerpreises" sBerlin-Weimarj, bes „Grillparzerpreises" (Wien) und des „Bauernseldpreises" jWien) einwirken. Leider haben nun die Statuten des ersteren, der allein für Deutsch land wesentlich in Frage kommt, einen erheblichen Mangel. Tenn die Entscheidung bes aus deutschen Dichtern und Gelehrten bestehenden Preisrichterkollegiums muß von dem König von Preußen bestätigt werden. Diese Preisrichterentscheidungen über die Verleihung des Schillerpreises aber sind von allerhöchster Seite fast regelmäßig nicht bestätigt worden, so daß insbesondere Paul Hevse sein PreisrichterauU mit einer durchaus gutzuheißenoen, ziemlich deutlichen Motivierung niederlegte. Diese königliche Genehmigung sbie etwa dem juristisch jo viel angegriffenen Bestätigungsrechte des Gericht-Sherren gegenüber den Urteilen der Kriegsgerichte ,n Parallele zu stellen ist) ist entschieden ungeeignet und sollte freiwillig fallen gelassen werden. Einem Kolleg von deutschen Dichtern sderen Ernennung zu Preisrichtern im Be lieben der Regierung steht) wird wohl das Vertrauen gefchenkt werden müssen, daß sie fähig sind, über einen anderen Dichter zu urteilen. So dankenswert ferner die Hoftheatersubventionen der Monarchen sind, so ist doch zu bedauern, daß fic weitaus zum größten Teile nur der kostspieligen Oper zugute kommen. Tenn der Schauspiel- und Opernetnt ist auch bei den größten Hofbiibnen nicht genügend getrennt Auch sollten sich die staatlich unterstützten Theater, also die Hof- bühnen, ihrer Ehrenpflicht etwas mehr bewußt bleiben, ihren Spiel- plan mehr nach künstlerischen Prinzipien, nicht nacb Lannen und Mode zu gestalten. Leider aber wird auch hier viel gesündigt. Um so höher ist eS anzuerkennen, wie große Verdienste sich einige Privatbühnen, die also keinen Pfennig Subvention erhalten, um die moderne Literatur erworben haben. Sehr dankenswert sind endlich die vereinzelt eingefübrten Steuer- Vergünstigungen für die Bühnen mit höherem künstlerischen Interesse. Eine vollständige, gesetzlich zu fixierende staatliche und kommunale Steuerfreiheit würde eine ziemlich wertvolle Förderung der Kunst ohne eine direkte Ausgabe bedeuten und ist deshalb dringend an- zuemvschlen. Geradezu als künstlerische Roheit aber muß die glücklicherweise vereinzelt gebliebene, aber auch in Berlin versuchte Einführung einer kommunalen B i l l e t tst e u e r bezeichnet werden. Trotz aller Mängel aber ergibt sich doch, daß Deutschland vor an deren Ländern den außerordentlichen Vorzug hat, eine ganz bedeutende Anzahl guter Theater selbst in Mittelstädten zu besitzen — dank der Munifizenz seiner Souveräne und Kommunen. Or. Lurt Hsiurmuiua.
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