Oberkantor der neu erbauten Synagoge ernannt wurde und mehr als 50 Jahre in dieser Position wirkte. Als Schüler von Ignaz von Seyfried war er mit der aktuellen Musikent wicklung eng vertraut und veröffentlichte 1839 unter dem Titel „Schir Zion" (Das Lied von Zion) eine erste Sammlung mit mehrstimmigen Synagogalgesängen. Im Laufe seiner langen Amtszeit in Wien ging Sulzer auch einer umfangreichen Lehrtätigkeit nach und wirkte somit stilprägend für die Neuausrichtung der jüdischen liturgischen Musik. So folgte auch Louis Lewandowski dem Vorbild Sulzers: Als Chorleiter der jüdischen Ge meinde Berlin setzte er sich nachdrücklich für eine Verknüpfung von jüdischer Tradition und zeitgemäßem Musikstil ein. Beeinflusst vom Stil Felix Mendelssohn Bartholdys schuf Lewandowski zahlreiche Psalmvertonungen in hebräischer und deutscher Sprache für Chor, Solisten und Orgel, die sich über Berlin hinaus einer großen Popularität erfreuten. Etwa zeitgleich ging Samuel Naumbourg in Paris ganz ähnlichen Bestrebungen nach und komponierte für die dortige jüdische Gemeinde mehrstimmige liturgische Werke. Naum bourg wirkte gleichzeitig auch als Professor für liturgischen Gesang am Seminaire isra- lite in Paris. Ein direkter Schüler von Salomon Sulzer war Eduard Birnbaum. Nach seiner Ausbildung in Wien und einigen weiteren Stationen übernahm er 1879 die Stelle des Hauptkantors der jüdischen Gemeinde in Königsberg und machte sich auch dort für neue liturgische Musikformen stark. Für eine weitere Modernisierung der Synagogalmusik setz te sich in den 1920er Jahren Heinrich Schalit in München ein. Er sah die romantisierenden Gesänge von Sulzer und Lewandowski als überholt an und plädierte für einen modernen Stil auf Basis der jüdischen Tradition. Das praktische Resultat dieser Überlegungen war Schalits 1932 veröffentlichter Band „Freitagabend-Liturgie" für Kantor, Chor und Orgel. Aber auch von christlicher Seite ist bis heute immer wieder das Bestreben nach zeitge mäßen Psalmvertonungen zu spüren. Im Jahre 1955 vertonte der Leipziger Komponist Wilhelm Weismann den Psalm 121 „Ich hebe meine Augen auf" und 1993 entstand die Komposition „Jubilate Deo" des dänischen Komponisten und Chorleiters John Hybye. Bernhard Schrammek