50 Jahre Leipziger Synagogalchor - 40 Jahre unter Leitung von Kammer sänger Helmut Klotz Nun mögen 50 Jahre im Hinblick auf die Rasanz unseres hektischen Alltags keine besonders überdimensionale Zeitspanne mehr sein - auch gibt es weitaus ältere namhafte Chor- und Musikensembles in Leipzig und anderswo... In Bezugjedoch auf das anstehende Doppeljubiläum beim Leipziger Synagogalchor erscheint dieser Zeitraum mehr als imposant - wenn sich der Blick dabei vor allem auf den Zusammenhang von Geschichte, gesell schaftlichem Umfeld und Arbeitsinhalte des Ensembles richtet. Viel Gegensätz liches, auf den ersten Blick Unvereinbares, prallt da aufeinander. Ein jüdischer Kantor gründet 1962 in Leipzig einen Chor mit ausschließlich nichtjüdischen Mitgliedern, um sich der liturgischen Musik seines Volkes zu wid men und zugleich als Künstler eine wichtige kulturpolitische Botschaft zu entsenden. Eine Botschaft, die weitergetragen wurde über sein persönliches Schaffen hinaus, weitergetragen von Nichtjuden, durch zwei unterschiedliche Gesellschaftssysteme auf sehr unterschiedliche Weise instrumenta lisiert und dennoch bis in die unmittelbare Gegenwart voller Symbolkraft und Aus strahlung. Anfangs war es mehr eine Interessenge meinschaft von Individualisten als ein festes Ensemble, die sich um Oberkantor Werner Sander versammelte. Gemeinsam wollte man die Musik jüdischer Kantoren älterer und neuerer Zeit einstudieren und einer breiten Öffent lichkeit präsentieren. Schließlich wurde daraus ein freier Konzertchor, der keine direkte Anbindung an den Kultus einer jüdischen Gemeinde hatte. Dahinter stand Sanders persönliches Grundanliegen, nach der Zeit des Nationalsozialismus zu einem wieder besseren Verständnis zwischen Juden und Nichtjuden beizutragen. Die Schönheit und Harmonie der liturgischen Musik des Judentums in ihrer spezifischen Vortragsweise - aber auch die Hinter gründigkeit, der Charme und der Hauch von Melancholie seiner Folklore - sollten das Interesse einer breiten Öffentlichkeit wecken. Zeit seines Lebens und Wirkens als Chor leiter verhinderte Oberkantor Sander eine Vereinnahmung seines Ensembles durch jüdische Institutionen - was jedoch nicht ausschloss, dass der Leipziger Synagogal chor zu bedeutenden offiziellen Anlässen der jüdischen Gemeinschaft künstlerisch einbezogen war. Erst nach Werner Sanders Tod 1972 setzte der Verband der Jüdischen Gemeinden in der DDR sein Interesse an dem bereits international beachteten Ensemble durch und fungierte fortan als offizielle Trägereinrichtung des Leipziger Synagogalchores. Das künstlerische Fortbestehen des Chores sicherte der Leipziger Opernsänger Hel mut Klotz. Dem Ensemble bereits seit Jahren als Solist vertraut, hatte die Verbandsleitung ihn gebeten, Sanders Nachfolge als Chorleiter anzutreten.