Anthologien osmanischer Musik. In einer kleinen Sammlung von Psalmen übernahm Bobowski/ Ali Ufki die originalen Melodien des Genfer Psal ters, klassifizierte diese jedoch nach dem mod alen türkischen Makam-System und übertrug die Texte in die osmanische Sprache. Wegen der Besonderheiten französischer Metrik stehen viele Melodien des Genfer Psalters in asymme trischen Metren und nähern sich damit einem wichtigen Idiom nahöstlicher Musik. Neben ihrer rhythmischen Intensität eignet sich auch der deutlich modale Charakter der Melodien gut für eine Transformation in türkische Tongattungen alleine durch feine Schattierungen in der Intona tion. Ali Ufkis Psalmbearbeitungen beschränken sich auf das Wesentliche: kein musikalischer Zierrat, keine kunstvollen Affekte stören die Kraft des Wortes. Die Besinnung auf das Buch der Bücher verschmilzt in einer kunstvoll-ein fachen, ganz selbstverständlich wirkenden Weise die zuvor gegensätzlich scheinenden Welten von Islam und Protestantismus. Im 17. Jahr hundert betonte der vor allem durch Jan Amos Comenius (1592-1670) propagierte „Calvinotur- cismus" die Gemeinsamkeiten von Islam und Protestantismus, vor allem um eine gemein same Front gegen das katholische Habsburg zu bilden. Ali Ufki begann seine „musikalische Übersetzung" des Genfer Psalter wahrschein lich im Auftrag eines calvinistischen englischen Gesandten, der damit vielleicht gemeinsamen musikalischen Boden für geheime Treffen von Muslimen und Calvinisten schaffen wollte. In unserer Aufführung verschränken wir die Ver tonungen aus drei Religionen ineinander, um die wohl ursprünglich intendierte Wirkung der Psalmen Davids wieder aufleben zu lassen: Ge heiligte Brücken; zwischen Völkern, Religionen, zwischen Menschen. Vladimir Ivanoff