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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.08.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-08-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080828013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908082801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908082801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-08
- Tag 1908-08-28
-
Monat
1908-08
-
Jahr
1908
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Io olle» übrigen Staaten nur direkt durch di» trved.». Bl. erhältlich. Adonnemenr-Annadm-1 ttugustutplatz rr, bei unteren lrägern. Filialen, Svediteurru und Annadmestellen, iowie P-stämierv und Brtetträgern. Di» einzeln« Nummer kokel tv Ulfch. llkedaktto» an» Oppedtlt»» Iohanntlgasse 8. Delevbon Nr. I46S2. Nr. 14603, Nr. 146S4. Morgen-Ausgabe v. KWWrTagMaü HandelszeUuug. Amtsblatt des Mates und des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. Snzeigen« Preis für Inserat» au» Leipzig und Umgebung di« «gespalten» Petitzeile 25 Ps., finanzielle Anzeigen 30 PI., Reklamen 1 M. , »an auiwürt» 30 Ps., Reklamen 1.20 M.; bomAutlaiidSOM., stnanz. Anzeigen 75P!.. Reklamen 1.50 M Inserat» v. Behbrden i> amtlichen Del! «0 Pi. Beilagegebübr 5 M. p. Dausend exki. Post gebühr. S>elchäst«anzeigen an bevorzugter Stelle im Prelle erhShk. Rabatt noch Dari Festerteilt» Aufträge kännen nichi zurüit- gezogen werden. Für da» Erscheinen an bestimmten Lagen und Plähen >vird kein« Saranti« übernommen. 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Venezuela und dev Argwohn der Vereinigten Staaten. Venezuela ist die schlimmste der südamcrikanischen Republiken. Es wird nur noch von der Negcrrcpublik Haiti übertroffen. Präsident Castro erlaubt sich, den mächtigsten fremden Staaten auf den Fuß zu treten, selbst der Großmacht im Norden des Weltteils. Das wagt nicht einmal Haiti. Aber dieses ist ein Jnsclland, dessen Entwicklung an der Küste liegt. Es ist an den Häfen leicht zu packen, so daß es vor fremden Kriegsschiffen einen gewissen Respekt hat. Venezuela dagegen ist ein Binnenland; in seinen Häfen sind große Interessen und an sehnliches Eigentum der Fremden vorhanden, so daß nicht leicht Granaten der Kriegsschiffe hercinfliegen werden. Eine Blockade kann lästig werden — was macht's? Das Land kann sich lange ohne fremden Handel be helfen. Trotz seiner fruchtbaren Ebenen hat es nur 2F Einwohner auf das Quadratkilometer, es ist also mit Haiti in dieser Beziehung gar nicht zu vergleichen, das zwanzigmal so viel hat und weitaus die dichtest bevölkerte unter den amerikanischen Republiken ist. Präsident Castro hat renommiert: mit den Truppen, die durch fremde Mächte allenfalls gelandet werden könnten, würde er mit seinen Reitern leicht fertig. Kanonenboote den Orinoko hinauf könne man nicht schicken, da der Strom leicht durch Minen gespert werden könne. Was man ihm denn wolle? Er hat es gewagt, vier europäischen Großmächten zu trotzen, von denen drei gleichzeitig auftratcn: Deutschland, England, Italien. Her nach hat er einen Strauß mit Frankreich nicht gescheut. Er ist ohne eigentliche Bildung, ein kreolischer Viehbesitzer, der auf dem in Süd amerika gewöhnlichen Wege des Aufruhrs Präsident geworden ist und der trotz seiner üblen Regierungsweise dem Herzen seines Volkes ent spricht, wahrscheinlich, weil man ihm die Unverschämtheit gegen die Fremden zum Verdienst anrechnet. Einen besonderen Trumpf glaubt er, mit Recht, an der in ganz Amerika herrschenden Verehrung für die Monroe-Doktrin in der Hand zu haben, die ihm die Hilfe der Vereinigten Staaten sichert. Deutsch land hat das erlebt, als es vor einigen Jahren wegen offenbarer Rechtsvcrwcigerung zur Selbsthilfe schreiten wollte. Obwohl es ge meinsam mit England, Italien und Holland auftrat, wodurch schon im voraus jeder Verdacht einer Eroberungspolitik hätte ausgeschlossen sein sollen, war doch ein großer Teil der öffentlichen Meinung der Ver einigten Staaten ganz rabiat. Tie Leute, denen die Hetze gegen Deutsch land in den Kram paßte, fanden leichtgläubige Zuhörer in beiden großen Parteien. Ohne die Besonnenheit des Präsidenten Roosevelt hätte es leicht Verwicklungen geben können. Die Angelegenheit wurde dann schließlich glatt erledigt, aber erst nach mehrmonatiger Blockade der Haupthäsen. Es ist ganz sicher, daß das Blut der Iankees noch viel heftiger aufwallen würde, wenn ein europäischer Staat in Baguayra oder Puerto Cabello Truppen landen sollte. Das weiß Präsident Castro nur zu Wohl, mag er auch sonst von den Weltvcrhältnissen wenig Ahnung haben. Selbst jetzt macht sich in Nordamerika Argwohn geltend, obwohl cs nur das kleine Holland ist, das mit Venezuela in Konflikt geraten ist und das doch niemals daran denken kann, ein Land von beinahe der doppelten Größe Deutschlands zu bewältigen; auch die geringe Ein- wohnerzahl Venezuelas, die nur die Hälfte derjenigen Hollands be trägt, schasst doch den Holländern nicht eine solche Möglichkeit. Trotz dem betrachten die Nordamerikaner die holländische Selbsthilfe mit Mißtrauen. Um dem im voraus zu begegnen, hat der holländische Ge sandte in Washington die dortige Regierung von allem in Kenntnis gesetzt, und ebenso hat man den amerikanischen Botschafter im Haag zu allem zugezogen. Der Amerikaner erwartet gleichsam um Erlaubnis gefragt zu werden bei allem, was die Schwesterrepubliken betrifft. Freilich, dem jetzigen Regiment in Venezuela gönnt man von Herzen gern alles Böse. Hat sich doch der unverschämte Cipriano Castro herausgenommen, selbst der amerikanischen Macht, von der er Schutz gegen europäische Repressalien erwartet, wohlgezielte Tritte auf die Hühneraugen zu applizieren. Wenn nordamerikanische Großkapitalisten Unternehmungen in den kleinen Republiken machen, so wünschen sie darin nicht gestört zu werden. Sie sind wohl bereit, den dort regieren den Staatsmännern einen gehörigen Batzen als Trinkgeld zuzuwerfcn, aber damit muß es auch aus sein. Typisch ist dafür der Fall der United States and Venezuelan Company. Diese wollte Eisenbahnen bauen, hatte auch die Konzessionen dafür und behauptet, man habe ihr zugesichert, sie brauche nur dem Namen nach Zölle und Steuern zu be zahlen. Wer kann nun wohl rechtsverbindlich eine Zusicherung dieser Art geben! Trotzdem behauptet die Gesellschaft, sich darauf verlassen zu haben und richtet dann eine zornige Beschwerde an die Regierung in Washington, daß man sie doch zur Steuerpflicht heranziehe. Ein ame rikanischer Journalist ist ausgewiescn, wozu bekanntlich jede souveräne Regierung das Recht hat. Er bestürmt das Auswärtige Amt in Washington, ihm einen Schadensersatz von 25 000 Dollars zu erwirken. Ernster liegt es mit der Orinoco-Steamship Company. Diese nord amerikanische Unternehmung hatte von Castro das alleinige Recht der Dampfschissahrt auf dem mächtigen Strom erworben. Der Diktator verlieh cs dann doch noch einmal an andere. Hierüber har aus Ver einbarung ein Schiedsgericht getagt, das den Amerikanern eine Ent schädigung von 28 000 Dollars zusprach. Washington wies den Spruch zurück, den Venezuela anerkennen wollte. Jetzt hat sich dieses auch da von losgesagt. Mit seinen eigenen Gerichten, deren Besetzung aller dings aller Rechtspflege Hohn sprechen soll, hat Castro den in Venezuela tätigen nordamcrikanischcn Asphalttrust zu 5 Millionen Dollars Strafe verurteilt wegen Unterstützung des Aufruhrs des Generals Utatos- Kaum jemand zweifelt daran, daß der Trust wirklich das Verbrechen begangen har, auch genießt dieser allgemeine Abneigung. Trotzdem ist alle Welt empört, daß sich eine kleine Macht gegen den großen Bruder Jonathan, von dem sic Schutz erwartet, so etwas erlaubt. Man würde längst cingegcisfcn haben, wenn nicht Unternehmungen mit bewaffneter Hand stets einen Schrei der Entrüstung wachriefen. Die Negierung hat noch eine andere Rücksicht. Sic betreibt neuerdings mit Eifer wieder Panamerikanismus. Sic sucht ein engeres Band um olle amerikanischen Staaten zu schlingen, um dadurch zu zollpolitischen Begünstigungen für nordamcrikanische Waren zu gelangen. Das ist nicht leicht und wird natürlich erschwert, wenn die große Republik sich dem Argwohn aussctzt, die kleinen vergewaltigen zu wollen. Tas ist den leitenden Kreisen schließlich wichtiger als die Verfechtung der teil weise denn doch recht fragwürdigen Ansprüche ihrer Landsleute gegen Venezuela. Deshalb markiert die nordamerikanische Regierung selbst einer so kleinen Macht gegenüber wie Holland die größte Wachsamkeit gegen etwaige Verletzungen der Monroe-Doktrin, an die Holland natürlich gar nicht denkt. Und schon kann man erkennen, wie sehr die anfäng liche Unternehmungslust der Niederlande gegen den Nachbar ihrer kleinen Kolonie Europas erlahmt ist. Es scheint, daß Kulturstaaten sich von einem Castro alles gefallen lassen müssen, bis seine eigene Nation sich gegen ihn auflehnt oder Aufrührer an ihm dasselbe Schick sal vollziehen, das er seinem Vorgänger bereitet hat. Lin Vertranensvstuiii. Tie österreichisch-ungarischc Regierung hat beschlossen, die Offiziere, die zur mazedonischen Rcformgendarmeric kommandiert wAren, zu be urlauben. Diese Gendarmerie hatte bekanntlich den Zweck, die Sicher heit in Mazedonien hcrzustellen, und wenn nun eine Macht ihre Offiziere beurlaubt, so kann dieser Schritt nur bedeuten, daß diese Macht ein Ver trauensvotum für die neue Regierung aussprechen will. Oesterreich- Ungarn legt durch diese Abberufung die Hoffnung an den Tag, daß es dem neuen Regime gelingen werde, in Mazedonien Ruhe und Ordnung herzustellen. Diese Tatsache ist um so bedeutungsvoller, als Oesterreich- Ungarn derjenige Staat war, von dem die ganze Reformaktion in erster Linie ausging. Neben ihm stand allerdings Rußland, indessen das Zarenreich war durch den ostasiatischen Krieg und die inneren Wirren zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als daß cs einen starken Einfluß hätte ausüben können. Oesterreich nahm in der Reformpolitik die führende Stellung ein, und das war insofern natürlich, als es geographisch das nächstintcressicrte Land ist. Außerdem beherrscht Oesterreich in Bosnien und der Herzegowina Länder, die von jeder Bewegung berührt werden, die in der Türkei nur fühlbar wird. Oesterreich hatte das Reformwerk cingeleitet und hatte damit der Besorgnis Ausdruck gegeben, die es hin sichtlich der Zukunft des türkischen Reiches empfand. Wenn es jetzt seine Offiziere beurlaubt, so heißt dies, daß diese Besorgnis gemildert ist. Sie ist gemildert, aber noch nicht völlig gewichen, denn die Offiziere sind zwar beurlaubt, aber nicht abbcrufen, und Oesterreich behält sich, ganz wie Rußland und England, vor, wieder einzuareifen, wenn die Hoff nungen, die es jetzt hegt, durch den Gang der Dinge enttäuscht werden sollten. Immerhin ist das Vertrauensvotum, das in der Beurlaubung der Offiziere liegt, für die Jungtürkcn wichtig, denn es wird die Haltung der anderen Mächte vermutlich nicht -unerheblich beeinflussen. Der Schritt des Frciherrn von Achrcnthal zeigt wieder, daß dieser Diplomat die Gelegenheiten, die sich bieten, klug und energisch zu ergreifen weiß. Oesterreich hat sich durch sein Entgegenkommen in der Türkei sicher einen Stein im Brett erworben, und das ist ffir seinen Handel und seine Industrie außerordentlich wichtig. Zugleich ist das Wiener Kabinett durch diesen Schritt erfolgreich den Versuchen entgegcngctreten, die Jungtürken gegen Oesterreich mißtrauisch zu machen. Hoffentlich er weist sich die neue Regierung des Vertrauens würdig, das der mächtige Nachbarstaat ihr bewiesen hat. Zwischen den Verhältnissen in der Türkei und in Marokko besteht eine gewisse Aehnlichkeit. Beide Länder sahen sich durch fremde Ein mischung in dem bedroht, was man heute gern die „heiligsten Güter" eines Volkes nennt. In beiden Ländern entstanden nationale Bewegun gen, die das ganze Volk aus seiner Lethargie aufrüttclten. In Marokko konzentrierte sich die Bewegung in der Persönlichkeit des Prätendenten, aber ihr nationaler Charakter läßt sich ebensowenig verkennen, wie in der Türkei, wo ein Komitee die Leitung der Geschäfte übernommen hat. Im Grunde genommen liegt die Situation in Marokko weit einfacher als in der Türkei, denn hier ist eine ganze Anzahl verschiedener Natio nalitäten vorhanden, deren Forderungen befriedigt werden sollen, wäh rend die marokkanische Bevölkerung einmütig zu Muley Hafid hält. In der Türkei handelt es sich darum, den konstitutionellen Neubau aus- zuführen, der gerade in diesem Lande, daS eigentlich auf den Absolutis mus gestellt ist, ungeheure Schwierigkeiten bietet. In Marokko kann der Sultan in seinem mehr oder weniger aufgeklärten Despotismus Herr- schen, ohne mit seinen Untertanen anders rechnen zu müssen, als mit einem Objekt seines Willens, und er bedarf nur insofern diplomatischer Kunst, als er darauf bedacht sein muß, die Fremden möglichst bald aus dem Lande hinausznkomplimenticren. Man sicht also nicht recht ein, warum Frankreich, diejenige Macht, die an Marokko am meisten inter essiert ist, nicht Oesterreichs Beispiel folgen sollte. Wir sind überzeugt davon, daß die Ruhe sich ganz von selbst wiedcrberstellen wird, sobald die französischen Truppen die einzelnen festen Plätze, die sie genommen haben, zu räumen beginnen. Seit Monaten wird der Rückzug ver- veriprochcn und der Vormarsch unbeirrt fortgesetzt. Jetzt steht Frank reich an einem Scheidewege und die letzte Gelegenheit ist ihm gegeben, sich mit Anstans ans der Affäre zu ziehen. Vielleicht übt Oesterreichs Beispiel eine ermutigende Wirkung aus 49. Allgemeiner? Deutscher? Genossenschaftrtaa. (Fortsetzung.) (Telegraphischer Bericht.) Frankfurt a. M., 26. August. In der zweiten Hauptversammlung am heutigen Nachmittag beschäftigte sich der Genossenschaftstag unter dem Vorsitz des Landrats Berthold (Blumenthal-Hannover) mit den Angelegenheiten der Baugenossenschaften. Landtagsabgeordnctcr Landesrat Dr. Schröder (Kassel) sprach über die Kreditbeschaffung der Baugenossenschaften. Der Referent zieht den Kleinwohnungsbau in den Bereich seiner Betrachtungen und hält es für ratsam, daß die Baugenossenschaften sich zunächst die erste Hypothek sichern, ehe sie an die Beschaffung von Baukredit denken. Jedenfalls aber solle man sich hüten, sich diesen Kredit von Bauunternehmern zu beschaffen, da dann das Geld zu teuer würde. Sich von den Sparkassen Geld zu besorgen, sei nicht ratsam, da die Sparkassen nur mündelsicherc Gelder hergcben dürfen. EL handele sich bei ihnen also um eine prozen tuale geringe Beleihung, die unzulänglich sei. Es bleibe also den Kassen, sollten sie den vollen Anforderungen genügen, nur die Selbstbeschaffung übrig, wodurch sie ja zu Hypothckvermittlern herabsinken. Die Hypo- thenbanken hätten ja auch versagt, namentlich für den Bau von Arbeiter- Wohnungen. Sie seien auch unsicher, da sie die Hypotheken nur kurz- fristig hergcben könnten. Auch die Lebensversicherungen als Hypothekcn- bclciher seien zu teuer, da meist Versicherungen abzuschließen wären, die im Falle des Todes des Ausstellers die Erben in eine prekäre Lage bringen. Als weiterer Geldgeber käme der Staat in Betracht, der sür Arbeiterwohnungen bis zum Ende des Jahres 1907 etwa 280 000 Mark hergcgeben habe. Neuerdings sei aber sowohl das Reich wie Preußen dazu übcrgcgangcn, nur zweite Hypotheken herzugeben. Es seien also, wenn man die Bonifikationen in Betracht zieht, Beleihungen bis zu 80 oder 85 Prozent nötig gewesen. Die Landesversicherungsanstaltcn hätten bis jetzt 196 Millionen Mark im Arbeiterwohnungsbau investiert, aber es sei sehr fraglich, ob für die Zukunft auf diese Anstalten zu rechnen sei, denn die Tatsache könne nicht abgeleugnet werden, daß Staat und Reich nicht mehr in der Lage seien, den Ansprüchen der großen Städte nachzukommen. Die steigende Invalidenrente mache ein stärkeres Hergcben von Geld für den Arbeiterwohnungsbau unmöglich. Durch diese Sachlage trete an die Baugenossenschaften die Notwendigkeit heran, sich nach anderen Quellen umzuschauen. Es existieren bis jetzt 180 Bau genossenschaften mit 129 000 Genossen. Es müßten also da, wo Staat und Reich und andere Hilfsquellen versagen, die Baugenossenschaften einspringcn. Von der Einführung von Schuldverschreibungen glaubt Dr. Schröder warnen zu müssen. Für den Bau von Arbeitcrwohnungen aus gemeinnütziger Fürsorge sei Frankfurt a. M. mustergültig, das zwei Unternehmungen besitze, die auf gemeinnütziger Basis aufgebaut sind und sofort nach ihrer Gründung Dividende abgeworfen hätten. In Bezug auf die Heranziehung der Kommunen für die Bautätigkeit sei Frank- surt a. M. bahnbrechend geworden, da der Magistrat in Frankfurt a. M. etwa 50 Prozent alles verfügbaren Geländes an sich gebracht habe und außerdem noch zweite Hypotheken zu 2 Proz. hergebc. Tie Zukunft zeige sich, so schloß der Referent, nicht ganz rosenrot. Die Baugenossenschaften sollten deshalb ihr Hauvtaugenmerk auf die Kalkulation der Mieten rich ten und dieselben vorsichtig vornehmen. Namentlich sei vor dem so- genannten Prcisdrücken zu warnen. Das Hampterfordernis sei, gesunde und hygienisch einwandfreie Wohnungen herzustcllen. Dann könne die finanzielle Gesundung nicht ausbleiben. An den Vortrag schloß sich eine rege Diskussion an der sich Rcg.-Rat Dr. Grünberg (Frankfurt a. M.), Dr. Schneider (Potsdam), Magistratsrat Feyerabend (München), Justizrat Harnicr (Kassel), Neugebauer (Breslau). Geh. Rat Dr. Liebrccht (Hannover), Genossenschaftsanwalt Dr. Crüger u. a. beteiligten, und in der sie ihre Erfahrungen in ihren Wirkungskreisen zu Kenntnis brachten. Alle Red ner sind der Ansicht, daß auf die private Bautätigkeit nicht zu verzichten sei, selbst wenn der Staat reichlicher als bisher eingreife. Es empfehle sich deshalb nicht, die Baugenossenschaften in Gesellschaften mit bc- schränkter Haftung umzuwandcln. Darauf kam ein Antrag des Gcnossenschaftsanwalts zur Verhand lung, in welchem den Baugenossenschaften die Beachtung bestimmter Grundsätze bei der Berechnung der Wohnungsmieten empfohlen wird. Aus den Wohnungsmieten müssen danach aufgebracht werden die Zin sen sür Wohnungsmieten und sonstige Anleihen, für das in den ver mieteten Hausgrundstücken angelegte eigene Vermögen der Genossenschaft, ferner die jährlich vorzunchmendcn Abschreibungen, die Betriebs unkosten, (Reparaturen, Steuern, Abgaben, Versicherungsprämien- Kosten sür Beleuchtung und Reinigung nsw.), die Geschäftsunkosten (Ge hälter der Vorstandsmitglieder, Bureau-Ntcnsilicn, Burcaumielcn, Porto, Drucksachen usw.), sowie schließlich eine Rücklage zur Bildung angemessener Reserven und zur Deckung von Mictausfällen. Für die Berücksichtigung aller dieser Momente sind in dem Antrag genaue ins Detail gehende Grundsätze ausgestellt, die von allen Baugenossenschaften beachtet werden sollen. Verbandsrevisor Scheidt (Hannover) führte in seinem Referat zu diesem Thema aus: Die Baugenossenschaften müssen bei der Berech nung ihrer Wohnungsmicten von anderen Grundsätzen ausgchen, wie eS die privaten Hausbesitzer zu tun pflegen. Aus der wirtschaftlichen Aus gabe der Baugenossenschaft ergibt sich, daß sie nicht nur dauernd Eigen tümer der sogenannten Mietshäuser bleiben müssen, sondern daß die Wohnungen in diesen Häusern stets ihrem ursprünglichen Zwecke: billige Arbciterwohnungen zu sein, erhalten bleiben. Ein Privatbausbcsitzcr könne die Konjunktur nach jeder Richtung bin ausnutzen. Er sei ein schlechter Geschäftsmann, wenn er das nicht täte. Eine Baugenossenschaft könne das aber nicht. Für sie gebe cs weder Verkaufs- noch Miets steigerung. Der Verzicht auf den Konjunkturgewinn mache cs not wendig. daß die Baugenossenschaft den Betrag, um den sich die Baulich keiten im Werte vermindern, zur Abschreibung bringen, ohne daß eine etwaige Wertsteiaerunq des Grund und Boden? dagegen ausgerechnet werden dürfe. Der Pridathausbesitzcr könne dagegen im Hinblick aus die Steigerung des Grund und Bodens und des Nuhungswerte? von einer Abschreibung absch.en Durch das Prinzip der Baugcnosscnschas'en seien also Mschreibungen bedingt. Hierdurch und auch durch die austu- wcndendcn Geschäftsunkosten erfahren die Baugenossenschaften den Vrivatbausbcsitzer gegenüber eine erhebliche Belastung, die durch die Mieten gedeckt werden müsse. Hieraus ergebe sich — ganz abgesehen von anderen hier nicht zu erörternden Gründen —, daß eine Bauaenossc"- schäft nur da am Piave sei. wo die Privatbautätigkeit nicht genügt, d d wo entweder zu wenig Kleinwohnungen vorhanden sind, oder wo die Mictsvreisc sür die Wohnungen im Verhältnis zu den Herstellungskosten der Hänstr zu teuer werden. An diesen Vortrag knüpfte sich eine lebhafte längere Diskussion, woraus die weiteren Verhandlungen auf morgen (Donnerstag) vertagt wurden. * Am gestrigen Nachmittage sanden die verschiedenen Sitzungen der Verwaltungen und die Generalversammlungen der Hilf sk ässe, der
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